Das nächste bitte. - FSI Charité Berlin

Eine medizinische Zusatzleistung - wir schreiben nicht nur Prüfungen. Ausgabe № 04 Charité WS1 4/1 5
Das nächste bitte.
Das nächste bitte
Editorial
Liebe Neugierige,
Ausgabe № 4 wurde wie die älteren Geschwister mit Mühe auf ihren Namen getauft: Das nächste
bitte. Der Titel kann niemals den gesamten Inhalt unserer Campuszeitung widerspiegeln, denn auch diesmal haben wir uns bemüht, die ganze Bandbreite der Medizinstudierenden in Bild und Wort zusammenzutragen. Es gibt Unterhaltsames (Grimm's Anatomy; Finaler diagnostischer Test zur Quantifizierung des
Erwachsenseins ), Gedichte (Erinnerung an den Sommer; Abendgebet; Erlkönig), Nachdenkliches (Arthur
Schnitzler; Vom Helfer, der sich helfen lassen muss ), Kurzgeschichten (Kissenschlacht; Wächserne Masken )
und nicht zuletzt viele liebevolle Illustrationen. Gleichzeitig sind uns einige Artikel mit politischen und sozialen Themen zugeflogen, deren Wichtigkeit wir mit dem Titel betonen möchten. Das nächste bitte: Ist
es wirklich alternativlos, Patient*innen wie am Fließband abzufertigen? (Mut zur Versorgungslücke) Ist eine
Zukunft möglich, in der wir nicht resigniert auf den nächsten Krieg oder gar Genozid warten? (Arusha,
shake hands with the Lt. Gen.; Banken und Atomwaffen ) Oder können wir auch einmal mit Nachdruck "Das
nächste bitte" fordern, etwa in der Gleichstellungspolitik im universitären Gerangel, das von außen zu oft
als festgefahren und überflüssig abgestempelt wird? (Gespräch mit der zentralen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Charité) In diesem Sinne wünschen wir sowohl erhellendes als auch aufwühlendes Lese-
vergnügen und freuen uns wie immer über Rückmeldungen und Anregungen,
die Redaktion.
Inhalt
01 — Banken und Atomwaffen — Frederik Holz
07 — Grimm's Anatomy — Markus Holstein
1 1 — Vom Helfer, der sich helfen lassen muss: Gedankengänge — Christine Zeides
1 2 — Gespräch mit der zentralen Frauen- und Gleichstellungbeauftragten der Charité
— Paul Felsmann
1 5 — Kissenschlacht — Linda Polley
1 6 — Arthur Schnitzler: Im Reigen mit Psychoanalyse und Intuition — Anton Jacobshagen
1 8 — Erinnerung an den Sommer — Linda Polley
20 — Arusha: Shake hands with the Lt. Gen.
26 — Abendgebet — Johanna Nagel
27 — Wächserne Masken — Sofia Banzhoff
29 — Erlkönig — Christine Zeides
30 — Mut zur Versorgungslücke: Spielräume einer Medizin mit sozialer Verantwortung
— Franziska Storbeck
34 — Finaler diagnostischer Test zur Quantifizierung des Erwachsenseins — Sofia Banzhoff
Illustrationen
06 — Karikatur — Markus Holstein
1 0 — Sketch — Leonard Hillmann
1 4 — Fotokollage — Hannes Kutza
1 7 — Kollage — Franziska Storbeck
1 9 — Foto — Linda Polley
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26 — Karikatur — Katharina Mindach
35 — Zeichnung — Sonja Radde
Titelbild — Hannes Kutza
Model — Johannes Bidmon
Layout — Franziska Storbeck
© Multiple Choice Redaktion: Die einzelnen Artikel geben nicht zwangsläufig die Meinung
der gesamten Redaktion wieder. Für die Selbstdarstellung studentischer Initiativen ist die
Redaktion nicht verantwortlich.
Banken und Atomwaffen
Frederik Holz
Seit den frühen 60er Jahren gibt es in Europa die
sogennanten
Ostermärsche,
bei
denen
die
Zivilbevölkerung um Ostern herum in verschiedenen
Städten unter anderem gegen Atomwaffen
demonstriert. Angefangen hat diese Tradition mit der
„Campaign for Nuclear Disarmanent“ (CND, der
Organisation deren Logo sich als das „Peace“-Zeichen
etabliert hat) in London und sie ist seitdem jährlich
auch in Deutschland und anderen Ländern
weitergeführt worden.
Ich habe als deutscher Studierendensprecher der
IPPNW (International Physicians for the Prevention of
Nuclear War) anlässlich des Ostermarsches eine
Rede in Büchel gehalten, bei der es um die
Finanzierung von Atomwaffen durch Großbanken
ging. Büchel ist der letzte noch aktive AtomwaffenStützpunkt der US-Armee in Deutschland und Teil
des sogenannten „Nuclear Umbrella“ der NATO. Dort
befinden sich etwa 1 6-20 Atomraketen mit einer
Sprengkraft, die Hiroshima oder Nagasaki um mehr
als das 20-Fache übertrifft. Bei dem Ostermarsch
wurde konkret ein Abzug dieser Waffen aus
Deutschland gefordert:
Die 1 0 größten Banken in Europa und Amerika
haben in den vergangenen Jahren 235 Mrd. Dollar
für unzählige Fehlverhalten aufbringen müssen.
Die Höhe dieser Strafen entspricht mehr als der
Hälfte des deutschen Bundeshaushalts. Normaler
Weise nennen wir jemanden, der für so viele
Vergehen vor Gericht zu so ungeheuer hohen
Geldstrafen verurteilt wird, einen Verbrecher.
Banken werden trotz dieser Vergehen immer
noch als systemrelevant bezeichnet. Und in Notfällen können sie wohl wieder mit staatlichen Rettungsgeldern rechnen, so die Experten.
Und es werden ständig neue Skandale aufgedeckt und weitere Ermittlungen eingeleitet: Der
Liborzinsskandal, Betrügereien im Devisenhandel,
Absprachen bei der Festlegung von Wechselkursen, Manipulationen, unangemessene Informationsaustausche, mannigfaltige Gerichtsurteile mit
Strafen in Milliardenhöhe – Das alles sind Indizien
für ein fehlendes Bewusstsein der Banken in Be-
zug auf gesellschaftliche Normen und Prinzipien.
Ethische Grundsätze spielen keine entscheidende
Rolle und werden dem wirtschaftlichen Nutzen,
dem Profit untergeordnet. Das zeigt uns, dass wir
bei den Banken an der falschen Adresse sind,
wenn wir als Bürger einen verantwortungsvollen
Umgang mit unserem Geld suchen; von einem
verantwortungsvollen Umgang mit unseren Mitmenschen und unserer Umwelt ganz zu schweigen. Auch die staatlichen Mechanismen, diese
Straftaten und dieses Fehlverhalten der Banken
einzudämmen, greifen nicht wirklich. So setzt sich
attac bereits seit über 1 5 Jahren für eine Finanztransaktionssteuer ein – für mehr Kontrolle an
den Finanzmärkten – doch selbst die Finanzkrise
hat nicht merklich dazu beigetragen, eine solche
Kontrolle herbeizuführen.
Ähnlich verantwortungslos sind Banken und
Regierungen, wenn es um die Finanzierung von
Bereichen geht, durch die auf kurze oder lange
Sicht große Probleme für den Menschen und seine Umwelt entstehen: Kleinfeuerwaffen, Atomenergie,
rückschrittliche
Energiesektoren,
Nahrungsmittelspekulation, Steueroasen und, für
Büchel ganz besonders wichtig, Atomwaffen.
Die 1 90 Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrags oder Nichtverbreitungsvertrags von
1 970 verpflichten sich dazu, sich in redlicher Absicht um Abrüstung zu bemühen, um so die Verwüstung, die ein Atomkrieg über die ganze
Menschheit bringen würde, abzuwenden. Die
Vertragsstaaten stimmen überein, dass die Verbreitung von Kernwaffen die Gefahr eines Atomkrieges ernstlich erhöhen würde. Daher müssen
frühestmögliche Maßnahmen zu einer effektiven
nuklearen Abrüstung ergriffen werden. Im Artikel
VI verpflichten sich alle Vertragsparteien, zur
vollständigen nuklearen Abrüstung beizutragen.
Leider findet man in der Praxis keine wirkliche
Umsetzung dieser Vereinbarungen. Zwar wurde
die Anzahl der Sprengköpfe seit Hochzeiten des
kalten Krieges von 70.000 auf 1 7.000 reduziert,
doch die einzelnen Waffen nehmen an Sprengkraft zu, die Arsenale werden ständig weiter modernisiert und technisch verbessert. 1 7.000
Banken und Atomwaffen
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atomare Sprengköpfe auf unserem Planeten – immer noch genug für einen multiplen Overkill.
2.000 der Waffen befinden sich in hoher Alarmbereitschaft und sind innerhalb weniger Minuten
einsetzbar. Das sind immer noch äußerst beunruhigende Zahlen, wenn man bedenkt, dass jede
Atombombe in einem Augenblick mehrere hunderttausend, ja sogar Millionen Menschenleben
auslöschen kann.
Eine anhaltende Finanzierung von Atomwaffentechnologien und Atomwaffenherstellern steht
damit im Widerspruch zu dem Ziel einer weltweiten Abrüstung. Deutschland spricht sich in seiner Abrüstungspolitik für das Ziel „Global Zero“
aus. Dann sollten auch Schritte folgen für militärische Stützpunkte, wie dem hier in Büchel, und
auch für die Finanzierung dieser NuklearwaffenTechnologien.
Jährlich werden von den Atomwaffenstaaten
dieser Welt über 1 00 Mrd. Dollar für Atomwaffen ausgegeben, das sind über 200 Mio. Euro pro
Tag. Die USA allein investieren jedes Jahr über 60
Mrd. Dollar – das wäre genug, um die international vereinbarten MillenniumEntwicklungsziele in
der Armutsbekämpfung zu erreichen. Trotz eines
immer wieder erneuerten Bekenntnisses zu einer
atomwaffenfreien Welt investieren alle Atommächte weiterhin enorme Summen in diese völkerrechtswidrigen Waffen – Waffen, deren
Einsatz illegal ist und auf dessen Abschaffung sich
die internationale Staatengemeinschaft bereits geeinigt hat. Das Geld könnte genutzt werden, um
transparentere und effektivere Kontrollmechanismen zur Abrüstung ins Leben zu rufen, um Bildung, Sozialleistungen, Gesundheitswesen und
Katastrophenschutz auszubauen.
Das Budget für nationale Abrüstungsbestrebungen ist dagegen winzig. Das verantwortliche
Hauptorgan der UN, das Office for Disarmament
Affairs, hat ein jährliches Bugdet von gerade einmal 1 0 Mio. Dollar. Die Summe für die Abrüstungsbemühungen der Weltgemeinschaft ist also
ein Zehntausendstel verglichen mit den Ausgaben
für Atomwaffen allein – die übrigen Rüstungsausgaben nicht mit eingerechnet. UNGeneralsekretär
Ban KiMoon brachte es auf den Punkt: „Die Welt
ist überbewaffnet und Frieden ist unterfinanziert.“
Die Studie „Don't Bank on the Bomb“ von Pax
Christi und ICAN zeigt: Auch die meisten großen
Banken in Deutschland haben Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen, die Atomwaffentechnolo-
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Banken und Atomwaffen
gie herstellen, entwickeln oder warten; von
Atomsprengköpfen und Trägersystemen über Raketen und Bombern bis hin zu atomwaffenfähigen
UBooten. Und fast alle bekannten Banken sind
dabei: Allen voran die Deutsche Bank mit insgesamt 3,6 Mrd. Euro, die Commerzbank mit 1 ,8
Mrd. Euro, Allianz Versicherungen mit 1 ,1 Mrd.
Euro, das staatliche Kreditinstitut für Wiederaufbau (KfW), die Landesbanken von Bayern und
Hessen, und auch die Sparkassen und die Volksbanken. Insgesamt sind das fast 7,6 Mrd. Euro, mit
denen deutsche Banken durch Aktien, Kredite
oder Anleihen Atomwaffenproduzenten unterstützen. Im globalen Geschäft mit Massenvernichtungswaffen nimmt Deutschland den vierten Platz
ein. Sparkassen und Volksbanken sind mit jeweils
ca. 80 Mio. Euro mit weitaus geringeren Summen
beteiligt als beispielsweise die Deutsche Bank
oder die Commerzbank. Dennoch: jeder Euro,
der in diese todbringende Technologie investiert
wird, ist ein Euro zu viel.
Viele Banken haben interne Rüstungsrichtlinien. Diese verbieten ihnen zwar eine Finanzierung
von direkten Transaktionen im Zusammenhang
mit sogenannten „kontroversen Waffen“, wie
Atomwaffen oder Streumunition. RüstungsMischkonzerne, die nur einen Teil ihres Umsatzes im
Bereich Atomwaffen machen, scheinen jedoch
nicht darunter zu fallen. Auch gibt es keine Firma,
die ausschließlich Atomwaffen produziert.
