* KUN D E N S E RVI C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 D 2,30 E URO MON TAG , 19. JANUAR 2 015 KOMMENTAR Zippert zappt Preisschub durch Einführung des Mindestlohns D THEMEN Firmen geben Mehrkosten weiter n der Diskussion über die Steuerung von Migration nach Deutschland hat die FDP ein konkretes Konzept für eine „zeitgemäße Einwanderung“ ausgearbeitet, das neben einem Punktesystem nach dem Vorbild Kanadas auch die Abschaffung des Arbeitsverbots für Asylbewerber vorsieht. Deutschland müsse angesichts des wachsenden Fachkräftebedarfs „endlich den klugen Köpfen aus aller Welt den roten Teppich ausrollen“, heißt es in dem Antrag, den der FDP-Bundesvorstand heute beschließen will und der der „Welt“ vorliegt. Einwanderung solle nach Kriterien wie Bildungsgrad, Sprachkenntnis, Alter und Fachkräftebedarf flexibel gesteuert werden. Dabei gehe es um Akademiker und qualifizierte Facharbeiter. Deutschland sei zwar derzeit nach den USA das beliebteste Zielland, mit einer Nettozuwanderung im Jahr 2013 von fast 440.000 Migranten. Aber in den vergangenen Jahren sei der Durchschnitt unter den erforderlichen Einwanderungszahlen von mindestens 200.000 pro Jahr geblieben. Seiten 2, 3, 4, 6 Seite 5 [email protected] Der Rekord-Papst cape. Der Papst prangerte aber an, dass zu wenig Frauen und Mädchen zu ihm vorgelassen wurden. Sie könnten Fragen stellen, die Männer noch nicht einmal verstünden: „Also, wenn der nächste Papst kommt: bitte mehr Frauen und Mädchen!“ Seite 8 Terrordrohung: Dresdner Polizei verbietet Demos Konkrete Hinweise auf Pegida als Anschlagsziel. Sicherheitsexperte Ischinger hält Schutz europäischer Bürger für kaum möglich Politik US-Präsident Obama plant Reichensteuer Seite 7 Wirtschaft Warum der Euro abstürzt und der Dax dennoch steigt Seite 10 Wissen Welche Musik Chirurgen bei Operationen hilft Seite 20 A us Angst vor einem möglichen Terroranschlag hat das Anti-Islam-Bündnis Pegida seine für den heutigen Montag geplante Kundgebung in Dresden abgesagt. Es gebe Hinweise des Staatsschutzes, dass auf ein Mitglied des Organisationsteams während der Kundgebung ein Attentat verübt werden solle, erklärten die Veranstalter. Die Polizei Dresden untersagte alle öffentlichen Versammlungen in der sächsischen Landeshauptstadt an diesem Tag, auch die geplante Gegendemonstration. Es lägen Erkenntnisse vor, dass Attentäter dazu aufgerufen worden seien, sich unter die Protestierenden zu mischen, „um zeitnah einen Mord an einer Einzelperson des Organisationsteams der Pegida-Demonstrationen zu begehen“, heißt es in einer veröffentlichten Verfügung der Polizeidirektion. Unter anderem sei im Kurzmitteilungsdienst Twitter auf Arabisch zu solch einer Tat aufgerufen worden. Der Dresdner Polizeipräsident Dieter Kroll erklärte, er gehe nicht mehr nur von einer abstrakten Gefahr aus: „Konkret in Bezug auf eine gefährdete Person, deren Umfeld sowie daran gebunden Ort und Zeit. Konkret heißt auch: Es geht um ein Mitglied des Orga-Teams von Pegida und die Versammlungen für den 19. Januar 2015.“ In Medienberichten hieß es, dass es sich bei der Person um Lutz Bachmann handeln soll, einen der Pegida-Organisatoren. Weiter hieß es, die Terrorwarnung gehe auf entsprechende Hinweise auslän- ATTENTÄTER BEIGESETZT Der von der Polizei erschossene „Charlie Hebdo“-Attentäter Chérif Kouachi ist in Gennevilliers bei Paris beigesetzt worden. Laut Stadtverwaltung wurde er unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in dem Ort anonym bestattet, in dem er zuletzt gelebt hatte. Verwandte nahmen demnach nicht an dem Begräbnis teil. Sein Bruder und Mittäter Said war in der Nacht zum Samstag im nordostfranzösischen Reims beigesetzt worden. Bürgermeister Arnaud Robinet fürchtete, es könne eine Art Pilgerstätte entstehen, musste sich aber den Vorschriften beugen. Das Grab in Reims ist ebenfalls nicht gekennzeichnet. Unerwünschte Folgen discher Geheimdienste an die deutschen Behörden zurück. Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, sagte der „Welt“, in Europa gebe es eine neue Qualität terroristischer Anschläge, wie sie bislang eher aus Nahost, Afghanistan oder Pakistan bekannt gewesen seien. „Die Bürger dagegen zu schützen ist für die europäischen Sicherheitsbehörden eine enorme Herausforderung, um nicht zu sagen: Das ist kaum möglich“, sagte Ischinger. Angesichts der beachtlichen Zahl junger Menschen, die aus Deutschland zur Terrorausbildung nach Syrien oder in den Irak reisten, „wäre es ein Wunder oder jedenfalls viel Glück, wenn wir von Hass und Vernichtungswillen dieser Dschihadtouristen verschont blieben“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet nach einem Bericht der „Welt am Sonntag“ seit dem vergangenen Jahr deutschlandweit rund 100 Islamistenzellen. Es handele sich dabei um Gruppen und Netzwerke von jeweils zehn bis 80 Menschen, von Gebetsgruppen über Online-Propagandisten bis hin zu Spendensammlern und heimgekehrten SyrienKämpfern. D Da strahlte Papst Franziskus: Etwa sechs Millionen Gläubige kamen bei strömendem Regen, um ihn in der philippinischen Hauptstadt Manila zu sehen – die größte Messe aller Zeiten. Wie die Besucher unter freiem Himmel trug auch der 78-Jährige ein Regen- DOROTHE A SIE MS er Mindestlohn ist neben dem Rentenpaket das zweite soziale Prestigeprojekt der großen Koalition. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hält die gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro ebenso wie Mütterrente oder Rente mit 63 für Wohltaten, die für mehr Gerechtigkeit sorgen. Hungerlöhne hätten in einem wohlhabenden Land wie Deutschland nichts zu suchen, sagen die Befürworter dieser Politik. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass der massive Eingriff des Staates in den Arbeitsmarkt einige höchst unerwünschte Nebenwirkungen hat – wie immer, wenn die Sozialreformer keine Rücksicht auf wirtschaftliche Zusammenhänge nehmen. Die erzwungene Lohnsteigerung im unteren Einkommensbereich kostet die Arbeitgeber fast zehn Milliarden Euro. Doch es liegt auf der Hand, dass die Unternehmen die Mehrkosten nicht selbst tragen, sondern an die Kunden weiterreichen – wenn dies am Markt durchsetzbar ist. Für viele einkommensschwache Haushalte dürften steigende Preise für Brot oder den Urlaub schmerzhaft sein. Und nicht alle Kunden werden Dienstleistungen und Produkte auch noch nachfragen, wenn die Preise in die Höhe klettern. Der zweite Anpassungsschritt der Arbeitgeber trifft dann diejenigen, die der Mindestlohn eigentlich besserstellen sollte: die Beschäftigten. Denn ihnen drohen Zwangsteilzeit oder schlimmstenfalls Entlassungen. Vor allem für Ostdeutschland ist mit negativen Beschäftigungsfolgen zu rechnen. Da die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern ohnehin doppelt so hoch ist wie im Westen, ist es nicht gerade fair, dem Osten die Hauptlast dieser Arbeitsmarktpolitik aufzubürden. So verständlich die Forderung ist, dass jeder vom Aufschwung profitieren sollte, so wenig hilft der Mindestlohn, dieses Ziel zu erreichen. In den vergangenen Jahren hat Deutschland ein regelrechtes Beschäftigungswunder erlebt. Noch nie gab es hierzulande mehr Jobs. Nichts trägt so sehr zu der aktuell guten Stimmungslage der Bürger bei wie die außerordentlich gute Lage am Arbeitsmarkt. Der Mindestlohn gefährdet diesen Erfolg. Zwar droht kein Debakel. In vielen Regionen und Branchen dürfte die Nachfrage nach Mitarbeitern angesichts der stabilen Konjunktur weiter steigen. Doch gerade die Schwächsten am Arbeitsmarkt, etwa die Unqualifizierten oder die Flüchtlinge ohne Deutschkenntnisse, werden wohl häufig an der neuen Hürde scheitern. Es gibt selbst in einer Wissensgesellschaft immer etliche Menschen, die schlicht nicht in der Lage sind, einen Lohn von 8,50 plus Sozialabgaben zu erwirtschaften. Diese Bürger zum Nichtstun zu verdammen, ist alles andere als sozial. DPA/DENNIS M. SABANGAN, GETTY IMAGES/JEWEL SAMAD er Flughafen KasselCalden nennt sich ab sofort Kassel Airport. Damit hofft man, Flugzeuge anzulocken und Piloten zur Landung zu verführen. Bislang meiden Fluggesellschaften den Flughafen, pro Monat landen etwa drei Maschinen, davon eine versehentlich, und die anderen beiden wurden dafür bezahlt. Jetzt glaubt man, dass der Name schuld daran ist. Kassel-Calden klingt provinziell, Piloten befürchten, es handele sich um einen Segelflughafen oder ein Flugfeld für Modellflugzeuge, und weigern sich, dort zu landen. Schon dem Namen Kassel fehlt es an Glanz, aber durch den Zusatz Calden wird der Standort endgültig entwertet. Ob mit Kassel Airport jetzt alles besser wird, bleibt abzuwarten, denn welchen Grund sollte jemand haben, überhaupt nach Kassel zu fliegen? Hessen bietet jedem, der in Kassel Airport startet oder landet, eine Prämie von 250 Euro. Ministerpräsident Bouffier wies darauf hin, dass der Flughafen immerhin eine Betriebsgenehmigung und funktionierende Gepäckbänder hat, und regte an, ihn umzubenennen in BERK, Flughafen BerlinBrandenburg-Kassel. er vor zwei Wochen eingeführte gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde wirkt sich bereits auf die Verbraucherpreise aus. Firmen in betroffenen Branchen, beispielsweise im Taxigewerbe oder Postdienstleister, geben die zusätzlichen Kosten zum Teil über höhere Preise an ihre Kunden weiter. Insgesamt dürfte der Mindestlohn die deutschen Unternehmen 9,6 Milliarden Euro kosten – so viel macht die Lohnerhöhung für die 3,7 Millionen Beschäftigten aus, die bislang noch weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdient hatten. Was die Unternehmen an Mehrkosten nicht an die Endverbraucher abwälzen könnten, werde zu einem Abbau bei der Beschäftigung führen, sagt Arbeitsmarktexperte Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Betroffen seien insbesondere kleine Betriebe und konsumnahe Dienstleister, vor allem im Osten. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen damit, dass in diesem Jahr 0,2 Prozent der Teuerungsrate von insgesamt 1,4 Prozent auf den Mindestlohn zurückgehen. Kommentar, Seite 9 FDP fordert Migration nach Punktesystem Bundesvorstand legt neues Konzept vor I D Kultur ANZEIGE Intellektueller Guru: Houellebecq stellt in Köln sein neues Buch vor Seite 21 LOTTO: 8 – 11 – 22 – 29 – 46 – 47 Superzahl: 1 Spiel77: 1 6 1 9 7 7 7 Super6: 0 4 4 7 0 9 ohne Gewähr ANZEIGE Man kann nie genug wissen! „N24 Cassini“ Heute um 15.45 und 18.25 Uhr Diskutieren Sie mit uns auf Facebook: facebook.com/welt Wir twittern live aus dem Newsroom: twitter.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle B * Zieh dich warm an, Goethe welt.de/ebook Deutschsprachige Bibliothek in der Antarktis feiert Geburtstag D er kleine grüne Container dürfte einer der gemütlichsten Orte in der Region sein. Die Bibliothek im Eis steht in einer der unwirtlichsten Gegenden der Erde – in der Antarktis. Etwa 100 Meter entfernt von der Neumayer-Station des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung lädt die Bücherei Forscher und Techniker zum Schmökern zwischen Kirschholzregalen ein. Jetzt feiert die Bibliothek ihren zehnten Geburtstag – wieder mit einer Ladung neuer Bücher und 40 Liter Kölsch, die der Erfinder der Bibliothek, der Kölner Künstler Lutz Fritsch, jedes Jahr zum Neujahrsempfang in die Antarktis schickt. Rund 700 Bücher stehen inzwischen in den Regalen. Bis zu 1000 Bücher könne die Bibliothek fassen, sagt Fritsch. Eigentlich ist der Container ein Kunstwerk, das ein Geheimnis hütet. Denn welche Bücher in der Bibliothek am Pol stehen, weiß niemand außer den neun „Überwinterern“ auf der Station. Und anders als in anderen Büchereien sind sie nicht sortiert. Eben mal in die gute Bücherstube reinschauen ist aber nicht so einfach. „Man muss einen Weg auf sich nehmen, um in die Bibliothek zu gelangen“, sagt Fritsch. Der ehemalige Überwinterer Holger Schmithüsen schreibt: „Bei einem Schneesturm muss sich der Besucher an einer Handleine entlanghangeln.“ Einmal angekommen, muss man sich zunächst aus Polar-Overall und Stiefeln schälen, bevor man in die bereitstehenden Pantoffeln schlüpfen kann. Die Bücher werden gestiftet von Künstlern und Wissenschaftlern, die Fritsch persönlich anschreibt und um Widmungen bittet. „Jedes Buch ist ein persönliches Geschenk an die Überwinterer der Forschungsstation“, sagt er. Einige wenige Stifternamen wurden allerdings doch im Lauf der Jahre bekannt. So soll Günter Grass seinen Roman „Hundejahre“ an den Pol geschickt haben, Regisseur und Produzent Tom Tykwer einen Roman von Peter Hoeg: „Der Plan von der Abschaffung des Dunkels“. Sogar eine Packung Buchstabennudeln stehe im Regal, enthüllt der ehemalige „Überwinterer“ Schmithüsen, mit der Aufschrift: „Goethes gesammelte Werke“. DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail: [email protected]; Anzeigen: 030/585890, Fax 030/585891, E-Mail [email protected], Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin, Tel. 0800/9 35 85 37, Fax 0800/9 35 87 37, E-Mail [email protected] A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / FIN 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / H 820 FT / I 3,20 & / IRL 3,20 & / KRO 28 KN / L 3,20 & / MLT 3,20 & / N 38 NOK / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / S 42 SEK / SK 3,20 € / SLO 2,80 & + ISSN 0173-8437 15-4 ZKZ 7109 Mütter, Radfahrer, Berliner und andere Irre Die besten Satiren der „Welt“ Jetzt als E-Book für alle Tablets, Computer und Smartphones erhältlich. Gleich downloaden in den gängigen E-Book Stores, wie z.B. 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