Übungen zur Physik II PHY 121 und PHY 126, FS 2015
Abgabe: Dienstag, 10. März 1200
Serie 2
English terms:
Wärmekapazität = heat capacity
Latente Wärme = heat of transformation
Schmelzwärme = heat of fusion
Wasserdampf = water vapour / steam
Spezifische Wärme = specific heat
Verdampfungswärme = heat of vaporization
Wasserstoffbrücken = hydrogen bond
Allgemeine Fragen
1. Was ist die spezifische Wärmekapazität und was die Wärmekapazität?
Antwort:
Die Wärmekapazität C eines Systems ist gegeben durch:
C(T ) =
δQ
dU
δW
dU
pdV
=
−
=
+
= CV + nR.
dT
dT
dT
dT
dT
(0.1)
Es wurde der 1. Hauptsatz der Thermodynamik und die Volumenänderungsarbeit δW = −pdV verwendet. Das letzte Gleichheitszeichen gilt für ideale Gase (pV = nRT ). Anschaulich ist es die Menge an
Wärmeenergie die einem System pro Temperaturerhöhung zugeführt werden muss. Sie ist Abhängig von
der Anzahl der Freiheitsgrade die angeregt werden können und damit auch von der Temperatur. Die Einheit ist J/K.
C
mit m der MasDie spezifische Wärmekapazität c (auch spezifische Wärme genannt) eines Systems ist m
se des Systems. Der Begriff spezifisch wird auch verwendet wenn die Wärmekapazität mit einer anderen
Grösse als der Masse normiert ist.
Man unterscheidet weiter zwischen cv und cp . Bei ersterem wird bei Erwärmung das Volumen konstant gehalten, bei letzterem der Druck. Bei konstantem Druck muss sich das Volumen bei Erwärmung vergrössern,
somit wird Arbeit verrichtet welche indirekt einen Teil der Wärme speichert. Es gilt also cv < cp .
2. Was ist die molare Wärmekapazität?
Antwort:
Die molare Wärmekapazität ist:
Cm =
C
n
(0.2)
mit der Stoffmenge n. Die Einheit lautet J/(mol K).
3. Was ist eine adiabatische Zustandsänderung?
Antwort:
Eine adiabatische Zustandsänderung ist eine Zustandsänderung die ohne Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet, d.h. δ Q = 0 und somit dU = δW . Solche Zusandsänderungen treten in guter Näherung
bei schnellen Prozessen oder gut isolierten Systemen auf. Ein typisches Beispiel ist die Expansion und
Kompression im Zylinder von Verbrennungsmotoren. Für ideale Gase gilt pV κ = konst. mit dem Adiac
batenexponenten κ = cvp = f +2
f . Diese ist eine wichtige Art der Zustandsänderung, wie auch die auf dem
letzten Blatt besprochenen Zustandsänderungen Isobare, Isochore und Isotherme. Es gibt weitere Arten der Zustandsänderung, dabei wird die Vorsilbe Iso immer verwendet wenn die entsprechende Grösse
konstant ist.
1
4. Diskutiere anhand des Wassers die latente Wärme und was sie bewirken kann.
Antwort:
Beim Schmelzen von Eis zu flüssigem Wasser oder Verdampfen von flüssigem zu gasförmigem Wasser wird
Wärme hinzugefügt ohne dass sich die Temperatur ändert. Diese, für den Phasenübergang erster Ordnung
(z.B. Änderung eines Aggregatzustandes) notwendige Wärme, wird latente (lat. für verborgene) Wärme genannt. Die spezifische Verdampfungswärme für Wasser beträgt L = 2257 kJ/kg und die spezifische
Schmelzwärme L = 333 kJ/kg (Werte aus Taschenbuch der Physik).
Aufgaben
1 Maxwell-Verteilung [3P]
Neutronen aus einem Reaktor werden durch flüssiges Helium der Temperatur T = 4.2 K abgekühlt. Durch Blenden wird ein waagrechter Neutronenstrahl erzeugt. Dieser durchläuft anschliessend ein 210 m langes evakuiertes
Rohr.
(a) [1P] Wie gross ist die sogenannte RMS-Geschwindigkeit vrms (Wurzel aus dem mittleren Geschwindigkeitsquadrat) der Neutronen? Berechnen Sie daraus deren Flugzeit t durch die Röhre und Fallhöhe h unter dem
Einfluss der Erdanziehung.