Anstatt abzurüsten wird also weiter in Waffen
investiert. Anstatt die Atomraketen abzuziehen,
sollen sie in Europa erneuert und modernisiert
werden. B61 1 2 heißen die neuen Atombomben,
die hier in Büchel stationiert werden sollen. Mit
dem Trägerflugzeug, dem sog. Tornado, üben
deutsche Soldaten hier weiterhin die Einsätze der
Waffen. Einer dieser Jagdbomber ist noch vor
wenigen Wochen hier in der Umgebung abgestürzt – menschliches oder technisches Versagen?
Beides hätte katastrophale Folgen gehabt, wären
Nuklearwaffen an Bord gewesen! Die neuen
Bomben, die bis 2050 bestehen bleiben sollen,
werden laut Schätzung ca. 51 0 Mrd. Dollar kosten
– ein teures nukleares Erbe für die nachfolgenden
Generationen. Für eine bessere Sicherung der
Nuklearwaffenlager, für die Trägerflugzeuge, die
Lagerung, erforderliche Modernisierung und Bewachung kommen erhebliche Kosten auf die Stationierungsländer, also auch auf uns hier in
Deutschland, zu. Die genaue Höhe der Summen
ist jedoch geheim und verbirgt sich im Verteidigungsetat.
Gerade jetzt befinden wir uns wieder in einer
brenzligen Situation, die deutlich macht, wie
schnell Konflikte außer Kontrolle geraten. Das
Geschehen in der Ukraine zeigt, wie Aufrüstungsspiralen auch in Europa in Gang kommen können
und wie schnell der Frieden auf unserem Kontinent bedroht sein kann. Umso wichtiger ist es,
klar zu stellen, dass Atomwaffen keine Sicherheit
garantieren. Im Gegenteil: Notwendig ist ein Verbot und die Abrüstung aller Atomwaffen, damit in
zukünftigen Krisen niemand mehr auf die nukleare Bedrohung setzen kann.
Unser Bundespräsidenten Gauck, unsere Verteidigungsministerin von der Leyen und unser Außenminister Steinmeier haben im Kanon
gefordert, dass Deutschland international mehr
Verantwortung übernehmen soll: für eine Welt,
von der Deutschland in besonderem Maße profitiert. In ihren Reden wurde klar, dass sich diese
Verantwortung auch auf die Bereitschaft zu militärischer Unterstützung der Bündnispartner bezieht. Zu dieser Forderung will ich zwei Sachen
sagen: Zum einen sollte sich die Art und Weise
ändern, wie Deutschland von der aktuellen Weltordnung profitiert. Denn Deutschland ist der
drittgrößte Waffenexporteur der Welt und trägt
somit massiv zu einem Ungleichgewicht durch
Waffengewalt auf unserem Planeten bei! Zum anderen sollte Deutschland vielmehr in der Weise
Verantwortung auf dem internationalen Parkett
übernehmen, dass es friedliche Konfliktlösungen
mit aller Kraft anstrebt. Wir sollten uns bemühen, global die friedenspolitischen Prozesse in
Form von Dialog und Völkerverständigung voranzutreiben. Anstatt dass wir uns an bewaffneten
Konflikten beteiligen, Teil eines nuklearen Abwehrschirms sind und Waffen in Staaten exportieren, in denen massivste Menschenrechtsverletzungen begangen werden und in denen es keinerlei politische Stabilität gibt.
Wir exportieren Waffen und ihre Lizenzen in
alle möglichen Länder der Welt, in Diktaturen, in
Monarchien und in Krisen und Konfliktgebiete.
Diese Waffen werden unter anderem genutzt, um
mit Gewalt, also unrechtmäßig und undemokratisch, Interessen durchzusetzen und Strukturen
zu stärken, die den Menschen dort großes Leid
und Schrecken bringen. Wenn sich die Menschen
in diesen Regionen dann dazu entscheiden, vor
Gewalt und Konflikten zu fliehen, dann werden
sie zu Flüchtlingen. Als drittgrößter Waffenexporteur ist Deutschland also maßgeblich an den
Flüchtlingsströmen dieser Welt beteiligt und dafür mitverantwortlich. Wo bleibt aber hier die
Verantwortung, wenn es darum geht, den Menschen, die vor den Waffen aus Europa und der
von ihnen erzeugten Gewalt fliehen, hier ein sicheres zu Hause zu bieten und ihnen Asyl zu gewähren?
Ich erwarte mehr Verantwortung, wenn es
darum geht, in internationalen Konflikten die
Rolle des Vermittlers einzunehmen und sich für
Frieden in Europa und der Welt einzusetzen und
nicht für Krieg! Wir müssen uns endlich lösen
von dem Blockdenken aus längst vergangenen
Zeiten! Wann fangen wir an, alle Seiten kritisch
zu hinterfragen und mit Ost und West gleichsam
in Dialog zu treten?
Es ist also offensichtlich, dass weder von den
Banken, noch von staatlicher Seite initiale Veränderungen ausgehen. Das hat uns die anhaltende
Finanzkrise gelehrt und das zeigen uns Rüstungsausgaben und exporte, und die neuen Töne unserer Regierung in puncto Verantwortung.
Der Allianz-Global-Investors-Sprecher Stefan
Lutz hat gesagt: „Solange von Seiten der Politik
keine klare Gesetzgebung erfolgt, ist es nicht
Aufgabe der Wirtschaft, gegen Firmen zu intervenieren, die an der Herstellung von Atomwaffen
beteiligt sind.“ Damit solche lahmen Ausreden
nicht länger durchgehen, sollten wir unsere Verantwortung nicht weiter abgeben und darauf
warten, dass etwas passiert, sondern selbst die
Initiative ergreifen! Wenn wir tatsächlich etwas
verändern wollen, dürfen wir weder den Banken
und Konzernen noch der Regierung die moralischen Entscheidungen überlassen. Denn sie sind
offenbar nicht in der Lage, sie richtig zu treffen.
Daher müssen wir, die Zivilbevölkerung, diese
Aufgabe selbst in die Hand nehmen und die nötigen Schritte gehen: ICAN, die International Campaign to Abolish Nuclear Weapons, hat im März
201 3 eine Konferenz in Oslo über die humanitären Folgen von Atomwaffen veranstaltet. 1 27
Staaten haben teilgenommen und das Fazit war:
Die Auswirkungen eines Atomwaffeneinsatzes
sind so unmenschlich und inakzeptabel, dass diese
Waffen international geächtet werden müssen.
Eine Folgekonferenz im Februar diesen Jahres in
Mexiko, an der bereits 1 46 Regierungsvertreter
Banken und Atomwaffen
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teilgenommen haben, bestätigte diese Haltung
und leitete einen Prozess ein, der nun nicht mehr
aufgehalten werden kann: Die dritte Konferenz
wird noch dieses Jahr in Wien stattfinden und
dort werden konkrete Schritte zur Ächtung von
Atomwaffen geplant. Ein Konventionsentwurf mit
realistischen und durchführbaren Abrüstungsmechanismen wurde bereits als offizielles UNDokument veröffentlicht.
Ein weiterer Schritt wird sein, öffentlichen
Druck zu erzeugen und so eine Ächtung von
Atomwaffen herbeizuführen. Bei Streumunition
und Landminen war dieser Prozess schon erfolgreich! Die Banken sind aus diesen Geschäften ausgestiegen, weil es ihrem Image schadet. Aus
Angst, Kunden zu verlieren, haben einige bereits
ihre Geschäfte mit der Nahrungsmittelspekulation
beendet. Indem wir Banken und Regierungen klar
machen, dass wir die grausamen Folgen eines
Atomwaffeneinsatzes und die Kosten für Bau und
Instandhaltung dieser Waffen nicht länger akzeptieren, können wir etwas bewegen. ICAN, atomwaffenfrei.jetzt, (wir) die IPPNW und andere
Friedensorganisationen starten zu diesem Zweck
gerade eine DivestmentKampagne, mit dem Ziel,
die Investition in Atomwaffentechnologien gesetzlich zu verbieten. Das hat in der Schweiz schon
geklappt. Genau wie andere kontroverse Waffen
darf auch die grausamste und zerstörerischste aller Waffen nicht mehr länger als eine ertragreiche
Investition dienen. Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sagt: „Banken
Karikatur:
Markus Holstein
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Banken und Atomwaffen
und andere Finanzinstitute sollten genötigt werden, das Richtige zu tun: Nämlich zu einem Kapitalabzug von der unmoralischen Atomwaffenindustrie beizutragen.“ Er berichtet, dass „Divestment“ eine entscheidende Rolle gespielt hat, um
die Apartheid in Südafrika zu beenden. Heutzutage könne und müsse die gleiche Taktik eingesetzt
werden, um die schlimmste Erfindung des Menschen herauszufordern: die Atombombe.
Deswegen: Lasst mit eurem Geld nicht unwissend Dinge entstehen, die ihr unter keinen Umständen dulden würdet! Geht auf www.bankwech
seljetzt.de oder www.atombombengeschäft.de
und informiert euch. Schreibt einen Brief an eure
Bank, macht euren Unmut klar und wechselt die
Bank. Unterstützt ICAN und unsere Divestment
Kampagne. Verbreitet das Wissen über die unschönen und rücksichtslosen Praktiken der Banken und Regierungen. „Ihr seid Multiplikatoren!“
Wir müssen Freunde, Kinder, Eltern, Kollegen
und die Menschen in unserem Umfeld über die
Verhältnisse aufklären und ein Umdenken anregen, den Samen des Zweifels sähen und die gangbaren Alternativen verbreiten.
Wir müssen aus Minderheiten Mehrheiten bilden und die Verantwortung selbst in die Hand
nehmen!
Hinweis: Die Daten über die Investitionen beziehen sich auf die
Studie "Don't Bank on the Bomb" und haben sich seither ein wenig
geändert. Die aktuelle Studie ist einzusehen auf:
www.dontbankonthebomb.com
Grimm's Anatomy
Markus Holstein
Ein Medizinstudent zu sein ist eine feine Sache,
hat aber auch ein paar unerwartete Schattenseiten: Zum Beispiel fällt es schwer, seine Umwelt
von einem anderen Standpunkt aus als dem medizinischen zu betrachten. Du kannst kein Stück
Seife sehen, ohne daran zu denken, dass es mit
mehr Bakterien bedeckt ist als ein durchschnittlicher Toilettensitz, du kannst dich auf keinen Bürosessel setzen, ohne daran zu denken, dass
dieses Ding das pure Gift für deine Wirbelsäule
ist. Du kannst ja noch nicht mal die guten alten
Grimm’schen Märchen lesen:
Rotkäppchen
Sprechender Canide schickt kleines Mädchen,
anstatt sie sofort zu fressen, auf einen Umweg
zum Blumenpflücken, verspeist anschließend deren Großmutter, verkleidet sich als diese und
lockt so die nichtsahnende Enkelin in seine „so
großen Hände“.
Entgegen der üblichen Gepflogenheiten hundeartiger Raubtiere verschlingt unser Wolf seine
Beute en bloc. Nehmen wir an, dass Rotkäppchen
mindestens sieben Jahre alt ist (ein noch jüngeres
Kind würde hoffentlich niemand allein in einen
Wald voller Wölfe schicken). Selbst wenn sie auf
der dritten Perzentile läge und an der Grenze zu
Minderwuchs und Untergewicht schlingern würde, wäre eine Größe von 1 1 3 cm und ein Gewicht von 1 7 kg zu erwarten. Bei ihrer
Großmutter, die sich offenbar vornehmlich von
Kuchen und Wein ernährt, sind noch höhere
Werte zu erwarten. Infolgedessen ist zumindest
mit einer Magenruptur und Läsionen des Ösophagus, wahrscheinlicher jedoch mit hochgradigen
Lazerationen sämtlicher Hals- und Bauchorgane
zu rechnen.
Anschließend wird an unserem bedauernswerten Carnivoren von einem Forstarbeiter ohne
medizinische Vorkenntnisse ein abdomineller Eingriff unter sehr unzureichenden hygienischen Bedingungen und ohne Narkose vorgenommen. Im
Rahmen dieser martialischen Prozedur werden
ihm mehrere Wackersteine in den Magen eingenäht. Was die zwei zappelnden Frauen in seinem
Bauch bisher nicht an inneren Verletzungen ange-
richtet haben, erfolgt spätestens jetzt. Das allerdings macht auch keinen Unterschied mehr, da
der Wolf anschließend in einem Brunnen ertrinkt.
Dies alles sei aber den Veterinären überlassen.
Beschäftigen wir uns lieber mit den menschlichen Opfern: Rotkäppchen und ihre Großmutter
werden über einen nicht spezifizierten Zeitraum
im Magen des Wolfes eingeschlossen, unter Ausschluss von Sauerstoff und dem säurehaltigen Magensaft mit einem pH von 1 ,5–3,5 ausgesetzt.
Obschon sie diese Tortur (irgendwie) überleben,
dürfte dies ein traumatisierendes Erlebnis darstellen. Für beide werden Monate oder Jahre mit regelmäßigen Therapiesitzungen folgen.
Außerdem wäre bei Rotkäppchen mal ein Besuch beim Ophthalmologen fällig. Schließlich hat
sie auf kürzeste Distanz einen Wolf mit ihrer
Großmutter verwechselt.
