Peripheres São Paulo Kollektives Berlin Ich-bezogene Bilder Die profitorientierte Stadtentwicklung verdrängt die Armen an den Rand. Seite 10 Die Zahl selbstverwalteter Betriebe in der Hauptstadt steigt wieder. Seite 11 Die Ausstellung »Ich« beschäftigt sich mit Selbstporträts. Seite 15 Foto: nd/Anja Märtin Foto: Museum der Moderne Salzburg © VG Bild-Kunst, Bonn 2016 Dienstag, 22. März 2016 71. Jahrgang/Nr. 69 Berlinausgabe 1,70 € www.neues-deutschland.de * STANDPUNKT Menschenrecht Wasser Knapper Lebensquell Zwei Millionen Ausländer mehr 780 Millionen Menschen ohne Trinkwasser-Zugang / Warnung vor Privatisierungen Zuwanderung nach Deutschland erreicht 2015 Rekordniveau Alexander Isele über die Fluchtursache Klimawandel 200 000 Flüchtlinge als Obergrenze: Dies forderte erneut der bayerische Scharfmacher Horst Seehofer. Vor ein paar Jahren zirkulierte ein Papier von Greenpeace, das von 200 000 000 Klimaflüchtlingen bis zum Jahr 2040 ausging. Die Studie wird mittlerweile kritisiert, weil es immer noch keine belastbaren Zahlen zu Klimawandel und Migration gibt. Die wenigsten Betroffenen werden die Möglichkeiten haben, sich auf die Flucht zu begeben. Aber davon kann ausgegangen werden: Der Teil der Welt, in dem Trinkwasser in bester Qualität aus den Leitungen sprudelt, wird eine Anziehungskraft auf all diejenigen ausüben, deren »Trinkwasser« krank macht. Selten gibt es nur einen einzelnen Grund für Flucht. Wessen Insel aber im Meer versinkt, wer verdurstet, wer nichts zu essen hat, weil es seit fünf Jahren nicht mehr geregnet hat, wird aufbrechen auf der Suche nach – Überleben. Seehofer hat Angst, dass Deutschland die Hauptlast bei der Aufnahme der Flüchtlinge tragen müsse. Über die Lastenverteilung sollte man sich mit ihm einmal bei einem Glas Wasser unterhalten. Und ihm dabei Mittel zur Bekämpfung der Klimafluchtursachen nahelegen: ein Ende der Subventionierung von Verbrennungsmotortechnologien, ein Umbau der auf Treibhausgasemissionen beruhenden Wirtschaft, der Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs ... Wasser ist Leben und ein Menschenrecht, welches vom Klimawandel bedroht ist. UNTEN LINKS Zu Wochenbeginn pfeifen zwei Kometen an der Erde vorbei, man kann auch sagen, sie verfehlen unseren Planeten um Haaresbreite – 3,5 Millionen Kilometer Abstand sind im Kosmos das, was Billy the Kid unten in New Mexico vielleicht einen Streifschuss genannt hätte. Der ballerte sich 1881 den Weg aus dem Gefängnis frei, und alle Welt erzählt seither von den Treffern des Revolverhelden, nicht von den danebengegangenen Kugeln. Wer weiß schon, ob es im weiten All nicht Ähnliches gibt, und welche bösen Buben hinter dem Mars kauern und sich duellieren. Und was davon daneben geht, fliegt uns um die Ohren. Da heißt es Luft anhalten! Doch was, wenn sie unseren Planeten mal direkt anvisieren, nur so? Dann gute Nacht! Umso ärgerlicher, wenn hier einige herumlärmen und die Außerirdischen auf uns aufmerksam machen. Wir möchten deshalb Herrn Kim in Nordkorea höflichst ersuchen, seine Raketen steckenzulassen, wo sie sind. Oder auf ihnen zum Duell hinter den Mars zu reiten. uka ISSN 0323-4940 Wiesbaden. Noch nie sind mehr Ausländer neu nach Deutschland gekommen als im vergangenen Jahr. Bis zum Jahresende 2015 wurde der Zuzug von knapp zwei Millionen ausländischen Personen registriert. Das ist das Ergebnis einer Schätzung, die das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden vorlegte. Als Grund für die hohe Zuwanderung nannten die Statistiker auch den starken Zustrom von Flüchtlingen. Da gleichzeitig rund 860 000 Ausländer fortzogen, ergibt sich daraus ein sogenannter Wanderungssaldo von 1,14 Millionen – der höchste jemals gemessene Wanderungsüberschuss von Ausländern in der Geschichte der Bundesrepublik. 