Börsengesellschaftsrecht Folien FMR FS 2015

Einführung in das
Finanzmarktrecht FS2015
Börsengesellschaftsrecht
27. April 2015
Alex Christen, MLaw, Rechtsanwalt
[email protected]
Universität Bern
Institut für Wirtschaftsrecht
VORBEMERKUNGEN
I. Aufbau des Referats
II. Grundlagen
III. Ausgewählte Beispiele im Gesellschaftsrecht
IV. Ausgewählte Beispiele im Börsenrecht
V. Ausgewählte Beispiele im Kotierungsrecht
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TEIL I
Grundlagen
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GRUNDLAGEN
 Börsengesellschaftsrecht gilt für Publikumsgesellschaften,
massgeblich ist Kotierung der Beteiligungspapiere.
 Kotierung bewirkt rechtliches Sonderregime bzw. «Statuswechsel».
 Rechtsquellen des Börsengesellschaftsrechts:

Aktienrecht (Art. 620 ff. OR, VegüV);

Börsenrecht (BEHG, BEHV, BEHV-FINMA, UEV etc.);

Kotierungsrecht (Kotierungsreglemente inklusive sämtlicher Sonderordnungen
der Börsen; unechte Selbstregulierung ).
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TEIL II
Ausgewählte Beispiele im Gesellschaftsrecht
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A. OFFENLEGUNG (1/3)
Beteiligungen (Art. 663c OR)
 Bedeutende Aktionäre (5% der Stimmrechte, allenfalls tieferer
Grenzwert, falls Prozentklausel besteht, Art. 663c Abs. 1 und 2 OR).
 Beteiligungen gegenwärtiger Mitglieder VR, GL und Beirat, sowie ihnen
nahe stehender Personen.
 Anhang zur Bilanz, also Jahresrechnung; überprüft durch die
Revisionsstelle.
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A. OFFENLEGUNG (2/3)
Vergütungen (Art. 663bbis OR)
 Betroffene Personen:

Gegenwärtige VR, GL und Beiräte (Art. 663bbis Abs. 1 Ziff. 1–3 OR);

EhemaligeVR, GL und Beiräte sowie nahe stehende Personen, sofern die
Vergütungen nicht marktüblich sind (dealing at arm’s length, Art. 663bbis
Abs.1 Ziff. 4 und 5 OR).
 Vergütungen gemäss Art. 663bbis Abs. 2 OR (nicht abschliessend),
Gesamtbetrag und Einzelentschädigungen.
 Publiziert im Anhang zur Bilanz.
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A. OFFENLEGUNG (3/3)
Vergütungsregulierung (VegüV)
 Erweiterung Kompetenzen der GV

statutarisch (Art. 12 VegüV)

Wahlen (Art. 2 Ziff. 2 sowie Art. 7 Abs. 1 VegüV)

Abstimmungen, «Say on Pay» (Art. 18 f. VegüV)
 Verwaltungsrat

Vergütungsbericht (Art. 13 ff. VegüV)

Unzulässige Vergütungen (Art. 20 f. VegüV)

Strafbestimmungen, Durchsetzbarkeit umstritten (Art. 24 VegüV)
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B. VINKULIERUNG (1/3)
 Grundsatz: Freie Übertragbarkeit der Mitgliedschaftsrechte
 Ausnahme: Beschränkung der Übertragbarkeit; Vinkulierung

Inhaberaktie (=Inhaberpapier Art. 978 OR): «normal»; gültiges Grundgeschäft
und Tradition bzw. Surrogat + Verfügungsbefugnis oder Guter Glaube;

Namenaktie (=Ordrepapier): Indossament oder Zession, plus grundsätzlich
Eintragung im Aktienbuch.
 Bei Namenaktien Vinkulierung möglich (Art. 685a ff. OR), keine kalte
Ablehnung.
 Unterschiedliche Ablehnungsgründe (Art. 685b, 685c vs. 685d–685g OR)
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B. VINKULIERUNG (2/3)
 Private Gesellschaft


statutarisch vorgesehener wichtiger Grund (Art. 685b Abs. 1 und 2 OR);

Prozentklausel (BGer);

Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten (BGer);

