Interventionelle Radiologie. Ralph Kickuth Vaskuläre interventionelle Radiologie - Integrales und wichtiges minimal-invasives Spezialgebiet der heutigen Medizin Bis 1960er Jahre > 1960er Jahre • klassische Angiographie als rein diagnostische bildgebende Technik • Seitdem Änderung des angiographischen Spektrums • Rasanter Wandel und Fortschritt in 60er Jahren • Entwicklung der klassischen Angiographie zu einem perkutanen Eingriff mit therapeutischer Intention unter Zuhilfenahme der Bildgebung • Zunehmender Einsatz der interventionellen Radiologie in der Notfallversorgung Zielsetzung • Aufzeigen diverser Notfallszenarien • Vorstellung verschiedenartiger Gefäßerkrankungen • Darlegung interventioneller Therapiemaßnahmen a) Lumenerhaltende Prozeduren b) Lumenverschließende Techniken Blutungstypen & -Ätiologie Blutungstypen • Aktive Blutungen (Kontrastmittelextravasationen) • Pseudoaneurysmata • AV-Fisteln Blutungsätiologien • Traumatisch • Iatrogen (Skalpell, Bohrer, Retraktor, Führungsdraht) • Inflammatorisch (Pankreatitis, Sigmadivertikulitis) • Neoplastisch • Kongenital, hereditär • Antikoagulation Kathetertechnische Verfahren • Vorherige CTA sinnvoll (erster Aufschluss über Situation) • Zunächst Darstellung des zu therapierenden/blutenden Gefäßes über einen Diagnostikkatheter • Distale Arterienäste/Seitenäste: Mikrokatheterembolisation (Coils/Partikel/Kleber) • Proximale Arterienäste/Hauptäste: Implantation membranüberzogener Stents (covered Stents) Bildbeispiele Kathetermaterial Bildbeispiel Mikrokather (über diagnostischen Kathter eingebracht) Embolisationsmaterialien • Spiralen (Coils) • Polyvinylalkohol-Partikel bzw. Mikrosphären • Gewebekleber (Histoacryl) • Gelatinschwamm (Gelfoam) • Gefäßplomben Bildbeispiel Coils zur Embolisation Arrosionsblutung aus der A. gastroduodenalis ins Duodenum Nach Coiling Embolisationstechnik Zweiseitige (synchrone) Embolisation Einseitige Embolisation • in distalen Endästen • bei physiologischen Kollateralkreisläufen • entweder Passage des Feedergefäßes proximal und distal der Blutungsquelle • Embolisation über zwei zuführende Gefäße (z.B. Truncus coeliacus und A. mesenterica superior) Vorgehen: Diagnost. Katheter mit nachfolgend eingebrachtem Mikrokatheter Vorgehen: Diagnost. Katheter mit nachfolgend eingebrachtem Mikrokatheter Z.n. erfolgreichem Coiling: ausgeschaltete Perfusion des Pseudoaneurysmas Z.n. erfolgreichem Coiling: ausgeschaltete Perfusion des Pseudoaneurysmas Größenauswahl von Mikropartikeln zur Embolisation Mikropartikel zur Embolisation Vorteil diagnostischer vs. Mikrokatheter zur Detaildarstellung Detaillierte Gefäßdarstellung mittels Mikrokatheter; rechts: nach Intervention und Gefäßverschluss mittels Mikropartikel Beispiel einer Gefäßplombe Embolisationsmaterialien Cave: Nur die Gefäßplomben lassen sich nicht über einen Mikrokatheter verabreichen!!! (auf Grund ihrer Größe) Bildbeispiel Gelfoam Bildbeispiel Gelfoam Frage 1 Welches Embolisationsagens ist im Rahmen einer Blutungsbehandlung nur als absolut temporär anzusehen? 