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Stellungnahme zum Berufsbild des Syndikusanwalts
vom 29. April 2015
A. Hintergründe zum Berufsbild des Syndikusanwalts
In Zeiten zunehmender rechtlicher Komplexität und internationaler Verflechtung hat sich das
Tätigkeitsfeld der Syndikusanwälte deutlich verändert. Ihr qualifizierter, unabhängiger Rechtsrat
ist in allen Bereichen eines Unternehmens, Verbandes oder von Institutionen und Körperschaften
erforderlich. Ihre Aufgabe ist es, rechtliche Risiken von der Organisation abzuwenden und ein
rechtskonformes Verhalten ihres Arbeitgebers zu gewährleisten. Von Vorstand, Geschäftsführung und allen anderen internen Mandanten wird dabei eine objektive rechtliche Würdigung des
jeweiligen Sachverhalts – und zwar unabhängig von den möglichen Interessenlagen des Unternehmens und seiner Organe – als verlässliche und belastbare Grundlage für Managemententscheidungen erwartet.
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Das Einsatzgebiet der Syndikusanwälte beschränkt sich zudem nicht mehr nur auf die Rechtsabteilung. Auch in allen anderen Bereichen des Unternehmens ist ihr qualifizierter, unabhängiger
Rechtsrat unabdingbar, um rechtlichen Risiken vorzubeugen. In besonderem Maße gilt dies für
den Bereich Compliance, wo drohende rechtliche Risiken erkannt und gebannt, Verstöße aufgedeckt und verfolgt und geeignete Vorkehrungen zur Vermeidung von Compliance-Verstößen
getroffen werden müssen.
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Als weitere Folge der zunehmenden Komplexität und Verflechtung der Wirtschaft, müssen die
Syndikusanwälte auch andere juristische Einheiten unabhängig beraten. Dazu zählen beispielsweise Mutter-, Schwester- und Tochtergesellschaften, verbundene Unternehmen und Joint Ventures sowie Organisationseinheiten oder Niederlassungen im Ausland. Letzteres führt dazu, dass
die Syndikusanwälte sich auch in anderen Jurisdiktionen auskennen und sicher bewegen müssen,
um Vorstand, Geschäftsführung und anderen internen Mandanten einen fundierten Rechtsrat
erteilen zu können.
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Darüber hinaus ist der Syndikusanwalt in allen Bereichen die wichtigste Schnittstelle zu den
mandatierten Kanzleien. Zum einen kennt er die Besonderheiten des Unternehmens wie kaum
ein Zweiter. Zum anderen hat er auch vertiefte Kenntnisse über den Markt sowie die Stärken und
Schwächen der auf Unternehmen fokussierten Anwaltskanzleien und fungiert somit als unerlässliche Schnittstelle bei der Einholung externer rechtlicher Perspektiven.
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Der Bundesverband der Unternehmensjuristen e. V. (BUJ) versteht sich als Sprachrohr der Syndikusanwälte und nimmt aktiv an der gesellschaftlichen und politischen Debatte in Deutschland
teil. Als Anlage zu diesem Schreiben haben wir Ihnen eine kurze Übersicht über die Aufgaben
und Struktur des BUJ beigefügt. In nur vier Jahren hat sich der BUJ zur wichtigsten berufsständischen Vereinigung für Syndikusanwälte in Unternehmen, Verbänden, Institutionen und Körperschaften entwickelt. Er hat inzwischen mehr als 2.000 Mitglieder aus fast 1.000 Unternehmen
und bildet damit ein Spiegelbild der deutschen Wirtschaft. Neben der Interessenvertretung bietet
der BUJ seinen Mitgliedern umfassende Fachinformationen, ein breites Angebot an Aus- und
Weiterbildungsangeboten sowie zahlreiche Foren zum fachlichen Austausch und Networking.
