Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA-Verlag BÜRGER / REPORT Das Anti-TTIP-Bündnis - Großer Spieler Eurozone ... Francisco Mari im Gespräch Handelsabkommen EPAs Fuß der EU in der Tür Afrikas Interview auf der TTIP Strategie und Aktionskonferenz in Kassel am 26. Februar 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Dienstag, 22. März 2016 Die USA gegen Indiens Solarzellen eine Vorschau auf TTP, TTIP, CETA, TISA etc. Internationale Presseagentur Pressenza Büro Berlin von Silvia Swinden, 21. März 2016 (SB) Der Jurist und Sozialpsycho- loge Francisco Mari ist seit 2009 bei Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst Projektreferent in den Bereichen Agrarhandel und Fischerei mit den Schwerpunkten Welthandelsorganisation ... (S. 9) SPORT / BOXEN Weise Entscheidung im rechten Augenblick Ola Afolabi hängt die Boxhandschu he an den Nagel Solarpanels in Tamil Nadu, Indien Bild: By Vinaykumar8687 (Own work) [CC BYSA 4.0 (http://creativecom mons.org/licenses/bysa/4.0)], via Wikimedia Commonshttps:// creativecommons.org/licenses/ bysa/4.0/deed.en Vor wenigen Tagen hat Ola Afolabi anläßlich seines 36. Geburtstags den Rücktritt vom aktiven Boxsport bekanntgegeben. Afolabi, London 21.03.2016. Die USA hader nigerianische Wurzeln ... (S. 14) ben Indiens Bemühungen zur Ankurbelung der lokalen Produktion von Solarzellen und Solarmodulen, die KINDERBLICK dringend benötigte Energie für Millionen von Menschen erzeugt hätten, Nicht schnell genug, blockiert. Sie klagten dies bei der um zu entkommen ... Wer kennt schon Meister Lampes WTO World Trade Organisation unter der Behauptung an, die vorrangiNot? ge Behandlung der lokalen Produk(SB) Da der Hase nicht zu den tion verletze WTO-Regeln. Nutztieren zählt, über keine für den Menschen brauchbaren Fähigkeiten Indien hingegen argumentierte, die verfügt, gerät er leicht aus dem lokale Produktion helfe dem Land, Blickfeld. Sicherlich als Hasenbraten seine Klimaverpflichtungen gemäß wird er geschätzt, aber wer kennt der United Nations Framework ConMeister Lampe schon ... (S. 15) vention on Climate Change (UNFC(SB) CC) einzuhalten, aber die WTO wies dieses Argument zurück. Sie erklärte, eine Innenpolitik, die WTO Regeln verletze, könne nicht auf Basis dessen gerechtfertigt werden, dass sie UNFCCC oder andere internationale Klimaverpflichtungen erfülle. "Wir unterstützen Indiens ambitioniertes Vorhaben der Solarenergie und sind bereit, diese Expansion mit zusätzlichen Finanzhilfen zu beschleunigen", sagte Obama während seines Besuchs 2015 in Indien. "Wir haben unsere ambitionierten nationalen Bemühungen und Ziele diskutiert, die darauf abzielen, die Nutzung von sauberer und erneuerbarer Energie zu erhöhen" wiederholte Modi. "Ich habe ihn (Obama) gebeten, internationale Bemühungen, erneuerbare Energien überall in der Welt zugänglicher und erschwinglicher zu machen, anzuführen." Elektronische Zeitung Schattenblick Aber das WTO-Schiedsgericht hat genau das getan, was die ISDS Schiedsgerichte für TTIP, TTP, CETA, TISA und andere "Freihandelsabkommen" tun werden, die zur Zeit überall in der Welt hinter verschlossenen Türen diskutiert werden, nämlich Länder daran zu hindern, gemäß ihren eigenen Bedürfnissen zu planen und dafür den Profiten von großen Unternehmen Priorität einzuräumen. kündigte an, die US-Regierung auf tentional: The Phenomenology ofthe 15 Milliarden US-Dollar verklagen Nonviolent Revolution" - Adonis & zu wollen, weil diese die Keystone Abbey, London 2006 XL Pipeline, die den dreckigen Teersand transportieren soll, nicht geneh- Der Text steht unter der Lizenz migt hat." Creative Commons 4.0 http://creativecommons.org/ Indien kann nun gegen das Urteil licenses/by/4.0/ Einspruch erheben, aber die Handelsregeln sind klar und sie rasen un* gebremst auf eine Diktatur des Profits zu Lasten der Bedürfnisse der Quelle: Menschen zu. Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin Übersetzung aus dem Englischen Johanna Heuveling von Evelyn Rottengatter E-Mail: [email protected] Internet: www.pressenza.com/de Die USA, bekannt für ihre protektionistischen Regeln und "Buy local"Politik, haben wieder einmal bewiesen, dass sie mit zweierlei Maß messen und nichts deutet daraufhin, dass sich ihr Verhalten ändern wird, nach- Über die Autorin: dem die neuen FreihandelsabkomSilvia Swinden ist die Autorin von men unterzeichnet sind. "From Monkey Sapiens to Homo InThe Ecologist schreibt: "Nicht das erste Mal, dass Handelsabkommen Umweltpolitik blockieren". "Handelsabkommen erweisen sich oft als Stolpersteine für Maßnahmen gegen den Klimawandel. Geltende Handelsregeln limitieren die Möglichkeiten der Regierungen, lokale erneuerbare Energien zu unterstützen, sie unterlaufen den Transfer von sauberen Energietechnologien und erlauben Ölfirmen, Klimaschutz vor geheimen Gerichten anzuklagen. Handelspolitik behindert somit eine nachhaltige Zukunft." "2012 entschied die WTO gegen Ontarios innovativen Green Energy Act, der erneuerbare Technologien fördern und Arbeitsplätze im Bereich saubere Energien schaffen sollte. Ähnlich wie im Falle Indiens enthielt das Gesetz einen "Feed-in-Tariff" zur Unterstützung lokaler Versorger. Dies wurde geändert, um den WTORegeln zu genügen." "Allein in den letzten drei Monaten wurde Ecuador dazu verurteilt, eine Milliarde US Dollar zu zahlen, weil es einen Vertrag zur Ölförderung unter einem bilateralen Investmentvertrag storniert hatte und TransCanada Seite 2 http://www.schattenblick.de/ infopool/politik/wirtsch/ pwi00294.html POLITIK / REPORT / INTERVIEW Migrationskonferenz Kampnagel - Kollateralschaden Migration und Flucht ... Ilhan Akdeniz im Gespräch In der Fremde sich zu behaupten, geht nur mit anderen zusammmen Interview mit Ilhan Akdeniz von der ADHK am 27. Februar 2016 auf Kampnagel in Hamburg Hinter der scheinbar so schlichten Aussage "Flüchtling zu sein ist keine Wahl!", so auch der Titel des von der Konföderation für Demokratische Rechte in Europa (ADHK) gehaltenen Vortrags auf Kampnagel, verbirgt sich weit mehr als das auf allen TV-Kanälen ins Gewissen rufende Elend jener Flüchtlinge, die zum Beispiel am griechisch-mazedonischen Grenzübergang Idomeni mit der unversöhnlichen Realität der Abschottung Europas konfrontiert sind. Migration und Flucht sind immer auch das Resultat (SB) www.schattenblick.de einer kapitalistischen Wirtschaftsweise im Bunde mit einer imperialistischen Politik. Produktionsketten werfen nur Profit ab, wenn Märkte und Transitwege, der Abbau von Ressourcen und die Verbilligung der Arbeitskraft in einer sich rasant vernetzenden Welt frei verfügbar und jederzeit abrufbar sind. So kann die Nutzung einer Wasserstraße für den internationalen Schiffsverkehr so wertvoll sein, daß für deren Schutz selbst die Souveränitätsrechte eines Staates beschnitten oder Regierungen installiert werden, die gegen die Di, 22. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Interessen der eigenen Bevölkerung einzig und allein dem globalen Kapital dienen. Wenn jetzt Flüchtlinge vermehrt nach Europa kommen, wird oft vergessen, daß sie dies nur tun, weil die westliche Staatenwelt in ihren Heimatländern Krieg um Bodenschätze und geostrategische Ziele führt. misch und frei von Ressentiments leben zu können, gleichzeitig aber ein Rad in Bewegung setzte, für das Soziologen in späteren Jahren den Begriff der Parallelgesellschaften schufen, um darüber hinwegzutäuschen, daß eine Integration im Sinne eines multiethnischen Zusammenlebens von der Politik über Jahrzehnte weder erwünscht noch angestrebt war Ein weiterer unverzichtbarer Bau- die Rückkehrprämie in den 80er Jahstein im System kapitalistischer Pro- ren ist ein gutes Beispiel dafür. duktion betrifft den regulierten Zustrom von Arbeitsmigranten. Bereits Die ökonomische Situation der etwa in den 50er Jahren setzte eine Ein- zwei Millionen in Deutschland lewanderungswelle vor allem aus Ita- benden Türken und Kurden hat sich lien, Griechenland und Spanien nach inzwischen verbessert. Mit über Deutschland ein, die ihren Höhe- 70.000 türkischstämmigen Unterpunkt in den Anmeldebüros in der nehmen, die fast eine Million MenTürkei fand. Armut, kaum ausrei- schen beschäftigen, stellt ihre Comchende Lebensperspektiven und die munity einen wichtigen WirtschaftsHoffnung, in den Genuß demokrati- faktor dar, auch wenn sich dieser scher Grundrechte zu kommen, die vornehmlich aus dem Kleingewerbe sie im eigenen Land entbehren muß- und mittelständischen Betrieben ten, brachte zigtausende junger tür- speist. Eine politische Gleichstelkischer Männer in die deutschen Me- lung, wie im Grundgesetz verbürgt, tropolen, wo Arbeitskräfte speziell in ist damit jedoch nicht