Onkologen fordern fairen Wettbewerb

POLITIK
AMBULANTE VERSORGUNG
Onkologen fordern fairen Wettbewerb
Unikliniken und Krankenhausbetreiber bauen ihre ambulante Versorgung immer weiter aus.
Eine Studie belegt nun, wie sehr beispielsweise Onkologen von dieser Entwicklung betroffen sind.
ie niedergelassenen Onkologen fürchten immer mehr
Wettbewerbsnachteile im Vergleich
zur onkologischen Versorgung in
Krankenhäusern. Vor allem die
deutlich unterschiedlichen Investitionsbedingungen sowie die Steuerung der Patientenströme durch private Klinikbetreiber seien eine Gefahr für die niedergelassenen Fachärzte, heißt es in einer Studie zum
Wettbewerb in der ambulanten onkologischen Versorgung. Diese hat
der Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen
in Deutschland (BNHO) in Auftrag
gegeben.
Die Öffnung der Krankenhäuser
für die ambulante Versorgung führe
vor allem in den Ballungsgebieten
zu einem Verdrängungswettbewerb.
„Neben den versorgungsorientierten Anforderungen setzt der Gesetzgeber verstärkt auf eine wettbewerbliche Orientierung der Leistungsanbieter“, erklärt der BNHOVorsitzende Prof. Dr. med. Stephan
Schmitz, der die Studie gemeinsam
mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin vorstellte.
Die Folge des Engagements der
Krankenhäuser auf dem ambulanten Markt könnte die „Ausdünnung
der ambulanten Versorgung mit
niedergelassenen Fachärzten sein“,
heißt es in der Studie. Autor Haucap sieht die Situation der niedergelassenen Onkologen wie eine
„Spirale, die die Politik bisher nicht
erkannt hat, die sich aber weiter
und weiter nach unten bewegt“.
D
Auch Unikliniken mischen mit
Im Gutachten, das das Düsseldorfer Institut für Wettbewerbökonomie (DICE) erstellt hat, analysieren die Autoren um den Wettbewerbstheoretiker Prof. Dr. Justus
Haucap das verstärkte Interesse
von Krankenhausbetreibern, an
der ambulanten onkologischen
Versorgung teilzunehmen: Mit relativ geringem Einsatz bei technischen Neuanschaffungen könne
die vorhandene Krankenhausinfrastruktur gut integriert und besser
ausgelastet werden. Dazu gehören
die Radiologie, die Leistungen aus
dem Labor und das Betreiben einer Krankenhausapotheke. Diese
können seit 2002 verstärkt auch
A 310
Foto: dpa
Kooperation auf Augenhöhe
Medikamente zur ambulanten
Versorgung abgeben. Mit diesen
Synergien und Quersubventionierungen durch einzelne Abteilungen können niedergelassene Fachärzte in ihrer Praxis nicht kalkulieren.
Neben diesen unterschiedlichen
Investitionsbedingungen von Krankenhäusern und Fachärzten wird
von den Studienautoren auch die
Patientensteuerung kritisch bewertet. Krankenhausbetreiber lenkten
Patienten aus wirtschaftlichen
Gründen verstärkt in die eigenen
ambulanten Einrichtungen. Zusätzlich sei unter bestimmten Bedingungen eine Patientenauswahl möglich, so Haucap. Das Versorgungsinteresse sowie das Arzt-PatientenVerhältnis stünden dabei oft nicht
im Mittelpunkt. Aber nicht nur die
privaten Klinikbetreiber seien am
Aufkauf von Arztsitzen interessiert:
Beispielsweise dränge das Uniklinikum Heidelberg immer mehr auf
den ambulanten Facharztsektor.
Die ambulante
Versorgung von
Onkologie-Patienten rückt immer
stärker in das wirtschaftliche Interesse
von Klinikbetreibern.
Daher warnt der BNHO: „Gerade
die Versorgung von Krebspatienten
braucht die vorbehaltlose Zusammenarbeit von fachlich hoch qualifizierten Ärzten ohne Rücksicht auf
Marktanteile.“ Auch die Studienautoren empfehlen einen deutlichen
Ausbau der Kooperationsmöglichkeiten zwischen niedergelassenen
Fachärzten und Krankenhäusern.
Dies werde auch von der KBV
begrüßt und gefördert. „Bei all dem
muss aber weiterhin der Grundsatz
‚ambulant vor stationär‘ gelten“,
so KBV-Chef Dr. med. Andreas
Gassen bei der Vorstellung der
Studie.
Deutliche Kritik an den Aussagen der Studie äußerte die
Deutsche Krankenhausgesellschaft
(DKG): Das Bekenntnis zur verstärkten sektorübergreifenden Zusammenarbeit sei zwar begrüßenswert. Allerdings seien die
bürokratischen Hürden für eine
Zusammenarbeit immer höher
geworden. „Verantwortlich für
diesen bürokratischen Super-Gau
sind letztlich der GKV-Spitzenverband und die KBV“, erklärte
DKG-Hauptgeschäftsführer Georg
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Baum.
Rebecca Beerheide
@
Können Kooperationen zwischen
Niedergelassenen und Krankenhäusern gelingen? Ein Pro und Contra
zwischen Stephan Schmitz und Georg
Baum: www.aerzteblatt.de/n65803
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 8 | 26. Februar 2016