2014 hatte es noch 1,343 Millionen Zu- und 766 000 Fortzüge gegeben, woraus sich ein Saldo von 577 000 ergeben hatte. Unterdessen bleibt die Lage der Menschen in den Berliner Flüchtlingsunterkünften prekär. Hunderte Kinder können derzeit nicht in die Schule gehen, weil für sie keine Plätze in Willkommensklassen zur Verfügung stehen, heißt es. Agenturen/nd Seite 2 Urteil gegen ukrainische Pilotin Schuldspruch russischer Richter Das lebensnotwendige Nass ist vielerorts ein knappes Gut. Berlin. 780 Millionen Menschen weltweit haben derzeit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 2,6 Milliarden leben ohne grundlegende Sanitäreinrichtungen. Dies hat die Umweltstiftung WWF anlässlich des Weltwassertages an diesem Dienstag ausgerechnet. Nach UN-Angaben sterben jährlich etwa 3,5 Millionen Menschen an den Folgen schlechter Wasserversorgung. Die Vereinten Nationen, die das Menschenrecht auf sauberes Wasser und sanitäre Grundversorgung zum eigenständigen Entwicklungsziel erklärt haben, fordern anlässlich des Weltwassertages zu mehr Investitionen in diesen Sektor auf. Foto: Reuters/Oswaldo Rivas Indes warnen Globalisierungskritiker vor der Gefahr weiterer Privatisierungen: Dies drohe »mehr denn je« durch zahlreiche internationale Freihandelsverträge, heißt in einer Erklärung des Forums Umwelt und Entwicklung vom Montag. »Die Wasserversorgung muss Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge bleiben«, betont der Zusammenschluss von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sowie von Vertretern der öffentlichen Wasserwirtschaft. Dies diene auch dem nachhaltigen Gewässerschutz. Das sehen die Stadtwerke genauso: »Wasser ist keine übliche Handelsware«, erklärte Christa Hecht, Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft. Das Forum fordert zudem bei der laufenden Neuregelung der Düngemittelverordnung strenge Richtlinien zugunsten des Gewässerschutzes. Wasserdienstleistungen seien laut dem Forum »elementarer Teil der Daseinsvorsorge«. Sparzwänge in den Kommunen dürften nie dazu führen, dass die Personaldecke in diesem Bereich zu kurz wird: »Das mit Blei vergiftete Wasser, das in der Stadt Flint (USA) monatelang aus dem Wasserhahn kam, sollte uns hierbei eine Warnung sein«, sagt Wolfgang Rebel vom Berliner Wassertisch. nd Seite 3 Kuba-Besuch schon zu Beginn »historisch« US-Präsident Barack Obama in Havanna für »neue Beziehungen zwischen unseren Völkern« Nach der Ankunft des US-Präsidenten auf Kuba ging es Montagabend (MEZ) in Havanna in die politischen Gespräche. Von Andreas Knobloch, Havanna Der offizielle Empfang des USPräsidenten durch seinen kubanischen Amtskollegen Raúl Castro stand am Montagabend (MEZ) auf dem Besuchsprogramm Barack Obamas in Kuba. Bereits zuvor sprach der Gast in der US-Botschaft von einem »historischen Besuch« und einer »historischen Möglichkeit, sich direkt mit den kubanischen Menschen auszutauschen und neue Beziehungen zwischen unseren Völkern aufzubauen.« Als seine Vision präsentierte Obama, dass die Zukunft heller sei als die Vergangenheit. Dass weder Präsident Raúl Castro noch Vize-Präsident Miguel Díaz-Canel am Sonntagabend bei einsetzendem Regen zum Flughafen der kubanischen Hauptstadt gekommen waren, sorgte auf den Straßen Havannas noch einige Zeit für Gesprächsstoff. US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump sprach in einem Twitter-Eintrag sogar von »fehlendem Respekt«. Das Weiße Haus wiederum beschwichtigte, man werte dies nicht als Affront. Begrüßt wurden Obama und seine Familie am Flughafen von Kubas Außenminister Bruno Rodríguez sowie der für die USA zuständigen Direktorin im kubanischen Außenministerium, Josefina Vidal. Ein kurzer, höflicher Empfang ohne Zeremonie. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, der am Freitag überraschend nach Kuba kam, war von Díaz-Canel empfangen und von Raúl Castro mit dem José MartíOrden, dem höchsten Orden Kubas, dekoriert worden. Am Sonntag machte die Tageszeitung »Juventud Rebelde« mit einem Foto vom Besuch Maduros bei Revolutionsführer Fidel Castro auf. Obama ließ sich die Laune aber weder vom kühlen Empfang noch vom Regen verderben. »Que bolá Cuba?« (Wie geht’s Kuba?) schrieb er in seinem Twitter-Account, »Meine Vision ist, dass die Zukunft heller ist als die Vergangenheit.« Barack Obama, US-Präsident, auf Kuba kaum dass er gelandet war. »Ich freue mich darauf, das kubanische Volk kennenzulernen und anzuhören.« Bereits vor seiner Anreise hatte Obama einen viel beachteten Auftritt im Programm des kubanischen Komikers Pánfilo in einem kurzen Telefonsketch. Nach der Ankunft am Sonntagabend und einem kurzen Rundgang durch Havannas Alt- stadt in Begleitung des Stadthistorikers Eusebio Leal Spengler besuchte Obama die Kathedrale und traf mit Kardinal Jaime Ortega zusammen. Der Geistliche hatte zwischen den USA und Kuba eine wichtige Vermittlerrolle gespielt. Havanna selbst erlebte Obamas Ankunft unaufgeregt. Wenige Schaulustige verirrten sich auf die Straßen. Nur am Nachmittag, noch bevor Obama gelandet war, gab es kurz Wirbel. Bei dem sonntäglichen Marsch der systemoppositionellen »Damen in Weiß«, die nicht nur die Castros zum Teufel wünschen, sondern auch den Obama-Besuch ablehnen, war es in Havannas Stadtteil Miramar zu Handgreiflichkeiten mit staatlichen Gegendemonstranten gekommen. Nach einer Sitzblockade wurden rund 50 »Damen in Weiß« und zehn weitere Oppositionelle kurzzeitig festgenommen. Insgesamt soll es laut dpa an mehreren Tagen rund 180 Festnahmen gegeben haben. Donezk. Ein russisches Gericht hat die ukrainische Militärpilotin Nadeschda Sawtschenko in einem Mordprozess schuldig gesprochen. Dies werde durch Beweise und Zeugenaussagen belegt, die während der Verhandlung untersucht wurden, zitierte die Nachrichtenagentur RIA/Nowosti Richter Leonid Stepanenko am Montag. Das Strafmaß wird für diesen Dienstag erwartet. Die Anklage hatte 23 Jahre Lagerhaft beantragt. Sawtschenko wird vorgeworfen, 2014 im Kriegsgebiet Ostukraine maßgeblich am Tod von zwei russischen Journalisten beteiligt gewesen zu sein. Sie soll Standortdaten an das ukrainische Militär gegeben haben. Die Reporter wurden bei Mörserbeschuss getötet. Die 34-Jährige habe »aus Motiven des Hasses und der Feindschaft« gehandelt, zitierte die Agentur Interfax Richter Stepanenko in der südrussischen Kleinstadt Donezk nahe der Grenze zur Ukraine. Sawtschenko und die ukrainische Führung weisen die Vorwürfe zurück. Sie behaupten, die Soldatin sei nach der Festnahme über die Grenze verschleppt worden. Agenturen/nd Renten steigen um bis zu sechs Prozent Sondereffekt: Opposition sieht keinen Grund zur Euphorie Berlin. Für 21 Millionen Rentner in Deutschland steigen die Bezüge zum 1. Juli deutlicher als erwartet. Wie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Montag bekanntgab, erhöhen sich die Renten im Westen um 4,25, im Osten um 5,95 Prozent. Das sei auf die gute Lage am Arbeitsmarkt, das Wirtschaftswachstum und die steigenden Löhne zurückzuführen. Seit 23 Jahren hatte es keinen so starken Anstieg der Altersbezüge mehr gegeben. Der Beitragssatz soll unverändert bei 18,7 Prozent bleiben. Die jetzige Erhöhung ist allerdings hauptsächlich einem statistischen Sondereffekt geschuldet, die Opposition sieht daher keinen Grund zur Euphorie: Der Rentenexperte der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald, forderte die Koalition auf, Rentenreformen der vergangenen Jahre rückgängig zu machen. Die sorgten dafür, dass die Renten den Löhnen hinterherhinken. Die Grünen fordern angesichts der guten Finanzlage, die Mütterrente nicht mehr auf Kosten der Rentenkasse zu finanzieren. epd/nd Seite 9
© Copyright 2025 ExpyDoc