verbunden. Berufsbranchen dringend gesucht Nach wie vor besitzen Menschen mit wurden, die deutschen Erwerbstäti- Migrationshintergrund, unabhängig gen keinen Anreiz boten, schlecht davon, ob sie einen deutschen Paß bezahlt waren und Knochenarbeit er- besitzen oder nicht, schlechtere Beforderten. rufsperspektiven, weisen eine höhere Arbeitslosenquote auf und sind Daß Betriebe und Berufsverbände verstärkt seit den 90er Jahren Diskriden Ali aus Anatolien mit offenen minierungen und rassistischen ÜberArmen empfangen haben, ist ein sich griffen ausgesetzt, die unter anderem bis heute hartnäckig haltendes Ge- in Solingen und Mölln Todesopfer rücht. Die Wirklichkeit sah viel tri- forderten. ster aus. Das Einquartieren in firmeneigene Holzbaracken unweit des In der Schwebe zwischen ihrem HerArbeitsplatzes, eine latente bis offe- kunftsland, zu dem sie oft keine ne Ablehnung der einheimischen Be- emotionale Bindung haben, und völkerung und die sich bald einstel- Deutschland als ihrer ideellen Heilende Gewißheit, in vielen Bereichen mat fühlen sie sich bisweilen wie der gesellschaftlichen Teilhabe un- Fremde im eigenen Herzen, nirgends terprivilegiert und ausgegrenzt zu zugehörig. In dem Kampf um Selbstsein, gaben dem Willkommensgruß wert und Souveränität sind Migranden schalen Beigeschmack, gedul- tenorganisationen keine wirkliche det, vielleicht toleriert, aber als Hilfe, da diese in der Regel als Folie Mensch nicht akzeptiert zu werden. des türkischen Generalkonsulats All das führte in der Folge zu einer fungieren. Nicht erst seit den FlüchtGhettoisierung, die den türkischen lingsströmen des letzten Jahres Gastarbeitern allerdings einen Teil wachsen wieder Mauern und stachelihrer kulturellen Identität und das drahtbewehrte Grenzen in Europa Gefühl zurückgab, wenigstens inner- empor, werden Gesetze bis an den halb engumgrenzter Stadtviertel hei- Rand der Legitimität verschärft, die Di, 22. März 2016 www.schattenblick.de die Gesellschaften nachhaltig verändern und das Kleinod in der Erinnerung, daß alle Menschen einen Nabel besitzen, in unerreichbare Sphären verrücken. Die ADHK will ein Bewußtsein für den Reichtum der kulturellen Vielfalt wecken und daran gemahnen, daß die größte Gefahr immer schon von der Vereinheitlichung des gesellschaftlichen Lebens ausgegangen ist. Im Anschluß an den besagten Workshop hatte der Schattenblick Gelegenheit, dem Vortragsredner Ilhan Akdeniz einige Fragen zu stellen. Ilhan Akdeniz Foto: © 2016 by Schattenblick Schattenblick (SB): Die Konföderation für Demokratische Rechte in Deutschland (ADHK) ist 1976 gegründet worden. Was war das Motiv für den politischen Aufbau Ihrer Organisation? Ilhan Akdeniz (IA): Die ADHK wurde von der türkischstämmigen Arbeiterschaft, aber auch von türkischen Studenten gegründet, um ein Sprachrohr für die Interessen des migrantischen Anteils in der bundesdeutschen Bevölkerung zu schaffen und eine Teilhabe am gesellschaftspolitischen Leben zu fördern. Damals war der Verein als Föderation nur in Deutschland aktiv, aber nach einigen Jahren entstanden auch in der Schweiz, in Österreich, Frankreich und England Niederlassungen. Seite 3 Elektronische Zeitung Schattenblick SB: Sind die politischen Ziele der deutsche Politik nicht lernt, warum ADHK heute noch dieselben wie in diese Menschen hier sind, kann sie nicht lautstark und unreflektiert Inteder Gründungszeit? gration fordern. Es geht um ein echtes IA: Für die Gruppe der türkischen Zusammenleben mit- und nicht um ein Migranten hat sich nicht viel geän- erzwungenes nebeneinander. dert, denn sowohl die deutsche Politik als auch das Mutterland Türkei SB: Welche Voraussetzunge müßten sahen in den türkischen Migranten aus Ihrer Sicht von deutscher Seite nur Gastarbeiter. Die Bundesrepu- erfüllt werden, damit ein Mensch blik ging davon aus, daß sie hierher hier heimisch werden kann - komzum Arbeiten kommen, ein bißchen munales Wahlrecht für alle, gleiche Geld verdienen und nach ein paar Ausbildungschancen? Jahren wieder zurückkehren. Aber das Gegenteil ist eingetreten. Das IA: Es geht nicht nur um das Komwar eine Fehleinschätzung der deut- munalwahlrecht. Die Menschen, die schen Politiker wie auch der politi- hierhergekommen sind, haben ein schen Elite in der Türkei, die diese Recht auf Bildung, Wohnunterkunft Zielgruppe als Devisenbringer auf- und daß die Abschlüsse in den Herfaßte, damit Geld in die Türkei fließt. kunftsländern anerkannt werden. Tatsächlich war es so, daß sich die Das gilt vor allem für die NeuanArbeiter aus der Türkei hier für eine kömmlinge. Über ein Wahlrecht für längere Zeit nur als Gäste gefühlt ha- die Türken und Kurden oder Italieben. Erst, als sie ihre Familien nach- ner, die in den 60er Jahren hierherholten und hier Kinder bekamen, gekommen sind, kann man dann imentschieden sie sich dafür, zu blei- mer noch sprechen. ben, damit ihre Kinder eine bessere Zukunft haben und Bildung erfahren. SB: Die erste Generation der Gastarbeiter hat im Grunde keine IntegratiSB: Es geht dabei auch um das Pro- on genossen - man hat sie einfach arblem der Integration. Man kann Inte- beiten lassen. Inzwischen hat sich die gration in erster Linie als Forderung an dritte Generation selbst integriert, die Zuwanderer stellen, sich den deut- sowohl sprachlich als auch kulturell. schen Verhältnissen anzupassen. Das Im Vortrag erwähnten Sie, daß Ihr wäre eine Deutungsart, eine weniger Sohn in der Türkei Urlaub macht und zwingende bestünde darin, Vorausset- nicht mehr die Heimat besucht. Was zungen zu schaffen, damit sich die Mi- müßte die deutsche Politik Ihrer Angranten mit allen Aspekten ihrer Kul- sicht nach jetzt leisten, damit sich die tur und Identität hier heimisch fühlen alten Fehler mit den türkischen Gastund die bundesdeutsche Gesellschaft arbeitern nicht wiederholen? dadurch bereichern. Diese Art der Entwicklung hat es in der Geschichte zu IA: Die Verschärfungen im Asylgeallen Zeiten gegeben. Wo sehen Sie die setz müssen weg. Jetzt fordert die größten Mängel in der deutschen Poli- Bundesrepublik von Italien und tik, die sich über Jahrzehnte auf den Griechenland auch noch, daß sie die Standpunkt stellte, Deutschland sei Flüchtlinge gemäß dem Abkommen kein Einwanderungsland, obwohl dies von Dublin aufnehmen und versorgen. Deutschland muß einräumen, faktisch längst so war? einen Fehler gemacht zu haben, und IA: Die Politik muß endlich begreifen, sich bei den betroffenen Staaten entdaß eine einseitige Forderung nicht schuldigen. Richtig ist dagegen die zielführend sein kann. Wir erleben deutsche Forderung für eine gerechjetzt dasselbe Problem mit den Flücht- te Verteilung der Flüchtlinge auf allingen. Wenn man von Fluchtursachen le europäischen Staaten. Es geht aber spricht, muß man auch über Verant- nicht an, daß der Bundesinnenminiwortlichkeiten reden. Solange die ster Thomas de Maizière in einer einSeite 4 www.schattenblick.de zigen Nacht das Asylgesetz verändert und die Menschen in gute und schlechte Flüchtlinge aufteilt. Daß man die Menschen aus Albanien, Serbien, Rumänien oder dem Kosovo, die seit 20 Jahren hier leben, jetzt plötzlich zurückschickt, weil ihre Staaten zu sicheren Herkunftsländern deklariert wurden, ist durch nichts zu rechtfertigen. Daß diese Länder sicher sein sollen, glaube ich nicht. Unsere Forderung ist ein Asylrecht für alle, unabhängig von den Heimatländern der Flüchtlinge. SB: Die ADHK hat sich von ihren Gründungsjahren an vornehmlich für die Interessen der in Europa lebenden Türken und Kurden eingesetzt. Versteht sich die Konföderation heute auch als politische Stimme der Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Iran, Afghanistan und afrikanischen Staaten? IA: Ich bin selber Kurde und habe viele Erstaufnahmeunterkünfte besucht. Ich habe immer die Forderung aufgestellt, daß wir als Konförderation die Interessen aller Geflüchteten verteidigen müssen. Für uns gibt es keinen Unterschied zwischen Migranten und Flüchtlingen, jeder ist ein Mensch, egal, wo er herkommt, ob aus Togo, Eritrea, Kurdistan oder der Türkei. ADHK fordert Verständnis für die Lage der Flüchtlinge Foto: © 2016 by Schattenblick Di, 22. