Gleicher Lohn: Das Prüfinstrument eg-check.de „Über Geld spricht man nicht“ Transparenz als Schritt zur Entgeltgleichheit Veranstaltung zum Equal Pay Day 2015 Landeszentrum für Gleichstellung und Vereinbarkeit in M-V Schwerin, 20. März 2015 Rechtsanwältin Gisela Ludewig, Berlin Telefon: 030/3255219 [email protected] Was bedeutet Entgeltgleichheit? Gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder (unterschiedlicher, aber) gleichwertiger Arbeit Die Anwendung dieses Grundsatzes muss jedes EU-Land sicherstellen (Artikel 157 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV) Dieser Rechtsgrundsatz gilt bereits seit 1957 (Art. 119 EWG-Vertrag, Art. 141 EG-Vertrag) Grundgesetz gebietet Entgeltgleichheit Artikel 3 Grundgesetz (18.05.1949), aktuelle Fassung: (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, (..) benachteiligt oder bevorzugt werden. EU-Grundrechtecharta gebietet Entgeltgleichheit In Art. 23 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta steht: Die Gleichheit von Frauen und Männern ist in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts sicher- zustellen. Daraus folgt: Wer mit einem Mann ein höheres Entgelt vereinbart als mit einer Frau für gleiche oder gleichwertige Arbeit, schuldet auch der Frau das höhere Entgelt. Verbot der Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts Seit 1975 bestimmt eine europäische Richtlinie, geändert durch RL 2002/73/EG, aktuell RL: 2006/54/EG Bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, wird mittelbare und unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen beseitigt. Dies gilt auch für Tarifverträge! Gilt denn nicht Tarifautonomie? Die TV-Parteien sind frei bei der Regelung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts. Die TV-Parteien sind gebunden an den Rechtsgrundsatz der Entgeltgleichheit bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit von Frauen und Männern. Solange die TV-Parteien eine benachteiligende Tarifregelung nicht beseitigen, haben die Benachteiligten denselben tariflichen Anspruch wie die Begünstigten - „Angleichung nach oben“ AGG - Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Gilt seit 18.08.2006, setzte die RL von 2002 um in nationales Recht, bestimmt ( §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1, 2) Benachteiligungen wegen des Geschlechts sind unzulässig in Bezug auf die Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind unwirksam Unmittelbare Diskriminierung nach AGG § 3 Abs. 1 Satz 1 Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Unmittelbare Diskriminierung nach AGG § 3 Abs. 1 Satz 2 Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor. übrigens: Alle Arbeitgeber müssen eine Umlage „U2“ zahlen, damit Kosten für Mutterschutz* dem einzelnen Arbeitgeber erstattet werden können (seit 01.01.2006: Aufwandsausgleichsgesetz, AAG) *Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, Arbeitsentgelt und hierauf entfallende Sozialversicherungsbeiträge bei Beschäftigungsverboten, jeweils zu 100% Mittelbare Diskriminierung nach AGG § 3 Abs. 2 Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen des Geschlechts (gesellschaftliche Geschlechterrolle) in besonderer Weise benachteiligen können es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Ausschluss Teilzeitbeschäftigter aus betrieblicher Altersversorgung ist mittelbare Diskriminierung Bilka-Fall: (BAG 14.10.1986, 3 AZR 66/83) Das BAG stellte mittelbare Diskriminierung fest, weil die Betriebsrente nur nach mindestens 15jähriger Vollzeitbeschäftigung gezahlt wurde und statistisch nachweisbar Teilzeitarbeit ganz überwiegend von Frauen geleistet wurde und das BAG dies auf die Verteilung der Geschlechterrollen in der Gesellschaft zurückführte Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung • Bei einem Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. • Die oder der Beschäftigte kann außerdem eine angemessene Entschädigung in Geld („Schmerzensgeld“) verlangen. Die Ansprüche müssen innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden und die Klage auf Entschädigung muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Entscheidungen deutscher Arbeitsgerichte Frauen erhielten in einem Betrieb jahrelang für gleiche Arbeit einen geringeren Stundenlohn als Männer. Eine Frau klagte. Das Urteil: • Entgeltnachzahlung von 7.543 Euro für den Zeitraum 01.01.2009 – 31.12.2012 • Entschädigung von 6.000 Euro individuelles mtl. Entgelt (1.179) unmaßgeblich, keine Begrenzung auf drei Monatsgehälter (LAG Mainz 14.08.2014 5 Sa 509/12) Was ist eg-check.de? eg-check.de … wurde im Jahr 2010 von den Wissenschaftlerinnen Dr. Karin Tondorf und Dr. Andrea Jochmann-Döll entwickelt, mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung, und 2014 aktualisiert … ist ein „Werkzeugkasten“ mit verschiedenen Prüfinstrumenten, die einzeln oder kombiniert eingesetzt werden können … wird nicht zentral koordiniert, gesteuert oder finanziert … steht allen Interessierten zum kostenlosen Download im Internet zur Verfügung: www.eg-check.de … oder als Printversion bei der HBS: Arbeitspapier Nr. 214 Das Prüfkonzept von eg-check.de 1. Die Prüfung knüpft am geltenden Recht an. 2. Die Prüfung setzt an der Arbeit (Tätigkeit, Stelle) an. 3. Jeder Entgeltbestandteil wird für sich geprüft. 