MAN TGM 13.280 4x4 BL - KFZ

LKW-TEST
LKW-Test
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13-Tonner mit Geländetalenten: Das Durchkommen
wird mit Allradantrieb und Sperren gesichert –
wenn man auf die richtigen Reifen setzt.
MAN TGM 13.280 4x4 BL
Der kleinste MAN für das Gelände ist ein 13-Tonner mit Allradantrieb, der an der Hinterachse mit einer Luftfederung aufwartet. Eine erhebliche Arbeitserleichterung verspricht das automatisierte
Getriebe Tip Matic Dx.
Offroad mit Komfort
D
en bei kommunalen Bedarfsträgern beliebten Allrad-Zehntonner
gibt es bei MAN nicht mehr. Der
galt in der Branche als genügsam, wendig
und ziemlich leistungsstark und diente
den MAN-Technikern als Basis für hochgeländegängige Expeditionsfahrzeuge.
So machten die schnellen L2000 als Express-Service auf der Rallye Dakar Karriere. Doch L2000 und Rallye Dakar – das
war gestern. Sein Nachfolger heißt TGM
und stammt aus dem mittelschweren
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Baukasten der Münchner. Er kommt
hochbeinig daher und rollt rundum auf
breiten Pneus der Größe 385/65 R 22,5
– was dem MAN-Allradler zu einer erwachsenen Optik verhilft. Die Einzelbereifung auch an der Hinterachse weist
den Weg ins Gelände, während die serienmäßige Vierbalg-Luftfederung eher zu
Umsicht mahnt. Die Bestückung des Offroaders mit der hier eher exotischen Federung erklären die Produktmanager mit
der bevorzugten Kundengruppe, die das
Fahrzeug ansprechen soll. Speziell Feuerwehren oder kommunale Betriebe schätzen das stets gleich bleibende Niveau der
Ladehöhe – so bleibt im Winter das Streubild gleich, auch wenn sich der Streugutbehälter auf der Ladefläche leert. Nur
seltsam, dass die zweiachsigen 18-Tonner
der Baureihe mit konventionellen Parabelfedern auskommen müssen.
Talentiert ins Gelände. Ein Allrad-LKW
vom Schlage eines TGM 4x4 muss sich im
KFZ-Anzeiger 14/2008 - Stünings Medien GmbH, Krefeld - www.kfz-anzeiger.com
Geringe Verschränkbarkeit der luftgefederten
Hinterachse
Bewährt sich bravourös
im Gelände: der TGM 4x4
Steile Rampen – kein
Problem: Der Böschungswinkel
vorn beträgt 28 Grad.
Gelände bewähren. Das schafft er mit
Bravour – sowohl leer als auch beladen.
Er meistert selbst steile Anstiege und
wühlt sich gelassen durch, wenn der
Untergrund lose ist und verdächtig zu
den Achsen reicht – auch dann helfen die
gesperrten Differenziale dem TGM weiter. Deren Bedienung ist so einfach wie
logisch: Per Drehschalter werden nacheinander die Geländeuntersetzung, die
Sperren längs, dann hinten und schließlich an der Vorderachse zugeschaltet.
Dann gibt es für gewöhnlich kein Halten
mehr, bis auch die kritischen Passagen
durchquert sind. Nur an feucht lehmigen
Stellen bleiben bange Momente: Hier
schmieren die breiten Omnitrac-Reifen
von Goodyear schnell zu – wer oft im
Gelände wühlt, sollte gröbere Profile mit
besserer Bodenverzahnung bevorzugen.
Genauer betrachtet hat auch die Luftfederung Probleme, auf stark welligem Terrain die nötige Verschränkung zuzulas-
Kleiner Kipper – großer
Lader: Mit einer Schaufel ist
die Brücke voll.
sen. Hier hilft der verwindungsfreudige
Rahmen nach, der trotz allem der Hinterachse stete Bodenhaftung verschafft.