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick SB: Die Konferenz hier auf Kampnagel ist nicht unwesentlich von der Organisation Lampedusa in Hamburg ausgerichtet worden. Arbeitet die ADHK auch mit Gruppen zusammen, die speziell von den Flüchtlingen in Selbstorganisation gegründet worden sind und gibt es eine Basis für einen gemeinsamen politischen Kampf? IA: Ich bin Mitglied der KarawaneGruppe Hamburg und habe mich persönlich sehr dafür eingesetzt, daß die Menschen, die hierherkommen, ein Bleiberecht bekommen. Zum Teil haben wir es geschafft und den Rest kriegen wir auch noch hin. Verhältnis zwischen beiden Ethnien auch angesichts der angespannten Situation in der Türkei? IA: Supertoll. SB: Der Südosten der Türkei, wo mehrheitlich Kurden leben, ist strenggenommen Kriegsgebiet. Immer wieder verhängt die Armee Ausgangssperren, riegelt ganze Städte ab und läßt Scharfschützen auf Passanten schießen. Viele Menschen sind gestorben. Beeinflußt die kriegstreiberische Kurdenpolitik des Recep Tayyip Erdogan das Zusammenleben von Kurden und Türken hier in Deutschland? SB: Erfahren Sie für Ihre Arbeit Un- IA: Die Menschen schon, aber die terstützung von etablierten politi- Politik nicht. Wenn ich auf eine Deschen Parteien? monstration gegen Erdogans Krieg gegen die Kurden gehe, sehe ich IA: Die großen Parteien haben wir einen Deutschen, einen Peruaner bereits abgeschrieben, aber mit klei- oder auch jemanden aus Eritrea, nen Parteien oder Ortsgruppen gibt aber keinen deutschen Politiker. Sies Formen der Zusammenarbeit bei cherlich gibt es innerhalb des kurdibestimmten Themen. Wir sind unab- schen Mittelstands in der Türkei hängig, aber wenn ein Parteipro- Anhänger von Erdogan, aber auch gramm unseren Forderungen entge- Gegner seiner Politik. Unter den genkommt, kann sich darüber ein Kurden hier in Deutschland sind Konsens bilden. viele gegen Erdogans Repressionsregime, aber auch in der türkischen SB: Gewerkschaften werden durch Community macht man sich verArbeiterbeiträge getragen. Wie fi- mehrt Sorgen über den Kurs der nanziert sich Ihre Organisation, er- Türkei und die Zerwürfnisse in der halten Sie öffentliche Fördermittel? Gesellschaft dort. In Anti-ErdoganDemonstrationen wie in Köln 2014 IA: Ich persönlich finde es gut, kamen Zigtausende zusammen, um wenn Gewerkschaften oder Bürger- ihren Protest auszudrücken. Daruninitiativen nicht als Anhängsel einer ter waren auch etliche türkische KePartei arbeiten. Tun sie es doch, malisten, auch wenn sie mit der kurkann man von ihnen nicht viel er- dischen Freiheitsbewegung nicht warten. Das haben wir immer wie- unbedingt sympathisieren. Erdogan der erleben müssen. Nein, wir be- ist der Pfad, auf dem die politische kommen keine öffentlichen Gelder. Repression voranschreitet, aber Wir sind eine Selbstorganisation auch vor seiner Amtszeit als Miniund haben vom Staat bis jetzt kei- sterpräsident ist es von seiten des nen Cent bekommen. Im wesentli- Staates wiederholt zu Übergriffen chen finanzieren wir uns durch auf den kurdischen BevölkerungsSpenden, Mitgliederbeiträge und anteil gekommen. Jetzt ist alles viel andere Aktivitäten. Aber Geld ist schlimmer geworden, so daß sich auch nicht das Thema. auch unter den Türken, vor allem, wenn sie modern eingestellt sind, SB: In der ADHK arbeiten Türken ein wachsender Unmut gegen Erdound Kurden zusammen. Wie ist das gan regt. Di, 22. März 2016 www.schattenblick.de Foto: © 2016 by Schattenblick SB: Die HDP ist im letzten Jahr ins türkische Parlament gewählt worden, was Anlaß zu großer Hoffnung gab, weil endlich eine echte Opposition gegen Erdogan die politische Bühne betrat. Die HDP spannt einen Bogen von den kurdischen Interessen hinüber zu den säkularen zivilgesellschaftlichen Kräften. Wie schätzen Sie die Wirkung dieser Partei auf eine mögliche Veränderung in der Türkei ein? IA: Als Kurde und linksorientierter Mensch sehe ich in der HDP eine Bereicherung, weil sie das demokratische Element im türkischen Parlament verstärkt. Allerdings glaube ich nicht, daß sich mit einem politischen Instrument wie der HDP viel ändern wird, sondern bin vielmehr der Überzeugung, daß sich Kurden und Türken zusammentun und für eine Demokratie in der Türkei kämpfen müssen. SB: Für einen Schulterschluß stehen die Zeichen im Moment nicht gerade günstig. Was wäre Ihrer Meinung nach im politischen Sinne nötig, um die Türkei zu demokratisieren Druck von außen oder müßte sich eine Kraft von innen heraus erheben? IA: Ich glaube, die Menschen in der Türkei haben von Gezi gelernt, daß Seite 5 Elektronische Zeitung Schattenblick etwas machbar ist. Die Kräfte im Inneren tun bereits, was sie können. Natürlich wäre es denkbar, daß die westlichen Staaten mit Erdogans Politik brechen und die Türkei so gezwungen wäre, sich für einen anderen Weg zu entscheiden, aber das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Jedenfalls war es nicht unbedingt hilfreich, daß Angela Merkel Erdogan eine Wahlspende von drei Milliarden Euro gegeben hat. SB: Dieses Geld soll aus deutscher Sicht eigentlich der Flüchtlingsabwehr dienen, um die Politik in der EU wieder ins Lot zu bringen. IA: Mag sein, aber dennoch ist die Einbindung der Türkei in das System der Flüchtlingsregulation kein geeignetes Mittel, um Erdogans Politik zu stoppen. Zum einen hat Erdogan kein Interesse daran, sich wie ein Esel vor den Karren der EU spannen zu lassen und zum anderen kann die Flüchtlingsfrage letztendlich nur durch einen Frieden in Syrien gelöst werden. Also müßte viel stärker daran gearbeitet werden, den Bürgerkrieg dort zu beenden, sonst werden sich Flüchtlinge immer wieder aufden Weg machen. SB: Es heißt zwar, die Türkei habe 2,8 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, aber ein Teil davon hat sich wieder in Richtung Europa aufgemacht. Was halten Sie von der These, daß Erdogan die Flüchtlinge nach Europa durchgewunken hat, um die EU an den Verhandlungstisch zurückzuzwingen? IA: Das läßt sich schwer überprüfen. Erdogan hat mit Rußland Probleme wie auch mit dem Irak, mit Syrien, Bulgarien und Griechenland. Tatsächlich hat sich die Türkei unter seiner Amtszeit als Ministerpräsident kein Jota in Richtung einer EU-Mitgliedschaft bewegt. Vielmehr wurde er von den europäischen Staaten isoliert. Jetzt versucht er, die Flüchtlingspolitik als Instrument zu nutzen, um die Europäer, in erster Linie jedoch Deutschland, für eine AufnahSeite 6 me in die EU zu gewinnen. Mehr hat ist sein Ansehen bei den Moslems Erdogan nicht in Händen, aber das weltweit enorm gestiegen. In der macht er gut, und Merkel spielt mit. Folge knüpfte Erdogan Bande zu den islamistischen Staaten Katar und SB: Rojava ist für die Türkei ein ro- Saudi-Arabien und erhielt von beites Tuch. Sie will im Nachbarland den Ländern großzügige Geldmittel, keine kurdische Autonomieregion, die er dazu nutzte, über die Türkei geschweige denn einen eigenständi- Terror nach Syrien zu exportieren. gen kurdischen Staat. Mit den Assad ist kein Waisenknabe und der Flüchtlingen kommen auch syrische lebende Beweis dafür, daß auch ein Kurden in die Türkei. Sieht Erdogan Alawit ein Diktator sein kann. Erdogan schwebt wahrscheinlich vor, aus in ihnen eine Gefahr? Syrien ein zweites Katar oder SaudiIA: Nein, keine Gefahr, vielmehr Arabien zu machen und so für das versucht er, aus den geflüchteten Sunnitentum weitere Gebiete zu erMenschen insgesamt Kapital für sei- obern. ne politischen Interessen zu schlagen. Erdogans Alptraum ist ein Kur- SB: Die ADHK setzt sich für demodistan, soviel ist sicher. Diejenigen, kratische Rechte in Deutschland und die dort für eine kurdische Autono- Europa ein. Inwiefern weist mie kämpfen, sind in seinen Augen Deutschland Demokratiedefizite auf? allesamt Terroristen. Ihm wäre es am liebsten, wenn Rojava vollständig IA: Ein Beispiel dazu: Die Schweiz entvölkert wäre. Dazu dienen auch steht für eine direkte Demokratie. Dort die Bombardierungen der türkischen werden wichtige Gesetzesänderungen Luftwaffe als Teil seiner regionalpo- durch Volksabstimmungen getroffen, aber wenn es um Wirtschafts- und nalitischen Strategie. tionale Fragen geht, existiert diese diSB: Assad und Erdogan waren frü- rekte Demokratie nicht mehr. Dasselher so etwas wie politische Freunde. be gilt auch für Deutschland. Als die Inzwischen ist daraus eine tiefe USA den Irak angegriffen haben, hat Feindschaft geworden. Wie erklären Kanzler Schröder eine uneingeSie sich den Umschwung in den po- schränkte Solidarität zugesagt, obwohl litischen Beziehungen zwischen der BND-Mitarbeiter in Bagdad saßen und wußten, daß Saddam keine MassenTürkei und Syrien? vernichtungswaffen besaß. Wenn so IA: Für die Türkei war Syrien unter etwas möglich ist, bedeutet dies, daß Hafiz Assad eine Diktatur, und auch es eine Demokratie, wie wir sie uns sein Sohn Baschar wird inzwischen wünschen, in Deutschland nicht gibt. als Diktator gesehen. Als sich Abdul- Das heißt, das bestehende System muß lah Öcalan in den 1990er Jahren in geändert werden. Syrien aufhielt, hat die Türkei dies als Unterstützung von Terroristen SB: Wenn Sie sich ein Bild für die ausgewiesen. Es stimmt schon, daß Zukunft ausmalen könnten, wie würzwischen Erdogan und Baschar As- de eine gelungene Demokratie für sad für eine lange Zeit gute Kontak- Sie dann aussehen? te bestanden. Das änderte sich, als Erdogan über die Moslembrüder aus IA: Hier auf Kampnagel habe ich Ägypten versucht hat, sich als Füh- Demokratie erlebt, weil die Menrer der islamischen Welt zu verkau- schen friedlich miteinander sprechen fen. Man denke in diesem Zusam- konnten. Wenn die Politik dazu bemenhang an den Eklat beim Welt- reit ist, wird auch eine solche Demowirtschaftsgipfel in Davos 2009, als kratie möglich sein. er zu Israels Präsidenten Schimon Peres sagte, die Israelis wüßten sehr SB: Herr Akdeniz, vielen Dank für gut, wie man Kinder tötet. Dadurch das Interview. www.schattenblick.de Di, 22. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Bisherige Beiträge zur Hamburger Flüchtlingskonferenz im Schatten blick unter www.schattenblick.de → INFOPOOL → POLITIK → REPORT: BERICHT/231: Migrationskonferenz Kampnagel - Teilen und Verweilen (SB) INTERVIEW/300: Migrationskonferenz Kampnagel - Historische Pflicht und humane Selbstverständlichkeit ... Beate Gleiser im Gespräch (SB) INTERVIEW/301: Migrationskonferenz Kampnagel - Nah! und solidarisch Asmara Habtezion im Gespräch (SB) INTERVIEW/302: Migrationskonferenz Kampnagel - Die Geschichte der Opfer ... Ibrahim Arslan im Gespräch (SB) INTERVIEW/303: Migrationskonferenz Kampnagel - Am eigenen Leib ... Kokou Theophil Ayena im Gespräch (SB) INTERVIEW/304: Migrationskonferenz Kampnagel - Halbherzig ... Nadya Hareket im Gespräch (SB) ADHK tritt für die Völkerverständigung ein Foto: © 2016 by Schattenblick POLITIK / AUSLAND / LATEINAMERIKA Brasilien - Lula soll es richten poonal Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen von Andreas Behn INTERVIEW/305: Migrationskonferenz Kampnagel - Fremdbestimmt und kriegsgetrieben ... Tahir Khair (Rio de Janeiro, 19. März 2016, npl) endgültige Entscheidung trifft das Khowa im Gespräch (SB) - Der politische Machtkampf in Bra- Oberste Gericht. silien geht in eine neue Runde. Die INTERVIEW/306: Migrationskon- angeschlagene Präsidentin Dilma Lula hat jetzt den zweitwichtigsten ferenz Kampnagel - Fluchtgrund Rousseff kürte ihren Vorgänger Lu- politischen Posten inne, er amtiert als Neubeginn ... Zohair Mahmoud im la da Silva zum neuen Kabinetts- eine Art Premierminister. Zurecht Gespräch (SB) chef. Sofort gab es neue Proteste im spotten Kommentator*innen, dass ganzen Land, die Stimmung auf den Rousseff "sich selbst zu einer KöniINTERVIEW/307: Migrationskon- Straßen wird rauer und die Polari- gin von England" degradiert hat. Luferenz Kampnagel - der Sprung ins sierung nimmt zu. Der Chefermitt- la hat das Charisma und das politische Netz und weiter ... Larry Macauley ler in Sachen Korruptionsaffäre Fingerspitzengefühl, das Rousseff, im Gespräch (SB) gießt weiter Öl ins Feuer: Er veröf- die er selbst gegen den erklärten Wilfentlichte ein abgehörtes Telefonat len seiner Arbeiterpartei PT zu seiner zwischen Rousseff und Lula. Zu- Nachfolgerin kürte, vermissen lässt. http://www.schattenblick.de/ dem blockierte der Richter am Er regierte von 2003 bis 2010 und gilt infopool/politik/report/ Obersten Gericht, Gilmar Mendes, als Architekt der erfolgreichen Soziprin0308.html am Freitag Lulas Amtsantritt und alpolitik, mit der das größte Land Laordnete die Wiederaufnahme von teinamerikas jahrelang erfolgreich Korruptionsermittlungen an. Die die Armut bekämpft hat. Di, 22. März 2016 www.schattenblick.de Seite 7 Elektronische Zeitung Schattenblick Rousseff-Fraktionen kaum noch Mehrheiten zusammen bringt, hat die konservative Opposition ein Amtsenthebungsverfahren auf den Weg gebracht. Demonstration in Brasilia gegen das Amtsenthebungsverfahren. Foto: Fabio Rodrigues Pozzebom/Agência Brasil (CC BY 3.0 BR) [https://creativecommons.org/ licenses/by/3.0/br/deed.de] Ex-Präsident plädiert für Abkehr von Sparpolitik Kaum jemand zweifelt daran, dass Lula jetzt mehr oder weniger alleine das Ruder übernehmen wird. Vor allem in der Wirtschaftspolitik. Im Gegensatz zu der Sparpolitik von Rousseff fordert er "die Wiederaufnahme eines Wachstumskurses" durch staatliche Regulierung. Innerhalb der PT und seitens der Gewerkschaften wird Rousseff seit längerem wegen ihrer Austeritätspolitik und einem Entgegenkommen an die marktorientierte Politik der konservativen Opposition kritisiert. "Lula als Minister bedeutet eine Stärkung meiner Regierung". Er werde "mit den nötigen Vollmachten ausgestattet, um dem Land zu helfen", erklärte Rousseff nach der Ernennung am Mittwoch. Doch es ist unklar, ob diese Machtrochade die PT-Regierung retten kann. Kurze Zeit später gingen Tausende in zahlreichen Städten auf die Straße und Seite 8 forderten den Rücktritt von Rousseff und jetzt auch von Lula. In wohlhabenden Vierteln von Sao Paulo, Rio de Janeiro und der Hauptstadt Brasília war Topfschlagen als Zeichen des Protests zu hören, als eine RousseffAnsprache im Fernsehen gezeigt wurde. Proteste und Polarisierung nehmen zu Im Gegensatz zu den friedlichen Massendemos am Sonntag, 13. März kam es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und vereinzelt zu Handgreiflichkeiten zwischen Kritiker*innen und Anhänger*innen der PT. Auch Tausende Unterstützer*innen der Regierung demonstrierten unter dem Motto "Es wird keinen Staatsstreich geben". Gewerkschaften und soziale Bewegungen riefen für Freitag, 18. März zu landesweiten Demonstrationen auf. Aufgrund der mutmaßlichen Verwicklung in den Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras und einer dramatischen Wirtschaftskrise steht Rousseff mächtig unter Druck. Ihre Beliebtheit beträgt zumindest in Umfragen kaum noch zehn Prozent. Im Kongress, wo die Regierung aufgrund der Spaltung ihrer Koalitionspartner in pro- und contra www.schattenblick.de Untersuchungsrichter Sergio Moro, der auf den Demonstrationen aufgrund seiner spektakulären und medial aufgebauschten Ermittlungen im Korruptionsskandal als Held gefeiert wird, steht ein weiteres Mal im Mittelpunkt der erregten Diskussionen. Den Telefonmitschnitt, den er am Mittwoch Nachmittag veröffentlichte, werten er und die Opposition als Beweis dafür, dass Lula nur zum Minister ernannt wurde, um ihn vor einem Strafprozess in Schutz zu nehmen. Die Regierung bezeichnete die Veröffentlichung in einer Erklärung hingegen als "gesetzeswidrig und Verstoß gegen die Verfassung". Sie kündigte aufgrund des Vorgangs juristische Schritte an. In linken Kreisen wird Moro vorgeworfen, er habe durch politisch gefärbte Ermittlungen einen Ausnahmezustand im Land geschaffen. Putschgefahr Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff und die Arbeiterpartei in Brasilien zu verteidigen. Beide stecken bis zum Hals in einem Korruptionsskandal. Gemeinsam mit korrupten Bauunternehmen haben sie Milliarden öffentlicher Gelder veruntreut und zum Kauf von politischen Gefälligkeiten von noch dubioseren Politiker*innen verwendet, mit denen eine einst fortschrittliche Partei wie die PT niemals eine Koalition hätte eingehen dürfen. Und es ist schon der zweite Skandal dieser Art. Schon damals, im Jahr 2005, wandten sich viele Linke von der Partei ab, die sie alle gemeinsam in 20 Jahren Aktivismus aufgebaut haben. Hinzu kommt, dass Rousseff auf den Druck der konservativen Opposition mit Entgegenkommen Di, 22. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick beispielsweise in der Wirtschaftspolitik reagiert und damit auch noch die ihr verbliebene Basis gegen sich aufbringt. Doch heute muss diese PT-Regierung gegen einen Umsturzversuch verteidigt werden. Die konservative Opposition und wenig durchsichtige rechte Seilschaften blasen mit kräftiger Unterstützung der Massenmedien nicht nur zum Sturz auf eine demokratisch gewählte Regierung, sondern stellen den Rechtsstaat überhaupt in Frage. Dass der Korruptionsermittler Stunden nach der umstrittenen Ernennung von Ex-Präsident Lula zum Kabinettschef ein abgehörtes Telefonat zwischen ihm und Rousseff veröffentlichte, ist eine Provokation, die die aufgeheizte Stimmung im Land zum Überkochen bringen kann. Der bislang friedliche Protest von Hunderttausenden gegen eine unbeliebte Regierung beginnt, in handgreifliche Auseinandersetzungen umzuschlagen. Zurecht warnen Jurist*innen, Intellektuelle und Aktivist*innen davor, dass die Stimmung für einen Staatsstreich geschaffen werde. BÜRGER UND GESELLSCHAFT / REPORT / INTERVIEW Das Anti-TTIP-Bündnis - Großer Spieler Eurozone ... Francisco Mari im Gespräch Handelsabkommen EPAs Fuß der EU in der Tür Afrikas Interview auf der TTIP Strategie und Aktionskonferenz in Kassel am 26. Februar 2016 (SB) Der Jurist und Sozialpsycho- loge Francisco Mari ist seit 2009 bei Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst Projektreferent in