«escape clause» (Art. 685c Abs. 1 OR).
Publikumsgesellschaft

Prozentklausel (Art. 685d Abs. 1 OR);

Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten (Art. 685d Abs. 2 OR);

Lex Koller, BankG
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B. VINKULIERUNG (3/3)
 Übertragung bei nicht kotierten vinkulierten Namenaktien:

Mitgliedschaftsrechte verbleiben bis Zustimmung beim Veräusserer
(Einheitstheorie, Art. 685c Abs. 1 OR);


Zustimmung wird fingiert, wenn nicht Ablehnung innert dreier Monate;

Gesetzliche Erwerbstatbestände: Spaltung (Art. 685c Abs. 2 OR);
Übertragung bei kotierten vinkulierten Namenaktien:

börsenmässiger Erwerb – sofort;

ausserbörslicher Erwerb – mit Gesuch.
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TEIL III
Ausgewählte Beispiele im Börsenrecht
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A. ÖFFENTLICHES ÜBERNAHMERECHT (1/3)
 Öffentliches Kauf- bzw. Tauschangebot an Publikumsaktionäre
für deren kotierte Papiere (Art. 2 lit. e BEHG), mit dem Ziel, die
Zielgesellschaft zu übernehmen (Art. 22 ff. BEHG sowie UEV).
 Drei «Interessenten»
Zielgesellschaft
gemäss Art. 22
Abs. 1 BEHG
Anbieter als
Erwerber
Publikumsgesellschafter
als Veräusserer
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A. ÖFFENTLICHES ÜBERNAHMERECHT (2/3)
Ablauf
Voranmeldung
der Offerte
(Art. 28 lit. a
BEHG i.V.m
Art. 5 ff. UEV)
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Angebotsprospekt (Art.
24 Abs. 1
BEHG)
Stellungnahme
Annahme oder
und Bericht
Ablehnung des
(Art. 29 Abs. 1
Angebotes
BEHG)
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A. ÖFFENTLICHES ÜBERNAHMERECHT (3/3)
Besonderheiten während der Dauer des Angebots
 Für die Aktionäre der Zielgesellschaft:

Meldepflicht (Art. 31 BEHG i.V.m. Art. 38 f. UEV)
 Für den VR der Zielgesellschaft:

Keine Rechtsgeschäft, die Aktiv- oder Passivbestand in bedeutender Weise verändern
(Art. 29 Abs. 2 BEHG);


Unzulässige und gesetzeswidrige Abwehrmassnahmen/Poison Pills (Art. 36 f. UEV)

Zulässige Abwehrmassnahmen
Für die GV der Zielgesellschaft?
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B. MELDEPFLICHT (1/2)
Meldepflicht Art. 20 f. BEHG i.V.m. Art. 9 ff. BEHV-FINMA
Weitere spezialgesetzliche Pflicht des Publikumsaktionärs.
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B. MELDEPFLICHT (2/2)
 Transparenz; angestrebt ist ein Investoren- bzw. Minderheitenschutz.
 «level playing field»; keine «creeping takeovers» (illustrativ: BGE 136 II
304)
 Sanktionsregime bei Verletzung der Meldepflicht

strafrechtliche Sanktionen (Art. 41 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 BEHG): Busse bis
CHF 10’000’000 bei Vorsatz und bis CHF 1’000’000 bei Fahrlässigkeit.

aufsichtsrechtliche Massnahmen von Amtes wegen (Art. 34b BEHG):
Stimmrechtssuspendierung sowie Zukaufsverbote (kumulativ möglich).

Hinweis: Art. 9 Abs. 2 BEHV-FINMA wird nicht mehr angewendet.
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C. ANGEBOTSPFLICHT (1/2)
Angebotspflicht bzw. Pflichtangebot (Art. 32 BEHG i.V.m.
Art. 28 ff. BEHV-FINMA)
Weitere spezialgesetzliche Pflicht des Publikumsaktionärs.
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C. ANGEBOTSPFLICHT (2/2)
 Opting-up (Art. 32 Abs. 1 BEHG);
 Opting-out, allerdings nur vor der Kotierung (Art. 22 Abs. 2 BEHG).
 Bedingungen (Art. 36 BEHV-FINMA);
 Mindestpreis und «best price rule» (Art. 32 Abs. 4 BEHG, Art. 10
Abs. 1 UEV und Art. 40 ff. BEHV-FINMA).
 Sanktionen:

strafrechtlich (Art. 41a BEHG): Bussen;

aufsichtsrechtlich (Art. 32 Abs. 7 BEHG): Stimmrechtssuspendierung und
Zukaufsverbote.
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D. KRAFTLOSERKLÄRUNG (1/2)
 Ausschlussrecht gegen Aktionäre?

