Dr. M. J. Sauer Didaktik der Stochastik 1. Die Brisanz der Stochastik: Drei Beispiele 1.1 Problem des Chevalier de Méré SS 2015 Der französische Offizier und Schriftsteller George Brossin Chevalier de Méré vermutete, dass beim gleichzeitigen Werfen dreier nicht unterscheidbarer Spielwürfel die Chancen für das Auftreten der Augensumme 11 und für das Auftreten der Augensumme 12 gleich groß sein müssen. Seine theoretische Überlegung war: Sowohl für die Augensumme 11 wie auch für die Augensumme 12 gibt es jeweils sechs Möglichkeiten, nämlich - für die Augensumme 11: 1-4-6, 1-5-5, 2-3-6, 2-4-5, 3-3-5, 3-4-4; - für die Augensumme 12: 1-5-6, 2-4-6, 2-5-5, 3-3-6, 3-4-5, 4-4-4. Chevalier de Méré beobachtete aber in der Spielpraxis, dass die Augensumme 11 häufiger auftrat als die Augensumme 12. Dieser vermeintliche „Widerspruch“ war eines der großen Probleme, die in einem Briefwechsel zwischen Chevalier de Méré und Blaise Pascal diskutiert und von Pascal gelöst wurden. Dieser berühmte Briefwechsel wird allgemein als die Geburtsstunde der Wahrscheinlichkeitstheorie angesehen. 1.2 Olympia-Lotterie-Problem Bei der Olympia-Lotterie 1971 wurde eine 7-stellige Gewinnzahl wie folgt bestimmt: Eine Trommel enthält 70 Kugeln, wobei es je sieben gleichartige Kugeln mit den Ziffern 0,1,2,3,4,5,6,7,8,9 gibt (das heißt: Jede der zehn Ziffern von 0 bis 9 kommt sieben mal vor). Nach dem Durchmischen werden sieben Kugeln gleichzeitig entnommen und mittels einer geeigneten Vorrichtung zufällig zu einer 7-stelligen Zahl angeordnet. Frage: Haben beide der folgenden 7-stelligen Zahlen die gleiche Gewinnchance: 1234567 ; 1111111 ? 1.3 Das Der – Türen – Problem (DTP) und seine Wirkung in der Öffentlichkeit Aufgabe: Sie nehmen an einer Spielshow im Fernsehen teil, bei der Sie eine von drei verschlossenen Türen auswählen sollen. Hinter einer Tür wartet der Preis, ein Auto, hinter den beiden anderen stehen Ziegen. Sie zeigen auf eine Tür, sagen wir Nummer 1. Sie bleibt vorerst geschlossen. Der Moderator weiß, hinter welcher Tür sich das Auto befindet; mit den Worten "Ich zeige Ihnen mal was" öffnet er eine andere Tür, zum Beispiel Nummer drei, und eine meckernde Ziege schaut ins Publikum. Er fragt:" Bleiben Sie bei Nummer eins, oder wählen Sie Nummer zwei?" (US-Zeitschrift "Parade", Kolumne "Fragen Sie Marilyn") Antwort: Nummer zwei hat bessere Chancen. (Marilyn vos Savant <gilt mit einem IQ von 228 als der Mensch mit dem höchsten Intelligenzquotienten der Welt>) Diskussion: • Die Antwort, wonach die Mitspielerin die Tür wechseln sollte, wurde in den Sitzungssälen der CIA und in den Baracken der Golfkrieg-Piloten debattiert. Sie wurde von Mathematikern am Massachussets Institute of Technology und von Programmierern am Los Alamos National Laboratory in New Mexico untersucht und in über tausend Schulklassen des Landes analysiert. (New York Times, 21.07.1991, Seite 1) • Etwa 10000 Zuschriften, schätzt Kolumnistin Marilyn, ...hat sie auf ihre Parade- Kolumne erhalten. Weitaus die meisten Briefeschreiber widersprachen. Zu den heftigsten Kritikern zählten Mathematiker und Wissenschaftler, für einige von ihnen war Kolumnistin Marilyn "selbst die Ziege", "Auslöser erheblicher Lachsalven in der gesamten mathematischen Fakultät" oder auch nur eine "dumme Törin", die mit ihrer Antwort die "nationale Krise der mathematischen Schulbildung" noch vertiefe. (Der Spiegel, Nr. 34, 19.08.91, Seiten 212/213) Kleiner Einblick in die weitere Diskussion in der Öffentlichkeit Pro ZEIT-Artikel I (Die Zeit 30/91, G. v. Randow) -->Zustimmende Leserbriefe blieben rar. ZEIT-Artikel II (Die Zeit 34/91, G. v. Randow) Spiegel-Artikel (Der Spiegel 34/91) Contra Die meisten Leserbriefe an die Zeitschrift "Parade" nehmen die Contra –Seite ein. Kritische Leserzuschriften an die ZEIT, Beispiele: Jeder "normalbegabte Zwölftkläßler" kann "typische Laienfehler" entdecken. "Haarsträubender Unsinn", "Quatsch", "Nonsens". Weiterer Leserbriefsturm. Entsprechende Leserpost
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