Hänsel und Gretel
Verzweifelte Eltern aus dem sozialen Brennpunkt setzen ihre Kinder zum Sterben im Wald
aus. Sie geraten an eine böse Hexe in einem Pfefferkuchenhaus, die sie gefangen nimmt, den einen
als Braten mästet, die andere als illegale Putzhilfe
versklavt.
Den offensichtlichen medizinischen Schaden in
dieser Geschichte erleidet die Hexe, als sie von
ihrer Haushaltshilfe und ihrem Mittagessen lebendig verbrannt wird. Dies führt zu einem akuten
Verbrennungstod durch Hitzeschock, was relativ
schnell geht (aber in einem Ofen ist „relativ
schnell“ wohl relativ).
Häufig übersehen im Zusammenhang mit dieser Geschichte wird der Schaden, den die Kinder
erleiden: Hänsel wird von der Hexe über einen
nicht näher bestimmten Zeitraum mit Süßigkeiten
gemästet. Adipositas mit diabetischer Diathese,
höheres Risiko für cardiovaskuläre Erkrankungen,
Gelenkprobleme und ein erhöhtes Krebsrisiko
sind die Langzeitfolgen. Nicht zu vergessen der
durch einseitige Ernährung verursachte Mangel an
Vitaminen und Mikronährstoffen und die Karies
durch übermäßige Zufuhr simpler Kohlenhydrate!
In Verbindung mit der mangelhaften Mundhygiene,
die ich bei Gefangenen kannibalischer Hexen in
Grimm's Anatomy
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einer entwicklungstechnisch irgendwo zwischen
dem Mittelalter und dem frühen 1 9. Jahrhundert
anzusiedelnden Märchenwelt als gegeben voraussetzen möchte, führt dies rasch zu einer Caries
penetrans mit konsekutiver Bakteriämie und Tod
durch septischen Schock.
Und dies sind nur die körperlichen Leiden.
Vergessen wir nicht, dass beide Kinder von ihren
Eltern in einem gruseligen Wald ausgesetzt und
von einer Hexe gefangen gehalten wurden, mit
der erklärten Absicht, sie zu verspeisen. Anschließend mussten sie den qualvollen Feuertod nämlicher Hexe miterleben. Für sowohl Hänsel als
auch Gretel müssen wir eine schwere posttraumatische Belastungsstörung annehmen. Gerade
bei Kindern wird hierbei ein erhöhtes Risiko für
eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diskutiert
sowie für Depression, Angststörung, Drogen-Abhängigkeitssyndrome und Suizidalität. Man ist versucht, zu fragen, ob da die Hexe nicht vielleicht
besser dran sei.
Die Frage nach möglichen Wirbelsäulenproblemen bei der Ente, die die beiden Kinder (eines
davon massiv überernährt) über einen Fluss getragen hat, übergeben wir hiermit an einen Kollegen aus der Veterinärmedizin.
Rapunzel
Verantwortungslose Eltern (schon wieder)
tauschen erstgeborene Tochter gegen Feldsalat
ein. Gut, der enthält Folsäure, Magnesium, Eisen
und Betacarotin, aber trotzdem … Eine böse Hexe zieht die Kleine fernab der Zivilisation in einem hohen Turmgemach auf. Es gibt keine
Treppe (von einem Aufzug ganz zu schweigen.
Merke: Märchen sind nicht barrierefrei), also
führt nur ein Weg hinauf: die unglaublich langen
Haare der Bewohnerin. Der Autor möchte sich
an dieser Stelle
nicht darüber auslassen, dass die Maximallänge
von Haaren von der Dauer des Haarzyklus begrenzt wird. Die längsten jemals bei einem Menschen gemessenen Haare maßen 1 6,8 m und es
dauerte 25 Jahre, bis sie diese Länge erreichten.
Das wäre doch schon mal eine ganz stattliche
Höhe für einen Turm. Ich will mich auch nicht
fragen, wie die Hexe die Kleine, die sie als Neugeborenes an sich gebracht hat, überhaupt auf
diesen Turm hinaufbekommen hat. Auch will ich
mich nicht lange aufhalten mit Nackenproblemen,
die das Mädchen im Laufe der Zeit sicher entwickeln müsste, da ihre enorme Haarpracht mehrere Kilogramm schwer wäre. Ich springe lieber
gleich zu dem spannenden, da blutigen Teil der
Geschichte: Der stattliche Prinz (wer auch sonst?
Nicht-königliche Typen sind soooo gewöhnlich),
der zu Rapunzel hinaufgeklettert ist, wird von der
bösen Hexe von dem Turm gestoßen, landet in
einem Dornengestrüpp und zersticht sich beide
Augen. Das ist aber gar nicht schlimm, denn diese
werden auf durch evidenzbasierte Medizin nicht
hinreichend geklärte Art und Weise durch Rapunzels Tränen geheilt (Wann bringt die Deutsche
Homöopathische
Union
wohl
„Mädchentränen D30“ heraus?) – bedauerlicherweise nicht seine multiplen Trümmerbrüche und
inneren Verletzungen nach dem Sturz.
Doch nehmen wir einmal an, unser Held
kommt auch damit zurecht und reitet mit seiner
neuen Flamme in den Sonnenuntergang. Glücklich
bis ans Ende aller Tage? Wohl kaum! Bedenken
wir, dass Rapunzel in fast völliger Isolation außerhalb der menschlichen Gesellschaft aufgewachsen
ist. Ihre einzige Bezugsperson, die ihr soziale
Normen hätte beibringen können, war eine
Schwarzmagierin und Kinderhändlerin. Wahrscheinlich würde Rapunzel ihrem Prinzen die
frisch geheilten Augen gleich wieder auskratzen,
einfach nur, weil sie nicht weiß, dass man das
nicht tun darf.
Dornröschen
Monarch lädt anlässlich der Geburt seiner ersten Tochter zwölf Feen ein. Für die dreizehnte
ist kein güldenes Tellerchen mehr übrig, also
muss sie draußen bleiben. Frustriert hält sie es
für eine angemessene Reaktion, den blaublütigen Säugling mit einem Fluch zu belegen:
An ihrem fünfzehnten Geburtstag
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Grimm's Anatomy
solle sie sich mit einer Spindel in den Finger stechen und sterben (Und ihr dachtet, die Zicken auf
eurer Geburtstagsparty würden Stress machen).
Durch eine der anderen anwesenden Feen kann
der Fluch in einen 1 00-jährigen Schlaf umgewandelt werden.
Ich ignoriere jetzt einmal bewusst den Umstand, dass die soporöse Protagonistin innerhalb
der 1 00 Jahre einfach an Altersschwäche versterben müsste. Auch übergehe ich, dass sie ohne
Flüssigkeitszufuhr abhängig vom Klima binnen einer Woche bis maximal zehn Tagen terminal exsikkieren würde. Selbst wenn der Fluch sie auf
magische Weise die ganze Zeit mit Wasser und
Nährstoffen versorgen sollte, hätte sie nach nur
wenigen Monaten regungslosen Herumliegens einige ernste Probleme, angefangen bei ausgeprägter Muskelatrophie über Sehnenkontrakturen bis
zu schwerem Dekubitus. Bei hochgradigen Dekubitalgeschwüren in Kombination mit schlechter
Hygiene (selbst wenn Dornröschen während ihres hundertjährigen Schlafes keinerlei Nahrung zu
sich nimmt, schilfern sich pro Tag 200 g ihrer
Darmepithelzellen ab; sie muss daher immer noch
defäzieren – und es ist keiner da, um sie sauber
zu machen) entwickeln sich schnell schwere
Wundinfektionen. Diese können generalisieren –
es droht der Tod durch schwere Sepsis. Mit anderen Worten: Dornröschen steht prototypisch
für das Vollbild des Pflegenotstandes im Märchenland.
Nach 1 00 Jahren schließlich wird unsere Prinzessin von ihrem stattlichen Prinzen (von wem
auch sonst? S. o.) wachgeküsst. Es ist eine einfachere Welt, in der das unaufgeforderte Küssen
schlafender Frauen nicht als sexuelle Belästigung
betrachtet und mit plötzlichem Aufkreischen und
schallenden Ohrfeigen beantwortet wird, sondern
einem die ewige Liebe der betreffenden Dame
einbringt. Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage? Ich möchte es bezweifeln. Vergessen
wir bitte nicht, dass Dornröschen inzwischen 1 1 5
ist. Nun ich habe wirklich nichts gegen Paare mit
hohem Altersunterschied, aber irgendwo muss
man eine Grenze setzen …
Brunnen. Ein Frosch erbietet sich, ihn wieder
heraufzuholen, allerdings nur im Austausch gegen
Intimitäten. Kerle denken halt alle nur an das Eine, egal, ob gleich- oder wechselwarm. Natürlich
verweigert die Prinzessin sich ihm. Als die geprellte Amphibie ihr aber hinterhergehüpft
kommt, nötigt ihr Vater sie, ihren Teil der Vereinbarung einzuhalten. Je nach Variante des Märchens küsst sie ihn daraufhin oder wirft ihn an die
Wand, woraufhin er sich in einen schneidigen Königssohn verwandelt. Medizinisch gesehen ist beides bedenklich: Im Falle eines Kusses würde
unsere Prinzessin eine Infektion mit Chlamydia
psittaci riskieren, mit Leptospirose oder Salmonellen. Von oralen Kontakten mit Amphibien jeglicher Art ist generell abzuraten.
Noch übler trifft es der Froschkönig in der
zweiten Variante: Die Hochzeit mit der schönen
Prinzessin scheitert hier an seinem massiven Polytrauma, da seine Zukünftige ihn volle Möhre an
die Wand geworfen hat.
Frau Holle
Zwei ungleiche Halbgeschwister (die beide
Marie heißen) gelangen beide nacheinander durch
einen Brunnen zu der geheimnisvollen Frau Holle,
die sie für Kost und Logis als Haushaltshilfen ausbeutet (die Parallele zur Knusperhexe ist einleuchtend). Die Goldmarie, die sich das willig
gefallen lässt, wird mit Kleingeld überschüttet und
abermals durch den Brunnen geschickt, zurück zu
ihrer bösen Stiefmutter. Die Pechmarie allerdings,
die Rebellischere der beiden, wird zum Abschied
mit flüssigem Pech übergossen. Nun, der Softening-Point von Pech liegt zwischen 1 08,4 °C und
1 1 2,3°C, flüssig ist es bei noch höheren Temperaturen. Die Pechmarie würde also schwerste
Verbrühungen am Großteil ihrer Körperoberflache erleiden. Je 1 0 % KOF gibt es einen Punkt im
Abbreviated Burn Severity Index (ABSI); wurde
der Patient vollständig überschüttet, ist seine
Prognose schlecht. Darüber hinaus steht Pech im
Verdacht, kanzerogen zu sein. Und so was lesen
wir unseren Kindern vor.
Der Froschkönig
Einer Prinzessin fällt
ihr goldener Ball
in einen
Grimm's Anatomy
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Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken,
expandiert die Charité
nun auch ins SuperheldenFilmgeschäft.
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Vom Helfer, der sich helfen lassen muss
Gedankengänge
Christine Zeides
Die Götter sind unsterblich – sie besitzen die
himmlische Immunität.
Für den Arzt als „Halbgott in Weiß“ gilt dieses
Prinzip in gewisser Weise auch. Seine Rolle ist
klar auf der gegnerischen Seite von Krankheit positioniert, er ist der unverletzliche Helfer und
Heiler – der, der berührt und selbst unberührt
bleibt. Der schillernde Hoffnungsträger seiner Patienten.
Was aber, wenn der Arzt selbst zum Patienten
wird? Wenn der Körper, den er als Student bis in
die kleinste Kapillare studiert, seziert, verstanden
hat, eben diese Existenz bedroht?
Die Konfrontation mit der eigenen Verletzlichkeit hat einen drastischen und unfreiwilligen
Perspektivwechsel zur Folge – Arztrolle und Patientenrolle kollidieren und sind nahezu unvereinbar. Während vom Arzt Universalismus,
Kollektivitätsorientierung, affektive Neutralität
und funktionale Spezifität erwartet werden, wird
der Kranke von der beruflichen und privaten Rollenverpflichtung entbunden, um seine Bemühungen um die eigene Wiederherstellung mit aller
Kraft und in Kooperation mit Ärzten konzentriert
zu bündeln.
Sicherlich geben Lehrbücher sinnvolle Hinweise zum Umgang mit Schwerkranken, beispielsweise Krebspatienten: Dass man die Hilflosigkeit des
Patienten verstehen und ihm im Umgang mit seinen Ängsten Beistand leisten soll – dass man sich
nicht zurückziehen, sondern helfen soll, die Lebensqualität in der Zeit nach der Diagnosestellung
noch zu verbessern – dass man die Gefühle des
Patienten ernst nehmen und respektieren soll,
ohne dabei von eigener Betroffenheit oder Mitleid
abgelenkt zu werden. Inwiefern diese Techniken
aber bei Personalunion von Arzt und Patient
möglich und wirksam sind, scheint doch eher
fragwürdig. Manchem Arzt wird es nicht leicht
fallen, die eigene Schwäche zuzugeben oder über-
Sketch:
Leonard Hillmann
haupt erst ernst zu nehmen – er ist es gewohnt,
Stärke und Rationalität nach außen hin zu zeigen,
um den Schützlingen Kraft und Mut in schweren
Situationen zu geben. Wenn er dies aber tut, so
fehlen ihm noch andere Schutzmechanismen, die
dem normalen Patienten ganz automatisch zur
Verfügung stehen.
