als PDF - Graf Kanitz, Schüppen & Partner

5. Mai 2015
D&O
AKTUELL
Maßgebliche Regelungen:
§ 111 Abs. 5 AktG n.F.
(5) Der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der
Mitbestimmung unterliegen, legt für
den Frauenanteil im Aufsichtsrat und
im Vorstand Zielgrößen fest. Liegt
der Frauenanteil bei Festlegung der
Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen
zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils
nicht länger als fünf Jahre sein. Soweit für den Aufsichtsrat bereits eine
Quote nach § 96 Absatz 2 gilt, sind
die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen.
§ 52 Abs. 2 GmbHG n.F.
(2) Ist nach den Mitbestimmungsgesetzen ein Aufsichtsrat zu bestellen,
so legt der Aufsichtsrat für den Frauenteil im Aufsichtsrat und unter den
Geschäftsführern Zielgrößen fest.
Liegt der Frauenanteil bei Festlegung
der Zielgrößen unter 30 Prozent, so
dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen
zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils
nicht länger als fünf Jahre sein.
§ 76 Abs. 4 AktG n.F.
(4) Der Vorstand von Gesellschaften,
die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den
Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil
bei Festlegung der Zielgrößen unter
30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen
den jeweils erreichten Anteil nicht
mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind
Fristen zur Erreichung der Zielgrößen
festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein.
§ 36 GmbHG n.F.
Die Geschäftsführer einer Gesellschaft, die der Mitbestimmung unterliegt, legen für den Frauenanteil in
den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführer Zielgrößen
fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr
unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen
Die „Frauenquote“ im Bundesgesetzblatt - Handlungsbedarf
für börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen
Das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (BGBl. I, S. 642, nachfolgend: FüpoTeiG)1 ist am 30. April 2015 verkündet worden und damit grundsätzlich seit
dem 1. Mai in Kraft. Vorab: Es spricht nichts
gegen „Geschlechtergerechtigkeit“ und
noch weniger gegen Frauen in Führungspositionen. Es spricht vieles gegen starre, eignungsunabhängige Quoten und die Fundierung wirtschaftsrechtlicher Gesetzgebung
auf sachfremder Gesinnungsethik. Nachfolgend zeigen wir Handlungsbedarf und verbleibende Handlungsspielräume auf.
I. Konzept und
Anwendungsbereich des FüpoTeiG
Das Gesetz betrifft alle Unternehmen, die börsennotiert oder (unternehmerisch, d.h. durch
Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat) mitbestimmt sind. Diese Unternehmen sind bis spätestens zum 30. September
2015 verpflichtet, unternehmensindividuell eine
Frauenquote für Aufsichtsrat, Vorstand und
oberen Führungskreis festzulegen. Für eine
Teilmenge der betroffenen Unternehmen, nämlich alle diejenigen Gesellschaften, die börsennotiert und (quasi-)paritätisch mitbestimmt sind,
gilt für die Besetzung des Aufsichtsrats weitergehend eine feste Geschlechterquote von mindestens 30 % („Mindestanteilsgebot“). Dieses
Mindestanteilsgebot ist bei allen ab dem
1. Januar 2016 stattfindenden Wahlen zum Aufsichtsrat zu beachten.
Sowohl über den Umgang mit der flexiblen
Frauenquote in Aufsichtsrat und Geschäftsleitung als auch mit dem starren Mindestanteilsgebot für den Aufsichtsrat ist im Rahmen der
jährlichen externen Rechnungslegung (im Lagebericht) Rechenschaft abzulegen. Darüber hinaus gehende Sanktionen sind derzeit für eine
Verletzung der gesetzlichen Regelungen zur flexiblen Frauenquote nicht vorgesehen, während
Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern, die unter
Verletzung des starren Mindestanteilsgebots
zustande gekommen sind, für nichtig erklärt
werden (sog. „Leerer Stuhl“).
