Basel.Stadt. | Freitag, 29. Mai 2015 | Seite 14 «Fünf Wohneinheiten sind Teil des Kuhhandels» Andreas Tereh über die Gründe, warum die Riehener Bürgerlichen Wohnblöcken beim Wenkenpark zustimmten Wie stark ist das Interesse der Baulobby, die fünf Wohneinheiten durchzubringen? Von Mischa Hauswirth BaZ: Herr Tereh, Sie stören sich an den Darstellungen des Riehener FDP-Präsidenten Andreas Zappalà, der sich für ein Ja bei der Abstimmung «2 statt 5» einsetzt. Sie nennen diese einseitig und wollen unbedingt etwas richtigstellen. Was ärgert Sie so? Andreas Tereh: Das Argument von Alte Häuser abzureissen und neue zu bauen, bringt Aufträge für die Baufirmen. Deren Lobby hat zwar ein legitimes Interesse an der Variante mit fünf Wohneinheiten, lenkt aber davon ab, dass mit jedem Liegenschaftsbauprojekt vor allem die Architekten, Bauunternehmer, Elektriker und Maler – von denen es ja Vertreter im Gemeinde- und Einwohnerrat gibt – profitieren. Herrn Zappalà, wonach es keine Rolle spielen soll, ob zwei oder fünf Wohneinheiten gebaut würden, weil die Ausnutzungsziffer auf einem Grundstück ja ohnehin die gleiche bleibe. Er hat ausserdem gesagt, dass es im Grunde nur um ein Einfamilienhaus mit einem Stock und Dachgeschoss gehe. Das ist schlicht falsch. Es ist doch nichts daran auszusetzen, das Gewerbe zu unterstützen. Nein, wenn klipp und klar gesagt wird, dass es um persönliche Interessen geht und dass das Gewerbe schon jetzt teilweise vom betroffenen Gebiet lebt. Es wird nicht einfach so «Goldhügel» genannt. Und was stimmt? Die Parzellen rund um den Wenkenpark sind häufig so gross, dass man diese locker zwei- oder dreifach unterteilen kann, und kaum ist dies getan, kann man bauen, was das Zeug hält – auch Wohnblöcke, die ganz anders aussehen als ein klassisches Einfamilienhaus. Sie kritisieren nicht nur die fünf Wohneinheiten. Sie hinterfragen auch das Verdichtungsargument rund um den Wenkenpark sowie am Rande des Moostals. Warum? Weil es überhaupt keinen Sinn macht, die Peripherie zu verdichten. Lange wurde die Schweiz munter zersiedelt. Erst jetzt beginnt man zu erkennen, was für Schäden damit dem Land zugefügt wurden. Zwar besteht ein Trend Richtung Verdichtung nach innen, aber viele Politiker wollen immer noch nicht recht wahrhaben, dass der Boden beschränkt ist. Die dünn besiedelten Randgebiete Riehens zu verdichten, kommt somit lediglich einem Aufschub gleich, eine neue Richtung einzuschlagen. Doch es bleibt keine andere Wahl. Irgendwann wird die Gesellschaft – wenn sie so weitermacht – an den Punkt gelangen, wo es keine freien Flächen mehr zu verbauen gibt. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Verdichtung an der Peripherie teuer wäre. Wieso teuer? Wenn mehr Leute am Hang wohnen, bedeutet das auch mehr Verkehr. Das versuchen zwar die Befürworter von fünf Wohneinheiten herunterzuspielen, dennoch bedeutet mehr Bevölkerung eine deutliche Zunahme an Können Sie ein Beispiel nennen? «Schon zweimal abgestimmt». Der Grüne Andreas Tereh will, dass der Wille des Volkes respektiert wird. Foto Florian Bärtschiger Autos. Vermutlich müsste zudem der öffentliche Verkehr an den Hanglagen ausgebaut werden. Das gibt es für die Gemeinde nicht gratis. Es stehen heute schon kostspielige Renovationsarbeiten an der Infrastruktur an, beispielsweise müssen die Abwasser-Hauptleitungen unter der Aeusseren Baselstrasse in den nächsten Jahren aus Kapazitätsgründen ersetzt werden. Sie sagen also, mehr Leute würden mehr Kosten verursachen? Ja, denn mehr Einwohner bedeuten mehr Kinder, mehr Kindergärten, mehr Schulen, mehr Tagesbetreuungsplätze, mehr Polizei, mehr medizinische Versorgung, eine grössere Abnutzung der Strassen und so weiter und so fort. Mehr Leute heisst eben nicht einfach nur mehr Steuereinnahmen. Was sagen Sie zum Argument des NeinKomitees «2 statt 5», die ganz guten Steuerzahler könnten Riehen den Rücken kehren, wenn die fünf Wohneinheiten durchkommen? Verglichen mit anderen