(b) [1P] Wenn die Halbwertszeit der Neutronen 10.1 Minuten beträgt, wieviel Prozent der Neutronen zerfallen
während des Durchlaufens der berechneten Höhe h?
(c) [1P] Warum ist bei der Maxwell-Verteilung die am häufigsten vorkommende Geschwindigkeit etwas verschieden von der mittleren Geschwindigkeit und diese wiederum verschieden von der sogenannten RMS-Geschwindigkeit,
d.h. von der Wurzel aus dem mittleren Geschwindigkeitsquadrat?
Lösung
(a) Gefragt ist:
√
<
v2
sZ
>=
∞
v 2 p(v)dv.
(1.1)
0
3/2
Für das Integral in der Wurzel ergibt sich mit den Substitutionen A = 4π 2πkmB T
und B = 2km
BT
durch partielle Integration:
Z ∞
Z ∞
2
2
A h −Bv2 3 i∞
−e
v
< v 2 >= A
−
ve−Bv v 3 dv =
−3ve−Bv v dv
(1.2)
2B
0
0
0
Der erste Term ist Null aus dem Zweiten ergibt sich durch erneute partielle Integration analog:
Z ∞
2
3A
e−Bv dv
< v 2 >=
4B 2 0
(1.3)
Dieses Integral berechnet sich gleich wie das Integral über die Gauß-Verteilung. Da die Funktion symmetrisch um 0 ist kann auch von −∞ bis +∞ integriert und durch 2 geteilt werden. Das ganze quadrieren
und man erhält:
2 2 Z ∞
Z ∞
Z ∞
2
3A
3A
−Bv 2
−Bv 2
< v 2 >2 =
e
dv
=
e
dv
·
e−Bu du
(1.4)
8B 2 −∞
8B 2
−∞
−∞
2 Z ∞
2
2
3A
=
e−B(v +u ) dvdu
(1.5)
2
8B
−∞
2
Transformation in Polarkoordinaten (r2 = u2 + v 2 ) ergibt
2 Z ∞ Z 2π
2
3A
re−Br dφdr
2
8B
0
0
2
(3A)
= 2 5π
8 B
< v 2 >2 =
(1.6)
(1.7)
und damit
√
4
< v 2 >2 =
√
r
r
√
3kB T
3
A
< v2 > =
π
=
= 322 m/s.
8 B 5/2
m
(1.8)
Daraus ergibt sich die Flugzeit t zu:
l
= 0.65 s
v
(1.9)
1 2
gt = 2.09 m
2
(1.10)
t=
und eine Fallhöhe h von:
h=
Bemerkung: Normalerweise würde man die mittlere Geschwindigkeit v¯ für die Berechnung einer Flugzeit
nehmen.
(b) Wir benutzen die Formel für die Berechnung der Anzahl noch radioaktiver Atomkerne nach der Zeit t mit
der Halbwertszeit t1/2 = τ · ln(2) von 10.1 min = 600 s + 0.1 min·60 s/min = 606 s:
N (t)
= N0 exp(−λt)
t
= N0 exp(− )
τ
ln(2) · t
= N0 exp(−
)
t1/2
= N0 · 2
−t
t
1/2
.
(1.11)
(1.12)
(1.13)
(1.14)
Das Verhältnis N (t)/N0 := n ergibt dann 99.926%. Es sind also in der Zeit t = 0.65 s 0.074% der Neutronen
zerfallen.
R∞
(c) Der durchschnittliche Wert einer Grösse a mit bekannter Wahrscheinlichkeitsdichte p(v) wird als 0 ap(v)dv
berechnet. Der Wert des Integrals ist in der Regel abhängig von a und ungleich dem Maximum von p(v).
Für die Maxwell-Verteilung gilt p(vmax ) > p(¯
v ) > p(vRM S ). Im Spezialfall einer symmetrischen Verteilung,
wie z.B. der Gauß-Verteilung ist der Mittelwert gleich dem Maximum der Wahrscheinlichkeitsdichte.
2 Gay-Lussac: Temperatur [3P]
Die eine Hälfte eines Gay-Lussac’schen Überströmungsapparates, welcher komplett nach aussen isoliert ist,
enthält ein Mol CO2 in einer Flasche von 10 l Inhalt.
Um wieviel ändert sich seine Temperatur, wenn das Gas ohne äussere Arbeitsleistung sein Volumen verdoppelt
(durch Aussströmen in eine gleichgrosse zweite Flasche) und das ganze System wieder im Gleichgewicht ist?