1 Eine amtliche Kurzbezeichnung hat das Gesetz nicht, sachlich naheliegend
und einprägsam ist daher „Führungspositionenteilhabegesetz – FüpoTeiG“
II. Flexibler (Frauen-)Mindestanteil
in Aufsichtsrat und Geschäftsleitung von Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmt sind
Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, einen – grundsätzlich frei wählbaren – Frauen-Mindestanteil
als Zielgröße für den Aufsichtsrat selbst und
den Vorstand (bzw. bei GmbHs die Geschäftsführung) festzulegen (§§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5
AktG n.F., §§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG n.F.). Der
Vorstand (bzw. bei GmbHs die Geschäftsführung) ist verpflichtet, „für den Frauenanteil in
den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands (bzw. der Geschäftsführer)“ Zielgrößen
festzulegen.
Die Zielgrößen können für Aufsichtsrat, Vorstand und oberen Führungskreis jeweils unterschiedlich sein. Vor dem Hintergrund sowohl
unternehmensexterner als auch unternehmensinterner Kommunikationserfordernisse handelt
es sich um eine diffizile unternehmenspolitische, letztlich strategische Entscheidung. Zulässig ist auch eine Zielgröße von 0 %. Eine Beschränkung der Freiheit in der Festlegung des
Mindestanteils ergibt sich allerdings daraus,
dass dieser den jeweils bereits erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten darf, wenn die
Zielgröße unter 30 % liegt (Login des Status
Quo). Neben dem primären, in der Festlegung
der Zielgröße liegenden unternehmerischen
Entscheidungsspielraum bestehen folgende
Gestaltungsspielräume:
Das Login des Status Quo knüpft an den
Zeitpunkt der Beschlussfassung des zuständigen Gremiums („bei Festlegung der Zielgrößen“) an. Eine – ggf. auch nur vorübergehende – Veränderung des Status Quo vor
dieser Beschlussfassung hat daher Einfluss
auf die gesetzliche Mindestzielgröße.
Was unter den „beiden Führungsebenen
unterhalb des Vorstands (bzw. der Geschäftsführer)“ zu verstehen ist, ist eine
Frage der unternehmensindividuellen Organisation. Veränderungen der Hierarchieebenen sind, da insoweit ebenfalls der Zeitpunkt der Beschlussfassung von Vorstand
bzw. Geschäftsführung maßgeblich ist,
möglich. Unklar ist, ob der Begriff der Führungsebene konzernweit zu verstehen ist
oder sich lediglich auf die vom Gesetz un-
D&O AKTUELL | „FRAUENQUOTE“ IM BUNDESGESETZBLATT | Seite 2
D&O
AKTUELL
festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein.
§ 96 Abs. 2 AktG n.F.
(2) Bei börsennotierten Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt, setzt sich der
Aufsichtsrat zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und zu mindestens
30 Prozent aus Männern zusammen.
Der Mindestanteil ist vom Aufsichtsrat insgesamt zu erfüllen. Widerspricht die Seite der Anteilseigneroder Arbeitnehmervertreter vor der
Wahl der Gesamterfüllung gegenüber
dem Aufsichtsratsvorsitzenden, so ist
der Mindestanteil für diese Wahl von
der Seite der Anteilseigner und der
Seite der Arbeitnehmer getrennt zu
erfüllen. Es ist in allen Fällen auf volle
Personenzahlen mathematisch aufbeziehungsweise abzurunden. Verringert sich bei Gesamterfüllung der höhere Frauenanteil einer Seite nachträglich und widerspricht sie nun der
Gesamterfüllung, so wird dadurch die
Besetzung auf der anderen Seite
nicht unwirksam. Eine Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats durch die
Hauptversammlung und eine Entsendung in den Aufsichtsrat unter Verstoß gegen das Mindestanteilsgebot
ist nichtig. Auf die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sind
die in Satz 1 genannten Gesetze zur
Mitbestimmung anzuwenden.
§ 17 Abs. 2 SEAG n.F.
(2) Besteht bei einer börsennotierten SE das Aufsichtsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und
Arbeitnehmervertretern, müssen in
dem Aufsichtsorgan Frauen und
Männer jeweils mit einem Anteil
von mindestens 30 Prozent vertreten sein. Der Mindestanteil von jeweils 30 Prozent an Frauen und
Männern im Aufsichtsorgan ist bei
erforderlich werdenden Neubesetzungen einzelner oder mehrerer
Sitze im Aufsichtsorgan zu beachten. Reicht die Zahl der neu zu besetzenden Sitze nicht aus, um den
Mindestanteil zu erreichen, sind die
Sitze mit Personen des unterrepräsentierten Geschlechts zu besetzen, um dessen Anteil sukzessive
zu steigern. Bestehende Mandate
können bis zu ihrem regulären
Ende wahrgenommen werden.
mittelbar betroffene Gesellschaft bezieht.