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1. Detailbeschreibung des Berufsbild des Syndikusanwalts
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a. Organisatorische Zuordnung Rechtsabteilung
Die Rechtsabteilung als klassische Konzern- und
Zentralfunktion und ihrer kombinierten Beratungs-, Dienstleistungs- und Ordnungsfunktion
hat im Vergleich zu anderen Funktionsbereichen
die meisten Schnittstellen mit den Unternehmensprozessen im operativen Tagesgeschäft sowie in
der strategischen Entscheidungsfindung. Gut 10%
der Rechtsabteilungen sind hierbei einem ausschließlich der Rechtsabteilung gewidmeten Vorstandsressort zugeordnet. Weit über die Hälfte der
Rechtsabteilungen ist direkt unter der Geschäftsführung angesiedelt. Dieses Ergebnis zeigt die
erfolgskritische Relevanz der Rechtsabteilung im Quelle: Rechtsabteilungs-Report 2013/2014, S. 52.
modernen Unternehmen.
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b. Unternehmensgrößen & Rechtsabteilungen:
Rechtsabteilungen und somit auch Syndikusanwälte finden sich mittlerweile in Unternehmen
jeglicher Größenkategorie. Damit sind sie ein
fester Bestandteil in der deutschen Wirtschaftsund Unternehmenslandschaft geworden. Erwartungsgemäß beschäftigen Unternehmen mit größeren Jahresumsätzen eine erhöhte Zahl von Syndikusanwälten, um den gesteigerten rechtlichen
Herausforderungen zu begegnen. Jedoch sind
auch in kleineren und mittelständischen Unternehmen vermehrt Rechtsabteilungen und Syndi- Quelle: kanzleimonitor.de 2014/2015.
kusanwälte zu finden.
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d. Frauenanteil in der Rechtsabteilung:
Entsprechend dem schon länger anhaltenden
Trend an den juristischen Fakultäten der Universitäten entwickelt sich auch der Frauenanteil in den
Rechtsabteilungen von Unternehmen in Deutschland positiv. Auf Basis der repräsentativen Mitgliederstruktur des BUJ stellen Rechtsanwältinnen
mittlerweile mehr als ein Drittel der Rechtsabteilung. Die Ausgewogenheit zwischen den Geschlechtern ist hierbei insbesondere auf den mittleren Hierarchieebenen zu beobachten. Bei den Quelle: Mitgliederstruktur des Bundesverbands der
Leitern Recht erreichen Rechtsanwältinnen der- Unternehmensjuristen e.V., Stand: April 2014
(absolut: 1.950 Mitglieder).
zeit lediglich einen Anteil in Höhe von 6%.
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B. Vielfältigkeit des Leistungsspektrums der Syndikusanwaltstätigkeit
Das Leistungsspektrum anwaltlicher Tätigkeit unterliegt einem stetigen Wandel und passt sich
an eine sich verändernde Nachfrage fortwährend an. Die Vorstellung vom Kanzleianwalt, der
nur zu Gerichtsterminen sein Büro verlässt, steht mit dem gewandelten Leistungsspektrum anwaltlicher Tätigkeit nicht in Einklang. Zudem ist eine zunehmende Verrechtlichung der Lebensverhältnisse im Sinne einer rechtlichen Durchdringung nahezu aller Lebensbereiche zu beobachten. Diese Verrechtlichung betrifft vor allem wirtschaftliche, aber auch medizinische, psychologische oder technische Tätigkeiten mit der Folge, dass kaum eine berufliche Betätigung ohne
rechtliches Handeln und entsprechende Rechtskenntnisse möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt.
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Die von Syndikusanwälten erteilte anwaltliche Beratung von Wirtschaftsunternehmen erfordert
neben spezifischen Kenntnissen des jeweiligen Wirtschaftsbereichs vielfach auch juristische und
betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Diese Verzahnung juristischer Fähigkeiten und die besondere
Funktion der Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege machen eine Abgrenzung anwaltlicher
Tätigkeiten von anwaltsfremden (rein juristischen und sonstigen) Tätigkeiten erforderlich. Ob
eine anwaltliche Berufsausübung als Syndikusanwalt vorliegt, hängt sehr stark von dem Inhalt
der Aufgaben ab, die dem Syndikusanwalt im Rahmen des Anstellungsverhältnisses übertragen
werden und davon, ob es sich hierbei um eine anwaltliche Tätigkeit handelt.
