Leseprobe - Gebäudehülle Schweiz

FOKUS – BAUSCHÄDEN
03 | 2015 GEBÄUDEHÜLLE
Ein Riss im Putz ist häufig ein erstes Zeichen für einen Schaden in der Konstruktion.
FOTO: RUDOLPHO DUBA / PIXELIO.DE
HOHE KOSTEN DURCH SCHÄDEN AM BAU
Bauschäden sind ein Ärgernis, von dem weder die Bauherrschaften noch die Baubranche profi­
tieren. Die Ursachen dafür sind vielfältig und reichen von Material­ und Ausführungs­ bis hin zu
Planungsfehlern.
Mängel am Bau sind zwar ärgerlich, aber
keine Seltenheit. Laut den Zahlen einer
Studie der ETH Zürich ergeben sich in
der Schweiz jährlich durch Baumängel
entstandene Kosten von rund 1,6 Mia.
Franken. Die Ursachen sind häufig in ei­
ner überhasteten Ausführung aufgrund
von Zeitmangel oder in einer ungenü­
genden Planung zu finden.
Die nachfolgenden drei Fallbeispiele ver­
deutlichen, wie Bauschäden im Dach­
bereich und am Terrassenanschluss
entstehen können. Die Fallbeispiele
stammen aus dem Buch «Bauschäden –
Expertisen schaffen Klarheit» von Jürgen
Blaich, welches Anfang letzten Jahres im
Faktor Verlag erschienen ist.
Fallbeispiel 1: Eindringendes
Regenwasser
An den unteren Rahmenhölzern der
Terrassentüren eines 2005 fertiggestell­
ten Terrassenhauses zeigten sich im
Gebäudeinnern Feuchtigkeitsschäden.
Die Oberkante des Terrassenbelags be­
fand sich rund 10 cm über dem Niveau
des Wohnungsfussbodens. Unter dem
in Splitt verlegten Terrassenbelag be­
fand sich eine Abdichtung aus Polymer­
bitumen­Abdichtungsbahnen, welche
in Form einer Aufbordung mit Flüssig­
kunststoff an das untere Rahmenholz
der Fenstertüren angeschlossen war. Eine
Kittfuge befand sich am oberen Rand der
Aufbordung. Über eine Sondieröffnung
Fallbeispiel 1:
Situation im
Vertikalschnitt
GRAFIK: JÜRGEN BLAICH: «BAU­
SCHÄDEN – EXPERTISEN SCHAFFEN
KLARHEIT», FAKTOR VERLAG, 2014
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FOKUS – BAUSCHÄDEN
03 | 2015 GEBÄUDEHÜLLE
Dach
8,4 %
Aussenwand
25,8 %
Umgebung
1,9 %
Einbauelement Fenster
14,3 %
Einbauelemente
2,3 %
Erdberührte Elemente
8,5 %
Fussboden
8,4 %
Balkon / Terrasse
19,7 %
Innenwand
4,8 %
Decke
3,4 %
Technik
2,5 %
Die von Mängeln betroffenen Gebäudeelemente in Prozent.
GRAFIK: SACHA MENZ UND OLIVER KRIEBUS: «MÄNGEL IM HOCHBAU –
EMPFEHLUNGEN FÜR AUSFÜHRENDE UND ENTSCHEIDUNGSTRÄGER»,
SCHWEIZERISCHER BAUMEISTERVERBAND, 2013
erkannte man das nasse und morsche
Rahmenholz in einem Hohlraum inner­
halb der Konstruktion. Die Wärmedäm­
mung enthielt zudem 5,3 Masseprozent
Feuchtigkeit.
An den undichten Stellen der Kittfuge
drang Regenwasser ein und verteilte sich
im Hohlraum zwischen Aufbordung und
Rahmenholz, woraus die Fäulnisschäden
entstanden. Zur Sanierung wird die Frei­
legung der Anschlüsse gegen die Fens­
terrahmen von aussen empfohlen, um
anschliessend das verfaulte Rahmenholz
zu ersetzen und einen neuen Anschluss
mit der gleichen Konstruktion zu erstel­
len. Der Einbau einer Entwässerungsrinne
kann dabei das Schadensrisiko mindern.