den Bereichen Agrarhandel und Fischerei mit den Schwerpunkten Welthandelsorganisation (WTO), EU-Handelsabkommen mit Afrika (EPAs), Meerespolitik und EU-Fischereiabkommen. Aufder TTIP Strategie- und Aktionskonferenz in Kassel gehörte er zu den Vortragenden eines Workshops zum Thema "Was können wir aus dem Widerstand gegen die EPAs lernen?". Darin ging es um die langjährigen Versuche der Europäischen Union, mit Hilfe der EPAs (Economic Partnership Agreements) ihre Freihandelsagenda, völlig abseits der Öffentlichkeit und weitestgehend unbemerkt, auch gegen URL des Artikels: Afrika durchzusetzen, Erörtert wurde https://www.npla.de/poonal/lulainsbesondere, welche Ziele die EU mit soll-es-richten/ diesen Abkommen verfolgt, welche Auswirkungen den afrikanischen Län* dern drohen, wie der Widerstand gegen die EPAs bislang verlaufen ist und Quelle: poonal - Pressedienst lateinamerika- welche Folgerungen für die weitere Vorgehensweise daraus abzuleiten nischer Nachrichtenagenturen sind. Im Anschluß daran beantwortete Herausgeber: Nachrichtenpool Francisco Mari dem Schattenblick eiLateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 nige Fragen. Berlin Schattenblick (SB): Francisco, du Telefon: 030/789 913 61 bist bei Brot für die Welt Referent für E-Mail: [email protected] Welternährung, Agrarhandel und Internet: http://www.npla.de Meerespolitik. Das sind zweifellos zentrale Themen, die die Welt heute http://www.schattenblick.de/ bewegen. infopool/politik/ausland/ pala1543.html Di, 22. März 2016 und Politik abgefragt werden, weil sie den Lebensalltag der Menschen in Afrika infolge der Globalisierung fast tagtäglich berühren. Es geht um die Frage, was in der Landwirtschaft produziert wird, und vor allem darum, welche Konkurrenzprodukte den afrikanischen Landwirten die Märkte wegnehmen. Es geht um die Fischerei mit ähnlich negativen Einflüssen durch europäische Flotten und die anderer Länder. Und es geht grundsätzlich um die Handelsbeziehungen, die heute auf das tägliche Leben vor allem von Bäuerinnen und Fischern unmittelbar Einfluß nehmen. SB: Mit Blick auf die Welternährung stehen zwei Thesen im Raum: Die eine besagt, daß die Menschheit zu ernähren wäre, ginge die Verteilung gerechter vonstatten. Die andere geht davon aus, daß die produzierten Nahrungsmittel längst nicht mehr für alle ausreichen und dieser Mangel angesichts des Klimawandels dramatisch zunehmen und insbesondere Weltregionen wie Afrika heimsuchen wird. Wie ist dieser Widerspruch aus deiner Sicht einzuschätzen? FM: Beides stimmt. Aktuell gibt es in manchen Regionen zu wenig Nahrungsmittel, während zugleich auf den Äckern der Welt Nahrungsmittel angebaut werden, die neun bis zwölf Milliarden Menschen ernähren könnten. Das Problem besteht darin, daß die Hälfte der angebauten Nahrungsmittel nicht zur Nahrung verwendet wird. Ein Großteil geht Francisco Mari (FM): Es sind The- schon auf den Äckern als Nachernmen, die immer wieder von Medien teverlust verloren, weil es einfach www.schattenblick.de Seite 9 Elektronische Zeitung Schattenblick keine Infrastruktur gibt, die Ernten zu lagern, zu transportieren und zu verarbeiten, damit sie später als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, daß wir fast zwanzig Prozent der Ernten in Futtermittel umwandeln, um Fleisch zu produzieren, wodurch ein Vielfaches an potentiellen Lebensmitteln verlorengeht. Das betrifft vor allem Südamerika, aber auch Asien und Europa. Überdies wachsen die nichtagrarischen Anforderungen an die Landwirtschaft, aus Nahrungsmitteln Energie zu gewinnen. Das hat vor allem mit den Agrotreibstoffen angefangen und setzt sich im nächsten großen Schub durch die sogenannte Bioökonomie fort. Wir sind dabei, aus Klimaschutzgründen aus der Kohlenstoffchemie auszusteigen, und wollen Ersatzwerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen haben. Dadurch wächst der Druck auf die Äcker, dort Nahrungsmittel als nachwachsende Rohstoffe abzuziehen. blematisch ansehen, weil es sich vor allem um nicht als Nahrungsmittel verwendete Agrarprodukte handelt. Wenngleich man Bananen natürlich auch auf den lokalen Markt bringen könnte, geht es bei den Ausfuhren nach Europa doch vor allem um Edelprodukte wie Früchte und insbesondere Kaffee und Kakao. Da der Anbau von Gemüse weniger flächenintensiv als beispielsweise Getreide ist, könnte dies eine Möglichkeit sein, Einkommen zu schaffen, wenn ein größerer Anteil an der Wertschöpfung in diesen Ländern bliebe. Was die Agrotreibstoffe betrifft, hat die Kontroverse um Landgrabbing zumindest in Europa so hohe Wellen geschlagen, daß die Reduzierung des Zugriffs auf Agrarprodukte für die Treibstoffversorgung und das Einfrieren der Beimischungsquoten einigen Druck genommen und auch das Interesse der Investoren etwas abgekühlt hat. Das kann natürlich durch diesen Run auf die Bioökonomie wieder umschlagen, aber vorerst ist Es gäbe also genug Nahrungsmittel der Einfluß aus Europa, solche Rohfür alle Menschen und doch gibt es sie stoffe aus Afrika abzuziehen, nicht nicht. Läßt man diese Aufteilung der das größte Problem. Nutzung vorhandener Ackerfläche zu und projiziert das auf die nächsten 50 Viel problematischer ist seit JahrJahre, kommt man zwangsläufig zu zehnten, daß Afrika zunehmend der dem Schluß, daß wir nicht genug Markt für unsere riesigen AgrarüberNahrungsmittel produzieren, um alle schüsse wird. Wenngleich das weniForderungen abzudecken. Möglicher- ge Erzeugnisse betrifft, die in der weise gelingt es uns, die Nachernte- Folge vor Ort nicht mehr produziert verluste zu reduzieren, doch wenn die werden können, betrifft es doch Prodadurch gewonnenen Nahrungsmittel dukte wie beispielsweise Fleisch und gleich wieder in Agrotreibstoffe um- Milch, die ja Luxusprodukte in Afrigewandelt werden, haben wir nicht ka sind und deswegen eine große Gegenug Nahrungsmittel, um den welt- winnspanne für kleinbäuerliche Proweiten Bedarf zu decken. duzenten zulassen würden, wenn man ihnen die Märkte gäbe, die jeSB: Im Rahmen des gesamten Han- doch zunehmend von Importen aus dels der Europäischen Union spielt europäischen Ländern besetzt werAfrika eher eine untergeordnete Rol- den. Seit etwa einem halben Jahr gilt le. In welchem Maße verschärft der das neben dem Fleischmarkt auch für Export von Nahrungsmitteln oder den Milchmarkt, den wir schon in Rohstoffen zur Herstellung von Westafrika haben. Traditionell hanAgrotreibstoff nach Europa dennoch delt es sich bei 80 Prozent der Agrardie Ernährungslage in den afrikani- produkte aus Europa nach wie vor schen Ländern? um Weizen und zunehmend nur noch um Weizenmehl, so daß noch nicht FM: Den Export von Agrarerzeug- einmal das Mahlen des Weizenkorns nissen würde ich als nicht allzu pro- als Wertschöpfung in Afrika möglich Seite 10 www.schattenblick.de ist, da wir ihnen gleich die Mehlsäcke schicken. SB: Neben dem europäischen Einfluß sind auch die Interessen der USA zu nennen, die unter Clinton die Aufteilung Afrikas in Einflußsphären vorangetrieben und ihr Afrikakommando in Deutschland stationiert haben. Hinzu kommt als dritter bedeutender Akteur China, das insbesondere mit Landgrabbing in Verbindung gebracht wird. Wie verteilt sich deiner Erfahrung nach diese Einflußnahme derzeit? FM: Der US-amerikanische Einfluß vor allem als Präferenz für afrikanische Produkte auf dem amerikanischen Markt, dieser sogenannte African Growth and Opportunity Act, den Clinton damals eingeführt hat und der jetzt verlängert wurde, ist das in Aussicht gestellte Wirtschaftswunder schuldig geblieben. Zwar werden diverse Erzeugnisse wie bestimmte Stoffe vermehrt von Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern gekauft, doch hat die Öffnung des Textilmarktes bislang noch nicht zu wirklich bedeutsamen Investitionen geführt, weil Asien immer noch billiger als jede afrikanische Fabrik produzieren kann. Hinzu kommen einige Agrarprodukte, aber ebenfalls nicht im erhofften Umfang. Der Streit um die afrikanischen Rohstoffe wird über angebliche Möglichkeiten wie offene Märkte mit den USA, aber auch die berüchtigte Visa-Lotterie, ausgetragen, die Einflußnahme der USA ist also durchaus präsent. Genauso präsent sind aber auch China, Indien und Brasilien, wobei es insbesondere China, aber auch Saudi-Arabien angesichts der weltweiten Nahrungskrise 2008 vor allem darum ging, auf fruchtbarem Boden in Afrika Teile ihrer Nahrungssicherheit zu gewährleisten, die darüber jedoch keineswegs vollständig gedeckt werden kann. Im Zuge dieser Offensive wurde sehr viel Land unter dubiosen Bedingungen aufgekauft, die sich als ausgesprochen nachteilig für Di, 22. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick die dort ansässigen Bäuerinnen und Bauern erwiesen haben, denen insbesondere der Zugang zu Wasser entzogen wurde. Dieser Vorgang ist nach wie vor präsent. Hinzu kommen natürlich auch internationale Fonds, die wissen, daß angesichts eines großen Bevölkerungszuwachses Land in Afrika immer knapper wird, und die sich schon jetzt dort festsetzen wollen. Länder wie Äthiopien, Sierra Leone oder Liberia bieten sogar offensiv auf Märkten in Europa und Asien ihr Land zu Lasten kleinbäuerlicher Produzenten an. Das ist wirklich ziemlich übel, weil die Nahrungssicherheit in diesen Ländern noch nicht so gefestigt ist, daß sie sich das leisten könnten. SB: TTIP ist in Deutschland inzwischen ein recht geläufiges Thema geworden. Wie kommt es, daß demgegenüber die Freihandelsabkommen der EU mit Afrika nach wie vor weithin unbekannt sind? FM: Weil es dabei anders als bei TTIP von europäischer Seite, wie man ehrlicherweise einräumen muß, für sich genommen eigentlich um nichts geht. Selbst wenn durch die EPAs afrikanische Märkte für europäische Produkte geöffnet werden sollten, würde das nicht zu erheblich anwachsenden Chancen für europäische Erzeugnisse führen, schon gar nicht für die teuren und wirklich Gewinne schaffenden technologischen Produkte. Wo diese benötigt werden, können sie afrikanische Investoren ohnehin schon kaufen, und auf der anderen Seite ist die Rohstoffzufuhr aus afrikanischen Quellen auch nie versiegt. Auf europäischer Seite handelt es sich angeblich um ein entwicklungspolitisches Instrument, denn die EU verkauft diese Abkommen nicht als Teil ihrer offensiven Interessen in der Rohstofffrage, sondern als Entwicklungsabkommen, als ein Zurückstellen eigener Interessen zugunsten einer Entwicklungsförderung in Afrika, was sie natürlich mitnichten sind. Di, 22. März 2016 In Afrika hat die Debatte um die EPAs zehn Jahre voller vermeintlicher Durchbrüche, gefolgt von erneuten Rückschlägen, überdauert, weil der Widerstand afrikanischer Zivilgesellschaften und Regierungen nach 2008 erheblich gewachsen ist. Hätte es diese Erpressung von seiten der EU nicht gegeben, die Mitteleinkommensländer mit Strafsteuern zu belegen, wäre das Thema längst vom Tisch. Die Entscheidung des Europaparlaments, auf der Umsetzung der EPAs zu beharren, war dem Prinzip geschuldet, daß man in Angriff genommene Handelsabkommen auch abschließen muß, da ein Scheitern ein höchst unerwünschtes Signal für alle anderen Verhandlungen um Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und vor allem mit den ostasiatischen Entwicklungsländern wie den Philippinen, Indonesien und Vietnam wäre. Man hat offenbar gehofft, mit Afrika zügig voranzukommen, und als sich dort unverhofft Widerstand regte, jenen Ländern Daumenschrauben angelegt, die tatsächlich bestraft werden konnten. SB: Könnte man also sagen, daß es bei der Vielzahl von geplanten oder bereits geschlossenen Freihandelsabkommen nicht in jedem einzelnen Fall um unmittelbare ökonomische Erfolge der EU, sondern insbesondere eine langfristig angelegte Gesamtstrategie geht? FM: Auf jeden Fall! Es gibt auch in Afrika Mitteleinkommensländer mit einem wachsenden Bedarf der Mittelschicht, entweder aufgrund von Öleinnahmen oder auch besserer Regierungsführung wie in Ghana, Kenia, Namibia und gerade im südlichen Afrika Botswana, wo die EU einen Fuß in die Tür gestellt hat. Soweit es um Märkte geht, haben diese Länder meistens nur mit Europa regelrechte Abkommen geschlossen, während es sich mit Blick aufAsien, Rußland oder Brasilien lediglich um Präferenzen handelt. Die EU ist also schon da, und sollten andere etwas Besseres kriegen, würden es die Euwww.schattenblick.de ropäer auch bekommen, da sie die Nase vorn haben. Bei anderen Entwicklungsländern gibt es besonders ausgeprägte Interessen der EU, wenn man aktuell an Vietnam denkt, mit dem ein unglaublich neoliberales Abkommen geschlossen wurde. So werden europäischen Investoren selbst Krankenhäuser in Hanoi und Ho-Chi-MinhStadt angeboten, was bislang beispiellos ist. In Afrika steht die zweite Debatte noch an, weil sich die Länder dort geweigert haben, Dienstleistungen zu diskutieren. Es handelt sich zunächst um ein reines Güterabkommen, dessen Abschluß jedoch mit der Verpflichtung verbunden ist, sechs Monate später auch über Dienstleistungen zu verhandeln. Das ist ein Sektor, auf dem Europa stark ist, weshalb die EU bei Dienstleistungen, Eigentumsrechten, Banken, Versicherungen und dem öffentlichen Beschaffungswesen mitbieten will. Diese Tür hat Europa durch die EPAs aufgestoßen. SB: Im Falle von TTIP wurden die Inhalte und der Stand der Verhandlungen regelrecht geheimgehalten. Gilt dieses Prozedere hinter verschlossenen Türen auch für die EPAs? FM: Vom gegenwärtigen Stand ausgehend würde ich es nicht so einschätzen, daß die Verhandlungen um die EPAs im Geheimen vorangetrieben werden. Zum einen war bei ihnen die Veröffentlichung immer vorgesehen, was bei allen bereits abgeschlossenen Abkommen auch umgesetzt wurde. Die dennoch stattfindende Verzögerung hängt nur mit der Rechtsförmigkeitsprüfung zusammen, in der noch einmal gecheckt wird, ob man alles genauso verstanden hat wie sein Gegenüber. Zudem muß in Europa alles in 28 Sprachen übersetzt werden, was üblicherweise eine gewisse Zeit dauert. Ein Vorteil war zudem, daß bei diesen Verhandlungen im Unterschied zu TTIP aufgrund des Cotonou-Vertrages [1] ziSeite 11 Elektronische Zeitung Schattenblick die weiterhin an der Regierung beteiligten Parteien dafür, die Oppositionsparteien jedoch dagegen. Unter Schwarz-Gelb war die Sozialdemokratie aufeinmal gegen die EPAs, die sie zuvor jahrelang befürwortet hatte, und seit drei Jahren, in denen die SPD wieder mit in der Regierung ist, spricht sie sich - angeblich zähneknirschend - wieder für die EPAs aus. Die CDU war durchgängig dafür, die FDP spielt jetzt keine Rolle mehr. Allein Die Linke, der auch eiWo derzeit noch Ungewißheit nige der ersten Aktivistinnen gegen herrscht, hängt das zumindest in die EPAs angehören, war durchgänWestafrika mit den dortigen Regie- gig gegen diese Handelsabkommen. rungen zusammen, die ihrer Bevölkerung die Information vorenthalten, SB: Die deutsche Entwicklungspoliob sie die Abkommen schon unter- tik ist nicht das, was ihr Name verzeichnet haben oder nicht, was der- spricht. Muß man sie grundsätzlich zeit vor allem für Togo und Maure- als Strategie zur Umsetzung deuttanien gilt. Grundsätzlich würde ich scher Wirtschaftsinteressen auch in sagen, daß wir um alles wissen, was Afrika ausweisen oder gibt es deines uns freilich zum Teil nichts nützt. Erachtens dennoch Anteile, die verWohl können die Zivilgesellschaften tretbar sind? und andere Akteure Einfluß nehmen, bevor diese Verträge in die Parla- FM: Sie ist von ihrem Umfang und mente gehen. Das grundsätzliche ihrer Wirkung her zu unwichtig, als Problem besteht jedoch darin, daß in daß sie tatsächlich WirtschaftsinterAfrika nur wenige Menschen wissen, essen durchsetzen könnte. Dennoch was da auf sie zukommt, aber das ist ist es die Grundidee aller Länder, die ja bei uns in Europa auch nicht an- Entwicklungszusammenarbeit betreiben, zumindest Bedingungen zu ders. schaffen, in denen es eigenen Firmen SB: Welche Position nehmen die möglich ist, zu Anbietern zu werden deutschen Parteien hinsichtlich der oder ihre Produkte zu verkaufen. AlEPAs ein? Gibt es unter ihnen einen lerdings läuft das nicht immer nach zuverlässigen Bündnispartner, was dem schlichten Schema, ich baue die Gegnerschaft zu den Freihan- einen Brunnen, und dann kommt Siemens und macht das Telefon. delsabkommen betrifft? Grundsätzlich herrscht das Interesse FM: Deutschland ist insofern ein be- vor, mittels der Entwicklungszusamsonderer Fall, weil sich die Verhand- menarbeit in den Ländern Fuß zu lungen nun schon zwölf Jahre hin- fassen, aber diese Länder zugleich ziehen und es während dieser Zeit auch wirtschaftlich so voranzubrindie unterschiedlichsten Regierungs- gen, daß ihre Produkte überhaupt gekoalitionen gegeben hat. Manche kauft werden. Insofern verbindet Parteien haben das Hemd gewech- sich Armutsbekämpfung mit wirtselt, je nachdem, ob sie an der Regie- schaftlichen Interessen. rung oder in der Opposition waren. Unter der rot-grünen Regierung wur- Wenn man das jetzt auf die Frage rede das Vorhaben als Entwicklungs- duziert, was konkret passiert, hat abkommen deklariert, weswegen ja sich tatsächlich mit der neuen Regieauch das Entwicklungsministerium rung, anders als noch in der schwarzdie Verhandlungen führt. Als dann gelben, zumindest im Bereich Landdie erste große Koalition kam, waren wirtschaft etwas bewegt. Seit der vilgesellschaftliche Vertreter dabei waren. Wir wußten zwar von Behinderungen auch seitens