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Die Vielfalt der Wirtschaft spiegelt gleichsam auch die Vielfalt der Betätigungsfelder der anwaltlichen Tätigkeit von Syndikusanwälten im Unternehmen wider. So kommen Rechtsanwälte
im Unternehmen nicht nur in den sog. „klassischen Bereichen“ der Inhouse-Rechtsberatung (d.h.
in der „Rechtsabteilung“) zum Einsatz, sondern in vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel in
der Compliance-Abteilung, der Steuerrechtsabteilung oder auch im Bereich der Patent- oder
Markenschutzabteilung. Selbst „Exoten“ wie die Tätigkeit bei einem Versicherungsmakler können nach unseren Erfahrungen im Einzelfall sehr wohl anwaltliche Tätigkeit im Unternehmen
darstellen.
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Aber selbst die Übertragung anwaltsfremder Aufgaben steht der Annahme einer anwaltlichen
Tätigkeit nicht entgegen, wenn die anwaltsfremden Aufgaben in einem engen inneren Zusammenhang mit der rechtlichen Beistandspflicht stehen und auch rechtliche Fragen aufwerfen können. Zur Abgrenzung der anwaltlichen Tätigkeit von sonstigen Tätigkeiten bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber ist auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen. Die anwaltliche Tätigkeit muss im Rahmen des Anstellungsverhältnisses die qualitativ und quantitativ
prägende Leistung des angestellten Rechtsanwalts sein.
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Das Kriterium der Unabhängigkeit als Kernelement der anwaltlichen Tätigkeit wird durch weitere Merkmale ergänzt. Das Vertrauen des rechtssuchenden Publikums in eine unabhängige und
freie Anwaltschaft muss gewahrt werden. Die Befugnis zur Vertretung vor Gericht ist nicht prägend für die anwaltliche Tätigkeit. Dies belegen bereits die Zahlen der nicht im forensischen
Bereich beratenden Anwaltskanzleien. Die Anwaltstätigkeit lässt sich somit nicht auf den forensischen Bereich reduzieren. Entscheidend für die anwaltliche Tätigkeit ist die gesamte Breite der
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erbrachten Rechtsdienstleistungen. Eine Tätigkeit, die ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität und
der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege auch von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.11.2004 – I ZR 182/92 – juris), ist hingegen nicht anwaltlicher Natur und es liegt somit auch keine anwaltliche Tätigkeit im Unternehmen vor.
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Wesentliche Elemente anwaltlicher Tätigkeit sind, wie sich aus §§ 1 bis 3 BRAO bereits ergibt,
somit die unabhängige Rechtsberatung und die Rechtsvertretung, die gerade auch oder besser
gesagt: gerade im Unternehmen vorzufinden sind.
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Die Tätigkeit der ca. 40.000 Syndikusanwälte in Deutschland ist von erheblichem Gewicht für
das Funktionieren des Rechts-, Wirtschafts- und Soziallebens in diesem Land, da sie quasi als
Garant für die Einhaltung der Rechtsvorschriften im Unternehmen stehen. Damit liegt ihr Wirken als Anwälte im Unternehmen im Interesse einer geordneten Rechtspflege und dient damit
dem Allgemeinwohl.
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C. Auswertung der BUJ-Mitgliederbefragung
16 Auf Basis des Fragenkatalogs des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Dezember 2014 initiierte
der Bundesverband der Unternehmensjuristen e.V. (BUJ) eine repräsentative Befragung unter
seinen Mitgliedern. Die Befragung fand im Zeitraum zwischen dem 23. Februar 2015 und 22.