CO2 verhält sich wie ein Van-der-Waals-Gas mit:
a = 0.36
Pa · m6
,
mol2
cV = 28
3
J
mol · K
Lösung
Wir verwenden die kalorische Zustandsgleichung für Van-der-Waals Gase:
U = cv · n · T − n2
a
V
um ∆T = T1 − T0 zu bestimmen. Da das System keine Arbeit verrichtet (und auch kein Wärmeaustausch
stattfindet), gilt U = const. Somit folgt
cv · n · ∆T = n2 · a ·
1
1
−
V1
V0
und mit V0 = 0.01 m3 , V1 = 2 · V0 , n = 1 mol sowie den in der Aufgabe angegebenen Konstanten nach Auflösung
nach ∆T :
∆T = −0.64 K
Die Luft kühlt sich also während des Überströmens um 0.64 ◦ C ab. Der Grund liegt in den Kräften zwischen
den Gasteilchen, welche beim Van-der-Waals Gas in die Betrachtung miteinbezogen und als anziehend betrachtet werden. Somit bedeutet eine Vergrösserung des durchschnittlichen Abstands zwischen zwei Teilchen, eine
Erhöhung der potentiellen Energie der Teilchen, was sich durch die Abgeschlossenheit des Systems automatisch
in einer Reduktion der kinetischen Energie der Teilchen einhergehend mit einer Temperaturreduktion widerspiegelt.
Genau mit den analogen, umgekehrten Argumenten können wir auch erklären, warum sich ein Ionengas (Gas
mit lauter gleichgeladenen Teilchen, also abstossende Kräfte zwischen den Teilchen) im Gay-Lussac’schen Überstörmungsapparat erwärmen wird.
3 Verdampfungswärme [2P]
Die Verdampfungswärme von Wasser bei 1.013 × 105 Pa und 100 ◦C beträgt 2.256 × 106 J/kg (aus Taschenbuch
der Physik).
(a) [1P] Welcher Bruchteil dieser Energie wird zur Volumenvergrösserung gebraucht?
(b) [1P] Wozu wird der Rest der Wärme gebraucht?
Lösung
(a) Als erstes ist der Ausdehnungskoeffizient γ von Wasser zu berechnen:
γ=
ρH2 O,fl
ρH2 O,gas
= 1247.4,
wobei bei 100 ◦C ρH2 O,fl = 958 kg/m3 und ρH2 O,gas = 0.598 kg/m3 ist (Werte aus Kohlrausch Tabellen und Diagramme: http://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/publikationen/buecher/Kohlrausch/Tabellen/Kohlrausch_3_Tabellen
Da der Prozess isobar verläuft, gilt für die aufzuwendende Arbeit zur Volumenänderung W = p · ∆V . Somit gilt
für die Arbeit:
W
= p · ∆V
(3.1)
= p · (Vgas − Vfl )
m
m
= p·
−
ρgas
ρfl
m
m
ρfl
= p·
−
·
ρgas
ρfl
ρfl
1
= p · m · (γ − 1) ·
ρfl
(3.2)
4
(3.3)
(3.4)
(3.5)
und für die Arbeit pro Masse
Wm =
γ−1
W
=p·
= 1.72 · 105 J/kg
m
ρH2 O,fl
was rund 7.6% der gesamten Verdampfungswärme entspricht.
(b) Der Grund für diesen kleinen Anteil liegt in den starken zwischenmolekularen Kräften von Wasser (Wasserstoffbrücken). Dadurch wird ein hoher Anteil der Verdampfungswärme gebraucht, um diese Bindungen zu
brechen. Man beachte z.B. die Tatsache, dass die spezifische Verdampfungswärme für Wasser bis zu zehnmal
grösser als bei anderen Flüssigkeiten ist.
4 Föhn [4P]
Mit Wasserdampf gesättigte Luft (pB = 9.5 × 104 Pa, TB = 293 K) steigt von Bellinzona zum Gotthard auf.
Während des Aufsteigens kühlt sich die Luft ab und ein Teil des Wasserdampfs kondensiert. Auf der Passhöhe
misst man einen Druck von pG = 7.76 × 104 Pa und eine Temperatur von TG = 285 K.
(a) [1P] Welche Temperatur TG0 würde man auf der Passhöhe messen, wenn kein Wasserdampf kondensiert
wäre (behandeln Sie das Aufsteigen der Luft als adiabatischen Prozess)?
(b) [0.5P] Erklären Sie qualitativ, weshalb die Abkühlung in Wirklichkeit kleiner ausfällt als abgeschätzt.
