Vorhofflimmern und Stent – Ist Triple in oder out? Der Spagat ist nicht leicht: Patienten mit Vorhofflimmern brauchen nach einer Koronarintervention eine Thrombose-Prophylaxe. Doch wie geht man richtig mit dem Blutungsrisiko um? Ein Überblick. Thrombus oder Blutung? Um einerseits – und dies ist der Zielkonflikt – eine Stent-Thrombose und einen Schlaganfall zu vermeiden, nimmt man andererseits ein hohes Blutungsrisiko in Kauf. Unter der sogenannten Triple-Therapie beträgt nämlich laut „Real-World“-Registerdaten aus Dänemark die jährliche Inzidenz eines Blutungsereignisses, das eine Krankenhauseinweisung erforderlich macht oder gar tödlich verläuft, 16%.1) Selbst vor dem Hintergrund der hohen Blutungsraten fällt es jedoch schwer, das Konzept der Triple-Therapie – möglicherweise vorschnell – zu verlassen. Schließlich ist durch Studien gut belegt, dass zum einen eine orale Antikoagulation den Thrombo28 zyten-Antagonisten in der Reduktion der Schlaganfallgefahr bei Vorhofflimmern deutlich überlegen ist und zum anderen erst eine duale Plättchenhemmung die Häufigkeit der gefürchteten Stent-Thrombosen signifikant senken konnte. Anlass zur Hoffnung, dass eine weniger aggressive Blutverdünnung vertretbar sein könnte, gibt insbesondere die Verbesserung der Stent-Technologie über die letzten Jahre. Moderne Stents weisen ein niedrigeres Thromboserisiko auf. Eine Metaanalyse hat jüngst einen signifikanten Überlebensvorteil bei Patienten, die einen modernen Drug-Eluting-Stent (DES) erhalten hatten, im Vergleich zu mit Stents älterer Generation (bare metall stents, BMS) versorgten Patienten gezeigt.2) Hinzu kommt, dass der unzureichende Schutz vor Stent-Thrombosen bei früher verwendeten Stents unter der Kombination von oraler Antikoagulation und ASS als Thrombozyten-Antagonist beobachtet wurde. Die Stent-Thrombose-Rate unter der Kombination von oraler Antikoagulation und dem potenteren Clopidogrel könnte geringer sein. Dafür sprechen die Ergebnisse der WOEST-Studie.3) Diese prospektive, randomisierte Untersuchung verglich die Triple-Therapie mit der Kombination Vitamin-K-Antagonist (VKA) und Clopidogrel bei Patienten, die mit einem Koronarstent versorgt wurden und – in etwa 70% der Fäl- le aufgrund von Vorhofflimmern – oral antikoaguliert waren. Unter der Kombination VKA und Clopidogrel traten signifikant weniger Blutungen (primärer Studien-Endpunkt) auf als unter der Triple-Therapie. Interessanterweise trat aber auch der zweite, kombinierte Endpunkt (Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Revaskularisation des Zielgefäßes und StentThrombose) in der mit dem VKA und Clopidogrel behandelten Patientengruppe signifikant seltener auf (11,1 vs. 17,6%). Die WOEST-Studie umfasste allerdings zu wenige Patienten, um Unterschiede im Risiko der Stent-Thrombose aufdecken zu können. Eine weitere Untersuchung scheint jedoch deren Aussage zu untermauern. So zeigten dänische Registerdaten von über 12.000 Patienten mit Vorhofflimmern, die einen Myokardinfarkt erlitten und/oder mit einem Koronarstent versorgt wurden, dass die Kombination von VKA und Clopidogrel in der kombinierten Betrachtung von ischämischen Ereignissen und Blutungen besser abschnitt als die Triple-Therapie.4) NOAK im Vergleich Man darf gespannt sein auf die Ergebnisse der randomisierten Untersuchungen, die die neuen, direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) in der Kombination mit Clopidogrel mit oder ohne ASS – in