März 2015 statt. Von den 1.900 Befragten beteiligten sich 650 Mitglieder mit umfangreich ausgefüllten Fragebögen an der Umfrage. Den Fragebogen haben wir als Anlage beigefügt. Gern
stellen wir dem Bundesverfassungsgericht auf Wunsch auch die von den Teilnehmern übersandten ausgefüllten Fragebögen zur Verfügung.
I. Demografische Hintergründe zum Kreis der befragten Syndikusanwälte
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1. Tätigkeitsbereich der befragten Syndici:
Fragestellung: „In welchem Tätigkeitsbereich sind
Sie als Syndikusanwalt im Unternehmen tätig?“
Der weit überwiegende Teil der Befragten ist in
der Rechtsabteilung des Unternehmens tätig. Darüber hinaus befindet sich knapp jeder zehnte Syndikusanwalt in der Personalabteilung. Weitere 7%
der Befragten sind in einer gemischten Abteilung
für Recht & Compliance tätig. Zudem melden 4%
der Syndikusanwälte ihre Zugehörigkeit zu einer
rein auf Compliance-Themen spezialisierten Abteilung. Weitere 4% der Rechtsanwälte befinden
sich in Steuerabteilungen, in der Geschäftsführung oder sonstigen Bereichen des Unternehmens. Quelle: BUJ-Mitgliederbefragung 2015.
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2. Dauer der Syndikustätigkeit:
Fragestellung: „Wie lange sind Sie bereits Syndikusanwalt in dem heutigen Unternehmen?“
Die Betrachtung der Dauer der Tätigkeit als Syndikusanwalt ergibt ein ausgewogenes Bild. Mehr
als die Hälfte der Befragten sind zwischen vier
und 15 Jahren bei ihrem heutigen Unternehmen
beschäftigt. Knapp 30% sind zwischen einem und
drei Jahren in ihrem jeweiligen Unternehmen tätig. Lediglich 11% sind einen ganz erheblichen
Teil ihrer beruflichen Laufbahn bei demselben
Unternehmen als Syndikusanwalt beschäftigt.
Dieses Bild bestätigt die berufliche Flexibilität
dieser Berufsgruppe, durch die auch der weitreichende fachliche Austausch innerhalb der Rechtsanwaltschaft – und zwar nicht nur innerhalb von Quelle: BUJ-Mitgliederbefragung 2015.
Unternehmen, sondern auch mit Kanzleien als
Vor- und Nacharbeitgeber begünstigt wird.
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3. Führungsposition in der Rechtsabteilung:
Fragestellung: „Sind Sie Leiterin oder Leiter der
Rechtsabteilung?“
Syndikusanwälte sind ähnlich wie die Rechtsanwälte in Kanzleien auf ganz unterschiedlichen
Hierarchieebenen tätig und spezialisieren sich
zudem mehrheitlich auf bestimmte Rechtsgebiete.
Von den Befragten sind knapp ein Drittel die Leiterin oder der Leiter Recht des Unternehmens.
Fast 70% der Teilnehmer repräsentieren die Bereichsleitung, Abteilungs- und Rechtsgebietsleitung sowie Referenten in der Rechtsabteilung.
Quelle: BUJ-Mitgliederbefragung 2015.
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4. Positionen der Syndikusanwälte:
Fragestellung: „In welchen Positionen sind in
Ihrem Unternehmen Syndikusanwälte tätig und
wie hoch ist die Anzahl der entsprechenden Syndikusanwälte?“
Die meisten Syndikusanwälte innerhalb des Unternehmens werden auf der Ebene der Referententätigkeit und der Gruppenleitung gemeldet. Hier
befinden sich durchschnittlich knapp mehr als 20
Syndikusanwälte im Unternehmen. Weniger Syndikusanwälte finden sich auf der Ebene der Abteilungsleitung. Hier melden die Teilnehmer noch
rund sieben Syndikusanwälte. Auf der Ebene der
Bereichsleitung sowie der Geschäftsleitung werden durchschnittlich nur noch 1 bis 2 Syndikus- Quelle: BUJ-Mitgliederbefragung 2015.
anwälte gezählt.