Dem Arzt fehlt der Schutz des Nichtwissens.
Welcher „normale“ Patient überblickt schon, unter welcher Anstrengung und mit welchen Risiken
eine schwierige Operation vor sich geht? Das
Vertrauen in den behandelnden Arzt ist das Einzige, was dem Patienten bleibt.
Wie aber empfindet ein passionierter Chirurg
diese Situation, der einen selbst so häufig durchgeführten Eingriff nun in die Hände eines Kollegen
legen muss? Wie erlebt ein Neurologe die schleichende Demenz, nachdem er die Schicksale vieler
anderen mitverfolgt und aufs Bestmögliche verzögert hat? Und wie handelt ein Mediziner, der sich
selbst die gefürchtete „schlechte Nachricht“
überbringen muss?
Der Arzt bleibt Kollege seines Arztes. Auch
dem behandelnden Arzt fällt es zumeist schwer,
richtig mit dem ungewohnten Patienten umzugehen. Einerseits möchte er sich besonders gut zeigen (weil der Kollege doch sicherlich jeden
Behandlungsfehler erkennen müsste) – andererseits dichtet er dem Hilfesuchenden mehr Wissen
an, als dieser eigentlich in seiner Situation besitzt.
Dass die Behandlung so zum Arzt-Patienten-Gespräch und nicht zum Plausch unter Kollegen wird
könnte sich als schwieriger Balanceakt für beide
erweisen.
Der Arzt kennt die andere Seite der Narkose.
Er hat selbst die Abläufe viele Male erfolgreich
durchgespielt. Er kennt alle Handgriffe, er kennt
die Anspannung hinter den Kulissen, er könnte
handeln – wenn er zum Handeln fähig wäre und
nicht tatenlos zusehen müsste, wie ihm geholfen
wird.
Der Arzt ist sicherlich der bessere Patient –
wenn er erst einmal in dieser Rolle angekommen
ist.
Vom Helfer, der sich helfen lassen muss
11
„Wir können nicht davon ausgehen, wir
hätten die Gleichstellung irgendwo auch nur
ansatzweise erreicht.“
Gespräch mit der zentralen Frauen- und Gleichstellungbeauftragten der
Charité, Dr. Christiane Kurmeyer und Nachdenken über einen
angemessenen Geschlechterbegriff
Paul Felsmann
Die Welt ist ungerecht. Soweit nichts Neues.
Aber das Streben nach „Gleichberechtigung“
scheint seit einigen Jahren ein relativ fixer Bestandteil des politischen Konsenses zu sein. Und
das ist auch gut so. Befinden wir uns als Gesellschaft also auf dem Weg der Besserung? Mitnichten. In den Kommentarspalten des Internets,
sowie am heimischen Stammtisch werden uns die
Augen geöffnet. Aus unseren Bemühungen sind
nur neue Probleme erwachsen: Der GenderWahnsinn hat die deutsche Hochschullandschaft
fest im Griff. Uns allen droht die Indoktrination
mit der Genderismus-Ideologie.
Selten habe ich ein Thema erlebt, über das so
ausdauernd, emotional und gleichzeitig auf so
niedrigem Informationsniveau gestritten wird, wie
über Gender-Mainstreaming und die Gleichstellung der Geschlechter. Aber wie kann Gleichstellungsarbeit in einem Universitätsklinikum konkret
aussehen? Um eine Vorstellung davon zu bekommen, habe ich ein Gespräch mit Dr. Christiane
Kurmeyer, der zentralen Frauen- und Gleichstellungbeauftragten der Charité, geführt.
Grundsätzlich ist ein Blick auf die Geschlechterverhältnisse in den verschiedenen Statusgruppen im Umfeld der Charité interessant. So ist
inzwischen die Mehrzahl aller Student*innen
weiblich – ähnliches gilt bei der Promotion. Mit
der Habilitation ändert sich dieses Verhältnis jedoch. Etwa 80 % aller Professuren sind männlich
besetzt. In der Pflege hingegen sind zu 80 % Frauen beschäftigt.
Das hat sicher vielfältige Gründe. Zentral ist
auf jeden Fall aber ein festgefahrenes Verständnis
davon, was die Instanz des Geschlechts für uns
bedeutet. Das bildet den Nährboden, auf dem
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sich strukturelle Ungerechtigkeiten entwickeln
können. Darunter leiden, je nach Situation, sowohl Frauen als auch Männer, sowie natürlich
auch alle Menschen, deren Identität sich außerhalb
unseres überholten binären Geschlechterbild findet. Eine rein auf Frauen fokussierte Arbeit erklärt Christiane Kurmeyer in diesem Sinne für
unzureichend. Frauen müssten keine Nachhilfe in
Form spezieller Förderung erhalten, um wettbewerbsfähig gemacht zu werden.
„Die Frauen haben gesagt: Wir wollen nicht
gefördert werden, weil wir Frauen sind, sondern
weil wir gut sind. Und das finde ich einen durchaus berechtigten Anspruch.“
Gleichstellungsarbeit betrachtet sich dabei als
einen ganzheitlicheren Ansatz. So nutzen Väter
die Möglichkeiten zur Elternzeit meist in deutlich
geringerem Umfang als Mütter. Seit einigen Jahren
gibt es daher an der Charité die sogenannten Väterbeauftragten. Diese bieten Hilfestellung und
Beratung rund um die Vereinbarkeit von Kind und
Beruf für Männer.
„Wenn wir Frauen in Führungspositionen
bringen wollen, ist es sinnvoll, Väter in die Familien zurückzuholen.“
Allerdings bleibt festzustellen, dass Frauen in
größerem Umfang von geschlechtsbezogener Diskriminierung betroffen sind. Laut Frau Kurmeyer
wird dies insbesondere in der Konkurrenz um
besser vergütete Stellen deutlich.
„Frauen können studieren, was sie wollen – bis
sie schwarz und schimmelig werden – in dem
Moment wo es um die Fleischtöpfe geht, alles was
in Richtung Karriere geht und schon ein bisschen
mit Geld behaftet ist, da wird es eng.“
Hier setzen auch viele Projekte der Charité an.
So gibt es etwa ein Mentoring-Programm für
Gespräch mit der zentralen Frauen- und Gleichstellungbeauftragten der Charité
Wissenschaftlerinnen, aber auch Formate zum informellen Austausch und Aufbau von Netzwerken. In der Rotunda Habilis können habilitierte
Wissenschaftlerinnen und solche, die sich mit der
Professur als Berufsziel beschäftigen zusammen
kommen. Die ProMotiona hingegen ist eine offene Veranstaltungsreihe für alle Promovendinnen
und Studentinnen, die eine Doktorarbeit planen.
Zudem werden verschiedene Stipendien vergeben.
Ebenfalls zur Gleichstellungsarbeit gehört das
Familienbüro, das an der Familienfreundlichkeit
der Charité als Arbeitgeber und als Hochschule
arbeitet.
Auch der Beschäftigung mit dem Thema der
sexuellen Belästigung wurde in letzter Zeit
viel Raum gegeben. Die Medizin ist aus
ihrem Wesen heraus eine Disziplin, die Grenzen überschreitet.
Um eine Therapie zu ermöglichen, dringt sie mitunter in
die körperliche oder psychische Privatsphäre der
Patient*innen ein. Hier ist
große Sensibilität gefordert – insbesondere im
Hinblick auf Geschlechterdynamiken, die eng mit
unserem Verständnis von
Sexualität verflochten sind.
„Wir leben in einem Wandelprozess – weg von den Ursprüngen der Frauenbewegung, mit brennenden Fahnen auf den
Barrikaden. Das hat uns den Weg geebnet, das
will ich nicht kleinreden. Aber das ist nicht mehr
das, was wir tun wollen und müssen. Wir müssen
jetzt gucken, wie können wir das, was aufgebrochen ist, was zur Bearbeitung bereit liegt, nicht
weiter verbrennen, sondern bearbeiten und für
alle fruchtbar machen.“
Wenn wir uns aber außerhalb des Rahmens
der institutionalisierten Gleichstellungsarbeit bewegen, welche Rolle können wir als Student*innen in diesem Prozess annehmen? Mir persönlich
scheint dabei die Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Geschlechts der zentrale Aspekt zu
sein. Wir erklären uns viele Aspekte der Welt
über unser Verständnis von Geschlecht. Davon
hängt ab, wie wir Gespräche interpretieren oder
andere Menschen einschätzen. Welches Geschlecht uns zugeschrieben wird bestimmt, wie
wir sozialisiert wurden und werden, wie Menschen sich uns gegenüber verhalten und welche
Erwartungen sie an uns stellen.
Gleichzeitig ist es mir wichtig, darüber zu
sprechen, dass es wenig hilfreich ist, über unser
Geschlecht als eine Art fixer Determinante zu
sprechen, von der in der Nachfolge zahlreiche
Einflüsse ausgehen. Geschlecht kann viel passender als soziales Konstrukt gedeutet werden.
Zahlreiche Einflüsse kommen zusammen, und erzeugen so erst, was wir mit den Geschlechtern
assoziieren. Vorstellungen davon, was zum Beispiel eine Frau ausmacht, unterscheiden sich
zwischen den Kulturen gewaltig. Und
im Zentrum dieser aktiven Konstruktion stehen wir selbst.
Unsere Handlungen erzeugen nicht nur unser individuelles Geschlecht in der
Wahrnehmung von außen, sondern auf einer
gesellschaftlichen Ebene
auch die Kategorien der
Geschlechter als Ganzes.
Diese Ansätze sollten
aber nicht als ein Versuch
missverstanden werden, die
Kategorien der Geschlechter zu
relativieren und in der Folge aus unserer Gesellschaft zu beseitigen. Unser aller Geschlecht ist eng mit unserer Identität
verbunden. Das Geschlecht als soziale Kategorie
zu verneinen würde bedeuten diese Identitäten
pauschal abzuwerten. Gleichberechtigung bedeutet also nicht die Augen vor dem Faktor Geschlecht zu verschließen, sondern im Gegenteil
sie für neue Facetten dieser Kategorie zu öffnen.
Nur so sind moderne Diskurse über Mann und
Frau, aber zum Beispiel auch über Homosexualität und Trans*identität möglich.
Das Geschlecht ist und bleibt also ein zentraler Faktor in der Medizin. Zum einen als biologisch-physiologischer Aspekt unserer Existenz,
aber ebenso als gesellschaftliches Konzept, dessen Einfluss sich über alle Aspekte unseres Lebens erstreckt.
Gespräch mit der zentralen Frauen- und Gleichstellungbeauftragten der Charité
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Kissenschlacht
Linda Polley
Fotokollage: Hannes Kutza
Es ist einer dieser Tage, an denen die Sonne ab
und zu silbern durch die grau melierten Wolkentürme bricht und einem dabei leicht das Gesicht
wärmt. Im Lichtspiel der Strahlen gleitet eine weiße kleine Feder in der Flugbahn eines aufgedröselten Wollfadens zu Boden. Zu meinen Füßen
berührt sie den trockenen Staub, der jedoch nicht
an ihr kleben bleibt. Bald folgt ihr eine weitere
Feder und noch eine, bis es schließlich Daunen
regnet, die die ausgestorbenen Ruinen der Straße,
die ich hinunterschreite, mit einem schneeweißen
Tuch bedecken.
Ich spüre, wie mir immer wohlig wärmer wird
vor Freude und Berührtsein. Obgleich ich alles
Schöne und Traurige auf einmal sehe, fühlt sich
das so unglaublich tröstlich an. Ich wende meinen
Blick ab vom Himmel und richte ihn auf mein Ziel:
einen weiten leeren Platz, auf dem das sonnendurchflutete Federgestöber noch dichter zu sein
scheint als drum herum. Inmitten des Platzes lässt
sich ein menschlicher Schatten erahnen, der sich
langsamen aber bestimmten Schrittes auf mich zu
bewegt. Ich kann sein Gesicht nicht erkennen,
aber plötzlich weiß ich, dass ich angekommen bin.
Unsere Köpfe berühren sich seicht, sodass
sein weiches Haar meine Stirn kitzelt und ich seinen Atem einatme. Ich versinke in seinen Armen
und für einen Augenblick bleibt die Zeit um uns
herum stehen.
Doch dann müssen wir fort, getrennt voneinander. Eine unbeschreibliche Traurigkeit macht
sich bis in meine Zehenspitzen in mir breit und
zugleich tut dies das größte Glücksgefühl, das ich
je empfunden habe.
Und auf einmal kann ich sehen, wie überall
hinter den zerbröselten Häuserfassaden noch immer Krieg geführt wird. Wie Menschen aufeinander schießen, einstechen und drosseln mit
Worten und Taten. Aber sobald es jemanden
trifft, verwandelt sich dieser auf der Stelle in ein
Daunenkissen, zerfetzend durch die Gewalteinwirkung, sodass der Inhalt zu mir hinabschneit.
