Kognitive Verhaltenstherapie in der Praxis Univ.-Doz. Dr. Walter Renner 1. Fallbeispiel 32jähriger Akademiker, Leiter einer Bankfiliale im ländlichen Raum (4 Angestellte) verheiratet mit Turnusärztin 2 Kinder (1 Jahr, 2 Monate) Beschwerdebild: Panikattacken aktuelle Lebenssituation: seit ½ Jahr bietet ihm ein Vorgesetzter einen Karrieresprung an – soll Vorstandsmitglied werden und zahlreiche MA führen. Kl. zögert, seine Frau sagt: „Das kannst du nicht ablehnen!“ und drängt ihn zugleich, mehr Zeit bei der Familie zu verbringen 1. Fallbeispiel 2. KVT-Standardmethoden 3. Störungsspezifische Interventionen 1. Fallbeispiel Panikattacken: bisher etwa 15 mal aufgetreten, Dauer ca. 30 min., Herzklopfen, Herzrasen, wird blass, ringt nach Luft, denkt an Herzinfarkt, „wer wird für meine Familie sorgen, wenn ich sterbe“, Steigerung bis zur Todesangst Auftreten in Situationen, die nicht verlassen werden können (Stau, Flug, U-Bahn...); versucht, solche Situationen zu vermeiden kann nicht „abschalten“; hat viele Hobbys aufgegeben, fühlt sich permanent unter Zeitdruck 1. Fallbeispiel Vereinbarte Ziele: Angst nur noch dann empfinden, wenn rational begründbar, Untätigkeit aushalten lernen, allgemeine Anspannung reduzieren Therapeutische Schritte (1. – 11. Doppelstunde): o Progressive Relaxation o kognitives Modell der Panik – „Angstkreis“ (s. nächste Folie) o Veränderung subjektiver Bewertungen o „Hausaufgaben“: Untätigkeit einplanen und zulassen o Analyse der zentralen Motive im Leben 1. Fallbeispiel Plananalyse: Exploration und graphische Darstellung der zentralen Motive und Ziele im Leben und der Mittel zu deren Erreichung „Familie glücklich machen“; „bei allen beliebt sein“; „max. erfolgreich sein“ => „Perfektion“ Mittel: max. Zeit mit Familie verbringen; MA, Vorgesetzten und KundInnen sollen immer zufrieden sein; max. berufliches Engagement Kl. erkennt die Konflikthaftigkeit, besonders im Fall des „Karrieresprungs“; erkennt Problematik des Zieles „Perfektion“ 1. Fallbeispiel Kognitives Modell der Panik 1. Fallbeispiel gute Fortschritte: keine Panikattacken mehr, gelegentliche Unruhe nicht mehr „katastrophisierend“ interpretiert, Plananalyse brachte entscheidende dauerhafte Veränderung, Vermeiden schrittweise reduziert ab 12. Termin Einzelstunden; bis 20. Termin weitere Arbeit an dysfunktionalen, konflikthaften Motiven, Tendenz, sich selbst Druck zu machen, Herleitung aus der Lebensgeschichte; Schwergewicht auf „Selbstmanagement“ 1. Fallbeispiel 15. Termin: vorübergehende Verschlechterung – berufliche Veränderung noch immer ungeklärt Kl. bekommt neuen Job schließlich nicht => erleichtert; mit bisher Erreichtem zufrieden 21. – 27. Termin (zuletzt 14tägig): Festigung des Erreichten, Verselbständigung keine Panikattacken mehr; unrealistische Ziele relativiert; kann mit Untätigkeit besser umgehen; kein Vermeiden mehr; kann unangemessene Forderungen zurückweisen; setzt sich selbst weniger unter Druck 2. KVT - Standardmethoden Beispiel 2: Training sozialer Kompetenz o Drei Situationstypen: (1) Recht durchsetzen; (2) Beziehungen gestalten; (3) Kontakt aufnehmen o dysfunktionale Kognitionen werden identifiziert und verändert o selbstsicheres von aggressivem Verhalten unterscheiden lernen o praktische Übung in Rollenspielen in der Gruppe o weitere Übung in Realsituationen 2. KVT - Standardmethoden Beispiel 1: Entspannungsverfahren – z.B. Progressive Relaxation (Jacobson) o ca. 5 sec. Anspannung – ca. 40 sec. Entspannung o festes „Programm“ o zunächst Langform, dann Verkürzung möglich o Pat. übt regelmäßig zu Hause o leichte Erlernbarkeit o später: „konditionierte Entspannung“ mit „Ruhewort“ 2. KVT - Standardmethoden Beispiel 3: Problemlösetraining Ziel: Erhöhung der Selbsteffizienz in Alltagssituationen Feedback-Modell: (1) Problem definieren (2) Ziel festlegen (3) Brainstorming zu Lösungsalternativen (4) subjektiv beste auswählen (5) Planung und Umsetzung (6) abschließende Bewertung 3. Störungsspezifische Interventionen Beispiel 1: Depression (1) Aufbau positiver Aktivitäten: Auswahl aus Liste, Planung wie Terminkalender, kleine Schritte, Stimmungsratings – damit zugleich: (2) Förderung sozialer Kompetenz (3) kognitives Umstrukturieren: „automatische Gedanken“ identifizieren und verändern; diese betreffen z.B. Übergeneralisierung einzelner Misserfolge; Schwarz-Weiß-Denken; Katastrophisieren 3. Störungsspezifische Interventionen Beispiel 2: spezifische Phobie o Angst geht meist mit Vermeiden einher; daher kann Harmlosigkeit der Situation nie erlebt werden o Befürchtung, Angst würde ins „Unendliche“ steigen => „sterben“; „verrückt werden“: kognitive Umstrukturierung o Exposition – (1) „in vivo“: in der Realität; (2) „in sensu“: Systematische Desensibilisierung; (3) Virtual reality https://www.youtube.com/watch?v=kUxIML47kFE 3. Störungsspezifische Interventionen Beispiel 3: psychotische Störungen o Ziel v.a. „Negativsymptome“ zu reduzieren: kognitive Einschränkungen, Antriebslosigkeit, Rückzug, Schweigen, emotionale Verarmung... o Trainingsprogramme für kognitive und emotionale Fertigkeiten o Manual gibt Schritte vor; heute vielfach EDVgestützt o zusätzlich: Training im Erkennen von Frühsymptomen - Rückfallprävention o Angehörigenarbeit – „Psychoedukation“ Literatur
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