Hoher Nutzwert. Vielleicht mag sein
Kletter- und Watvermögen hinter dem
seines Vorgängers zurückbleiben. Doch
sein höheres Gesamtgewicht plus ein
gekonnter Leichtbau bringen dem im österreichischen Steyr montierten 13-Tonner sechs Tonnen Nutzlast ein. Auf
Wunsch kann er mit 8,5 Tonnen Nutzlast
auf 15,5 Tonnen Gesamtgewicht aufgelastet oder als nutzlastschwacher 10-Tonner bestellt werden. Als begnadetes Zugfahrzeug darf der 4x4-TGM nicht gelten,
mit zulässigen 20 Tonnen Zuggesamtgewicht reicht es nur für einen mittelprächtigen Tandemhänger. Was sicher nicht an
der Motorleistung liegen dürfte. Denn der
kleinvolumige Sechszylinder des MAN
sollte mit 280 PS und 1.100 Nm Drehmoment über ein breites Plateau von 1.200
bis 1.750 Umdrehungen mit der Fuhre
kein Problem haben.
Im Antritt ist der von zwei Turboladern zwangsbeatmete Vierventiler kein
Bulle. Deshalb braucht es aus dem Stand
schon ein paar Umdrehungen mehr, was
Sich im Gelände zu bewähren,
schafft ein Allrad-LKW vom
Schlage eines TGM 4x4 mit
Bravour.
auf der Straße keine Probleme bereitet.
Treten im Gelände hohe Fahrwiderstände
auf, muss der Motor schon kräftig ran –
unter 1.200 Umdrehungen ist nicht viel
zu holen. Dann allerdings ist der Common-Rail-Diesel in seinem Element: Er
kommt schnell auf Touren und hat bei
1.800 Umdrehungen schon seine volle
Nennleistung von 280 PS. Das automati-
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mal eine Ruppigkeit ein, die aber der
Lebensdauer des Aggregats geschuldet
ist. Sonst jedoch wird der Fahrer mit guten Manieren und Bauart untypischen
Komforteigenschaften verwöhnt. Das beginnt beim Fahrerhaus, das trotz 1.600
Millimeter Außenlänge lange Sitzschie-
Getankt wird nur Diesel. Der MAN erfüllt Euro 4 mit
Abgasrückführung und PM-Kat.
Verwindungsfreudiger Rahmen, robuste Kippertechnik
von Meiller
sierte Tip Matic-Getriebe mit Geländemodus gibt den richtigen Takt vor, lässt im
Offroadmodus (Dx auf dem Wählschalter)
höhere Drehzahlen und ein wenig
Schlupf an den Rädern zu. Für enge und
langsame Manöver kann der TGM im
Rangiermodus mit schleifender Kupplung kriechen. Wird es richtig knifflig,
rät der Instruktor zur manuellen Schaltung, die über einen Tipp auf den rechten
Lenkradhebel vorgenommen wird, das
Getriebe schaltet just in time, der linke
Fuß hat Ruhe.
Gute Manieren. Doch so sanft und feinfühlig, wie das Getriebe schaltet, regelt
die Kupplung nicht immer – beim Anfahren mit mehr Drehzahl stellt sich schon
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Die Federung spricht
erstaunlich feinfühlig
auf die Grobheiten des
Untergrunds an.
nen und Stauvolumen hinter den Sitzen
bietet. Zuerst fordert der 4x4-TGM einen
resoluten Schritt nach oben ins Haus,
doch in Sachen Ergonomie macht dem
MAN so schnell keiner was vor. Eine
perfekte Pedalerie, dazu ein Lenkrad, das
fast jede Stellung einnimmt, ein prächtiger Fahrersitz und ein niedriger Motortunnel machen schnell klar, dass die
Münchner ihr Geschäft verstehen. An
den Details erkennt man die Sorgfalt:
Weder Ablagen noch Staufächer für Papiere oder Cupholder fehlen am Arbeitsplatz. Klappt man den (optionalen) Mittelsitz, wird aus der Rücklehne eine
Schreibfläche oder ein Pausentisch.
