Variationistische Korpusstudien

Mittwoch, 9. März 2016, 9.00 Uhr
Variationistische Korpusstudien
Anke Lüdeling (Berlin)
In meinem Vortrag möchte ich mich damit beschäftigen, wie die aus der Soziolinguistik stammende
variationistische Methode in Korpusvergleichsstudien angewendet werden kann, um die Unterschiede in der Variation von Variablen (was wird gesagt?) und Varianten (wie wird das gesagt?) zu
erfassen.
Seit den 1960er-Jahren werden in variationistischen Studien Variablen und ihre Varianten untersucht (Labov 1966, 1972, 2004 etc., Eckert 2012, Rissanen 2008 u.v.a.). Variablen sind abstrakt und
beziehen sich auf eine sprachliche Funktion (‚dasselbe‘), Varianten sind die unterschiedlichen Ausdrucksformen einer Variablen. Die dahinterliegende Annahme ist, dass Varianten nicht zufällig verteilt sind, sondern von vielen linguistischen und externen Faktoren beeinflusst werden. Die meisten
der bisher untersuchten Variablen sind phonologisch, aber es gibt auch einige Studien zu anderen
Bereichen (so z.B. Croft 2010 zu semantischen Variablen).
Um sprachliche Variation zu untersuchen, werden oft Merkmale in verschiedenen Korpora miteinander verglichen - so beispielsweise die Häufigkeiten verschiedener Wortarten in unterschiedlichen Textsorten, bestimmte lexikalische Ausdrücke oder Ausdrucksklassen in Texten verschiedener Altersstufen oder Satztypen zu verschiedenen Zeitstufen. Dabei wird oft übersehen, dass die
Merkmale nicht immer Varianten derselben Variable sind und man weiß dann nicht, ob sich die Verteilungen der Varianten unterscheiden oder die Frequenz der Variablen. Ich möchte anhand des
RIDGES-Korpus (Odebrecht et al. eingereicht) illustrieren, wie eine konsequent variationistische
Annotation aussehen kann und welche Fragen zur Varianz sich so beantworten lassen. Dabei werde
Variablen aus den Gebieten Lexik, Wortbildung und Syntax betrachten.
Literatur
Croft, William (2010): The Origins of Grammaticalization in the Verbalization of Experience. In: Linguistics 48, S. 1-48.
Labov, William (1966): The Social Stratification of English in New York City. Center for Applied Linguistics, Washington, D.C.
Labov, William (1992): Sociolinguistic patterns. University of Pennsylvania Press.
Labov, William (2004): Quantitative Analysis of Linguistic Variation. In: Ammon, U./Dittmar,
N./Mattheier, K. J./Trudgill, P. (Hrsg.): Sociolinguistics. An International Handbook of the Science of Language and Society. Walter de Gruyter, Berlin, S. 6-21.
Odebrecht, Carolin/Belz, Malte/Zeldes, Amir/Lüdeling, Anke (eingereicht): RIDGES Herbology Designing a Diachronic Multi-Layer Corpus. Verfügbar unter https://www.linguistik.huberlin.de/institut/professuren/korpuslinguistik/mitarbeiter-innen/anke/pdf/odebrechtetalrid
ges-submitted.pdf
Rissanen, Matti (2008): Corpus Linguistics and Historical Linguistics. In: Lüdeling, A./Kytö, M.
(Hrsg.): Corpus Linguistics. An International Handbook, Mouton de Gruyter, Berlin, Vol. 1, S. 5368.