Gemeinden der Schweiz und erst recht im Vergleich mit anderen Orten auf der Welt leben wir in purem Luxus. Diese Annehmlichkeiten kosten Geld, viel Geld. Meine Steuern leisten einen sehr bescheidenen Beitrag an diesen Luxus. Es sind die Reichen, die sich an der Hanglage bis jetzt sehr wohl fühlen, welche am Ende den hohen Standard für alle ermöglichen. Wenn es den Reichen ein Anliegen ist, die offene Siedlungsstruktur mit den Grünflächen im heutigen Zustand zu belassen, weil sie weiterhin in diesem schönen Umfeld wohnen möchten, so tut Riehen gut daran, diesen Wunsch zu respektieren, auch wenn man sozial eingestellt ist. Aber was ist, wenn eine dieser Villen mit Land vererbt wird? Oft kann ein Erbe allein Haus und Land nicht halten. Ein gewichtiges Argument, um Baumöglichkeiten möglichst stark einzuschränken. Warum? Die Villen am Hang werden häufig zu einem Zeitpunkt frei, wenn die Nachkommen der Inhaber ihr eigenes Leben eingerichtet haben und somit kein Interesse zeigen, ins Elternhaus einzuziehen. Viele sind selbst schon pensioniert oder sie leben irgendwo weit weg von Riehen. Nicht selten sind es Erbengemeinschaften, welche die Grundstücke übernehmen und letztlich nur ein Interesse verfolgen: möglichst viel aus der Erbschaft herauszuholen. Und genau dieses Ziel lässt sich mit einem Neubau von fünf Wohneinheiten am besten erreichen. Die grosszügigen Häuser im Gebiet um den Wenkenpark, alles Gebäude, welche von guter visueller Qualität sind, müssen gepflegt werden. Eine Baufirma, die auch Renovationen anbietet, kann hier Geschäfte machen. Die parkähnlichen grossen Umschwünge geben Gärtnern Arbeit. Nicht jeder kann sich eine Liegenschaft am Hang leisten. Aber auf der anderen Seite kann sich auch nicht jeder einen Gärtner leisten. Das Wesentliche hierbei ist: Mit der Verdichtung würde eine andere Bevölkerungsschicht in die Hanglagen ziehen. Ich fürchte, dass langfristig die Handwerksbetriebe Aufträge verlieren, insbesondere die Gärtner. «Es muss klar gesagt werden, dass es bei Blöcken um persönliche Interessen geht.» Könnte man nicht einfach sagen, dass Riehen auch seinen Anteil an Verdichtung leisten muss? Verdichtung und fünf Wohneinheiten in einen Zusammenhang zu stellen, das geht so nicht. Wieso? Eine Mehrheit des Einwohnerrats wünscht eine Verdichtung. Ich bin aber klar dagegen, dass die bislang dünn besiedelten Flächen zwischen dem Wald und der Kernzone von Rie- hen weiter verbaut werden. Die heutige offene Struktur vom Moostal hinüber in den Bereich um den Wenkenpark ist nicht nur schön anzusehen, sie ist auch durchlässig für Wildtiere wie Rehe, Dachse, Feldhasen und seltene Vögel. Zudem gibt es dort zahlreiche Nischen für Tiere und Pflanzen, welche unterm Strich ja das Grün der Gemeinde ausmachen. Was führte aus Ihrer Sicht dazu, dass der Einwohnerrat den fünf Wohneinheiten gegen den Vorschlag des Gemeinderates zustimmte? Grüne, EVP und die SP sprachen sich dezidiert gegen die Zone R2 mit der Fünf-Wohneinheiten-Variante aus. Es kam am Ende zu einem Kompromiss mit drei Wohneinheiten, doch um diesen Kompromiss foutierte sich die bürgerliche Mehrheit dann allerdings im letzten Moment. Wie gesagt: Die Interessensvertreter der Baufirmen in der SVP, LDP und FDP haben einen legitimen Grund, sich für die Partikularinteressen ihrer Parteimitglieder und Wähler einzusetzen. Dass aber auch alle anderen Bürgerlichen inklusive der eigentlich christlich orientierten CVP – welche die Schöpfung respektieren sollte, statt den Lebensraum aller Geschöpfe nur einer einzigen Spezies zu gönnen – hat einen Grund. Wir sind gespannt. Es wurde unter den Bürgerlichen sehr viel «gekuhhandelt» im Vorfeld der Besprechung des Zonenplans, getreu dem Motto: Ich gebe dir das, wenn du mir jenes gibst. Auffällig viele Änderungen in letzter Sekunde hatten ebenfalls mit Partikularinteressen zu tun. Pikanterweise wurde just dort der Naturschutz geschwächt, wo eine Umzonung in eine Schutzzone den Wert eines