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5. Rechtsanwalt neben der Anstellung:
Fragestellung: „In welchem Umfang werden Sie
außerhalb Ihres Anstellungsverhältnisses rechtsanwaltlich tätig?“
Das Ergebnis zur Frage nach rechtsanwaltlichen
Aktivitäten neben der Anstellung ist zweigeteilt.
Mehr als jeder zweite Syndikusanwalt entfaltet
neben seinem Anstellungsverhältnis noch weitere
rechtsanwaltliche Tätigkeiten. Ganz überwiegend
haben diese einen Umfang von maximal 10 Stunden monatlich. Auf der anderen Seite sind mehr
als 41% der Syndikusanwälte über ihr Anstellungsverhältnis hinaus nicht mehr rechtsanwaltQuelle: BUJ-Mitgliederbefragung 2015.
lich tätig.
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6. Juristische Tätigkeit neben Anstellung:
Fragestellung: „In welchem Umfang werden Sie
außerhalb Ihres Anstellungsverhältnisses in anderen juristischen Aufgabengebieten tätig?“
Neben der rechtsanwaltlichen Tätigkeit entfalten
die meisten Syndikusanwälte keine weiteren juristischen Tätigkeiten. Dennoch arbeiten 26% der
Syndikusanwälte auch in weiteren juristischen
Aufgabengebieten neben ihrer Anstellung. In diesem Zusammenhang am häufigsten genannt werden die Tätigkeiten als Autor, Dozent und Prüfer
an juristischen Ausbildungseinrichtungen wie
Universitäten oder Justizprüfungsämtern. Auch
ehrenamtliche Richtertätigkeiten werden von
Syndikusanwälten wahrgenommen. Der zeitliche
Umfang liegt auch hier ganz überwiegend bei bis Quelle: BUJ-Mitgliederbefragung 2015.
zu 10 Stunden monatlich.
II. Finanzielle Aspekte der Tätigkeit der Syndikusanwälte nach den Urteilen des BSG
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Fragestellung an die Mitglieder: „Welche finanziellen Konsequenzen zöge es für die Syndikusanwälte nach sich, wenn die Syndikusanwälte nicht von der gesetzlichen Versicherungspflicht
befreit würden? Dabei ist insbesondere von Interesse, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe
angestellte Rechtsanwälte beitragspflichtig sind, die nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind.“
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Hinsichtlich der konkreten finanziellen Auswirkungen fühlen sich die befragten Mitglieder
durchweg sehr erheblich betroffen. Syndici, die bereits eine längere Erwerbsbiografie mit berufsständischer Versorgung absolviert haben, empfinden die Situation oftmals als existenzbedrohend.
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Seit dem Ablauf des durch die DRV zugesagten Bestandsschutzes hat eine Vielzahl von Unternehmen schon zur Vermeidung von Nachzahlungsrisiken Syndikusanwälte zur DRV umgemeldet. Von den befragten Mitgliedern betrifft dies etwa 15–20%. Für alle übrigen Syndici droht die
Ummeldung mit dem nächsten Tätigkeitswechsel. Dadurch wurden bereits vielfach und werden
zukünftig langjährige und fest eingeplante Rentenbiografien unvorhersehbar unterbrochen. Die
genauen finanziellen Auswirkungen sind für alle Betroffenen schwer kalkulierbar.