Aktienrecht: Grundsätzlich nein, Ausnahme Kaduzierung (Art. 681 Abs. 2 OR).

Umstrukturierungsrecht: squeeze out Merger (Art. 8 Abs. 2 i.V.m. 18 Abs. 5
FusG) und asymmetrische Spaltung (Art. 31 Abs. 2 lit. b i.V.m. 43 Abs. 3 FusG).

Börsenrecht: squeeze out (Art. 33 BEHG i.V.m. Art. 54 f. BEHV).

Hier nur börsenrechtlicher squeeze out.

Nicht verwechseln mit Kraftloserklärung gemäss OR.
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D. KRAFTLOSERKLÄRUNG (2/2)
 Voraussetzungen (Art. 33 BEHG)


Öffentliches Kaufangebot

Nach Ablauf der Frist mehr als 98% der Stimmrechte.

Gesuch binnen dreier Monate nach Angebotsende.
Prozessuales

Aktiv- und Passivlegitimation

Verfahrensart
 Rechtsfolgen
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TEIL IV
Ausgewählte Beispiele im Kotierungsrecht
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A. AD HOC-PUBLIZITÄT (1/2)
 Grundlagen: Art. 53 KR SIX, RLAhP, Art. 18 KR BX
 Transparenzpflicht der Publikumsgesellschaft
 Voraussetzungen: (I) Tatsache die (II) potenziell kursrelevant, und
(noch) nicht öffentlich bekannt ist.
Tatsache, z.B. wenn dem Beweis zugänglich; insb. keine Tatsache sind Gerüchte,
I.
Gewinnschätzungen Dritter (Presse), Ideen und Absichten.
II. Erhebliche Kursrelevanz, die geeignet ist, den Anlageentscheid zu beeinflussen (Art. 3
und 4 RLAhP).
 Gewinnwarnungen, gewichtige Personalmutationen, Kapitalveränderungen
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A. AD HOC-PUBLIZITÄT (2/2)
 Zeitpunkt: unverzüglich, ausnahmsweise Aufschub der Bekanntgabe
 Bei Verletzung der Ad hoc-Publizität selbstregulatorisches
Sanktionsregime (Art. 21 RLAhP i.V.m. 61 KR SIX bzw. 23a KR BX):
 Sanktionen (Kumulation möglich): Verweis, Bussen, Sistierung des
Handels, Dekotierung, Publikation der Sanktion
 Haftungsansprüche der Publikumsaktionäre?

Umstritten, weder Regelung im BEHG noch in den KR.

Problem: selbstregulatorische Grundlage
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A. RECHNUNGSLEGUNG (1/2)
 Grundlagen: Art. 51 KR SIX, RLR, Art. 17 KR BX
 International anerkannte Rechnungslegungsstandards (Art. 51 KR SIX)
bzw. «true and fair view» (Art. 17 KR BX).
 BX: mindestens Swiss GAAP FER
 SIX: Grundsatz IFRS, je nach Standard auch zugelassen US GAAP oder
Swiss GAAP FER (Art. 6 RLR, vgl. nächste Folie)
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A. RECHNUNGSLEGUNG (2/2)
 Emittenten mit Sitz in der Schweiz (vgl. Anhang I RLR)
 Emittenten ohne Gesellschaftssitz in der Schweiz
Zusätzlich EU IFRS, Japanese GAAP, Canadian GAAP, Australian GAAP, New
Zealand GAAP, South African GAAP
 ordentliche Revision durch staatlich beaufsichtigtes Revisionsunternehmen
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FRAGEN?
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Alex Christen, MLaw, Rechtsanwalt
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