Grundstücks reduziert hätte, welche Mitgliedern des Einwohnerrates gehören. Möchten Sie keine Namen nennen? Ich sage nur so viel: Die Aufstockung von drei auf fünf Wohneinheiten war ein Teil des Kuhhandels. Auf diese Art macht ein Teil der Riehener Politik. Die Stossrichtung ist dabei immer die gleiche: eigene oder kurzfristige Interessen über jene der Natur und das grüne Riehen setzen. Das lässt sich auch daran erkennen, dass Riehen bereits zweimal abgestimmt hat, dass das Moostal zu 100 Prozent grün bleiben soll. Warum die Milch nicht aus dem Supermarkt stammt «Bim Buur in d’Schuel» – Schülerinnen und Schüler lernen auf Bauernhöfen Tiere und Natur kennen Von Julian Eicke Basel. «Hast du gewusst, dass die But- ter aus Milch gemacht wird?» Der schmächtige Junge schüttelt den Kopf und schaut weiterhin gebannt auf die Schüssel vor ihm, in der aus der am Morgen gemolkenen Milch mittlerweile Quark entstanden ist. Vermengt mit Erdbeeren und etwas Zucker werden sie ihn später zum Zvieri verspeisen. Sie – eine 6. Klasse der Sekundarschule aus Aesch. Seit dem Morgen sind sie auf dem Bauernhof Klosterfiechten in Basel zu Gast, lernen an verschiedenen Posten die Tiere des Betriebs kennen oder erhalten aktiv einen Einblick in den Prozess, den es benötigt, dass aus Korn schliesslich das frische Brot auf dem Frühstückstisch wird. Während die einen von Hand mit dem Dreschen und Reinigen des Getreides beschäftigt sind, backen andere wiederum Brot aus dem gewonnenen und selber gemahlenen Mehl. Und natürlich erfahren sie, zu welchen Produkten, die wie selbstverständlich in den Regalen der Supermärkte aufliegen, Milch verarbeitet wird. Zusammenhänge erleben Seit 30 Jahren erleben Schweizer Schüler im Projekt Schule auf dem Bauernhof hautnah die Zusammenhänge zwischen Mensch und Natur. Und das Angebot erfreut sich grosser Beliebtheit: In den vergangenen zehn Jahren haben über eine Viertelmillion Kinder die Höfe der 400 beteiligten Bäuerin- Naturnahes Lernen. Kurt Jordi zeigt den Schülern der 6. Klasse, wie Landwirtschaft funktioniert. nen und Bauern besucht. Davon alleine 35 000 im vergangenen Jahr. Die Präsidentin der Kommission «Bim Buur in d’Schuel», Kathrin Itin, ist überzeugt vom Projekt: «Wir erhalten viele positive Feedbacks – von Lehrpersonen und Schülern wie auch von den Landwirten gleichermassen.» Denn Kinder hegten Foto Florian Bärtschiger von sich aus eine gewisse Neugier der Natur gegenüber und teilten diese Leidenschaft mit den Bauern. Beide Seiten profitieren davon, denn auch für die Bauern kann dies einen attraktiven Nebenerwerb darstellen: Für einen Tag erhalten die Betriebe eine Entschädigung von 300 Franken. Und bestehe eine anfängliche Skepsis seitens der Bauern, würde die sich rasch legen. Viele seien begeistert vom Wissensdurst und der Begeisterung der Schüler. Statt den Stoff trocken im Klassenzimmer zu vermitteln, wird der Unterricht auf den Bauernhof verlegt. Dahinter steht die Überzeugung, dass Kinder für ihre Entwicklung Sinneserlebnisse brauchen. Denn es mangele ihnen nicht am Interesse, sondern lediglich an Möglichkeiten, praktische Erfahrungen zu sammeln. Während eintägigen Exkursionen bis hin zu einer vollen Lagerwoche können so die Schüler das gemeinsame und praktische Arbeiten im engen Kontakt mit der Natur erleben. Schule auf dem Bauernhof wird von Landwirtschaftsbetrieben kantonal organisiert in der ganzen Schweiz angeboten. In der Kommission des Bauernverbandes beider Basel arbeiten Verbandsvertreter und Vertreter des Landwirtschaftlichen Zentrums Ebenrain mit Bauern und Lehrkräften eng zusammen. Subventionen fliessen dazu auch von den Kantonen: Baselland und Basel-Stadt beteiligen sich mit jeweils 30 000 beziehungsweise 20 000 Franken jährlich. Seit 1999 sind so über 800 000 Franken in das Projekt geflossen. Ermöglicht wurden dadurch vergangenes Jahr rund 142 Projekte auf 20 Betrieben in beiden Kantonen.
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