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Erwartete Lücken in der Altersversorgung
Betroffene Syndici gehen von Minderungen der Altersrente von bis zu 50% aus, hinzukommen
entsprechende Kürzungen der Berufsunfähigkeits- und Witwen- und Waisenrenten. Der zur
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Kompensation dieser Lücke anzusetzende monatliche Betrag wird, sofern die Kompensation
überhaupt noch möglich ist (s.u.), oft auf bis zu ca. 1.000 Euro pro Monat geschätzt. Der ganz
überwiegende Anteil der Befragten besitzt bzw. besaß aufgrund der bislang hinreichenden Absicherung über das Versorgungswerk keine private Renten- und vor allem keine Berufsunfähigkeitsversicherung. Etwa 40% der Befragten gibt an, dass es nach eigener Aussage aufgrund des
Lebensalters oder einer bestehenden Vorerkrankung heute nicht mehr möglich sei, die nun entstehenden Kürzungen durch private Vorsorge adäquat zu kompensieren. Für den Großteil der
übrigen Befragten ist die aus dem späten Eintrittsalter resultierende höhere Beitragspflicht eine
sehr erhebliche Belastung.
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Ein großer Teil der Befragten sieht darin eine konkrete Bedrohung des aktuell erwirtschafteten
Lebensstandards, teilweise bis hin zur Existenzbedrohung. Befragte mit Kindern, insbesondere in
Teilzeit beschäftigte Mütter, fühlen sich in besonderem Maße betroffen. Häufig wird genannt,
dass Ausbildungspläne der Kinder oder die derzeitige Wohnsituation nicht mehr langfristig finanziert werden könnten.
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Zusätzliche Vorsorgeaufwendungen
Ein überwiegender Anteil der befragten Mitglieder hat sich zur Beibehaltung der Anwaltszulassung und somit für freiwillige zusätzliche Zahlungen in das bisherige Versorgungswerk entschieden. Dies geschieht nach Angabe der Befragten insbesondere zur Überbrückung der bei
Ummeldung zur DRV entstehenden fünfjährigen Wartezeiten zur Inanspruchnahme der Berufsunfähigkeitsrente. Überwiegend wird dabei davon ausgegangen, dass lediglich durch freiwillige
Zahlung eines 10/10 Beitrages eine adäquate Berufsunfähigkeitsabsicherung aufrechterhalten
wird. Der ganz überwiegende Anteil der Betroffenen leistet (meist aufgrund der eigenen finanziellen Situation) allerdings lediglich den Mindestbeitrag und geht nicht davon aus, dass so die
nunmehr entstehende Versorgungslücke auch im Hinblick auf die Altersrente ausreichend kompensiert wird. Nur weniger als 15% der Befragten zahlen freiwillig mehr als den Mindestbeitrag
ins Versorgungswerk ein, sehr vereinzelt bis zu 1.000 Euro im Monat.
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Der an die Versorgungswerke abzuführende Mindestbeitrag variiert von Versorgungswerk zu
Versorgungswerk. So beläuft sich die sich daraus ergebende zusätzliche finanzielle Belastung für
die betroffenen Syndici zumeist auf den 1/10 Beitrag (ca. 113 Euro/Monat, so z.B. in NRW, Berlin, Niedersachsen), Syndici in Hessen zahlen die Hälfte (ca. 57 Euro), Kollegen in BadenWürttemberg hingegen 3/10, also ca. 340 Euro.
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Auswirkungen auf die Planung der Erwerbsbiografie und des Renteneintritts
Die nun entstandene finanzielle Belastung und Unsicherheit führt darüber hinaus dazu, dass viele
Befragte sich veranlasst sehen, die Planung ihrer Erwerbstätigkeit zu überdenken und anzupassen. So wird ganz überwiegend genannt, dass Arbeitsplatzwechsel nicht mehr oder maximal in
Richtung Kanzleitätigkeit in Betracht kämen. Vielfach wird erwähnt, dass der Zeitpunkt des
Renteneintritts nunmehr nach hinten verschoben und bereits geplante Eintritte in den Vorruhestand verschoben oder abgesagt würden. Viele Befragte sehen sich veranlasst, neben ihrer angestellten Tätigkeit vermehrt Einkünfte aus ihrer anwaltlichen Nebentätigkeit zu erwirtschaften, um
die nun zusätzlich notwendige private Vorsorge finanzieren zu können.