der Regierungen in Afrika selber, doch in der Regel galt das Recht, daß mindestens zwei zivilgesellschaftliche Vertreter aus den NGOs, Gewerkschaften oder Kirchen an den Verhandlungen teilnahmen. Wenngleich sie einer Verschwiegenheitspflicht unterlagen, war der Vorgang längst nicht so intransparent wie bei TTIP. Seite 12 www.schattenblick.de großen Ernährungskrise 2008 hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die von der neoliberalen Ideologie vertretende These als Katastrophe erwiesen hat. Der heute für gescheitert erachtete Ansatz sah vor, daß Entwicklungsländer aufgrund ihrer vergleichsweisen Kostenvorteile auf dem Weltmarkt möglichst viel von ihren Agrarprodukten verkaufen sollten, um mit den Devisen auf den sehr günstigen Nahrungsmärkten Lebensmittel einzukaufen. Als die Nahrungsmittelpreise vor der Finanzkrise dramatisch stiegen, bevölkerten hungernde Menschen vor allem in den Großstädten die Straßen dieser Länder. Dieser grassierende Hunger hat die Weltgemeinschaft aufgeschreckt, weil man plötzlich sah, daß Hunger zu einer Waffe werden kann, und die schleichende Migration in eine Massenwanderung überging. Seither hat auch die deutsche Regierung in ihrer Entwicklungszusammenarbeit einen stärkeren Fokus auf die Landwirtschaft gelegt, was während der rotgrünen Zeit nicht der Fall war. Unter dem früheren Entwicklungsminister Dirk Niebel führte das zur Maßgabe, die Landwirtschaft so zu gestalten, wie sie bei uns "erfolgreich" gewesen ist: Unter Einbezug des deutschen Agrobusineß in Afrika sogenannte Potentialbauern zu schaffen, die dort auf den Nahrungsmärkten unter Input wie Dünger, Pestizide und Hybridsaatgut möglichst schnell möglichst viel Ertrag liefern. Das hat sich angesichts heftiger Proteste seitens der Zivilgesellschaft unter dem neuen Entwicklungsminister tatsächlich geändert. Ansätze wie die Sonderinitiative "Eine Welt ohne Hunger" [2] werden von Brot für die Welt begleitet. Diese Ausrichtung sieht vor, daß Nahrung für die Menschen vor Ort von kleinbäuerlichen Produzenten erzeugt werden soll und daß ihre Märkte an Wert gewinnen. Das schafft die Grundlage dafür, daß nicht in jeder Krise wie der gegenwärtig herrschenden Dürre Hunger um sich greift, sondern weiterhin Di, 22. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Nahrung produziert wird. Wir begleiten das durchaus wohlwollend, aber natürlich mit einem bitteren Beigeschmack, weil man nicht davon abläßt, das Agrobusineß, wenngleich in etwas abgefederter Form, mitzunehmen, um dessen Möglichkeiten auszuloten. Ausgleich für die wirtschaftliche Benachteiligung schufen, hin zu Freihandelsabkommen zwischen ungleich starken Partnern. Denn das Cotonou-Abkommen sieht die graduelle Handelsliberalisierung gemäß den Bestimmungen des WTOGATT-Abkommens vor. http://www.sopos.org/aufsaetWir verwahren uns auch dagegen, ze/45bf8f72d52d0/1.phtml daß die steigenden Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in Folge [2] Im Januar 2016 stieß die vor rund der Flüchtlingskrise als Abstandshal- einem Jahr gestartete Sonderinitiatiter gegenüber den Menschen, die als ve "Eine Welt ohne Hunger" des Migranten zu uns kommen wollen, Bundesministeriums für wirtschafteingesetzt werden. Brot für die Welt liche Zusammenarbeit und Entwicksetzt sich für Bedingungen ein, in de- lung (BMZ) im Entwicklungsausnen die Menschen überhaupt eine schuß erneut auf Kritik. AbgeordneEntscheidung treffen können, ob sie te aus den Reihen von SPD, Bündnis bleiben oder gehen wollen. Wenn sie 90/Die Grünen und Die Linke wargehen wollen, brauchen sie sichere fen dem Ministerium vor, bei der Fluchtwege und legale Migrations- Hungerbekämpfung auf die falsche möglichkeiten, weil es einfach ihr Strategie und die falschen Partner zu Recht ist, sich angesichts unerträgli- setzen. Ihrer Meinung nach zielt die cher Verhältnisse dafür zu entschei- Sonderinitiative einseitig auf eine den. In vielen Bereichen wider- Steigerung der landwirtschaftlichen spricht der Entwicklungsminister in Produktivität in den Entwicklungsscharfer Form seiner eigenen Partei ländern und nimmt zu wenig die neund vertritt Positionen, die unseren gativen Auswirkungen der internagleichen. Vieles davon ist allerdings tionalen Agrar- und Handelspolitik bislang nur angekündigt und ob es auf die lokalen Strukturen in den tatsächlich umgesetzt wird, muß man Blick. Darüber hinaus kritisierten sie sehen. Doch lieber so als wie unter die Kooperation mit Unternehmen Niebel, wo eindeutig Tore für das eu- im Rahmen der "Grünen Innovatiropäische Agrobusineß im Nah- onszentren". rungsbereich geöffnet werden soll- https://www.bundestag.de/presten. se/hib/201601/-/403892 SB: Francisco, vielen Dank für dieses Gespräch. Anmerkungen: [1] Im Juni 2000 wurde das CotonouAbkommen zwischen der EU und ihren 79 assoziierten AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) unterzeichnet. Es löste die Lomé-Abkommen ab, die den AKP-Staaten Handelspräferenzen für ihre Exportgüter einräumten, die nun entfielen. Das war ein Paradigmenwechsel von Präferenzabkommen zugunsten der ehemaligen Kolonien der europäischen Mächte, die zumindest partiell einen Di, 22. März 2016 TTIP Strategie und Aktionskonfe renz in Kassel im Schattenblick www.schattenblick.de → INFOPOOL → BUERGER → REPORT: BERICHT/068: Das Anti-TTIPBündnis - Widerstand und Kompromiß ... (SB) BERICHT/069: Das Anti-TTIPBündnis - Lackmustest Verschärfung ... (SB) INTERVIEW/097: Das Anti-TTIPBündnis - die Säge am Überlebensast ... Pia Eberhardt im Gespräch (SB) www.schattenblick.de INTERVIEW/098: Das Anti-TTIPBündnis - Kulturelle Errungenschaften im Ausverkauf ... Olaf Zimmermann im Gespräch (SB) INTERVIEW/099: Das Anti-TTIPBündnis - Konsens ... Nelly Grotefendt im Gespräch (SB) INTERVIEW/100: Das Anti-TTIPBündnis - Rechtsprechung statt Verträge ... Petra Pinzler im Gespräch (SB) INTERVIEW/101: Das Anti-TTIPBündnis - Korrumption im Zangengriff der Basis ... John Hilary im Gespräch (SB) INTERVIEW/103: Das Anti-TTIPBündnis - der Kriegsführung entlehnt ... Uwe Hiksch im Gespräch (SB) http://www.schattenblick.de/ infopool/buerger/report/ brri0104.html SCHACH - SPHINX Réti, Krethi und Plethi Siegbert Tarrasch war ein schulmeisterlicher Charakter. Zur Biederkeit erzogen und streng nach den Maßstäben eines bürgerlichen Haushalts lebend, war ihm Rechthaberei zur zweiten Natur geworden. Wohl mag er sich als Vorkämpfer einer von Vernunft durchtränkten Schachtheorie verstanden haben, weswegen er auch so hartnäckig gegen vermeintliche Auswüchse der reinen Lehre vorging. Ein besonderes verwerflicher Dorn im Auge seiner Theoriebeflissenheit war, ohne daß er davon Abstriche machte, Richard Réti. Dessen 'zentrumsfeindliche' Flügeleröffnungen erregten aufs heftigste Tarraschs Widerwillen, glaubte er doch, ein Bewahrer der klassischen strategischen Richtlinien (SB) Seite 13 Elektronische Zeitung Schattenblick zu sein. Im ironischen Spott sprach Tarrasch dann von "Réti, Krethi und Plethi", was ihn jedoch nicht zum besseren Taktiker machte, denn gegen Réti hatte er häufig das Nachsehen. Ein anderer Zug, der sein Mißfallen fand, war 1.c2-c4, den der Bremer Meister Carls salonfähig machte. Für Tarrasch ein "ganz dummer Zug". In Breslau 1912 revanchierte sich Carls für diese abfällige Bemerkung und barbierte Tarrasch nach allen Regeln der Kunst über den sprichwörtlichen Löffel. Im heutigen Rätsel der Sphinx kannst du es ihm gleichtun, Wanderer. Carls - Tarrasch Breslau 1912 Auflösung des letzten SphinxRätsels: Rétis Jagd auf den weißen König begann mit dem schönen Läuferopfer 1...Ld5xg2+!, worauf Bogoljubow nach 2.Tg1xg2 Ta2-a1+ 3.Tg2-g1 Db6-b7+ die stumpfen Waffen streckte. http://www.schattenblick.de/ infopool/schach/schach/ sph05782.html Weitere SphinxRätsel: http://www.schattenblick.de/ infopool/schach/ip_schach_ schach_schachsphinx.shtml Seite 14 KINDERBLICK / NATURKUNDE / TIERE Nicht schnell genug, um zu entkommen ... Wer kennt schon Meister Lampes Not? (SB) Da der Hase nicht zu den Nutz- tieren zählt, über keine für den Menschen brauchbaren Fähigkeiten verfügt, gerät er leicht aus dem Blickfeld. Sicherlich als Hasenbraten wird er geschätzt, aber wer kennt Meister Lampe schon persönlich? Wer weiß, wie er lebt, was er gerne frisst, wo er am liebsten wohnt oder wovor er am meisten Angst hat? Aber halt! Einmal im Jahr denken doch viele Menschen an ihn, besonders die kleinen Kinder zur Osterzeit. Da spielt das Langohr eine wirklich große Rolle - allerdings nicht als braungrauer Feldhase, sondern als Osterhase. Dann gibt es die hübschen Postkarten und Werbefotos mit den niedlichsten Häschen, die neben Ostereiern hocken inmitten von bunten Blumen. Geliebt wird er auch als