Fallbeispiel 2: Durchfeuchtetes
Flachdach
Die häufigsten Bauschäden entste­
hen, sobald Feuchte unerwünscht in
das Gebäude eintritt. So auch bei ei­
nem Flachdach, welches aufgrund einer
fehlerhaften Sanierung durchfeuchtet
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Fallbeispiel 2:
Situation
FOTO: JÜRGEN BLAICH: «BAU­
SCHÄDEN – EXPERTISEN SCHAFFEN
Fallbeispiel 2:
Sondieröffnung
FOTO: JÜRGEN BLAICH: «BAU­
SCHÄDEN – EXPERTISEN SCHAFFEN
KLARHEIT», FAKTOR VERLAG, 2014
KLARHEIT», FAKTOR VERLAG, 2014
wurde. Die Sanierung des 1970 erbau­
ten Flachdaches erfolgte 2005 unter Ver­
wendung eines Duodaches. Dabei wurde
eine zusätzliche Wärmedämmung auf
die bestehende Dachabdichtung verbaut
und anschliessend mit einer weiteren
Abdichtung versehen. Nachdem bereits
im ersten Winter nach der Sanierung
Wasser über den südlichen Dachrand
tropfte, wurde Feuchtigkeit im Flachdach
festgestellt. Die wasserführende Schicht
verschob sich durch den Einbau der zu­
sätzlichen Wärmedämmschicht um rund
15 cm nach oben. Der Dachrand wurde
FOKUS – BAUSCHÄDEN
03 | 2015 GEBÄUDEHÜLLE
jedoch nur unwesentlich erhöht und auf
Notüberläufe wurde verzichtet. Als Folge
eines Überstaus lief das Wasser über die
Dachrandaufbordung und zusätzlich un­
ter die Abdichtung. Zur Fehlerbehebung
wird der Ausbau der Flachdachkonstruk­
tion an den Seitenrändern in der Breite
von rund einem Meter bis auf die Beton­
decke empfohlen, um anschliessend den
Dachrand zu erhöhen und den Aufbau
wieder zu ergänzen. Mit einem Dämm­
stoffkeil sind die neu eingebauten Wär­
medämmstoffe gegen die Dachfläche
auszuführen. Gegen die verbleibende
Dachfläche sind zudem die Dachränder
mithilfe einer Abschottung zwischen der
Betondecke und der Abdichtung abzu­
trennen sowie mindestens zwei Notüber­
läufe am Dachrand vorzusehen.
Fallbeispiel 3: Absturz der Dachhälfte
Nach heftigen Schneefällen rutschte bei
einem auf 1 475 m. ü. M. erstellten Ge­
bäude die nördliche Dachhälfte ab. Das
als Walliserdach ausgeführte Satteldach
besass eine Dachneigung von 37 Grad.
Seit der Fertigstellung des Hauses waren
zu diesem Zeitpunkt erst 2 Jahre vergan­
gen. Auf die kreuzweise angeordnete
Lattung des Walliserdaches wurden die
Lasten aus der Eindeckung sowie dem
Wind und Schnee abgeleitet. Untersu­
chungen ergaben, dass die Schrauben
zur Befestigung der horizontalen Lattung
an den Sparren gebrochen und bis zu
20 mm in die Lattung hineingezogen
waren. Aufgrund der Schneemassen ent­
standen Kräfte in der Dachkonstruktion,
die zu einem Kippen der horizontalen
Lattung führten. Die Schraubenköpfe der
entgegenwirkenden Befestigungsschrau­
ben wurden durch die Zugkräfte in die
Lattung hineingezogen, wodurch sich die
Kippbewegung vergrösserte. Wegen der
zu hohen Zugkräfte brachen schliesslich
die ersten Schrauben, was eine Ketten­
reaktion auf die verbliebenen Schrau­
ben auslöste. Als Ergebnis versagten
alle Schrauben, und das Dach rutschte
schliesslich ab.
Zusammenwirken der Beteiligten
Alle am Bau Beteiligten tragen eine
Verantwortung zur Realisierung eines
Gebäudes. Dazu bedingt es auch eine
umfangreiche Kommunikation. Aussage­
Fallbeispiel 3:
Situation
FOTO: JÜRGEN BLAICH: «BAU­
SCHÄDEN – EXPERTISEN SCHAFFEN
Fallbeispiel 3:
Konstruktion
KLARHEIT», FAKTOR VERLAG, 2014
Fallbeispiel 3:
Typisches Bruchbild
FOTO: JÜRGEN BLAICH: «BAU­
SCHÄDEN – EXPERTISEN SCHAFFEN
KLARHEIT», FAKTOR VERLAG, 2014
kräftige Konstruktionszeichnungen kön­
nen im Zweifelsfall Fragen beantworten
und Baumängeln entgegenwirken. Doch
auch die Unternehmer sind gefragt, in­
dem sie bei aufkommenden Fragen das
Gespräch mit den Planenden oder Bau­
leitenden suchen.
Erfahrungswerte sind der einzige Gewinn
von Bauschäden. Ein qualitativ hochwer­
tiges Ergebnis bietet ausreichend Moti­
vation. ■
Morris Breunig
FOTO: JÜRGEN BLAICH: «BAU­
SCHÄDEN – EXPERTISEN SCHAFFEN
KLARHEIT», FAKTOR VERLAG, 2014
Fallbeispiel 3:
Schadensmechanismus schematisch
GRAFIK: JÜRGEN BLAICH: «BAU­
SCHÄDEN – EXPERTISEN SCHAFFEN
KLARHEIT», FAKTOR VERLAG, 2014
Mängel im Hochbau
Das ETH­Institut für Technologie in der
Architektur und der Schweizerische
Baumeisterverband (SBV) ergründeten
genaue Zahlen und Fakten zu Baumän­
geln. Dafür untersuchte der Studien­
autor Oliver Kriebus Mängelprotokolle
von 54 Wohnbauprojekten und 505
Gutachten aus dem Zeitraum von 1992
bis 2010. Die Resultate wurden 2013 in
dem Handbuch «Mängel im Hochbau
– Empfehlungen für Ausführende und
Entscheidungsträger» veröffentlicht.
Darin werden Empfehlungen für alle
am Bau Beteiligten formuliert, Baumän­
gel statistisch erläutert und Hinweise
anhand der anerkannten technischen
Regeln gegeben, um Fehler zu redu­
zieren oder zu eliminieren.
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