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Ein durchaus wesentlicher Teil der Befragten plant oder hat bereits die Zulassung zur Anwaltschaft zurückgegeben. Je nach Höhe des geltenden Mindestbeitrags zum Versorgungswerk und
unter Berücksichtigung des hinzukommenden Kammer- und Haftpflichtversicherungsbeitrags ist
die finanzielle Belastung für einzelne Mitglieder nicht tragbar. Anderen erscheint die Investition
der so ersparten Aufwendungen in andere Vorsorgekonzepte sinnvoller.
III. Komplikationen beim Wechsel des Arbeitgebers und aktuelle Ungleichbehandlungen
innerhalb der Unternehmen
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Fragestellung an die Mitglieder: „Inwieweit hindern Sie die Urteile des Bundessozialgerichts
(BSG) daran, Ihren Arbeitgeber zu wechseln oder einen Wechsel innerhalb des Unternehmens
beziehungsweise der Unternehmensgruppe vorzunehmen?“
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1. Ca. 80–90% der Befragten mit aktuellem Befreiungsbescheid geben an, dass für sie ein Arbeitgeberwechsel aufgrund der BSG-Urteile nicht mehr bzw. derzeit nicht in Frage kommt. Nicht
gehindert an einem Arbeitgeberwechsel sehen sich nur diejenigen, die ohnehin über keinen aktuellen Befreiungsbescheid verfügen bzw. von ihrem Arbeitgeber umgemeldet wurden.
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Betroffene weisen darauf hin, dass die Alters-, Berufs- und Hinterbliebenen-Absicherung wesentlich für die Lebensplanung und selbstverständlich in die Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes eingeflossen sei. Die weit überwiegende Zahl der aktuell von der RV-Pflicht befreiten
Syndici gibt an, dass jedoch bei einem Arbeitgeberwechsel die weitere Fortführung der Absicherung in den anwaltlichen Versorgungswerken nicht mehr möglich sei. Dabei wird vielfach davon
ausgegangen, dass, jenseits des in Zusammenhang mit einem solchen Wechsel ohnehin geforderten Risikozuschlages, ein weiterer Betrag von circa Euro 10.000 p.a. brutto verlangt werden
müsse, um die Nachteile – etwa infolge der Weiterzahlung eines gewissen Beitrags ins Versorgungswerks – auszugleichen. Dies halten die allermeisten Befragten jedoch für unrealistisch. Sie
schließen einen Wechsel daher derzeit für sich gänzlich aus („kommt aktuell kaum infrage“;
[Wechsel wird] „massiv behindert“; „Arbeitgeberwechsel unwirtschaftlich“; „Wechsel wird
nicht in Betracht gezogen“; „derzeit ausgeschlossen“ etc.). Dies gilt umso mehr, je älter die Befragten sind und je größer die Zahl der Unterhaltspflichten und weiteren finanziellen Belastungen ist.
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Zum Teil wird auch darauf hingewiesen, dass aufgrund der schwierigen Kalkulierbarkeit der
Versorgungslücke im Falle eines Wechsels in die DRV schon allein deshalb von einem Wechsel
abgesehen wird.
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Vielfach wird auch berichtet, dass im Nachgang zu den Entscheidungen des BSG Wechselangebote abgelehnt worden seien, um die gegenwärtige Versorgungssituation nicht zu gefährden.
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2. Interne Wechsel (innerhalb derselben Rechtsperson oder innerhalb des Konzerns) ziehen die
Befragten noch weniger in Betracht als Wechsel zu einem gänzlich neuen Arbeitgeber. Dies gilt
deshalb, da aktuell interne Wechsel nur noch in einem sehr begrenzten Bereich zulässig erscheinen, nämlich höchstens bei einem Wechsel von einem Rechtsgebiet ins andere, unter Beibehaltung des Anstellungsverhältnisses zur selben Rechtsperson. Jegliche weitergehende Veränderung, selbst wenn weiter klassische anwaltliche Tätigkeit ausgeübt wird, ist aus Sicht der Befragten mit einem großen Risiko behaftet, die aktuelle RV-Befreiung zu verlieren, weshalb derzeit
von internen Veränderungen komplett abgesehen wird.