(c)
[1P] Der Dampfdruck von Wasser beträgt bei 293 K pD,B = 2.3 × 103 Pa, bzw. bei 285 K pD,G =
1.38 × 103 Pa. Wieviele Mol Wasser ist pro Mol Luft während dem Aufstieg kondensiert? Wieviel Wärme ∆Q ist bei der Kondensation dieser Wassermenge frei geworden? Die Verdampfungswärme ist WV =
4.37 × 104 J/ mol.
(d) [0.5P] Um wieviel kann man 1 mol trockene Luft mit dieser Energie ∆Q erwärmen, wenn man den Druck
konstant hält?
(e) [1P] Auf der Nordseite des Gotthards sinkt die Luft auf 500 m.ü.M hinunter. Der Druck sei wieder pN =
pB = 9.5 × 104 Pa und der Prozess sei adiabatisch. Wie gross ist die Endtemperatur TN auf der Nordseite?
Begründen Sie qualitativ, weshalb die Luft wesentlich wärmer wird als sie in Bellinzona war.
Lösung
(a) Wir verwenden die Adiabatengleichung für die Abkühlung, welche als adiabatischer Prozess behandelt
wird.
p · V κ = const.
wobei κ der Adiabatenkoeffizient ist. Im Falle von Luft gilt κ ≈ cP /cV = 1.4. Weiter nehmen wir an, dass
die Luft der idealen Gasgleichung gehorcht, folglich können wir durch Einsetzen dieser in die Adiabatengleichung das Volumen V eliminieren:
⇒ p1−κ · T κ = const.
⇒ p1−κ
· TBκ = p1−κ
· TGκ0
B
G
!(1−κ)/κ
pB
⇒ TG0 = TB ·
pG
⇒ TG0 = 276.5 K
Vom rein adiabatischen Prozess würden wir folglich eine Temperatur von rund 3.5 ◦ C erwarten.
5
(4.1)
(b) Die höhere tatsächliche Temperatur TG ist die Folge des Kondensationsprozesses von einem Teil des in der
Luft enthaltenen Wassers. Da dieser Prozess Wärme abgibt, führt er zu einer Erhöhung der Temperatur
verglichen mit dem abgeschätzten Wert TG0 .
(c) Wir können mittels der idealen Gasgleichung die Molare Dichte der Luft ρeLuft,i = ni /Vi mit i = [B, G]
für Bellinzona und Gotthard bestimmen:
ρeLuft,i
=
pi
,
R · Ti
wobei wir für die Situation auf dem Gotthard den wahren
Wert für T einsetzen müssen.
ρeLuft,B
=
39 mol/m3
ρeLuft,G
=
32.75 mol/m3 .
Ebenfalls können wir die Molare Dichten für den Wasserdampf abschätzen:
ρeH2 O,i
=
ρeH2 O,B
=
pD,i
R · Ti
0.944 mol/m3
ρeH2 O,G
=
0.58 mol/m3 .
Das Verhältnis der Molaren Dichten des Wasserdampfes und der Luft in Bellinzona beträgt somit rund
rB = 0.0242 und auf dem Gotthard rG = 0.0177. Das heisst, rund ∆rmol = rB − rG = 0.0065 Mol Wasser
pro Mol Luft werden während des Prozesses auskondensiert.
Die Verdampfungswärme für Wasser beträgt WV = 4.37 · 104 J/mol. Somit lässt sich die frei gewordene Energie ∆Q pro Mol Luft bestimmen mittels:
∆Q = WV · ∆rmol = 284 J/molLuft .
(d) Der Erwärmung findet bei konstantem Druck statt, somit gilt:
∆Q = cP · ∆T
∆Q
∆Q
⇒ ∆T =
= 7 = 9.8 K.
cP
2R
Somit könnte man die Luft um 9.8 K erwärmen, was TGe = TG0 + ∆T = 286.3 K ergäbe. Dies stimmt fast
mit dem ursprünglichen Wert von TG = 285 K überein.
(e) Der Absinkprozess findet wieder adiabatisch statt. Wir verwenden dabei wieder (4.1) und erhalten:
TN = TG ·
⇒
pG
pN
! (1−κ)
κ
TN = 302 K.
Die Temperatur auf der Nordseite beträgt also rund 30 ◦ C. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass es
sich bei dem Absinkprozess um eine trockenadiabatische Erwärmung handelt, während der Aufstieg eine
feuchtadiabatische Abkühlung ist.
17. März 2015
6