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SÜDWESTRUNDFUNK
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Günther Oettinger (CDU), EU-Kommissar, gab heute,
17.03.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema
„Union – zerrissen vor dem EU-Gipfel“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marie Gediehn.
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Datum:
17.03.2016
Mit freundlichen Grüßen
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EU-Kommissar Oettinger: "Die Türkei nehmen, wie sie ist"
Baden-Baden: Der EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) sieht dem EU-Gipfel heute und
morgen trotz der erneuten CSU-Kritik optimistisch entgegen. Oettinger sagte im
Südwestrundfunk (SWR), er würde sich wünschen, dass die CSU eher die gesamtheitliche
Lösung sieht. Die Türkei müsse man "nehmen wie sie ist". Oettinger sagte: "Die Türkei
entspricht nicht 100 Prozent unseren Erwartungen, sie ist nicht voll demokratisch". Das Treffen
in Brüssel bringe vielleicht keinen Durchbruch, aber eine Verbesserung Schritt für Schritt: Den
jungen Türken gönne er die Visafreiheit, so Oettinger, "wir sollten hier über unseren Schatten
springen und ich bin sicher, wie werden im Bundestag und Bundesrat eine Mehrheit finden mit
der CSU, damit Visums- und andere Erleichterungen den Türken helfen, uns zu helfen."
Mit Blick auf die CSU müsse man zwischen Rhetorik und Fakten unterscheiden. Er sei sich
sicher, die CSU werde weiter drei Minister in Berlin stellen und eine Regionalpartei bleiben.
Beim EU-Gipfel gehe es jetzt nicht um einen Druchbruch sondern um eine Lösung Schritt für
Schritt: "Ich würde mir wünschen, dass die CSU eher die gesamtheitliche Lösung sieht.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Gediehn: Die Aussicht auf ein grün-schwarzes Regierungsbündnis in Ihrer Heimat:
Beunruhigt oder freut Sie das?
Oettinger: Tja, besser als gar nichts, wir brauchen eine Regierung. Wir müssen schauen, wie
wir mit dem Wahlergebnis hinkommen und ich glaube, dass grün-schwarz eine Möglichkeit ist.
Und deswegen begrüße ich es, wenn die beiden Parteien in diesen Stunden sondieren,
vielleicht bald verhandeln und wenn es geht, auch einig werden.
Gediehn: Sie haben gesagt „besser als gar nichts“. Für das schlechte Abschneiden der
CDU bei diesen Wahlen macht die Union, speziell die CSU, die Flüchtlingspolitik
mitverantwortlich. Gestern Abend spät war in dieser Sache mal wieder der CSU-Chef im
Kanzleramt. Ist Horst Seehofer inzwischen so etwas wie der heimliche Kanzler dieser
Republik?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Oettinger: Nein. Er ist natürlich geprägt von den Strömen die primär in Passau ankommen. Er
weiß genau, wie die Aufgabe ist, Erstversorgung zu leisten. Aber klar ist, Deutschland hat eine
besondere Verantwortung. Die nehmen wir wahr. Und wir bauen darauf, dass wir heute und
morgen in der Europäischen Union eine Lösung bekommen, die die Außengrenzen schützt.
Das heißt, die Geld erbringt für Menschenwürde in Lagern in der Türkei, im Libanon und
Jordanien, die die Grenzen dann auch etwas dichter gemacht wie bisher, und die die Quote, die
wir aufnehmen, verteilt. Ich glaube, dass die Kanzlerin Recht hat und dass der Zug von Horst
Seehofer der Kanzlerin vielleicht nicht hilft, aber der Druck, den Horst Seehofer macht, der hilft
uns allen, zu erreichen, dass wir nicht 28 mal einzeln handeln, sondern gemeinsam handeln.
Gediehn: Gut. Das heißt, wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, ist das eine Art Aufteilung:
„bad Cop – good cop“ und Herr Seehofer gibt den „bad cop“, damit dann in der EU die
anderen Frau Merkel zustimmen? Geht das auf?