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Viele Befragte fühlen sich hier besonders benachteiligt und weisen darauf hin, dass es insbesondere in den größeren Konzernen ein selbstverständlicher Karriereschritt ist, eine juristische Position bei einem Schwesterunternehmen oder im Ausland zu übernehmen. Es wird hervorgehoben,
dass innerhalb eines Konzerns – im Gegensatz zum Wechsel aus dem Konzern hinaus – in der
Regel keine oder nur bedingt eine finanzielle Kompensation für einen solchen Wechsel gewährt
wird, sondern dieser Schritt vielmehr als Karrieresprungbrett dient. Vor diesem Hintergrund
bringen interne Wechsel in aller Regel keine Kompensation mit sich, die die Gefahr des Verlustes der Versorgungswerksabsicherung ausgleicht, so dass interne Wechsel von Syndici im Moment in vielen Unternehmen vollständig zu Erliegen gekommen sind.
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Gleichzeitig wird jedoch im Unternehmen eine entsprechende interne Mobilität von den Juristen
genauso wie von anderen Berufsgruppen erwartet. Viele Befragte sehen sich in diesem Zusammenhang auch unternehmens-/konzernintern gegenüber anderen Berufsgruppen benachteiligt,
die sich auf ähnliche Positionen bewerben (z.B. Steuerberater), da diese entsprechend flexibel
sein können, aber auch gegenüber Juristen, die aufgrund ihrer familiären Situation (kinderlose
Singles oder Doppelverdiener) die Auswirkungen eines Ausscheidens aus der anwaltlichen Versorgung eher abfedern können.
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Ganz besonders kritisch sehen die Befragten die Situation, wenn ihnen ein interner Wechsel
„aufgezwungen“ wird, z.B. wenn nach der Elternzeit eine andere juristische Position angetreten
werden muss, oder auch im Falle von heute alltäglichen internen Umstrukturierungen wie etwa
dem Transfer einer Rechtsabteilung in eine andere Konzerngesellschaft. Hier verlieren die Betroffenen mit dem Wechsel ihre Befreiung ohne jedes eigene Zutun.
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IV. Erschwerungen bei der Mitarbeitergewinnung und entstehende Mehrkosten
Fragestellung an die Mitglieder: „Haben Sie seit den Urteilen des BSG auffallend vermehrt
Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen? Sind die Mitarbeiterkosten nach den Urteilen
des BSG aufgrund von Kompensationszahlungen o.ä. merkbar gestiegen?“
Eine sehr beachtliche Zahl der Befragten (ca. 65%) sehen massive Probleme durch die Entscheidungen des BSG für die Unternehmen. Hervorzuheben ist hierbei die Nennung, dass die Attraktivität des Berufs des Syndikusanwaltes erheblich gelitten hat. Aus Sicht der Personalabteilungen
kann hervorgehoben werden, dass deutlich weniger Bewerbungen auf offene Stellen vorzufinden
sind. Bewerbungen von Kandidaten mit einem Lebensalter von mehr als 40 Jahren sind selten.
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Ebenso sind kaum Bewerbungen aus Kanzleien zu finden. Diese Aussagen werden durch Äußerungen von Headhuntern bestätigt, die ebenfalls einen massiven Einbruch der Vermittlungstätigkeit berichten.
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Von einer kleiner Gruppe (ca. 20%) von Befragten wird angegeben, dass nunmehr höhere Gehaltsforderungen als Kompensation gefordert werden, was wiederum die Lohnkosten der Unternehmen erhöht und z.T. dazu führt, dass weitere Stellen überhaupt nicht mehr ausgeschrieben
werden. Hierüber berichteten eine nicht unerhebliche Anzahl von Befragten (ca. 40%).
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