Trotz dieser Erkenntnis bin ich von diesem
Tag an unerschütterlich. Denn ich habe ihn gefunden, mit dem ich keine Kissenschlacht führen
muss. Wenn auch nur für einen Moment.
Kissenschlacht
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Arthur Schnitzler
Im Reigen mit Psychoanalyse und Intuition
Anton Jacobshagen
Was würde man wohl von einem Schriftsteller
denken, der wegen einer Kritik seines Theaterstückes in den Operationssaal seines Bruders
stürmt? Und was würde man denken, wenn dieser Mann studierter Dr. med. ist? Im Wien der
Jahrhundertwende, dieser überschwänglich mit
barocken Formen ausgestatteten Brutstätte der
Kunst, vermutlich nicht viel. Fraglich ob ein solcher Vorfall sich überhaupt in den Medien wiederfinden würde. Für Arthur Schnitzler, dem
vielseitigsten Schriftsteller der Wiener Moderne,
war es ganz einfach eine Notwendigkeit.
1 862 in Wien geboren studierte Schnitzler in
seiner ersten und einzigen Heimatstadt Medizin,
veröffentlichte allerdings schon mit 1 8 Jahren seine ersten Texte. Zunächst arbeitete er unter seinem Vater in der Klinik, nach dessen Tod 1 893
eröffnete er seine eigene Praxis. Geldsorgen hatte
er nicht, berufliche Probleme bekam er auch keine und so fest er sich in die Wiener Gesellschaft
einband und von ihr eingebunden wurde ist es
kein Wunder, dass er Zeit seines Lebens in Wien
blieb. Seine Liebe zur Sprache brachte er selbst in
seine medizinischen Publikationen ein, die zum
Großteil aus Rezensionen von Fachbüchern bestanden. Wissenschaftlich war nur eine einzige
Veröffentlichung, in welcher sich der Autor der
„Traumnovelle“ mit Hypnose und Suggestion befasste.
Die wahre Berufung des Laryngologen war ohnehin die Literatur und alles, was er mit ihr verweben konnte. In den Kaffeehäusern und
Restaurants Wiens traf er auf so inspirierende
große Geister wie Sigmund Freud und Hugo von
Hoffmannsthal. Um die Jahrhundertwende war er
zudem einer der bedeutendsten Kritiker der österreichisch-ungarischen, kaiserlichen wie königlichen Gesellschaft. Allerdings ließ sich Schnitzler
von keiner seiner beruflichen oder gesellschaftlichen Stellungen daran hindern, Missstände aufzuzeigen.
1 901 veröffentlichte er Leutnant Gustl, eine
Erzählung aus einer unnachahmlichen Ich-Perspektive, die den Ehrenkodex des österreichi-
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schen Militärs kritisierte und ihm prompt den
Offiziersrang der Reserve kostete. Nachdem
Schnitzlers Popularität wegen seiner ablehnenden
Haltung dem ersten Weltkrieg gegenüber abnimmt, verursacht er doch mit seinem sexuell
aufgeladenem Stück „Reigen“ einen Skandal. Ihm
wird der Prozess gemacht und er zieht seine Aufführungsgenehmigung zurück. Dabei ist der Kern
des Stückes eine Entblätterung der gesellschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisse, eine scharfe
Zeichnung psychischer Mechanismen in ihren sozialen Ausdrücken. Denn in fast jedem Stück, in
jeder Erzählung von Schnitzler geht es auch um
Sex, um Betrug und Treue, aber immer ist ihm
die Körperlichkeit ein Symbol für tiefer liegende
Prozesse. Um diese erfassen zu können greift er
zu Stilmitteln wie dem inneren Monolog oder regelrechten Bewusstseinsströmen. Immer wieder
verblüfft Schnitzler auch mit Darstellungen
schwelender gesellschaftlicher Stimmungen wie
im Theaterstück „Professor Bernhardi“, welches
die Gefahr des aufkommenden Antisemitismus
thematisiert. Nicht umsonst wunderte Freud sich,
woher Schnitzler Wissen nahm, dass der Autor
der Traumdeutung sich erst durch mühsame Studien des Objekts Mensch erwerben musste.
Der Selbstmord seiner Tochter Lili aber trifft
Schnitzler völlig unvorbereitet. 1 3 Monate nach
ihrer Heirat mit einem italienischen Offizier
nimmt sie sich in Venedig das Leben. Das des Vaters wird nie mehr ganz erfüllt sein.
Der Arzt zieht sich zurück. In seinen späteren
Lebensjahren schreibt er über Einzelschicksale,
wenig Werke bringt er wirklich zu Ende. Was
Zensur, Ablehnung, Gerichtsprozesse nicht vermochten, hat der Tod der einzigen Tochter
schließlich bewirkt. 1 931 stirbt Arthur Schnitzler
an einer Gehirnblutung und wird auf dem Wiener
Zentralfriedhof beerdigt.
Doch auch noch heute sprühen seine Stücke
und Erzählungen von der Lust an der Exploration
des Bewusstseins, wie sie der Künstler, im Türrahmen der Psychiatrie stehend, empfunden haben muss.
Arthur Schnitzler - Im Reigen mit Psychoanalyse und Intuition
Kollage:
Franziska Storbeck
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Erinnerung an den Sommer
Linda Polley
Die Blätter des letzten Sommers sinken im Fluss,
der sie in die Tiefe reißt und mit sich forttreibt
Erinnerungen, die trüben und verschwinden,
und ich frag mich, warum dieses Gefühl doch bleibt
Es ist das Wasser, das durch meine Hände rinnt,
Regentropfen auf dem gestern noch heißen Asphalt,
die der Frost nun zu glitzernden Kristallen spinnt
auf denen die Ruhe des Winters widerhallt
Ich wandere durch meine weiße Welt,
die ich so liebe und gleichzeitig nicht
Bald ist Weihnachten, doch denk ich an nichts
als an mein Glück in jenem Sommerlicht
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Arusha - Shake hands with the Lt. Gen.
Malte Schmieding
Im September 201 4 absolvierte ich eine Famulatur in Nairobi, Kenia. Ich erfuhr zufällig, dass in
Arusha, einer Stadt im Nachbarland Tansania, einer der letzten Urteilsverkündungen am Internationalen Straftribunal für Ruanda stattfinden wird
während meiner Zeit in Ostafrika. Als ehemaliger
Jurastudent wollte ich mir das nicht entgehen lassen, packte Hemd und Notizblock und zog los.
Während der Busfahrt las ich Roméo Dallaires
Autobiographie und Bericht über den Völkermord von Ruanda – zurück in Deutschland hatte
ich das Glück Herrn Dallaire persönlich zu erleben. Von diesen Erfahrungen möchte ich berichten. Es sei darauf hingewiesen, dass ich den
Völkermord und den ICTR weder umfassend
noch objektiv darzustellen vermag.
Vorgeschichte
Die Geschichte des dicht besiedelten ostafrikanischen Landes Ruanda ist von dem Konflikt
zwischen zwei Bevölkerungsgruppen, den Hutu
und den Tutsi, geprägt. Ob der Konflikt erst
durch die belgischen und britischen „Kolonialherren“ hervorgebracht oder verstärkt wurde, ist
schwer zu ermitteln. Überhaupt ist schwer zu sagen, woher die Einteilung Hutu und Tutsi kommt;
manche beschreiben die Hutu und Tutsi als verschiedene Ethnien, andere führen die Einteilung
auf verschiedene „Kasten“ zurück, die Tutsi als
die privilegierteren Viehzüchter und die Hutu als
ärmere Landwirte.
Auf jeden Fall bevorzugten die belgischen Kolonialisten gegen Ende der Kolonialzeit die „Zusammenarbeit“ mit den Hutu und schufen somit
ein bleibendes Machtgefälle zwischen den Bevölkerungsgruppen. Nach Ruandas Unabhängigkeit
behielten die Hutus eine Vormachtstellung: die
Hutu-Partei MRDN war die Staatspartei und Habyarimana, ein Hutu, Präsident. Viele Tutsis wurden vertrieben oder flohen in die Nachbarländer;
sie bildeten die Tutsi-Partei und Miliz RPF (Rwandan Patriotic Front). Die RPF führte ab 1 990
einen offenen Bürgerkrieg mit den Regierungs-
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Arusha - Shake hands with the Lt. Gen.
truppen Ruandas (RGF). Nur mit großer militärischer Unterstützung durch Frankreich und
Belgien konnte die RGF die Angriffe abwehren.
In Arusha, einer Stadt des Nachbarlandes Tansania, handelten die Konfliktparteien ein Friedensabkommen aus, welches die Bildung einer
Einheitsregierung aus Hutu und Tutsi sowie den
Zusammenschluss der Streitkräfte der RPF und
der RGF vorsah. Der UN-Sicherheitsrat beschloss
daraufhin eine Friedensmission zu entsenden
(United Nations Assistance Mission for Ruanda,
kurz UNAMIR), welche die Einhaltung des Friedensabkommens inklusive der Entmilitarisierung
der ruandischen Hauptstadt Kigali beaufsichtigen
sollte. Militärisch geführt wurde die Mission zu
Beginn von dem kanadischen Lieutenant General
Roméo Dallaire.
Von seinen Erlebnissen berichtet Dallaire in
dem Buch „Shake hands with the devil“. Statt einer Entmilitarisierung entdeckte er Anzeichen einer Vorbereitung auf einen Krieg auf beiden
Seiten. Teil dieser Vorbereitung beinhaltete die
Bildung von Hutu-Milizen, schwer zu kontrollierenden paramilitärische Einheiten, denen ein Hass
auf Tutsis indoktriniert wurde. Auch die TutsiMiliz RPF begann in der entmilitarisierten Zone
Kigalis eine Festung zu errichten und mobilisierte
an den Landesgrenzen.
Zahlreiche Versuche die nach langen Verhandlungen erkorene Einheitsregierung zu vereidigen
misslangen, bedingt durch das gegenseitige Misstrauen der Konfliktparteien.
Die angespannte Lage eskalierte Anfang April
1 994. Am 6. April wurde das Flugzeug des Präsidenten abgeschossen, wobei sowohl Habyarimana
als auch der burundische Präsident ums Leben
kamen. Bis heute ist nicht geklärt, wer die Maschine abgeschossen hat. Das dadurch entstandene Chaos nutzte die Präsidentengarde für
Vergeltungsschläge gegen die Tutsi- Bevölkerung
sowie Tutsi- und gemäßigte Politiker. Die verbliebenen Hutu-Politiker, allen voran das hohe Militär, erklärten sich zur Übergangsregierung.
Gegenüber Dallaire versicherten sie zwar, so
schnell wie möglich das Morden durch die Präsidentengarde und die Milizen stoppen zu wollen.
Doch die RPF sah die Machtübernahme als Coup
an und begann ihre letztlich erfolgreiche Offensive.
Die UN Truppen hatten weder die Ausrüstung noch das Mandat dazu in den Konflikt einzugreifen; sie setzten ihre Beobachtungsmission fort
und versuchten die Zivilbevölkerung aus Kigali zu
evakuieren oder ihnen in den von den UN kontrollierten Positionen Unterschlupf zu gewähren,
was leider nur mäßig erfolgreich war.
Im Jahre 1 994 wütete in Ruanda ein Völkermord, dem fast eine Millionen Menschen zum
Opfer fielen. Um diesen Völkermord juristisch
aufzuarbeiten und damit zur Friedenskonsolidierung beizutragen wurde von den Vereinten Nationen 1 995 ein internationaler Strafgerichtshof
(International Criminal Tribunal for Rwanda, ICTR) eingesetzt. Die Verfahren in der ersten Instanz sind bereits mit 55 Verurteilungen
abgeschlossen. Ende September 201 4 wurde das
wohl drittletzte Urteil der Berufungskammer
verkündet. Der Gerichtshof ist der erste internationale Gerichtshof, der ein ehemaliges Staatsoberhaupt (Jean Kambanda) verurteilt und
Urteile wegen Genozids verhängt hat.
Bericht vom Besuch in Arusha
Ohne Mühe gelingt es mir rechtzeitig aufzustehen. Wegen des Stromausfalls läuft der Generator des Hotels nun schon die ganze Nacht und
der Betriebs- und Verkehrslärm ersetzt mir
überpünktlich meinen Wecker. Ich mache mich
zu Fuß auf den Weg durch eine staubige Stadt laut Hotelauskunft ist das Hotel und die angrenzende Grünfläche mit Kriegsheldenmonument
das Stadtzentrum. In der Tat gibt es für Touristen
in Arusha wenig zu sehen. Interessant ist Arusha
nur für begüterte Safaritouristen als Zwischenstopp.
Mit deutscher Pünktlichkeit erreiche ich das
Arusha International Conference Centre, mit der
Erwartung, dass bei der UN internationale Zeit
Foto: „Der ICTR ist ein Gerichtshofohne eigenes Gerichtsgebäude. “ – Malte Schmieding
Arusha - Shake hands with the Lt. Gen.