4. Die Prüfung bezieht sich auf Entgeltpraxis und Entgeltregelungen. 5. Die Prüfung bezieht sich ausschließlich auf Entgeltdiskriminierung. 6. Die Prüfung setzt nicht an der (betrieblichen) Entgeltlücke an. Drei Arten von Prüfinstrumenten eg-check.de ist ein „Werkzeugkasten“ mit verschiedenen Prüfinstrumenten, die einzeln oder in Kombination nutzbar sind. Statistiken RegelungsChecks Paarvergleiche Daten auf betrieblicher Ebene, die Hinweise auf mögliche unmittelbare oder mittelbare Benachteiligungen geben Fragen zur Identifizierung diskriminierender Bestimmungen in tariflichen oder betrieblichen Entgeltregelungen Kriterien zur Prüfung auf der individuellen Ebene (Mann/Frau) Prüfungsgegenstände Mit eg-check.de können die Entgeltbestandteile einzeln geprüft werden: Die Statistik Beispiel: Grundentgelt (Auszug) Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit? Der Regelungs-Check Beispiel: Der Regelungs-Check „Grundentgelt“ besteht aus 14 Fragen mit Erläuterungen zu den Bereichen: o Art der Bewertung der Tätigkeiten o Bewertungskriterien o Arbeitsbeschreibungen o Transparenz des Entgeltsystems o Zuordnung von Entgeltbeträgen zu Entgeltgruppen bewertet jede Frage für sich, ermittelt kein Endergebnis nach Art eines Tests Auszug aus dem Regelungs-Check Grundentgelt 1.Ist gewährleistet, dass die Bewertung der Tätigkeiten mittels eines Verfahrens der Arbeitsbewertung erfolgt? ja nein Die Entgelte der Beschäftigten werden in der Praxis nicht immer systematisch mit Hilfe eines Arbeitsbewertungssystems ermittelt, sie werden mitunter nach einer freien Einschätzung subjektiv oder auch (interessen-)politisch gesetzt. Eine solche Praxis eröffnet Spielräume für Entgeltdiskriminierung. Dies wäre auch der Fall, wenn nicht durchgängig, d.h. nur für einen Teil der Tätigkeiten, ein Verfahren der Arbeitsbewertung angewendet würde. Die Tarifvertragsparteien sind zwar autonom bei der Differenzierung der Entgelte, jedoch sind gleichheitswidrige Tarifregelungen nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Zu den Bewertungskriterien: 1.Ist durch das Verfahren der Arbeitsbewertung gewährleistet, dass Tätigkeiten, die typischerweise überwiegend von Frauen ausgeübt werden und solche, die typischerweise überwiegend von Männern ausgeübt werden, nach gemeinsamen Kriterien bewertet werden? ja nein Nach Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG muss „ein System beruflicher Einstufung … auf für männliche und weibliche Beschäftigte gemeinsamen Kriterien beruhen …“. Es ist beispielsweise nicht zulässig, wenn in einem Altenpflegeheim bei der Bewertung der Tätigkeit eines Hausmeisters körperliche Belastungen berücksichtigt und bezahlt werden, nicht aber bei der Tätigkeit der Altenpflege, obwohl auch diese Tätigkeit durch körperliche Belastungen geprägt ist. Der Paarvergleich unterscheidet vier Anforderungsbereiche mit insgesamt 19 Anforderungsmerkmalen erfordert die Einstufung der Vergleichstätigkeiten in eine der Anforderungsstufen für jedes Anforderungsmerkmal besteht aus einer Excel-Tabelle berechnet aus den Einstufungen einen Gesamtwert besitzt eine innere Gewichtung und ermöglicht anschließend eine Gewichtung der Anforderungsarten wird an die jeweiligen betrieblichen Bedingungen angepasst Was ist gleichwertige Arbeit? Inhaltlich unterschiedliche Arbeit, die aber in Bezug auf Anforderungen und Belastungen von gleichem Wert ist Bewertungsmaßstäbe müssen gleich sein: Wenn bei Tierpflegern bewertet wird, dass sie Verantwortung für Lebewesen tragen, bei Erzieherinnen aber nicht, liegt hierin eine mittelbare Diskriminierung. Dies passiert nicht aufgrund böser Absicht, sondern ist Resultat traditioneller Vorstellungen – führt aber zur schlechteren Bezahlung typischer Frauenberufe. Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit? In einigen Krankenhäusern gilt: Beschäftigte, die Behälter mit schmutziger Bettwäsche transportieren, erhalten wegen der Infektionsgefahr eine Zulage. Pfleger und Pflegerinnen, die schmutzige Bettwäsche wechseln, erhalten keine Zulage wegen Infektions-gefahr. Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht ersichtlich. Was wir aber wissen: Im Bereich Wäschetransport sind überwiegend Männer beschäftigt, im Pflegebereich ganz überwiegend Frauen … Rechtliche Anforderungen an diskriminierungsfreie Arbeitsbewertung Rechtliche Anforderungen an Arbeitsbewertung: Der rechtliche Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche und gleichwertige Arbeit muss gewährleistet werden (Art. 157 Abs. 1 AEUV) Das Entgeltsystem muss transparent, nachvollziehbar und überprüfbar sein (EuGH Danfoss 17.10.1989, Barber 17.05.1990) Die Tätigkeiten von Frauen und Männern müssen nach denselben Kriterien bewertet werden (Art. 4 Satz 2 der RL 2006/54/EG) Die Kriterien für die Bewertung der Tätigkeiten müssen die wesentlichen Anforderungen des Arbeitsplatzes, das „Wesen“ der Arbeit abbilden (EuGH Rummler 01.07.1986) Die Kriterien müssen diskriminierungsfrei definiert, gewichtet und angewendet werden (EuGH Danfoss, Nimz 07.02.1991, Cadman 03.10.2006) Geschlechtergerechte Bewertung der Arbeit mit eg-check.de Erfahrungen mit eg-check.de Bisherige Anwendungen von eg-check.de in Prüfprojekten Mehrere von Expertinnen durchgeführte Prüfprojekte in öffentlichen und privaten Unternehmen, teils gefördert von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Zertifizierung der ersten 8 Unternehmen durch die ADS in den Jahren 2013 und 2014 Prüfungen von Tarifverträgen oder Tarifvertragskonzepten durch Gewerkschaften, Tarifparteien Prüfungen betrieblicher Vereinbarungen durch Betriebsrat, Personalrat bzw. Gleichstellungsbeauftragte, Arbeitgeber Wer kann eg-check.de nutzen? Arbeitgeber, da sie Entgeltgleichheit von Frauen und Männern gewährleisten müssen und ein Nachweis mittels eg-check.de sowohl innerbetrieblich als auch arbeitsmarktpolitisch Vorteile verschafft, Betriebs- und Personalräte, da sie als gesetzliche Interessenvertretungen auf die Gleichbehandlung der Geschlechter zu achten haben und zeigen können, dass sie sich auch für potentiell benachteiligte Beschäftigtengruppen einsetzen, Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragte, da sie auf die Beseitigung und Verhinderung von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hinwirken sollen, Wer kann eg-check.de nutzen? Tarifparteien, da sie für diskriminierungsfreie Tarifverträge verantwortlich sind, betroffene Beschäftigte, die zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche begründen müssen, worin die Ungleichbehandlung beim Entgelt besteht, Richterinnen und Richter, die über Entgeltgleichheitsklagen zu entscheiden haben, der Staat, um Klarheit darüber zu gewinnen, inwieweit und in welchen Bereichen der Grundsatz der Entgeltgleichheit tatsächlich eingehalten wird. Transparenz! Um Entgeltgleichheit einfordern zu können, müssten Benachteiligte Kenntnis von ihrer Benachteiligung haben. Dass das Entgeltsystem transparent, nachvollziehbar und überprüfbar sein muss, hat der Europäische Gerichtshof schon vor Jahren betont. Tatsächlich findet sich in vielen deutschen Arbeitsver-trägen aber die Klausel, dass Arbeitnehmer zum Stillschweigen über das eigene Entgelt verpflichtet sind. Transparenz!! Dass derartige Verschwiegenheitsklauseln unwirksam sind, weil sie Arbeitnehmerinnen „daran hindern, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgreich geltend zu machen“ – das hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern bereits festgestellt (Urteil vom 21.10.2009, 2 Sa 183/09) 2009 Was plant der Gesetzgeber? • Festlegung eines individuellen Auskunftsanspruchs für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (im Koalitionsvertrag vereinbart) Dieser Auskunftsanspruch muss sich auf Informationen beziehen, die Arbeitsgerichte bei einer Klage als Indizien für eine Benachteiligung anerkennen. Hierzu gehören Auskünfte über die Bewertung von geeigneten Vergleichstätigkeiten und deren finanzielle Ergebnisse. Dabei geht es nicht um die Namen von Kollegen und deren persönliche Daten. Was plant der Gesetzgeber noch? • Einführung einer Berichtspflicht zur Entgeltgleichheit für große Unternehmen ab 500 Beschäftigten im Lagebericht nach HGB (im Koalitionsvertrag vereinbart) • Regelung verbindlicher Verfahren zur Beseitigung von Entgeltdiskriminierung (im Koalitionsvertrag vereinbart) Wann kommt das Entgeltgleichheitsgesetz? In einer Pressemitteilung vom 20.02.2015 heißt es: Es ist geplant, gesetzliche Regelungen zur Lohngerechtigkeit in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. Im Februar hat Bundesfrauenministerin Schwesig den gemeinsamen Dialog mit den Sozialpartnern zum Thema Lohngerechtigkeit gestartet, um auszuloten, welche Rahmenbedingungen notwendig sind, „damit es funktioniert." Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit Und freue mich, dass wir nun noch Gelegenheit zur Diskussion haben! Rechtsanwältin Gisela Ludewig, Berlin Telefon: 030/3255219 [email protected]
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