der RE-DUALPCI-Studie plus Dabigatran5) sowie in der ärztemagazin 6/2015 Fotos: vizualis/iStock, Privat P atienten mit Vorhofflimmern, die zur Thrombembolie-Prophylaxe eine orale Antikoagulation benötigen, sind im Falle einer Koronar intervention mit Implantation eines Stents bzw. im Falle eines akuten Koronarsyndroms, welches zumeist eine solche Intervention nach sich zieht, einem deutlich erhöhten Blutungsrisiko ausgesetzt. Denn um sie vor einer StentThrombose bzw. einem erneuten ischämischen Ereignis zu schützen, erhalten sie zusätzlich eine duale Thrombozyten hemmende Medikation (ASS und ein Thienopyridin, auch P2Y12-Antagonisten genannt). Th ro mb osep ro p hylaxe m e d i zi n wobei die Dauer insbesondere vom individuellen Blutungsrisiko und vom verwendeten Stent-Typ abhängig ist. Diese Empfehlungen stellen in Ermangelung solider evidenz-basierter Daten lediglich einen Experten-Konsensus dar. Das „gute alte“ ASS könnte bei manchen Patienten an Stellenwert verlieren. PIONEER-AF-PCI-Studie mit Rivaroxaban6) – versus der Triple-Therapie mit VKA vergleichen. Ein Vergleich mit der Kombination VKA plus Clopidogrel ist in diesen Studien allerdings nicht vorgesehen. Gegenwärtig sehen die maßgeblichen Guidelines in den genannten Indikationen eine zeitlich befristete Triple-Therapie vor, In den USA erhielt jedoch die Kombination eines VKA mit Clopidogrel nach Stent-Implantation bei Patienten mit Vorhofflimmern zwischenzeitlich eine KlasseIIb-Indikation. Auch in Europa liegt nunmehr ein Konsensus-Dokument vor, in dem dieser Kombination in Abhängigkeit von der klinischen Situation und dem individu- ellen Schlaganfall- sowie Blutungsrisiko des Patienten eine Klasse IIb- oder sogar IIaIndikation zugeordnet wird.7) Es spricht einiges dafür, dass die Therapie mit einem Vitamin-K-Antagonisten oder einem DOAK plus einem Thienopyridin in der Zukunft an die Stelle der TripleTherapie treten und das „gute alte“ ASS bei diesen Patienten seinen bisherigen Stellenwert verlieren könnte. n 1) Arch Intern Med. 2010;170(16):1433-1441 2) BMJ 2014;348:g3859 3) Lancet 2013; 381: 1107-15 4) JACC 2013; 62: 981-9 5) ClinicalTrials.gov: NCT02164864 6) ClinicalTrials.gov: NCT01830543 7) Eur Heart J 2014;35:3155–79 Dr. Dirk Stein, Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunktbezeichnung Kardiologie, Salzburg Weitere Literatur beim Verfasser Quelle: modifiziert nach G.Y.H. Lip et al., Eur Heart J 2014, doi:10.1093/eurheartj/ehu298 Die Wahl der richtigen antithrombotischen (Kombi-)Therapie (O) = Orale Antikoagulanzien, (A) = ASS, (C) = Clopidogrel. Gestrichelte Kästchen repräsentieren eine optionale Gabe, basierend auf einer klinischen Entscheidung von Fall zu Fall. *) Duale Therapie mit (O) und (C) kann bei ausgewählten Patienten erwogen werden. **) (A) als Alternative zu (C) kann erwogen werden bei Patienten mit dualer Therapie. ***) Duale Therapie mit (O) und (A) oder (C) kann erwogen werden bei Patienten mit sehr hohem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. ACS: Akutes Koronarsyndrom; KHK: Koronare Herz-Krankheit; DAPT: Duale Plättchenhemmung; PCI: Perkutane Koronarintervention Foto: Stufe 4: Je dunkler das Orange, desto intensiver soll die antithrombotische Therapie durchgeführt werden. Bei Vitamin-K-Antagonisten innerhalb einer Triple-Therapie liegt der INR-Zielwert zwischen 2.0–2.5 und die TTR sollte >70% sein. ärztemagazin 6/2015 29
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