Richtigerweise ist auch insoweit entscheidend, ob das betroffene Unternehmen
selbst seine Führungskräfte- und Hierarchiegruppeneinteilungen konzernweit oder
gesellschaftsindividuell vornimmt.
Für das Erreichen der selbst gesetzten Zielgrößen hat das zuständige Gremium sich
selbst Fristen zu setzen. Diese dürfen
grundsätzlich nicht länger als fünf Jahre
sein, bei der anstehenden erstmaligen Festlegung darf die Frist allerdings nicht länger
als bis zum 30. Juni 2017 dauern (§25
Abs.1 EG AktG n.F., §5 EG GmbH n.F.)
III.30 %-iger (Geschlechter-)Mindestanteil im Aufsichtsrat von Unternehmen, die börsennotiert und
paritätisch mitbestimmt sind
Die zwingenden 30 % sind keine Frauen-, sondern eine Geschlechterquote und betreffen nur
den Aufsichtsrat (§ 96 Abs. 2 AktG n.F., § 17
Abs. 2 SEAG n.F.). Es handelt sich um eine
starre Quote, die Möglichkeit durch Beschluss
abweichende Zielgrößen festzulegen, besteht
also insoweit nicht. Nach den Recherchen der
Bundesregierung sind als Teilmenge der börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen von dieser weitergehenden Regelung nur
108 Unternehmen betroffen.
Ein Wahlrecht besteht bei der Aktiengesellschaft lediglich dahingehend, ob die Quote nur
bezogen auf den Gesamtaufsichtsrat („Gesamterfüllung“) oder bezogen jeweils auf Anteilseigner- und Arbeitnehmerbank („Getrennterfüllung“) erfüllt werden soll. Verstößt eine
Aufsichtsratswahl gegen die gesetzliche Vorgabe, so erklärt das Gesetz diese ausdrücklich
für nichtig, sodass die zu besetzende Aufsichtsratsposition bis zu einer anderweitigen Wahl
oder einer gerichtlichen Bestellung vakant
bleibt. Allerdings wird die Beschlussfähigkeit
des Aufsichtsrats grundsätzlich nicht berührt,
so dass eine erste Handlungsempfehlung dahin
lautet, die Geschäftsordnungsregelungen zur
Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats im Hinblick auf die neue gesetzliche Regelung zu
überprüfen.
Einen weitergehenden Handlungsspielraum eröffnen Besonderheiten, die sich für die börsen-
notierte und mitbestimmte SE ergeben, so
dass ggf. über einen Rechtsformwechsel nachgedacht werden kann. Die Geltung des gesetzlichen Mindestanteilsgebotes knüpft für die SE
nicht an die Geltung von MitBestG, MontanMitBestG oder MitBestErgG an, sondern an das
Bestehen des Aufsichtsorgans aus derselben
Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern. Soweit im Rahmen der abzuschließenden Beteiligungsvereinbarung eine andere, imparitätische Besetzung des Aufsichtsorgans
vereinbart werden kann, findet das gesetzliche
Mindestanteilsgebot keine Anwendung. Selbst
soweit dies nicht gelingt, bleibt als Vorteil der
SE, dass ein Verstoß gegen das gesetzliche
Mindestanteilsgebot nicht automatisch zur
Nichtigkeit der Wahl führt (sondern nur zur Anfechtbarkeit) und dass eine Komplexitätsreduktion eintritt, weil stets die Gesamterfüllung des
Mindestanteils maßgeblich ist, eine Option zur
Getrennterfüllung besteht bei der SE nicht.
Im Rahmen des Mindestanteilsgebotes (§ 96
Abs.2 AktG n.F.) ist in Satz 4 vorgesehen, dass
"in allen Fällen" auf volle Personenzahlen mathematisch auf- beziehungsweise abzurunden ist.
Nach richtiger, allerdings umstrittener Auffasung
gilt diese Rundungsvorschrift als Auslegungsregel für alle aufgrund des FüpoTeiG festzulegenden oder gesetzlich festgelegten Quoten.
Matthias Schüppen | AlexandraTretter
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