SEITE EINS URTEIL ZU ARZTBEWERTUNGSPORTALEN Weg vom rechtsfreien Raum Egbert Maibach-Nagel , das inzwischen avancierte Symbol für das Internet, ist eine Erfindung des US-Amerikaners Ray Tomlinson. Der EDV-Fachmann verstarb am 5. März. 1971 verschickte er die erste E-Mail. Das der MailAdresse beigefügte „@“ ist heute eine Art Marke für die Kommunikation mit Hilfe von Rechnern. 45 Jahre später ist das Internet Ursache und Plattform für eine der größten informationstechnischen Umwälzungen seit Erfindung des Buchdrucks – mit all ihren Vor- und Nachteilen. Weltumspannende Konzerne haben mit Hilfe des Internets einen Markt geschaffen, der in einem weitgehend rechtsfreien Raum stattfindet. Nach Meinung vieler Experten ist das zu weiten Teilen bis heute so. Über Wohl und Wehe scheiden sich die Geister. Die vielen, meist erfolglosen Versuche von Nationalpolitikern, Weltkonzerne wie Google an heimische Usancen zu binden, belegen das. Und was im Großen gilt, trifft auch für „kleinere“ Gefilde zu. Rechtlich ist nach wie vor vieles ungeklärt. Da ist es schon ein erfreulicher Fortschritt, dass der Bundesgerichtshof am 1. März 2016 die Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals konkretisiert hat. Zum Hintergrund: Ein Zahnarzt hatte geklagt, dass das Ärztebewertungsportal „Jameda“, eine BurdaTochter und laut Eigenaussage mit insgesamt fünf Millionen Nutzern immerhin das größte Portal dieser Art in Deutschland, eine für ihn schlechte anonyme Bewertung nicht ausreichend geprüft, geschweige denn aus dem Netz genommen hatte. Laut Aussage des Klägers sei die Bewertung nicht durch einen seiner Patienten erfolgt. Während die bisherigen Instanzen Jameda Recht gegeben hatten, lässt der Bundesgerichtshof jetzt keinen Zweifel, dass ein Freiberufler sich keine anonymen Bewertungen gefallen lassen muss, die nicht von einem seiner Patienten stammen. Das verpflichtet Portalbetreiber immerhin zu weitgehenderen Prüfungen, als es bisher der Fall war. Auch wenn die ausführliche schriftliche Begründung des Bundesgerichtshofs noch aussteht, kann man jetzt @ Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 10 | 11. März 2016 schon von einem kleinen Erfolg für diejenigen sprechen, die bisher den geschäftsschädigenden Bewertungen anonymer Dritter hilflos ausgeliefert waren. Dass in diesen Zusammenhängen auch wieder die Verdachtsmomente aufkommen, einzelne Bewertungsportale, die mit käuflichen Premiumpaketen für Ärzte und Zahnärzte agieren, bewegten sich hart an den Grenzen zur Schutzgelderpressung, macht das Miteinander von Portalanbietern und bewerteten Ärzten nicht einfacher. Insofern ist jede richterliche Hilfe, die Licht in das anonymitätsgeprägte Dunkel bringen kann, willkommen. Das gilt nicht nur für Ärzte, sondern auch für Patienten. Denn die Nutzer haben nichts von einem Bewertungsangebot, dessen Urteile im Zweifel von böswilligen Nutzern stammen. Das Internet, das bis zur anwenderschützenden Rechtssicherheit noch einiges vor sich hat, ist technisch revolutionär, lahmt aber in der Nutzerfreundlichkeit. Technik selbst, das wissen wir, ist unschuldig. Also müssen wir dafür Sorge tragen, dass Missbrauch unterbleibt. Hier hat der Bundesgerichtshof ein in globalen Ausmaßen vielleicht kleines, in der Sache aber bedeutendes Zeichen gesetzt. Jameda muss künftig sorgfältiger prüfen. Vielleicht gewinnen solche Anbieter ja wieder an Leumund: Bei denen, die zunehmend Zweifel an anonymen Beurteilungen im Netz haben. Egbert Maibach-Nagel Chefredakteur A 399
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