21
und nicht „afrikanische Zeit“ (je nach Belieben 1 5
Minuten bis mehrere Stunden verspätet) gilt. Ich
werde nicht enttäuscht - nach nur zehn Minuten
im Wartezimmer mit gut und traditionell gekleideten Ruandern darf ich meinen Pass gegen einen
Besucherausweis (Nr. 250) tauschen, insgesamt
werden es 39 Besucher aus den Reihen der Öffentlichkeit sein.
Der ICTR ist ein Gerichtshof ohne eigenes
Gerichtsgebäude. Einige Büros und der Gerichtssaal befinden sich im Arusha International Conference Centre. Unter den Firmenschildern vor
dem Gebäude, ist das des ICTR das kleinste. Die
freundlichen und blau uniformierten UN Sicherheitsoffiziere vor dem Gebäude, sowie die Sicherheitskontrolle erwecken den Eindruck, dass
hier ein Ort internationaler Relevanz ist. Hinter
der Sicherheitskontrolle verschwindet der Eindruck dann wieder. In Erdgeschoss befindet sich
unter anderem eine normale Kantine, ein Büro
für Safaris, eine DHL Paketannahmestelle und eine Geldwechselstube. Ohne den etwas gelangweilt herum sitzenden G4S Sicherheitswärter,
hätte ich nicht erfahren, dass der Gerichtssaal im
vierten Stock ist und man diesen nur per Fahrstuhl erreicht.
Das Wartezimmer vor dem Gerichtssaal ist
sehr klein, vielleicht 1 0qm, der Boden aus blauen
Teppichquadraten schon etwas mitgenommen
und es gibt nur einen Stuhl. Die Lage in Arusha,
die Lage im Gebäude, das Gebäude selbst zusammen mit der Beobachtung, dass auf allen öffentlichen Toiletten das Klopapier fehlt, erweckt den
Eindruck, dass das Gericht nicht dafür eingerichtet ist, viele interessierte Bürgerinnen und Bürger
zu empfangen. Die Besucherebene des Gerichtssaals (auf gleicher Höhe und durch eine Glaswand
getrennt) bietet hingegen viel mehr Zuschauern
Platz als der Warteraum. Geschätzt sind 65% der
Anwesenden Mitarbeiter oder Ehemalige des ICTR und weitere 5% tansanianische Gefängniswärter. Sowohl der Besucherraum als auch der
Gerichtssaal sind sehr breit und eher kurz, was
dazu führt, dass Staatsanwalt und Verteidiger
sehr weit auseinander sitzen, dennoch alles sehr
eng erscheint. Hinter den zwei Reihen für die
sechs Vertreter des Staatsanwalts auf der rechten
Seite sieht man die Boxen für die Dolmetscher,
die in Kinyarwanda, Französisch und Englisch
übersetzen. Auf jedem Besucherstuhl liegen dazu-
22
Arusha - Shake hands with the Lt. Gen.
gehörige Kopfhörer und Empfangsgerät.
Die Mitarbeiter auf der anderen Seite der
Glaswand sind bereits in ihren offiziellen Gewändern. Rechtspfleger, Staatsanwalt und Verteidiger
tragen schwarze Roben mit weißem Lätzchen, einer der sechs Staatsanwälte hat sich sogar eine
blond-weiße Lockenperücke aufgesetzt. Ohne eine Ankündigung zu benötigen stehen alle auf, als
die fünf Richter den Saal betreten: vier Richter
und eine Richterin, gekleidet in rot-schwarzen
Gewändern.
Für heute sind drei Urteilsverkündungen in
Berufungsverfahren angekündigt.
Der erste Prozess betrifft zwei Angeklagte:
Mathieu Ngirumpatse und Éd ouard Karemera.
Beide waren hochrangige Mitglieder der extremistischen anti-Tutsi MRND Partei; Ngirumpatse
war während des Genozids Vorsitzender und Édouard Karemera war zeitweilig Minister in der
allein aus Extremisten bestehenden Interim-Regierung nach der Ermordung des Präsidenten Habyarimana im Frühjahr 1 994.
Roméo Dallaire erwähnt Ngirumpatse in seinem Buch und beschuldigt ihn, die Bewaffnung
der Miliz „Interahamwe“ und Hutu Zivilisten organisiert zu haben. Die Miliz wurde vor April
1 994 dazu genutzt, die politische Lage weiter zu
destabilisieren und ab April 1 994 konnten die bewaffneten Zivilisten und die Interahamwe durch
Straßensperren und gezielte “Hausdurchsuchungen” nahezu alle Tutsis in Kigali ermorden.
Meinem Verständnis nach ist die Sitzung in
fünf Tagesordnungspunkte gegliedert. Zunächst
werden die Angeklagten gefragt, ob sie dem Prozess in einer ihnen verständlichen Sprache folgen
können. Die Angeklagten antworten höflich, vergessen nicht das “Monsieur le President”, wenn
sie den vorsitzenden Richter ansprechen. Danach
wird das Wort dem führenden Verteidiger und
Staatsanwalt erteilt, die sich und ihre Kollegen
vorstellen.
Als drittes kommt der Hauptteil: Der vorsitzende Richter liest das Urteil vor, betont jedoch
vorher, dass nur auf wesentliche Urteilsgründe
eingegangen werden kann. Die sind im ersten
Verfahren immer noch eine ganze Menge. So
wird in den Unterpunkten A bis M auf die Einsprüche des Angeklagten und in den Punkten O
bis S auf die Einwände des Staatsanwaltes einge-
gangen. Ich kann nicht sagen, wie viele Einsprüche
insgesamt eingereicht wurden, aber es müssen
über 50 allein von der Verteidigung gewesen sein.
Es wird in den Erwägungen auf viele Morde bzw.
Massaker eingegangen, die den Angeklagten zur
Last gelegt werden. In einigen werden sie freige-
Foto: „Unter den Firmenschildern vor dem Gebäude, ist das des ICTR das kleinste. “ – Malte Schmieding
Arusha - Shake hands with the Lt. Gen.
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sprochen, da hier keine direkte Verantwortung
nachgewiesen werden konnte. Die hochrangige
Mitgliedschaft in der MRDN alleine reiche nicht
aus, um davon auszugehen, dass die Angeklagten
an einer Verschwörung zum Genozid teilgenommen haben, wie noch die erste Instanz urteilte.
In der anschließenden Urteilsverkündung wird
jedoch das Urteil der Vorinstanz bestätigt: „Trotz
mehrerer Revisionen blieben beide Angeklagten
sehr ernster Verbrechen überführt“. Der vorsitzende Richter verkündet auch, dass die Verurteilten zunächst ihre lebenslängliche Haftstrafe in
UN Gewahrsam verbringen werden, wahrscheinlich bis sich ein Mitgliedsstaat gefunden hat, der
eine Zelle zur Verfügung stellt.
Der finale Akt besteht darin, dass der Rechtspfleger dem Staatsanwalt und den Verurteilten
das ausgedruckte und vollständige Urteil überreicht.
Und damit endet ein zwanzigjähriger Weg hin
zur Gerechtigkeit. Die Taten wurden etwa im
April 1 994 begangen, die Verhaftungen gelangen
1 998, die berichtigte Anklage wurde 2005 erhoben, das erstinstanzliche Urteil erging 201 2, das
Berufungsverfahren wurde 201 4 abgeschlossen.
Von den ursprünglich drei gemeinsam Angeklagten ist zwischenzeitlich einer verstorben.
Das Publikum steht noch als die schwarz-roten Richter an den Verurteilten vorbeigehen und
den Saal verlassen. Ngirumpatse und Karemera
lächeln mit perfekt weißen Zähnen. Das Publikum
auf der linken Seite (der Seite der Angeklagten)
steht ebenfalls und winkt. Ich schlussfolgere, dass
die Ruander alle Angehörige der Verurteilten
sind. Mit Winken und Lächeln verlassen die Angeklagten den Saal.
Nach einer kleinen Mittagspause kommt die
zweite Urteilsverkündigung des Tages. Auf der
Anklageseite steht Nizeyimana, ein Offizier einer
Militärschule, der erst 2009 festgenommen werden konnte. Einige aus dem Publikum sind schon
gegangen, die Richterbank und die Staatsanwälte
haben eine leicht andere Zusammensetzung.
Mit zwei abweichenden Meinungen wird das
Urteil verkündet: Einige Ausführungen der erstinstanzlichen Kammer, die das lebenslängliche
Strafmaß begründen, werden aufgehoben, das
Strafmaß neu auf 35 Jahre festgelegt. Die Verurteilung aufgrund von Morden an Straßenblocka-
24
Arusha - Shake hands with the Lt. Gen.
den und die Ermordung der ehemaligen Königin
Ruandas (bis 1 961 war Ruanda noch eine Monarchie) wurden bestätigt.
Im dritten und letzten Fall sitzt Nzabonimana
auf der Anklagebank. Ihm wird vorgeworfen in
öffentlichen, hetzerischen Reden zum Völkermord aufgerufen und angestiftet zu haben. Er bestreitet die Öffentlichkeit seiner Reden und
zweifelt die Kausalität zwischen seinen Reden
und dem Völkermord an. Das Urteil der Vorinstanz wird dennoch bestätigt.
Für Juristen sind die Auslegung des Begriffes
der Öffentlichkeit und die Feststellung der Kausalität interessante Probleme, für das Völkerrecht
mag hier eine Präzedenzentscheidung gefallen
sein.
Mit dem Urteil ging das drittletzte Verfahren
vor dem ICTR zu Ende. Im Dezember 201 4 fand
die vorletzte Urteilsverkündung statt – allerdings
nicht mehr in einem Gericht des ICTR, sondern
einer Kammer des „Residualmechanismus“ (residual mechanism).
Für den ICTR und das jugoslavische Äquivalent ICTY wurde bereits ein „Residualmechanismus“ eingerichtet, eine Behörde, die das
Beweismaterial archiviert und eine Kammer aufrechterhalten wird, sollte es zu Einsprüchen
kommen oder Untergetauchte endlich aufgespürt
werden. Diese Kammer ist zuständig für Berufungen sowohl aus den ruandischen als auch den
jugoslawischen Prozessen.
Zurück im Hotel schalte ich das einzige Nachrichtenprogramm ein. In Hong Kong besetzen
Studenten die Stadt und der Botschafter von
Assads Syrien hält eine Rede vor der Generalversammlung der UN. Der ICTR wird nicht erwähnt. Wie auch, es war ja kein Reporter da. Ein
Taxifahrer, ein kenianischer Freund und ein tansanischer Polizist bestätigen mir, dass man den
ICTR schon kennt. Man weiß, dass er da ist.
Mehr aber auch nicht. Immerhin bekannter als
der internationale Strafgerichtshof (ICC): Eine
kenianische Zeitung verballhornt die Vorladung
des kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta
vor dem ICC: “What does the International
Cricket Committee want from our Uhuru?”.
Epilog
Eine Woche später bin ich zurück in Berlin auf
dem Humanitären Kongress Berlin. Zu meinem
Glück hält Lt. Gen. Roméo Dallaire die Eröffnungsrede.
Er spricht über Schutz („protection“), über
die Hoffnung, dass das neue Jahrtausend humaner
wird, über die neue Ära der Friedenswahrung,
die mit dem Ende des Kalten Krieges begann und
auf die sich die UN und die internationale Gemeinschaft lange nicht eingestellt hatte: „We are
still stumbling into the new era of conflict resolution through prevention, but exceptionally weak
on that area.” (Wir stolpern noch in neue Ära
der Konfliktbewältigung durch Prävention, sind
aber besonders schwach auf diesem Gebiet).
Den mangelnden politischen Willen macht er
dafür verantwortlich, dass angesichts der vielen
Katastrophen und politischen Umwälzungen die
Großmächte der Welt das Szepter aus der Hand
verlieren: “World security is not in our hand. Extremists seem to have the initiative and provoke
us to infringe our own civil rights standards.”
(Die Weltsicherheit liegt nicht in unserer Hand.
Extremisten scheinen die Initiative ergriffen zu
haben und verleiten uns dazu unsere eigene Prinzipien der Rechtstaatlichkeit zu umgehen).
Damit spricht er auch an, dass es eben nicht
nur einen Krieg bzw. Konflikt zu verlieren gibt,
sondern Maßnahmen wie der Einsatz von Folter
und dem eher willkürlichen Töten durch Drohnen, auch die Humanität gefährden, die wir eigentlich verteidigen wollen. Oder verteidigen wir
immer noch nur unsere Eigeninteressen?
Für die Zukunft hofft er, dass vor allem die
„Mittelmächte“ unter UN-Mandat öfters bereit
sind Friedensmissionen auszuführen. Es bedürfe
besonders Nationen, die anders als England,
Frankreich und die USA nicht schon einen
schlechten Ruf haben, als ehemalige Kolonialmächte oder selbst proklamierte Weltpolizei. Er
sieht neben Kanada, als Erfinder des Peacekeepings, auch Deutschland und Japan in der Pflicht.