Oettinger: Das weiß auch nicht. Ich würde mir wünschen, dass die CSU eher die gesamtheitliche Lösung sieht. Aber umgekehrt: Ich kann verstehen, wenn man mit Landräten spricht in
Passau, in Regensburg: Die sind am Ende. Die haben so viele Aufgaben, die Ehrenamtlichen
genauso, THW und Caritas und Rotes Kreuz. Die bayerische Seite ist die Flanke, an der alles
aufschlägt.
Gediehn: Gut. Aber im Moment ist diese Flanke ja sehr dabei, sich zu erholen. Im Moment
kommt gerade in Passau kaum noch jemand an, verglichen mit vergangenem Jahr. Und
jetzt philosophiert Herr Seehofer heute früh per Zeitung, dass die CSU sich erst mal nicht
auf ganz Deutschland ausdehnt. Wann ist denn da mal eine Grenze erreicht?
Oettinger: Man muss unterscheiden zwischen Rhetorik, zwischen den Drohungen, die ich
verstehen kann, und den Fakten. Ich bin mir sicher, die CSU bleibt eine Partei, die die Koalition
in Berlin trägt, die drei Minister stellt und die eine Regionalpartei bleibt. Ich bin mir ganz sicher.
Aber umgekehrt: Natürlich haben wir jetzt ein paar Tage Ruhe, aber absehbar ist doch, dass in
wenigen Wochen, die Flüchtlingsströme anschwellen würden, wenn wir dann nicht in der Lage
sind, eine Lösung vor Ort zu erreichen. Vor Ort heißt: In Libyen, Türkei, Libanon und Jordanien.
Gediehn: Schauen wir auf den Gipfel heute. Frau Merkel hat ja, wenn sie nach Brüssel
reist, nicht nur das tiefe Misstrauen der Union im Rücken, sondern vor sich eine
weitgehend uneinige EU. Jetzt geht es heute – und vor allen Dingen dann aber morgen –
ja um eine Einigung mit der EU, um die EU-Außengrenzen besser zu sichern. Was haben
Sie denn für Anzeichen, dass ausgerechnet heute und morgen ein Durchbruch kommt?
Oettinger: Wir tun alles, um die Kanzlerin zu stärken. Wir brauchen Geld und wir werden Geld
bekommen, um die Flüchtlingsunterkünfte in der Region zu stärken. Wir werden Geld in die
Hand nehmen, europäische Mittel, um Menschen würdig in Jordanien und Libanon
unterzubringen. Zweitens: Ich bin mir sicher, dass die Außengrenzen durch NATO-Truppen und
durch Marine und durch die Griechen von uns gestärkt werden. Dass heißt, ich glaube kein
Durchbruch, aber eine Verstärkung, eine Schritt-für-Schritt-Verbesserung der europäischen
Lösung wird kommen.
Gediehn: Trotzdem wird das nur mit der Türkei funktionieren. Das ist zumindest die
Ansicht der Kanzlerin. Sie sagen, Sie stärken ihr den Rücken. Das aber unter anderem
nur gegen Visa-Freiheit, was die CSU ablehnt. Jetzt sind wir wieder am Anfang: Wie soll
das funktionieren?
Oettinger: Die Türkei entspricht nicht hundert Prozent unseren Erwartungen. Sie ist nicht volldemokratisch, sie ist nicht voll-freiheitlich, aber wir müssen die Türkei nehmen, wie sie ist. Und
jungen Türken gönne ich die Visafreiheit. Das heißt, wir sollten hier über unseren Schatten
springen und ich bin sicher, wir werden im Bundestag, im Bundesrat eine Mehrheit finden, mit
der CSU, damit Visums- und andere Erleichterungen den Türken helfen, uns zu helfen.
- Ende Wortlaut Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)