PRESSEMITTEILUNG Zumeldung zu Äußerungen von Bundesarbeitsministerin Nahles (dpa-Meldung) BWIHK und Arbeitgeber Baden-Württemberg fordern Überarbeitung des Mindestlohngesetzes: Bürokratie abbauen, Rechtssicherheit schaffen und Haftungsrisiken begrenzen Dr. Dulger: „Wenn man von 99 Prozent ehrlichen Arbeitgebern ausgeht, wird deutlich, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird“ Dr. Kulitz: „Uns verwundert, dass trotzdem alle Arbeitgeber unter einen Generalverdacht gestellt und deshalb scharf kontrolliert werden sollen“ STUTTGART – Arbeitgeber und Kammern in Baden-Württemberg haben die Bundesregierung aufgefordert, das Mindestlohngesetz dringend zu überarbeiten. „Ziel muss es dabei sein, unnötige Bürokratie und Dokumentationspflichten abzubauen, Rechtsklarheit und -sicherheit in vielen Anwendungsfragen zu schaffen sowie die Haftungsrisiken für die Unternehmen zu begrenzen“, erklärten die Arbeitgeber Baden-Württemberg und der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) am Dienstag gemeinsam in Stuttgart. Die beiden Organisationen nehmen Bezug auf die jüngsten Äußerungen von Bundesarbeitsministerin Nahles gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, die einerseits keinen Bedarf erkennen kann, das Mindestlohngesetz anzupassen, andererseits von „99 Prozent“ ehrlichen Arbeitgebern gesprochen hatte, die durch das Gesetz geschützt werden sollen. Die Ministerin hatte angekündigt, dass 1600 zusätzliche Kontrolleure des Zolls – auch an der Schusswaffe – für die Mindestlohnkontrollen ausgebildet würden. Landesarbeitgeberpräsident Dr. Rainer Dulger kritisierte insbesondere den hohen Schwellenwert für die umstrittenen Dokumentationspflichten. Demnach müssen bis zu einem Bruttomonatsentgelt von 2.958 Euro die Arbeitszeiten dokumentiert werden. Bei einer 40-Stunden-Woche bedeute der Mindestlohn jedoch rund 1.400 Euro im Monat, so Dulger: „Dass bei mehr als 2.000 Euro gegen das Mindestlohngesetz verstoßen wird, ist allenfalls eine theoretische Möglichkeit. Wenn man dann noch von 99 Prozent redlichen Arbeitgebern ausgeht, wird deutlich, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.“ Dr. Peter Kulitz, Präsident des BWIHK, ergänzte: „Einerseits freut es uns, dass die Ministerin endlich anerkennt, dass die überwältigende Mehrheit der Unternehmen gute Arbeitgeber sind. Anderseits verwundert es uns umso mehr, dass trotzdem alle Arbeitgeber unter einen Generalverdacht gestellt und deshalb scharf kontrolliert werden sollen.“ 1 Aus Sicht der Spitzenorganisationen der Wirtschaft gebe es bisher keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass in Baden-Württemberg in nennenswertem Umfang gegen das Mindestlohngesetz verstoßen werde. Kammerpräsident Kulitz mahnte daher an, bei den Kontrollen durch den Zoll die erforderliche Sensibilität walten zu lassen: „Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn uniformierte und bewaffnete Beamte zum Beispiel im Handel oder in der Gastronomie vor den Augen der Gäste und Kunden Kontrollen durchführen, ohne einen konkreten Anlass zu haben.“ Dulger erinnerte die Bundesarbeitsministerin an ihre Zusage, alle Regelungen des Mindestlohngesetzes zeitnah überprüfen zu wollen: „Da passt es überhaupt nicht, wenn schon vor einer intensiven Überprüfung alle Kritikpunkte vom Tisch gewischt werden. Und es passt auch nicht, das Gesetz als Wohltat für die ehrlichen Unternehmer anzupreisen. Niemand hat um diese Bevormundung gebeten.“ Aus Sicht der Industrie- und Handelskammern und der Arbeitgeber in Baden-Württemberg gehören neben den Dokumentationspflichten noch weitere Regelungen des Mindestlohngesetzes auf den Prüfstand. So müssten Unternehmen auch dafür haften, dass ihre Lieferanten und Dienstleister im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags ihren Mitarbeitern den Mindestlohn bezahlen. „In der Praxis ist eine Kontrolle und Durchsetzung bis hin zu Subunternehmen aber kaum realisierbar“, so Kulitz. „Davon abgesehen ist der tatsächliche Haftungsumfang unklar.“ Ebenso gebe es große Rechtsunsicherheiten, für welche Arbeitnehmer der Mindestlohn gelte und welche Entgeltbestandteile neben dem Grundentgelt zu berücksichtigen sind. In der Praxis sorge auch der Umgang mit den Ausnahmetatbeständen für Unsicherheit – insbesondere bei den Ausnahmeregelungen zu Praktikanten. „Manche Praktika sind vom Mindestlohn befreit, andere nicht. Im Einzelfall ist die Einordnung für viele Unternehmen sehr schwierig“, sagte Dulger: „Die Koalitionsspitzen in Berlin sollten ihre Beratungen in der kommenden Woche nutzen, um praxistaugliche Regelungen zu finden und die Unternehmen von unnötiger Bürokratie zu entlasten.“ Eine Absage erteilte er auch den Forderungen des DGB nach einem Verbandsklagerecht und nach einer Umkehr der Beweislast, wonach der Arbeitgeber den Beweis erbringen müsse, welche Arbeitsstunden tatsächlich geleistet wurden: „Das wäre aus unserer Sicht untragbar.“ Ansprechpartner: Arbeitgeber Baden-Württemberg Volker Steinmaier Abt. Kommunikation Löffelstraße 22-24 70597 Stuttgart Tel. 0711 7682-128 Mobil 0173 5836-243 Email: [email protected] Internet: www.agv-bw.de BWIHK Dr. Michael Alpert Geschäftsführung Jägerstraße 40 70174 Stuttgart Tel. 0711 22 55 00 66 [email protected] www.bw.ihk.de 2
© Copyright 2024 ExpyDoc