Märkische Allgemeine Zeitung, 24. April 2015

MAZ
BRANDENBURG
Land & Leute, Wirtschaft, Sport
13
Freitag,
24. April 2015
LANDMARKE
Vetschau
Internet-Nest
ohne Störche
D
as Nest der Vetschauer Internetstörche droht in diesem
Jahr leer zu bleiben. Ein erstes
Pärchen, das sich zu Ostern darin
niederließ, ist verschwunden.
„Ostersonntag waren die beiden
eingeschwebt. Nach drei Tagen
war der erste Storch weg. Jetzt ist
auch das zweite Tier weitergezogen“, sagt der Geschäftsführer
des Naturschutzbund-Regionalverbandes Calau, Bernd Elsner.
Die Chance, dass ein anderes Pärchen das Nest beziehe, sei nicht
mehr sehr hoch. Doch Elsner hofft
auf ein „kleines Wunder“. Noch
seien einige wenige Störche auf
dem Weg aus dem Süden nach
Deutschland. Aber wenn sich bis
zum 8. Mai kein Adebar mehr in
dem Vetschauer Nest niederlasse,
würde es erstmals seit 1997 unbesetzt bleiben. In diesem Fall müsste die Nestkamera, mit deren Hilfe man im Internet das Treiben in
der Storchfamilie beobachten
konnte, umgesetzt werden. Das
würde immense Kosten verursachen, die der Nabu-Regionalverband nur schwer tragen könnte.
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Abgang eines
Karrieristen:
Arne Feuring
wirft hin
Der massiv in die Kritik geratene
Innenstaatssekretär und frühere
Polizeipräsident tritt zurück
Von Marion Kaufmann
Potsdam – Es ist Innenminister
Karl-Heinz Schröter (SPD), der die
Bombe platzen lässt. Fast beiläufig
sagt er einen Satz, der die vierstündige Sitzung des Innenausschusses wie ein Kasperletheater wirken
lässt: „Er hat mir zur Kenntnis gegeben, dass er sich beruflich umorientieren will“, sagt Schröter.
„Er“ ist Innenstaatssekretär Arne Feuring, der seit vielen Monaten im Kreuzfeuer der Kritik steht.
„Er“ ist nicht persönlich im Ausschuss erschienen, auch wenn die
CDU das vorher schriftlich von
Schröter gefordert hatte. Dafür
sitzt ein anderer neben dem Minister, als dieser Feurings Amtsaufgabe bekannt gibt: Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) – Feurings früherer Förderer.
Es geht zur Sache in der Sitzung
des Innenausschusses. Wieder
einmal. Es geht um die manipulierte Kriminalitätsstatistik. Wieder
einmal. Es geht, wie so oft in den
letzten Monaten, um den Mann,
auf dessen Anweisung hin die Statistik frisiert worden sein soll. Feuring steht unter Dauerbeschuss.
Ihm wird auch vorgeworfen, sich
persönlich in den MaskenmannFall eingeschaltet, Ermittlungen
behindert und Beamten vor ihren
Zeugenaussagen einen Maulkorb
verpasst zu haben.
Der Jurist aus Niedersachsen,
der im Brandenburger Polizeidienst schnell die Karriereleiter
hochkletterte, ist zum Politikum
geworden, seit er für den damali-
gen Innenminister Woidke, der ihn Staatssekretär. Doch Schröter
zum Polizeipräsidenten erkor, die weicht der Vertrauensfrage aus.
umstrittene Polizeireform mit kon- Stattdessen hält er eine krude Verzipierte. Sie bedeutet Stellenab- teidigungsrede für Feuring, die
bau. Von derzeit 8200 Polizisten ziemlich schief geht. „Ich hätte ansollen 7800 übrig bleiben. Um vor- ders manipuliert“, sagt er trocken
zugeben, dass die Sicherheit im und will damit nachweisen, dass
Land nicht leide, hat man offenbar sein Staatssekretär gar nicht manidie Kriminalstatistik fripuliert habe. Wenn
siert. Im Frühjahr 2014
einer schon fälschen
kam ans Licht, dass für
wolle, dann doch überdas Jahr 2013 in einigen
all im Land, aber die
Bereichen nicht so geumstrittene Zählweise,
zählt wurde, wie es Vormehrere Taten eines
gaben des BundeskriTäters zu einer zusamminalamtes verlangen.
menzufassen, sei ja
Erst vor wenigen Wonicht in allen Direktiochen bestätigte Schrönen angewandt worter nach einer Prüfung,
den. Und dass er sich
dass in mehreren Dinicht an Diskussionen
rektionen nicht korrekt
beteilige, die „MenEr hat mir
gearbeitet worden war
schen öffentlich deund so die Aufklä- zur Kenntnis
montieren“. Zuvor hat
rungsquote geschönt gegeben, dass er
er aber bereits erklärt,
wurde. In rund 4000 sich beruflich
die Kriminalstatistik
Fällen gab es Grund zur umorientieren
zur „Chefsache“ zu
Beanstandung.
machen. Eine Entwill.“
Der innenpolitische
machtung Feurings.