Dallaire präsentiert glaubwürdig, dass die Ursache des Scheiterns der vielen Initiativen der
UN trotz ihrer guten Absicht, darin zu finden ist,
dass alle Mitgliedsstaaten nur Eigeninteressen
verfolgen. Aber wäre das Gegenteil wirklich für
alle besser? Die Schlussfolgerung wäre ja, dass in
Konflikte bisher unbeteiligte Länder einbezogen
werden, diese verpflichtet wären Truppen und
Material zu stellen und das innenpolitisch nicht
rechtfertigen könnten. Es hat die deutsche Öffentlichkeit schon nicht überzeugt, dass die Bundeswehr mit dem Afghanistan Einsatz die
„deutsche Sicherheit am Hindukusch“ verteidige.
Jemand anderes Sicherheit unter anderer Flagge
und in einem entfernteren Land zu verteidigen,
klingt noch weniger überzeugend.
Am Ende einer Podiumsdiskussion schaffe ich
es, Herrn Dallaire anzusprechen:
Ich möchte von ihm wisse, wie er die Arbeit
des ICTR bewerte angesichts der Tatsache, dass
dieser jährlich mehr als 200 Millionen Dollar
kostet und er in seinem Buch schreibt, mit 1 00
Millionen Dollar hätte seine Mission die Eskalation des Konflikts verhindern können?
Er halte die Arbeit des ICTR für wichtig, sie
habe eine Pionierrolle, denn insbesondere die
Anklage müsse lernen, ihre Aufgabe zu machen.
Oft fehle es dem Gericht auch an Rückhalt von
den Nationalstaaten. Vor allem die Ausführer des
Genozids wurden angeklagt, während viele Anstifter und einflussreiche Drahtzieher heute freie
Menschen in Europa sind.
Pionierrolle, finde ich, trifft es ganz gut.
Foto: Wanted-Plakat – Malte Schmieding
Arusha - Shake hands with the Lt. Gen.
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Karikatur:
Katharina Mindach
Abendgebet
Johanna Nagel
Die Müdigkeit der Toten
bedeckt des Abends Stille.
Es schleichen Schmerzensboten
in schwarzer Laken Hülle.
Wo eben noch der Sonne
blutgoldne Strahlen wärmten,
erhellt des Mondes Wonne
der stummen Angst Gedanken.
Und tief ins Herz gebettet
lässt sich Verzweiflung nieder.
Wann sind von Qual errettet
des Träumers schwere Lider?
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Abendgebet
Wächserne Masken
Sofia Banzhoff
Da lag er. Still, ohne sich zu bewegen, gebettet
auf dunklen Samt. Er trug seinen besten Anzug,
den, den er sich vor Jahren hatte maßschneidern
lassen, aus marineblauem Seidenstoff. Seine
Augen geschlossen, die Hände auf Höhe des
Bauchnabels gefaltet.
Sie lächelte und wartete. Beobachtete ihn, um
den Moment nicht zu verpassen. Er hatte es
sicherlich fein orchestriert, es würde einmalig
werden.
Die schwarz gekleideten Menschen um sie
herum wünschten ihr „Herzliches Beileid.“ Sie
hatte noch nie so viele Euphemismen gehört wie
in den vergangenen Tagen. Sie nahmen tröstend
ihre Hand, bis sie in ihre Augen sahen, dann
ließen sie sofort los. Irritiert. Erstaunt. Verwirrt.
Doch niemand fragte sie nach dem Grund für
ihren wissenden Blick. Diesen Blick, der sagte
„Ich warte auf die Überraschung eures Lebens“
oder auch Ich weiß etwas, das ihr nicht wisst …“
Vielleicht sahen sie in ihren Augen auch etwas
anderes. Aber Trauer suchten sie vergeblich.
Sein Arzt stand vor ihr: „Es tut mir so leid.
Wir haben getan, was wir konnten.“ Sie lächelte:
„Keine Sorge, Herr Doktor, sie wollten ihm nur
helfen…“ Er war sicher eingeweiht. Wer hätte
gedacht, dass dieser grauhaarige Mann, der nie
lächelte, Humor hatte? Sie konnte es nicht
erwarten, ihn schallend lachen zu hören.
Jetzt war sie allein mit ihm, der seit Tagen
schwieg. Die Trauergemeinde, wie der Pfarrer
mit der schrecklichen Stimme sie nannte, hatte
sich in der Kapelle versammelt. Sie wusste, dass
sie auch dorthin gehen sollte, hier war außer ihr
kein Publikum, hier würde es nicht passieren.
Beim Hinausgehen fasste sie den Bestatter am
Ärmel und flüsterte verschwörerisch: „Nageln sie
ihn nicht zu fest zu!“
Sie blendete den Pfarrer, seine Psalmen und
Predigten aus, daher konnte sie nicht sagen, ob er
ihrer Anweisung, Lobreden auf Gott zu
unterlassen, gefolgt war. Die Spannung in ihr
stieg, fast begann sie vor Vorfreude zu lachen.
Doch es passierte nichts. Das sah ihm ähnlich,
dachte sie, den Moment bis zur letzten Sekunde
herauszuzögern. Die Spannung auszukosten.
Alter Dramaturg.
Der Zug von Freunden, Bekannten und
Wächserne Masken
27
Bewunderern folgte ihr wie eine schwarze
Schlange über die Friedhofspfade. Am Grab stand
ein Trompeter und spielte Auld Lang Syne in AMoll.
Zwei Holzbalken trennten den Sarg noch von
der dunklen Leere. Die Bestatter schoben dicke
Taue darunter, gleich würden sie die Balken
wegziehen und dann wäre es endlich soweit. Er
würde den Sarg von innen aufbrechen – vielleicht
hatte er sich mit einer Axt einsargen lassen – sich
die wächserne Maske vom Gesicht reißen und
rufen: „Haha, war doch alles nur Spaß!“ und alles
wäre wieder normal. Sie würden ihr
exzentrisches, bewundertes Leben weiterleben,
als wären sie unsterblich. Sie wären unsterblich.
Die Balken waren weg, der Sarg schwebte in
der Luft, gehalten von den beiden Tauen, die
normalerweise das Tor zum Leben
für immer
schlossen.
Jetzt, dachte sie. Jetzt.
JETZT!
Sobald der Sarg den Boden des Grabs
berührte, wäre es weniger effektvoll, weniger
spektakulär. Das Grab war so tief.
Die Bestatter ließen die Taue fallen und traten
unauffällig zurück. Sie trat ans Grab. Da war er,
der Sarg, umgeben von Erde. Im dunklen Holz
regte sich nichts.
Vielleicht war er eingeschlafen? Sie warf ihre
Rosen auf den Sargdeckel, direkt auf Kopfhöhe.
Ein dumpfes, leeres Geräusch. Das Grab war tief
und dunkel, es verschluckte alles, seelenlos.
Ihre Nase kribbelte. Erste Tränen sammelten
sich in ihren Augen, ihre Knie zitterten. Sie wand
sich ab.
Der Schauspieler war tot.
Fotos:
Sofia Banzhoff
28
Wächserne Masken
Erlkönig
Christine Zeides
Wer eilt dort so früh durch den Morgenwind?
Der Ersti, weil gleich der Vortrag beginnt
Der Kaffeebecher klemmt schief unterm Arm
Er trinkt im Gehen, er schlürft sich warm.
Prometheus im Rucksack zeigt deutlich Gewicht
Doch das stört einen eifrigen Ersti nicht
Das Ziel schon vor Augen erschlaffen die Lider
Und da ist diese freundliche Stimme wieder…
„Du lieber Ersti, komm zu mir!
Gar süße Träume bescher ich dir.
Was soll die Mühe zu studieren?
Will dich in meine Welt entführen…“
„Gevatter Schlaf! Geh fort, ich will dein Lieben nicht.
Will nicht, dass all dein Locken meinen Willen bricht.
Stand auf so früh, fuhr Bahn geschwind…“
Doch da säuselt erneut der betörende Wind:
„Willst, feiner Ersti, zum Vortrag gehen?
Wirst dort doch eh nur die Hälfte verstehn;
Drum fliehe die hölzernen Hörsaal-Reihn
Und genieße den Schlaf so klar und rein.“
„Schweig still, schweige still, ich sehe doch dort
Die anderen Erstis strömend zum Ort…“
„Lass sie nur laufen, du weißt es genau:
Im Schlaf lernt das Hirn, so wirst du schlau…“
Dem Ersti grauset’s – er läuft geschwind
Gegen die Stimmen, die in ihm sind
Erreicht den Hörsaal mit Müh und Not;
Der Kaffee leer – der Ersti rot.
Erlkönig
29
Mut zur Versorgungslücke
Spielräume einer Medizin mit sozialer Verantwortung
Franziska Storbeck
Fotos: Hannes Kutza, 2013
Studierenden des Modellstudienganges an der
Charité sind Begriffe wie „Ganzheitliche Medizin“, „Biopsychosoziales Modell“ sowie Anmahnungen an die Vorzüge interdisziplinärer,
gleichberechtigter Zusammenarbeit und Kommunikation nicht fremd. Gleichzeitig bleiben uns an
einem weltweit hochrangigen Universitätsklinikum auch Missstände nicht verborgen.
Trotz
positiver
Gegenbeispiele erleben wir
immer wieder, dass entgegen
der Ansprüche der Angestellten die Zeit für ausführliche und einfühlsame
Gespräche knapp ist, Patientinnen eine Odyssee
von Arzt zu Ärztin und
von Klinik zu Klinik hinter
sich haben und es mehr als
schwierig ist, Menschen ohne Versicherung die nötige
Versorgung zukommen zu lassen.
Überlastung, Überforderung oder ein
von Stress geprägter Umgangston lassen
Zweifel aufkommen, ob ein zufriedenes und erfülltes Arbeiten des Personals überhaupt möglich
ist.
Viele dieser Probleme gründen auf einem Gesundheitssystem, das trotz seines exzellenten Abschneidens im internationalen Vergleich das Ziel
einer größtmöglichen Gesundheit für alle oft
knapp verfehlt. Es bleibt in vielen Fragen ineffizient und unzulänglich. Eine unübersichtliche Zahl
verschiedener, nicht selten finanziell motivierter
Akteure lassen es den vielen, moralisch aufgeladenen Problemen träge und unflexibel gegenüber
stehen.
Man kommt nicht umhin, an andere Brennpunkte unserer Gesellschaft zu denken: mangelnder Wohnraum, mangelnde Integration,
mangelnde Solidarität, mangelnde Nachhaltigkeit.
30
Sie alle sind eingebettet in ein komplexes System
mit vielschichtigen Zusammenhängen, was sie besonders hartnäckig aber auch zu besonderen
Herausforderungen macht. Diese können meistens nur in Kooperation vor Ort und mit einem
sinnvollen Konzept gemeistert werden. Darum
heißt die vielzitierte Antwort unserer Generation „think globaly, act localy“.
Beispielsweise entstehen immer
wieder
genossenschaftliche
oder unkonventionell strukturierte Wohnprojekte,
Nachbarschaftsinitiativen
und Vereine. Lebensmittel können von umliegenden Bauernhöfen oder
verpackungsfreien Läden
bezogen werden und die
Hoffnung auf ein Stromnetz
in der Hand der Berliner
Bürgerinnen ist noch nicht
vorbei.
Warum ähnliche Lösungsansätze
nicht auf eine Praxis, ein Krankenhaus, die
Versorgung einer ganzen Region anwenden?
Nach kurzer Recherche wird klar: Dieser Gedanke ist nicht so neu wie er erscheint und auch
für die Umsetzung muss das Rad nicht neu erfunden werden.
In der 68er-Bewegung wurde von jungen Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleisterinnen
im Rahmen der allgemeinen Forderung nach gesellschaftlichem Wandel viel über Möglichkeiten
diskutiert, wie die Struktur der Gesundheitsversorgung und der eigenen Arbeit neu gestaltet
werden kann. Daraus gingen Projekte auf der
Ebene der Primärversorgung hervor, von denen
einige heute noch existieren.
In Berlin ist das zum Beispiel das Praxiskollektiv Reichenberger Straße 1 21 . Es gründete sich
1 979 mit der Übernahme einer Hausarztpraxis in
Mut zur Versorgungslücke - Spielräume einer Medizin mit sozialer Verantwortung
Kreuzberg. Seither sind die Mitarbeiter ihren
Grundsätzen treu geblieben: Allgemeinmedizinerinnen und Fachangestellte mit vielfältigen Zusatzqualifikation im Bereich der alternativen
Heilmethoden arbeiten ohne Vorgesetzte, gleichberechtigt und mit einheitlichem Stundenlohn zusammen. Alle Entscheidungen, welche die Praxis
betreffen, werden per Konsens in einem wöchentlichen Plenum gefällt. Der Schwerpunkt der
Praxis liegt auf einer ganzheitlichen und psychosomatischen Behandlung der Patientinnen mittels
gleichberechtigter Entscheidungsfindung – auch
für Nichtversicherte. In einem Interview mit der
Online-Ausgabe von „Neues Deutschland“
spricht Sabine Will, eine der Ärzte, über ihre
Sonderstellung und die Außenwirkung ihres
Konzepts: „Wir haben uns einen eigenen Binnenraum entwickelt, wir
haben schöne und selbstbestimmte Arbeitsbedingungen.