Schokoladenhase in farbenfroher Verpackung oder gar in goldenem Gewand mit rotem Band und Glöckchen um den Hals. Wie kam der Feldhase zu seinem Job als Eierverstecker? Es heißt, zum Osterfest kommt der Osterhase und legt bunt bemalte Eier in versteckte Moosnester im Garten. Für die ganz kleinen Kinder ist es ein großer Spaß, sich auf die Suche nach den Ostereiern zu begeben. Dieser Brauch gehört zum christlichen Osterfest seit Jahrhunderten. Doch wie kommt es, dass ausgerechnet der Hase die Eier bringt? Man kann sich das vielleicht so erklären: Im Frühjahr kommen viele Hasenbabys zur Welt. Deren "Nester", wobei es sich eigentlich nur um eine Erdmulde, die Sasse genannt wird, handelt, befinden sich zumeist aufden Feldern, an Feldrändern, in Gärten oder am Waldrand. Und wenn schon überall die Hasen und kleinen Häschen auftauchten, so www.schattenblick.de dachte man sich, könnten sie es doch auch sein, die die Ostereier bringen. Außerdem war den Menschen bekannt, dass die Hasen sich sehr schnell vermehren, was sie als Zeichen für rasches Wachsen und Gedeihen nahmen. Das Ei ist ebenfalls ein Symbol für neues Leben und Fruchtbarkeit und so wurden Ei und Hase als frohe Boten für blühendes Leben. Foto: 2004, by MOdmate [Public do main], via Wikimedia Commons Das Erwachen des Frühlings, die Geburt von Tieren und das Erblühen der Pflanzen hatte für die Menschen von einst eine viel lebenswichtigere Bedeutung als für uns heute. Früher gab es noch keine Tiefkühltruhen oder Supermärkte. Wenn die Vorräte, die man im Herbst des vorangegangenen Jahres im Keller oder auf dem Boden gelagert hatte, im Frühjahr zur Neige gingen, mussten viele Menschen mit sehr wenig Essen auskommen oder gar Hunger leiden. Dass sie den Frühling voller Freude und Hoffnung begrüßten, ist nur allzu verständlich. Als die ersten großen und kleinen Langohren immer öfter anzutreffen waren, galt das als sicheres Zeichen, dass nun bald mit dem Umpflügen der Felder begonnen werden konnte, um Getreide, Kartoffeln, Mais, Rüben, Kohl und vieles mehr anzubauen. Das Zusammentreffen des Osterfestes im Frühjahr mit dem Auftauchen der vieDi, 22. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick len Hasen mag dann der Grund gewesen sein, warum gerade Meister Lampe die Aufgabe des Eierversteckens und fortan den Titel "Osterhase" erhielt. Aber der Hase begegnet einem noch an ganz anderen wundersamen, märchenhaften Orten. Der Hase im Märchen In vielen verschiedenen Märchen aus allen Teilen der Welt trifft das Langohr auf die unterschiedlichsten Gesellen, wie beispielsweise auf den Igel, den Wolf, den Fuchs, sogar auf eine listige Schildkröte, eine verfressene Ziege oder einen goldenen Vogel. Nicht immer ergeht es dem Hasen dabei gut. Manchmal ist er der Schlaue, ein anderes mal der Dumme. In einigen Märchen wird von der Traurigkeit berichtet, die den Hasen befällt, weil niemand ihn fürchtet, er aber vor allen Gefahren davon läuft. Daher stammt letztlich auch sein Ruf als Angsthase. Wenn Menschen vor etwas zurückschrecken oder flüchten, nennt man sie gerne "Hasenfuß" oder "Angsthase", oder den wenig Mutigen wird gar ein "Hasenherz" bescheinigt. Foto: 2015, by Frank Liebig [Copyrighted free use], via Wikimedia Commons In den märchenhaften Erzählungen erfährt man zum Beispiel, warum der Hase eine gespaltene Lippe hat. Auch wird ihm nachgesagt, dass er zu eingebildet auf seine Laufkunst sei und deshalb einen Wettstreit mit dem Igel oder der Schildkröte verliert. Und es wird berichtet, wie sehr sich der Hase wünscht, dass sich jemand vor ihm fürchtet. Aber die Märchen sind schon alt und werden immer wieder zur Freude vieler großer und kleiner Zuhörer erzählt. Sicher enthalten sie ein Di, 22. März 2016 Fünkchen Wahrheit, lassen ein wenig vom Verhalten und Aussehen des Hasen ahnen. Doch wie ergeht es Meister Lampe heute? Der Hase kämpft ums Überleben Unsere Welt hat sich so sehr verändert, dass für einen wie ihn kaum noch Platz ist. Sein Lebensraum wird mehr und mehr eingeengt. Die Landwirtschaft wurde im letzten Jahrhundert stark verändert, die Felder umgestaltet. Sie werden nur noch selten von dem für den Hasen so wichtigen Feldrand umsäumt, der mit Büschen, Blumen und Gäsern bewachsen ist. Die Anbauflächen werden größer und größer, damit beispielsweise die riesigen Erntemaschinen dort arbeiten können. Da stören Busch und Strauch. Was den Tieren auch zu schaffen macht, ist die moderne Anbauweise. Über weite Gebiete wird nur Mais, nur Raps oder nur Kohl angebaut. Der Landwirt bringt Kunstdünger aufs Feld und versprüht Pflanzenschutzmittel. Für die Hasen und all die anderen Tiere die dort leben, stellt das eine große Gefahr dar, denn diese Mittel sind für sie giftig. Einst wuchsen auf Äckern und Feldern zwischen Getreide und Mais auch all die Blumen und Kräuter, die heute als "Unkraut" vernichtet werden. So fehlt dem Hasen das Futter, denn er ernährt sich ausschließlich von Grünzeug. Aufseinem Speiseplan stehen Kräuter, Gräser, Wurzeln und Knollen, aber auch Getreide und Kohl. Im Winter knabbert er die Rinde von Baum und Strauch, sowie Knospen und Zweige. Für die Häsin ist ein gutes, abwechslungsreiches Pflanzenangebot wichtig, weil durch reichhaltige Ernährung die Milch für ihre Jungen besonders nahrhaft wird. Die kleinen Hasenbabys brauchen von Anfang an viel Kraft und Energie. Sie sind Nestflüchter, werden mit Fell und offenen Augen geboren. Schon kurz nach der Geburt sind sie in der Lage, vor Gefahren davon zu rennen. Das ist überlebenswichtig, denn ihre Heimstatt bietet nur wenig Schutz, www.schattenblick.de da sie nicht mehr ist als eine Erdmulde. Hasen, insbesondere die Hasenkinder, werden von Fuchs, Wildschwein, Marder, aber auch vom Bussard oder Rabenvögeln gern gefressen. Droht Gefahr, ducken sich die kleinen Langohren tiefin die Sasse und bewegen sich nicht. Ihre rötlichbraungraue Fellfarbe, die dem Erdboden sehr ähnlich ist, dient dabei als gute Tarnung. Außerdem riechen sie nicht solange sie klein sind und ihr Feind kann sie nicht wittern. Das hilft oft, aber leider nicht immer. Über die Hälfte der Hasenbabys überlebt das erste Lebensjahr nicht. Doch nicht nur Tiere machen ihnen den Garaus, sondern auch das Wetter. Im Frühjahr ist es oft noch sehr kalt, das können die Kleinen eigentlich ziemlich gut verkraften. Doch wenn es viel regnet, ihr Fell durchnässt wird, kühlen sie aus und sterben. Zudem fallen jedes Jahr viele Hasen dem Autoverkehr zum Opfer. Eine andere große Bedrohung für Meister Lampe sind die Jäger, die Hasen in großer Zahl erschießen. Eine Häsin kann 3 bis 4 mal im Jahr Junge kriegen und das ist wohl der einzige Überlebenstrick, den diese Tiere haben, ansonsten wäre der Feldhase bereits ausgestorben. In einigen Regionen Deutschlands steht er aufder Roten Liste als vom Aussterben bedrohte Tierart. Ein Feldhase lässt sich nicht wie ein Kaninchen im Haus halten. Als echtes Wildtier braucht er Feld, Wald und Wiese als Lebensraum. Doch der Mensch beansprucht immer mehr Gebiete. Straßen verbinden die neu gebauten Städte und zerschneiden Wald und Wiese. Was könnte getan werden, um Meister Lampe zu retten? Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde: - http://www.br.de/themen/wissen/hasefeldhase-ostern-100.html# - http://www.wasistwas.de/archiv-naturtiere-details/der-feldhase.html - http://www.planet-wissen.de/natur/haustiere/hasen_und_kaninchen/pwiederfeldhaseindeutschland100.html http://www.schattenblick.de/infopool/ kind/natur/knti0091.html Seite 15 Elektronische Zeitung Schattenblick ______I n h a l t____________________________________Ausgabe 1771 / Dienstag, den 22. März 2016____ POLITIK - WIRTSCHAFT POLITIK - REPORT POLITIK - AUSLAND BÜRGER - REPORT SCHACH-SPHINX SPORT - BOXEN KINDERBLICK - NATURKUNDE DIENSTE - WETTER Die USA gegen Indiens Solarzellen - ... TTP, TTIP, CETA, TISA etc. (Pressenza) Migrationskonferenz Kampnagel - Kollateralschaden Migration ... Ilhan Akdeniz ... Brasilien - Lula soll es richten (poonal) Das Anti-TTIP-Bündnis - Großer Spieler Eurozone ... Francisco Mari im Gespräch Réti, Krethi und Plethi Weise Entscheidung im rechten Augenblick Nicht schnell genug, um zu entkommen ... Und morgen, den 22. März 2016 Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite 1 2 7 9 13 14 15 16 DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN Und morgen, den 22. März 2016 +++ Vorhersage für den 22.03.2016 bis zum 23.03.2016 +++ © 2016 by Schattenblick IMPRESSUM Weitreichend trocken, bewölkt und vergoren. Jean-Luc auf Socken, den Frühling beschworen. Elektronische Zeitung Schattenblick Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K. 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