Sprecher der CDU- Karl-Heinz Schröter,
Lakenmacher
forFraktion, Björn Laken- Innenminister
dert schließlich den
macher, stellt Schröter
Rücktritt Feurings und
die Frage, ob er seinem Staatsse- beantragt mit den Stimmen der
kretär noch vertraue. Kurz zuvor Opposition, dass Ministerpräsiberichtete der RBB, dass Feuring dent Woidke zur Sitzung kommt.
auch bei der Evaluierung der Poli- Der erscheint um 14 Uhr und sagt
zeireform seine Finger im Spiel ge- zwei harmlos scheinende Sätze,
habt haben soll und eine Polizei- die am Ende tödliches Gift enthalstellen-Zielzahl von 7855 in den ten. „Alle Minister und StaatsseBericht schreiben ließ. So niedrige kretäre der Landesregierung geZahlen hatte Schröter längst für nießen mein vollstes Vertrauen.“
unrealistisch erklärt. Es soll des- Und dann: „Sollte dies nicht der
wegen Streit gegeben haben zwi- Fall sein, werde ich dies an geeigschen dem Minister und seinem neter Stelle mitteilen.“ Der einsti-
ge Förderer lässt Feuring fallen,
aber mitteilen muss es am Ende
der Minister. Schröter sagt, dass er
vertrauensvoll mit Feuring zusammengearbeitet habe. Habe! Spätestens da werden alle hellhörig.
Dann berichtet er, dass Feuring
sich „umorientieren“ wolle.
Schröter erklärt später in einer
Stellungnahme, dass sein Staatssekretär ihn bereits vor zwei Wochen unterrichtet habe, dass er beabsichtige, „sich aus persönlichen
Gründe beruflich zu verändern“.
Er habe diese Entscheidung mit
Respekt zur Kenntnis genommen.
Innerhalb der Polizei hatte Feuring den Respekt vieler schon lange verloren. Von der Politik als
„harter Hund“ geschätzt, eilte ihm
in den eigenen Reihen der Ruf voraus, überheblich zu sein, keinen
Widerspruch zu dulden und
machtgetrieben zu sein – immer
ganz nah dran an den Wichtigen.
Die Beamten wünschten sich als
Präsidenten einen „echten“ Polizisten, der für sie eintritt und um
ihre Stellen kämpft, und keinen
Quasi-Politiker, heißt es.
Er habe „Achtung“ vor Feurings
Schritt, sagt der Landeschef der
Gewerkschaft der Polizei (GdP),
Andreas Schuster nur. Der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher
Kriminalbeamter (BDK), Riccardo
Nemitz, sagt, jetzt bestehe die
Chance, dass innerhalb der Polizei
wieder Vertrauen in die Führungsebene aufgebaut wird. „Ebenso“,
sagt er, „muss die Polizei in Brandenburg das verlorene Vertrauen
der Bürger zurückgewinnen.“
Vom Juristen bei der
Polizei in die Politik
Der gebürtige Niedersachse Arne
Feuring (51) gehörte Brandenburgs
Polizei seit 1996 an. Schritt für Schritt
hatte sich der Jurist im Polizeiapparat
nach oben gearbeitet: Er leitete unter
anderem den Schutzbereich Bernau
und war Leiter des Stabes im Polizeipräsidium Potsdam, bevor er 2005
zum Leiter der Staatsschutzabteilung
beim Landeskriminalamt wurde.
Von 2007 bis 2011 war er Polizeipräsident in Frankfurt (Oder) und anschließend Leiter des Aufbaustabs für das
neue Landespolizeipräsidium.
Im Juni 2011 wurde Feuring Landespolizeipräsident. Der damalige Innenminister Dietmar Woidke (SPD) entschied sich für Feuring und gegen
neun Mitbewerber. Dieses Amt stellte
ihn vor eine besondere Herausforderung: die Polizeireform.
Für Schlagzeilen sorgten ab Frühjahr
2014 Manipulationsvorwürfe an der
Kriminalstatistik 2013 - und der „Maskenmann“-Fall. Wegen der Ermittlungen in diesem spektakulären Entführungsfall geriet er zusätzlich unter
Druck: Feuring wurde vorgeworfen,
sich persönlich in den Fall eingeschaltet, und Ermittlungen behindert zu haben. Die Berufung Feurings zum
Staatssekretär im Innenministerium
im November 2014 stieß auch mit
Blick darauf von Anfang an auf Widerstand.