1. Gelatineschwamm (Gelfoam) 2. Gewebekleber (Histoacryl) 3. Spiralen (Coils) 4. Gefäßplomben (Amplatzer Vascular Plug) 5. Polyvinylalkohol-Partikel bzw. Mikrosphären Blutung aus Stromgebiet der A. iliaca interna (AII) mit zusätzlichem Pseudoaneurysma Blutung aus Stromgebiet der AII vor/nach Coiling Koaxiale Mikrokatheterembolisation • Exakte Lokalisation einer Blutung • Präzise Katheterisierung blutender arterieller Äste mit nur minimaler Gewebskompromittierung • Weniger invasiv als chirurgische Intervention • Extreme Krümmung des Mikrokatheters kein Hindernis, auch nicht bei Verwendung von Coils • Embolisation so selektiv als möglich, hierdurch Verbesserung der Erfolgsaussichten • Durch Superselektivität Reduktion der Komplika-tionsrisiken (Ischämie benachbarter Strukturen) Blutung ohne / mit Mikrokatheter Blutung nach Coiling Monitoring • Blutdruckmessungen • Arterielle Sauerstoffsättigung • Elektrokardiographische Parameter • Respirationsrate • Eventuell anästhesiologisches Stand-by Extravasation der Arteria ileocolica Extravasation der Arteria ileocolica: beachte Kollateralen mit paralleler Perfusion -> doppeltes Coiling Periinterventionelle Behandlung • Rocephin® (Ceftriaxon) 1 x 1 - 2 g i. v. • Claforan® (Cefotaxim) 2 x 1 - 2 g i. v. • Fortum® (Ceftazidim) 2 x 1 - 2 g i. v. • Refobacin (Gentamicin) 3 - 5 mg/kg/d CT-graphisches Bild einer traumatischen Leberlazeration mit aktivem KM-Austritt im Sinne einer Blutung Bekannter Patient mit Leberlazeration: intra-DSA zeigt sich ferner eine AV-Fistel (zu Vena porta) Bekannter Patient mit Leberlazeration: Z.n. Coiling und nachfolgend ausgeschalteter AV-Fistel (siehe rechts) Organ: Niere Pseudoaneurysma und Blutung; Z.n. Coiling (rechts) Organ: Niere Pseudoaneurysma und Blutung; Z.n. Coiling (rechts) Milzblutung; Sondieren mittels Mikrokatheter beachte gewundenen Verlauf der A. lienalis (erschwerter Zugang!) Milzblutung; Sondieren mittels Mikrokatheter Z.n. Coiling CT des Pat. mit Milzblutung im Verlauf: beachte röntgendichte Coils und Milznarbe (ischämisch) nach Coiling Gecoverte Stentsysteme - Auswahl • Verfügbarkeit • Diameter und Länge des Zielgefäßes • Lokalisation der Blutung (gebeugtes Gefäßsegment) • Schleusengröße • Kosten Ballonexpandierbarer gecoverter Stent Sandwichartige Konstruktion Edelstahl Expandierbares PTFE Blutung aus A. renalis rechts Blutung aus A. renalis rechts mittels gecovertem Stent versorgt; nachfolgend regelrechte Perfusion Blutung nach Anlageversuch eines ZVK (A. subclavia) mittels Stent versorgt, re. Bild zeigt Vorgang des Stent - Absetzens Blutung nach Anlageversuch eines ZVK (A. subclavia) mittels Stent versorgt Selbstexpandierender gecoverter Stent • Nitinol extern • ePTFE intern • Bioaktive Oberfläche • (Hepari Selbstexpandierender gecoverter Stent (A. hepatica) Selbstexpandierender gecoverter Stent (A. hepatica) Vorteile – gecoverte Stents • Minimale Invasivität • Potentiell geringere posttherapeutische Schmerzen • Möglicherweise kürzeres Erholungsintervall • Prompte Identifikation der Blutungsquelle, gefolgt von sofortiger Therapie • Identifikation auch kleinerer, jedoch hämodynamisch relevanter Blutungen • Rasche Hämostase und Stabilisierung des Patienten Blutung aus A. poplitea; mittels gecovertem Stent versorgt Vorteile – gecoverte Stents • Geringeres technisches Risiko bei voroperiertem Situs • Geringere perioperative Mortalität im Vergleich zu einer chirurgischen Revision • Während derselben Prozedur Ballonokklusion zur Blutstillung → Zeitgewinn für Therapieplanung • Nach Stabilisierung des Patienten medizinische Optimierung und Risikostratifikation → „Bridging“ • Beherrschung eigener PTA-/Stentkomplikationen