Auch wenn das hochgezogene Endrohr
der Auspuffanlage links sitzt, nervt der
kleine Hochleistungsdiesel (40 PS/l) sein
Fahrpersonal nicht. Mit offener Dachluke
klingt er kernig, doch mit 69,7 dB(A) bei
Tempo 85 übertönt das Singen der Reifen
die Antriebsgeräusche. Guten Federungskomfort gibt es leer oder beladen,
die Zweiblatt-Federn vorn und die Vierbalg-Luftfederung sprechen erstaunlich
feinfühlig auf die Grobheiten des Untergrunds an. Nicht unbeirrbar ist der Geradeauslauf, ein Zugeständnis an den
MESSWERTE
Leerfahrten
Landstraße. . . 17,1 l/100 km bei 55,3 km/h
Autobahn . . . 19,3 l/100 km bei 80,6 km/h
Testfahrt beladen
Landstraße . . . 25,8 l/100 km bei 50,0 km/h
Autobahn . . . . .15,7 l/100 km bei 76,2 km/h
Gesamtwerte
Teststrecke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190,6 km
Landstraßenanteil . . . . . . . . . . . . . . . . 78 %
Kraftstoffverbrauch . . . . . . . 22,2 l/100 km
Durchschnittsgeschwindigkeit . . .63,5 km/h
kurzen Radstand, der für eine verblüffende Wendigkeit sorgt. Beladen fühlt sich
der 4x4 etwas hecklastig an, und die
Lenkung agiert längst nicht so präzise
wie die seiner Straßen-Kollegen. Ob es an
den breiten Niederdruckreifen liegt?
Die Spitze des Komforts ist das automatische Getriebe. Der Fahrer lenkt und
gibt über das Gaspedal die Fahrleistungen vor. Der Getrieberechner fordert die
erforderliche Motorleistung ab, schaltet
die Gänge fehlerfrei und reagiert auf das
Bremsen mit einer Rückschaltung. Mit
erhöhter Drehzahl wird so die Motorbremse aktiviert, die den 13-Tonner in
steilen Abfahrten, aber auch auf langen
Gefällestrecken sicher hält. Zum guten
Gefühl der Sicherheit trägt auch die EBSBetriebsbremse ihren Teil bei. Gefühlvoll
lässt sich das Pedal bedienen – sanft bei
einer Beibremsung oder unnachgiebig
stark bei einem Notstopp. Wobei der integrierte Bremsassistent die Notsituation
bereits im Ansatz identifiziert und selbsttätig den vollen Bremsdruck einsteuert.
Auch das Bremsmanagement mit vorgeschalteter Motorbremse verdient im Alltag gute Noten.
Kalkulatorisch betrachtet. Für runde
70.000 Euro ist der mittelschwere AllradLKW kein Schnäppchen. Der MAN bietet
Langzeitqualität und Nehmerqualitäten,
ohne dem Kunden Technik von gestern
zuzumuten. Mit Stahlstoßfänger vorn,
Kühlerschutz und hohen Böschungs- wie
Rampenwinkeln ist er im Gelände ein
Ass. Mit seinen Fahrleistungen legt der
TGM in seiner Klasse die Messlatte hoch
– er beschleunigt zügig und macht hohe
Transportgeschwindigkeiten
möglich.
Mit seinem Kraftstoffkonsum von 22,2
l/100 km verlangt er einen Allradzuschlag und bleibt doch bescheiden.
Hinweise auf eine gute Futterwertung
geben die erzielten Werte in den Einzeldisziplinen – der gänzlich additivfreie
Euro 4-MAN bietet gute Leistung zu günstigen Konditionen. Die robuste, für bis zu
acht Tonnen zugelassene Werkskippbrücke stammt von Meiller, eine spezielle
Variante ist für den Krankipper-Betrieb
vorbereitet. Für kommunale Einsätze gibt
es ab Werk alle nur möglichen Nebenabtriebe und Anbaukomponenten.
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WOLFGANG TSCHAKERT