Zeitreise in wilde Aufbaujahre
Der einstige Justizminister Hans Otto Bräutigam las aus seinem neuen Buch und Manfred Stolpe erzählte dazu Anekdoten
Von Igor Göldner
MAZ – mehr als Zeitung.
IN KÜRZE
Buga bietet einen
„Pfad der Feldkulturen“
Stölln – Auf einem „Pfad der Feldkulturen“ können sich Besucher
der Bundesgartenschau im Havelland über den Ackerbau informieren. In Stölln wurde gestern die
Sonderschau mit 14 Ackerflächen
und Info-Tafeln zum Anbau von
Roggen, Weizen und Gerste sowie
selteneren Kulturen wie Buchweizen oder Lupinen eröffnet.
Berlin – Alles begann mit einem
Anruf von Johannes Rau in New
York. Ob er, Hans Otto Bräutigam,
bereit sei, in Brandenburg Staatssekretär für Bundesangelegenheiten zu werden, wollte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident wissen – im Auftrag von Manfred Stolpe. Es war der 24. Oktober
1990. Bräutigam, sichtlich überrascht, hatte sich als Botschafter
bei den Vereinten Nationen eingerichtet, fühlte sich wohl. „Mir wurde aber sehr bald klar, dass ich das
Angebot annehmen würde“, erzählt der 84-Jährige. Er las gestern
aus seinem Buch „Meine Brandenburger Jahre“ in einem gut gefüllten Saal in Brandenburgs Landesvertretung in Berlin.
Gut zwei Wochen später traf der
parteilose Diplomat und langjährige Ständige Vertreter der Bundesrepublik in der DDR in Potsdam
ein, was Manfred Stolpe noch heute Bewunderung einflößt. Viel später habe er erst erfahren, was Bräutigam alles aufgeben musste: „ein
200 Quadratmeter großes Büro mit
Blick auf Manhattan!“ Bräutigam
ergänzt schmunzelnd: „Das Büro
war im 20. Stock!“Stolpe sagt, er
habe sich seither oft gefragt: „Was
haben wir ihm da angetan?“ Bräutigam, der noch das Justizressort
dazu bekam, weil er unbedingt ins
Kabinett wollte, lächelt still. Seinen Wechsel in die Politik habe er
zu keinem Zeitpunkt bereut, sagt
er. Nur eine Entscheidung halte er
im Rückblick für falsch: parteilos
geblieben zu sein. Mehrmals hatte
er den Eintritt in die SPD erwogen.
Er habe auch keinen Nachteil gehabt, aber politische Meinungsbildung finde nun einmal in den Parteien und Parlamenten statt.
Bräutigam las an diesem Abend
in der ihm eigenen Ruhe und Bedächtigkeit Abschnitte seiner Er-
innerungen an die wilden Aufbaujahre. Dazu ergänzte ein gut aufgelegter Stolpe mit kleinen Anekdoten. Wie beide mit den Russen
1994 über deren Abzug verhandelten. Stolpe war damals sogar mit
Boris Jelzin zusammengetroffen
und mit ihm sogar einmal im Auto
gefahren. „Der schlief erst mal ein.
Man sah, das hatte auch mit Wodka zu tun, aber er war dann durchaus ansprechbar.“ Stolpe weiter:
„Jelzin war ein Popstar, ungeheuer beliebt, ein Phänomen.“ Stolpe
und Bräutigam sind sich einig,
dass gerade mit Blick auf die Russen ein Scheitern des Einigungsprozesses möglich gewesen wäre.
Das werde oft vergessen. Stolpe:
„Am Besten wissen immer die Bescheid, die gar nicht dabei waren.“
Bräutigam gehörte zu Stolpes
wichtigsten Vertrauten: beim Aufbau der Justiz und der Debatte um
die Stasi-Kontakte. „Ich hatte nie
einen Zweifel am Engagement
Stolpe für die Kirche in der DDR“,
sagt Bräutigam. Auch dieser Zeit
widmete Bräutigam ein aufschlussreiches Kapitel, ebenso der
gescheiterten Länderfusion mit
Berlin 1996. Stolpe fasste sein Fazit
des Abends in einem Satz zusammen: „Das Buch müsste in der
Schule Pflichtlektüre sein.“
● Hans Otto Bräutigam: „Meine Bran-
Hans Otto Bräutigam (l.) und Manfred Stolpe bei der Lesung
FOTO: L.V.
denburger Jahre – Ein Minister außer
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