Brief aus Berlin (30)

KARIN STRENZ
Mitglied des Deutschen Bundestages
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Telefon: 030 227-75040
Telefax: 030 227-76411
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Brief aus Berlin (30)
27. März 2015
Themen: Antrittsbesuch des griechischen Ministerpräsidenten – Flugzeugkatastrophe in den französischen Alpen – Debatten und namentliche Abstimmungen
sprachen darüber, welche Schritte, welche Reformen zur Erfüllung der beschlossenen Übereinkommen nötig sind. Die Art der Maßnahmen
kann nach wie vor von Griechenland bestimmt
werden, da gibt es doch kein Diktat aus Europa
(oder schlimmer, aus Berlin).
Liebe Leser,
Zeit wurde es, am Montagnachmittag war es soweit: Alexis Tsipras, der griechische Ministerpräsident, absolvierte seinen Antrittsbesuch in Berlin.
Die Bundeskanzlerin stellte klar: „Deutschland
ist nicht die Institution [vormals Troika], die darüber entscheidet, ob das Reformprogramm richtig oder ausreichend ist, sondern das Programm
wird bewertet von den drei Institutionen und die
Entscheidungen fallen dann in der Eurogruppe.“
Nicht die Bundesregierung, nicht Berlin, sondern Brüssel. Entscheidungsträger sind die (mittlerweile 19) Finanzminister der Euro-Mitgliedsstaaten.
Jedes Land hat in diesem Gremium eine Stimme,
Deutschland genau wie Luxemburg und Malta
und Finnland und Frankreich und Holland und
Zypern und Italien und Portugal und Litauen
und Estland und Lettland und Irland und Österreich und Griechenland und Slowenien und Spanien und Belgien und die Slowakei. Nehmen wir
uns also nicht zu wichtig und lassen wir uns auch
nicht in die Rolle eines Bestimmers in Europa
drängen. Sie können gleichzeitig sicher sein, dass
Nach all den Scharmützeln im Vorfeld dieses
Besuches ging es nunmehr darum, einen vertrauensvollen Umgang miteinander zu finden. Die
griechische Regierungskoalition ist gewählt und
damit für vier Jahre im Amt, das ist völlig klar
und in Ordnung. In Deutschland hat sie auch
schon die ersten Verehrer, dazu gleich. Zuerst
die seriöse Politik. Die beiden Regierungschefs
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27. März 2015
Themen: Antrittsbesuch des griechischen Ministerpräsidenten – Flugzeugkatastrophe in
den französischen Alpen – Debatten und namentliche Abstimmungen
es auf europäischer Ebene Staaten gibt, die Griechenland und den anderen betroffenen Staaten
bei der Umsetzung der Programme noch viel
stärker auf die Finger schauen als wir. Und eines
ist doch auch klar: Es liegt in unserem eigenen
Interesse, dass Griechenland wirtschaftlich stark
ist, Wachstum hat und vor allen Dingen aus der
hohen Jugendarbeitslosigkeit herauskommt. Das
gilt für alle Länder in der EU, und das musste
sich Herr Tsipras nochmals anhören.
Besser, viel besser erging es ihm am nächsten
Tag, als er mit Vertretern der Linkspartei zusammentraf. Gysi und Co. ist die Freude anzumerken, dass es endlich einmal eine linke Partei geschafft hat. Das Gespräch dauerte eine gute
Stunde, der linke Fraktionschef schien es in vollen Zügen genossen zu haben. Strahlend, ein wenig überheblich, bezeichnete er Tsipras als
Glücksfall für Europa: „18 Regierungen der Eurozone verfolgen einen neoliberalen Kurs. Die
griechische Regierung vertritt als einzige einen
anderen Weg.“ Ja, liebe Linken, da könnt ihr ja
in einer ruhigen Minute mal drüber nachdenken,
weshalb es in der Eurozone 1:18 gegen euch
steht. Gleichzeitig betonte er, dass es nicht vorrangig um die Lösung finanzieller Probleme in
Griechenland gehe, sondern über politische
Richtungsfragen. Na wenn´s sonst nichts ist.
Am Dienstag um 11.30 Uhr kam die Eilmeldung,
die auch das politische Berlin die ganze Woche
und darüber hinaus überschatten sollte: Ein Airbus der Germanwings mit 150 Menschen an
Bord ist auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf über den französischen Alpen abgestürzt. Schnell war es traurige Gewissheit, dass
niemand dieses Unglück überlebt hat. Normale
Parlamentsarbeit war nur noch schwer möglich.
Am Donnerstagvormittag erhoben wir uns im
Plenum vor Eintritt in die Tagesordnung von
unseren Plätzen. Bundestagspräsident Norbert
Lammert beschrieb mit bewegter Stimme unsere
tiefe Trauer und Anteilnahme über das verheerende Ereignis: „Es ist eine menschliche Tragödie, die Deutschland, Spanien und Frankreich im
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27. März 2015
Themen: Antrittsbesuch des griechischen Ministerpräsidenten – Flugzeugkatastrophe in
den französischen Alpen – Debatten und namentliche Abstimmungen
Schmerz eint. Jeder von uns kann sich nur
schwer vorstellen, was eine solche Nachricht für
die eigene Familie oder den eigenen Freundeskreis bedeuten würde. Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer und ihren Freunden und
wir sprechen ihnen allen unser tiefes Mitgefühl
aus.“
Großereignis mit einer innovativen, weltoffenen, vom Bürger getragenen und nachhaltigen
Olympiabewerbung ein Zeichen setzen. Dass so
etwas möglich ist, hat Deutschland bei der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2006
(„Die Welt zu Gast bei Freunden“) gezeigt.
Am Nachmittag verlängerten wir in namentlicher Abstimmung für ein Jahr die Fortsetzung
der EU-geführten Ausbildungs- und Beratungsmission EUTM Somalia auf Grundlage des Beschlusses des Rates der Europäischen Union in
Verbindung mit Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Wie gesagt, eine
normale Parlamentsarbeit war schwierig. An diesem Tag überschlugen sich die Meldungen zu
den Ursachen für die Flugzeugkatastrophe. Es
läuft darauf hinaus, dass der Kopilot den Absturz vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Frage
nach dem „warum“ bleibt auch bei dieser Variante unbeantwortet. Unsere Gedanken sind bei
den Angehörigen der Opfer.
Der parlamentarische Betrieb ging im Anschluss
weiter, mit der Annahme der Assoziierungsabkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine, Georgiens
und der Republik Moldau andererseits.
Danach debattierten wir auf Antrag der Grünen
über Maßstäbe bei der Vergabe internationaler
Sportgroßereignisse. Es hilft nach meiner Ansicht nicht weiter, anderen Ländern immer nur
deren Verhältnisse vorzuwerfen. Gleichzeitig
können wir bei einem in Zukunft anstehenden
Ihre Karin Strenz
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