Blutung aus Stromgebiet der A. iliaca interna (AII) Blutung aus AII – überstenten und Verschluss der AII mittels gecovertem Stent Limitationen – gecoverte Stents: • Größere/rigidere Applikationssysteme für gecoverte Stents im Vergleich zur Mikrospiralembolisation • Implantation gecoverter Stents in geschlängelte Gefäße • Atherosklerose, Gefäßspasmus • Hohe Lernkurve, erfahrene Interventionisten • 24-Stunden-Notfallverfügbarkeit • Unter Umständen extrem zeitintensiv • Kosten: zwischen 1250,- und 2750,- Euro Z.n. Whipple-OP mit Gefäßarrosion und Ausbilden eines Pseudoaneurysma A. hepatica Überstenten des o.g. Pseudoaneurysmas mit Ausschaltung Traumatische Aortenruptur • Loco typico mit Einriss der Gefäßwand am Ansatz des Ligamentum arteriosum • Exitus letalis bei 10 - 40% aller Verkehrstoten mit Ruptur • Von 10 – 20% der Patienten, die Ruptur initial überleben, Exitus letalis bei 40% innerhalb von 24 h, 72% innerhalb einer Woche, 90% innerhalb von 10 Wochen Aortenprothesen - Bildbeispiele Traumatische Aortenrupter in loco typico (gedeckte Perforation) Traumatische Aortenrupter in loco typico mittels Aortenprothese versorgt (vgl. röntgendichte Streben) Aortenaneurysma • Häufigste Ursachen: Atherosklerose (80%), Traumata (bis zu 20%) • Seltene Ursachen: syphilitisch, mykotisch, inflammatorisch • Verlauf: Größenzunahme, Ruptur • Ab kritischem Durchmesser von 5,5 – 6,0 cm elektive OP-Indikation Aortenaneurysma – präinterventionelle CTA: • Rein infrarenale Lage des Aneurysmas • Ausreichende Verankerung (infrarenal normale Weite < 25 mm auf einer Strecke > 15mm) • Mindestens eine normkalibrige Iliakalarterienbifurkation • Ausschluss einer gleichzeitigen Stenose von TC und AMS (Kollateralkreislauf über AMI) Aortenaneurysma - Komplexität • Nierenarterienstenosen (Dilatation, Stenting) • Akzessorische Nierenarterien • Viszeralarterienstenose (Dilatation, Stenting) • Perfusion der Iliaca-interna-Strombahn (Gesäßclaudicatio → Erhalt eines der Gefäße) • Vorliegen einer Perforation Abdominelles Aortenaneurysma (AAA) CTA: AAA ist randständig teilthrombosiert, beachte KM-Ausparung Prothesen für AAA Aortenaneurysma – Vermessung Prothese: • Weite der Prothese: Durchmesser im engsten infrarenalen Aortensegment • Länge der Prothese: Gesamtlänge der dilatierten Abschnitte zuzüglich 15 mm proximal und distal • Weite der Y-Schenkel: Durchmesser der A. iliaca communis und externa bds. • Diameter A. femoralis communis: 14 mm!!! AAA versorgt mit biiliakaler Prothese Aortendissektion • Seltene Erkrankung mit Häufigkeit von 3 : 1000 • Prognose abhängig von der primären Lokalisation des Intimarisses (Perikardtamponade, Aortenklappe) • Stanford A: Beteiligung der Aorta ascendens • Stanford B: Beteiligung der Aorta descendens • Risikofaktoren: arterieller Hypertonus, Arteriosklerose, Aneurysmen, Traumata Aortendissektion – präinterventionelle CTA • Nachweis der Dissektionsmembran • Zeichen der Perforation • Nachweis eines muralen Hämatoms • Thrombosierung des wahren/falschen Lumens • Mitbeteiligung (Dissektion) aortaler Seitenäste Aortendissektion – präinterventionelle CTA • Stenosierung, Kompression oder Verschluss aortaler Seitenäste • Unterscheidung zwischen statischer und dynamischer Kompression • Malperfusionssyndrom (renal, mesenterial, spinal, iliofemoral) • Lokalisation der „Entries“ Aortendissektion- Therapieoptionen • Keine definitiven Richtlinien • Stentgraftimplantation (proximaler Entryverschluss) • Membranfenestration (dynamische Membran) • Stentimplantation (statische Membran) Aortendissektion (Typ B nach Stanford-Klassifikation) Typ B Aortendissektion mit Prothese versorgt Typ B Aortendissektion mit Prothese versorgt 3D-Darstellung: ausgedehnte Aortendissektion (Typ B) mit Ausläufer in A. iliaca externa (rechts im Bild); beachte wahres/falsches Lumen! Gefahr: kompromittierte unilaterale Organperfusion (z.B. Niere) Therapiemöglichkeit: Aortenfenestration Therapiemöglichkeit: Aortenfenestration re. im Bild sonographische Darstellung der Lumina vor Fenestration Therapiemöglichkeit: Aortenfenestration Therapiemöglichkeit: Aortenfenestration CT vor / nach Fenestration, beachte Perfusionsunterschied der li. Niere! Akute Extremitätenischämie • Kardiale Embolie, arterielle Thrombose im Rahmen einer pAVK („acute-onchronic“) • Plötzlicher, peitschenhiebähnlicher Extremitätenschmerz • Fünfmal „P“: pain, pallor, pulselessness, paralysis, paraesthesia • Diagnose klinisch, unterstützend FKDS Akute Extremitätenischämie - Therapie • Katheterthrombusaspiration • Ballon-PTA (Lösen thrombotischen Materials) • Katheterthrombolyse: • Beimpfen des Thrombus mit 5 mg rt-PA (Actilyse®), dann Infusion von 0,5 mg rt-PA/kg KG/h über 24 h • Cave: Blutungen ZNS, gastrointestinal, urogenital Therapiemöglichkeit bei Ischämie: (Aspirations-) Thrombektomie Beachte: Kollateralisierter Gefäßabbruch Ergebnis nach Thromektomie: prox. Unterschenkel mittlerer US distaler US Aspirierter Thrombus Aspirierter Thrombus Portale Hypertension - TIPS • Im Rahmen einer Leberzirrhose unterschiedlicher Ätiologie • Akute oder rezidivierende Ösophagusvarizenblutung (Versagen von Medikamenten, Sklerotherapie, Ligatur) • Therapierefraktärer Aszites • Budd-Chiari-Syndrom Shuntchirurgie • Historisch, allenfalls bei Versagen eines TIPS • Mesocavaler Shunt • Mesorenaler Shunt • Mesoatrialer Shunt Frage 2: Welche Antwort ist falsch? 1. Die Implantation eines membranüberzogenen (gecoverten) Stents ist eine Methode, um eine akute Blutung auszuschalten. 2. Im Gegensatz zur Mikrospiraltherapie kann die Implantation von membranüberzogenen (gecoverten) Stents grundsätzlich auch im sehr distalen Stromgebiet im Rahmen einer Blutungsstillung erfolgen. 3. Die Implantation eines membranüberzogenen (gecoverten) Stents kann im Rahmen einer Blutungskomplikationstherapie durch geschlängelte Gefäße, atherosklerotische Veränderungen und Gefäßspasmen erschwert sein. 4. Der Einsatz eines membranüberzogenen (gecoverten) Stents erfolgt im Vergleich zur Mikrospiraltherapie über größere und rigidere Applikationssysteme, wenn akute Blutungen behandelt werden. 5. Sowohl Mikrospiraltherapie als auch die Implantation eines membranüberzogenen (gecoverten) Stents stellen minimal-invasive Verfahren zur Stillung einer Blutung dar. Bildbeispiele TIPS Bildbeispiele TIPS Zusammenfassung interventionelle Radiologie • Aufzeigen diverser Notfallszenarien, geläufiger Gefäßerkrankungen, wichtiger Therapieoptionen • Breit gefächerte und hoch effektive Subspezialität • Klinische Aspekte (Alter, schlechter AZ, multiple Komorbiditäten) • Interdisziplinäre Konzepte (operativ/endoskopisch/medikamentös) • Ökonomische Grundsätze
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