Studenten fragen nach
Praktika bei uns, Ärztinnen
in Weiterbildung wollen
nach Studienabschluss zurück zu uns, arbeiten hier
begeistert mit. So allein
fühlen wir uns nicht.“ (8).
Ein Beispiel für ein unkonventionell strukturiertes
Krankenhaus blickt sogar auf
eine sehr viel längere Geschichte
zurück: Das Salzhausener Krankenhaus wurde 1 898 als genossenschaftlicher
Verein gegründet, nachdem der Landarzt
Dr. Wilhelm Meinberg, welcher als Sanitätsrat für
die Versorgung mehrerer Gemeinden zuständig
war, an die Grenzen seiner Möglichkeiten stieß.
Handwerker, Bäuerinnen, Gewerbebetriebe und
die Gemeinden selbst wurden Mitglieder und teilten sich Investitionen, die für die Eröffnung und
den Unterhalt eines eigenen Krankenhauses nötig
waren. Durch die Ereignisse des 20. Jahrhunderts
– die Inflation der 1 920er Jahre, die Weltkriege –
stand das Unternehmen mit einem ohnehin knappen Budget mehrfach kurz vor der Schließung. Jedes Mal wurde es von den engagierten
Teilhaberinnen aufgefangen, die den Wert ihres
„eigenen“ Krankenhauses zu schätzen wussten
und zu verteidigen gelernt hatten. Sogar die Jahre, in denen Niedersachsens Landesregierung die
Klinik Salzhausen aus dem Bedarfsplan strich, was
einem erheblichen Einbruch öffentlicher Unterstützung entsprach, wurden überstanden (2).
Seitdem hat sich das 80-Betten-Krankenhaus
einen Namen in der Pneumologie, der Schulterchirurgie und der Urologie gemacht. Es schließt
unter anderem mit Hilfe von Belegärzten, verschiedenen Pflegedienstleistungen und einer stationär
sowie
ambulant
arbeitenden
Physiotherapie Versorgungslücken der Region
und wurde somit zum Kern eines ganzheitlichen
Gesundheitsnetzes. Einen Eindruck von der Einzigartigkeit des Krankenhauses erhält man durch
Patientinnenberichte in einem Bewertungsforum:
„In keinem Krankenhaus habe ich mich so wohl
gefühlt und mich ganz auf mich konzentrieren können um gesund zu werden“
(1 ) oder „Von der Pforte, über
die Schwestern bis zu den
Ärzten wurde man freundlich, menschlich und fachlich
kompetent
behandelt“ (9). Folgender Kommentar findet
sich sogar mehrmals:
„Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass die
Krankenhausküche ein gutes Essen bietet“ (6). Dabei
ist die Unverbesserlichkeit
deutscher Krankenhaus-Kulinarik doch eines der letzten ungeschriebenen Gesetze.
Eine solche Erfolgsgeschichte bleibt selten ohne Wehmutstropfen: Leider musste die Salzhausener Klinik 201 2 Insolvenz anmelden und wurde
mittlerweile vom Landkreis Harburg übernommen. Es soll in den nächsten Jahren in ein ambulantes Gesundheitszentrum umgewandelt werden
(7,1 2). Vielleicht liegt es daran, dass sie wie die
Mehrheit der Krankenhäuser mit dem 2003 eingeführten Fallpauschalensystem zu kämpfen hatte,
durch das die Vergütung vieler Eingriffe nicht ausreichend an die Entwicklung der Kosten angepasst ist. Dieser Umstand ist nebenbei bemerkt
eine plausible Ursache für die in Deutschland
mehr als überdurchschnittlich häufig durchgeführten Herzkatheteruntersuchungen und Operationen zum Hüftgelenkersatz (5).
Es bleibt die Frage nach Modellen, die einrich-
Mut zur Versorgungslücke - Spielräume einer Medizin mit sozialer Verantwortung
31
tungsübergreifend handeln. Die Initiative „Gesundes Kinzigtal“ ist ein solches Projekt. Mit dem
Gedanken, dass eine effektive und ökonomische
Gesundheitsförderung eine Frage der Anreize ist,
schlossen sich 2005 ein Verbund aus 35 niedergelassenen Ärzten und das vom Gesundheitswissenschaftler Helmut Hildebrandt gegründete
Unternehmen OptiMedis AG zusammen. Ein Managementteam von zirka 20 Fachleuten aus verschiedenen Bereichen initiiert und koordiniert
seit 2006 Maßnahmen für die gesamte Region
Kinzigtal. Vor allem Vorsorgeangebote, Prävention, die Kommunikation unter den Gesundheitsanbietern
(Ärztinnen,
Krankenhäuser,
Reha-Einrichtungen, Pflegediensten etc.) und Kooperation mit anderen Parteien (Vereine,
Fitness-Studios, Arbeitgeber) sollen
verbessert werden. Dabei stehen
ihnen sowohl ein Beirat der
Ärztinnen als auch der Patienten zur Seite. Die konkrete Umsetzung gestaltet
sich so, dass Patientinnen
Teilnehmer des Projekts
werden können. Auf dem
Weg, gesünder zu werden, beziehungsweise ihre
Gesundheit zu erhalten,
wird mit der Hausärztin eine
individuelle Zielvereinbarung
erarbeitet und mit allen Institutionen gemeinsam angegangen. Finanziert wird das ganze durch eine
Vereinbarung mit den Krankenkassen AOK und
LKK Baden-Württemberg, die einen Vorschuss
zahlen und die Gesundes Kinzigtal GmbH mit einem Teil des Gewinns der durch die höhere Gesamtgesundheit eingesparten Kosten vergüten.
Damit der Erfolg dieses Pilotprojektes möglichst
objektiv gemessen werden kann, wurde eine wissenschaftliche Stelle an der Medizinischen Soziologie der Universität Freiburg geschaffen, die sich
extern mit der Langzeitevaluierung beschäftigen
soll.
201 2 konnte zum ersten Mal gezeigt werden,
dass sowohl die Hospitalisierungsrate als auch die
Mortalität für die Teilnehmenden signifikant niedriger ist als für die Kontrollgruppe aus Nichtteilnehmenden (1 1 ). Helmut Hildebrandt, der
kreative Kopf des Konzepts, fasst im Interview
32
mit Gerechte-Gesundheit.de knapp zusammen,
was diesen Ansatz auszeichnet: „Wir haben […]
eine Lösung entwickelt, die sich durch eine gute
Balancierung ethischer, qualitativer und wirtschaftlicher Anreize auszeichnet und dabei gleichzeitig der Patientensouveränität sowie der
zivilgesellschaftlichen Mitbeteiligung den angemessenen Raum gibt.“ (3). Dieses Modell scheint tatsächlich ein rein ökonomisches Denken mit
einem Mehrwert für alle vereinbar zu machen.
Damit wird es in Zukunft sicherlich sowohl
Nachahmer als auch Kritikerinnen finden.
Allein diese drei Beispiele lassen erahnen, wie
viele verschiedene Arten der Gesundheitsversorgung es bereits gibt und in Zukunft noch entwickelt werden könnten, die sowohl den
Patientinnen als auch dem behandelnden Personal gerechter werden.
Das ist ein ermutigendes Bild
für Studierende, die sich entgegen sozialer Ideale ab und
an schon als Rädchen im
Schreckgespenst der Einheitsmühle sehen. Es ist
sicher viel persönliche
Überzeugung, Zähigkeit
und Feingefühl für Kommunikation und Kompromisse gefordert, um solche
Visionen umzusetzen. Auch
die Warnungen der bereits Erfahrenen, möglichst klein und bescheiden anzufangen und auf Rückschläge
gefasst zu sein, sollten Beachtung finden. Aber es
ist sicher nicht unmöglich und auch nicht Weltverbesserern und Träumerinnen vorbehalten, sich
zu vernetzen und gemeinsam einer Arbeit nachzugehen, die den eigenen Vorstellungen entspricht.
Einen Konflikt, mit dem viele gemeinnützige,
soziale Organisationen konfrontiert sind, sollte
man sich allerdings klar machen: Wer die Welt
auf eigene Faust ein bisschen besser machen
möchte, nimmt dem Sozialstaat einen Teil seiner
Arbeit ab und damit den politischen Forderungen
nach Verbesserungen des Systems ein wenig
Wind aus den Segeln. Phil Dickel und Milli Schröder vom Medibüro, einer Initiative zur medizinischen Flüchtlingshilfe, die ihre Arbeit immer
schon mit politischem Widerstand verband, sagen
Mut zur Versorgungslücke - Spielräume einer Medizin mit sozialer Verantwortung
es in einem Artikel ganz deutlich: „War das Medibüro Hamburg bei seiner Gründung 1 994 quasi
eine Geheim-Organisation, da es durch den
‚Schlepperparagraph‘ jederzeit möglich war, […]
angeklagt zu werden, wird es mittlerweile durch
öffentliche Stellen in Hamburg als Beispiel für ehrenamtliches Engagement gelobt. […] unser Ziel
waren und sind [jedoch] keine Ehrenkränze, sondern dass Zugang zu medizinischer Versorgung
für alle hier lebenden Menschen unabhängig von
Nationalstaatzugehörigkeit ermöglicht wird“ (4).
Damit dieses Dilemma nicht zum Argument gegen Engagement und kreativen wie kollektiven
Einsatz wird, sollten diese immer mit politischer
Reflexion und öffentlicher Positionierung einhergehen. Einige Studentinnen und Ärzte verstehen
ein solches politisches und gesellschaftliches
Involviertsein ohnehin als Begleitverpflichtung ihres Berufes. Organisationen wie beispielsweise der vdää
(Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte), das Medibüro
oder Mezis (MeinEssenZahlIchSelbst) helfen mit gut recherchierten Informationen durch
den Dschungel der demokratischen Fallen und bieten Inspiration zur Solidarität.
Weitere Informationen:
Download „Themenheft Leuchttürme“
des vdää zu genannten und weiteren
Projekten unter: www.vdaeae.de; Gesundheit
braucht Politik – Zeitschrift für eine soziale
Medizin; 201 3
Zu den Projekten:
www.praxiskollektiv.de
www.krankenhaus-salzhausen.de
www.gesundes-kinzigtal.de
(2) Bösche, Burchard: „Das genossenschaftliche Krankenhaus
Salzhausen“. In: Broschüre, hrg. von Zentralverband deutscher
Konsumgenossenschaften e.V. http://www.zdk-hamburg.de/wpcontent/uploads/delightful-downloads/201 4/1 2/Kleine-ReiheKrankenhaus-Salzhausen_RZ.pdf (abgerufen am 1 5. Januar 201 5).
(3) Braun, Lisa: „Gesundes Kinzigtal: Patienten leben länger.
Interview mit Helmut Hildebrandt zur Integrierten Versorgung“. In:
Gerechte Gesundheit. Positionen zur Verteilungsdebatte. Stand:
November 201 2. http://www.gerechtegesundheit.de/fileadmin/user_upload/sonstiges/GG-POS-InterviewHildebrandt.pdf (abgerufen am 1 6. Januar 201 5).
(4) Dickel, P.; Schröder, M.: „Vom Medibüro zur Poliklinik“. In:
Gesundheit braucht Politik 1 /201 3. Hrsg. vom Verein
demokratischer Ärztinnen und Ärzte. Maintal: 201 3.
(5) Dietrich, W.; Hoffmann, P.: „Deutschland weiterhin Spitze bei
stationären Behandlungsfällen! Presseerklärung des vdää zum OECD
Bericht über stationäre Überversorgung in Deutschland“. In:
Gesundheit braucht Politik 1 /201 3. Hrsg. vom Verein
demokratischer Ärztinnen und Ärzte. Maintal: 201 3.
(6) FSi: „Klein aber Fein“. In: Erfahrungsberichte. Stand: 2.
Juli 201 3. http://www.klinikbewertungen.de/klinikforum/erfahrung-mit-krankenhaussalzhausen (abgerufen am 1 5. Januar
201 5).
(7) Freudewald, Johannes:
„Grünes Licht aus Hannover für
Gesundheitszentrum
Salzhausen“. In: Landkreis
Harburg, Aktuelle
Meldungen. Stand: 1 0.
Dezember 201 4.
https://www.landkreisharburg.de/portal/meldunge
n/gruenes-licht-aushannover-fuergesundheitszentrumsalzhausen-901 001 1 88201 00.html?rubrik=1 000042
(abgerufen am 1 5. Januar 201 5).
(8) Henning, Ulrike: „Gesundes
Arbeitsklima: Ärzte geben
Verantwortung und Geld ab:
Praxiskollektiv in Berlin-Kreuzberg arbeitet
seit 1 979 ohne Hierarchien“. In: neues
deutschland online. Stand: 1 3. Oktober 201 2.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/801 1 1 3.gesundesarbeitsklima.html (abgerufen am 1 3. Januar 201 5).
(9) Ingrid61 : „Ein Krankenhaus zum Wohlfühlen“. In:
Erfahrungsberichte. Stand: 1 2. Februar 201 0.
http://www.klinikbewertungen.de/klinik-forum/erfahrung-mitkrankenhaus-salzhausen (abgerufen am 1 5. Januar 201 5).
(1 0) Krankenhaus Salzhausen, Gemeinnütziger Krankenpflegeverein
eG: „Qualitätsbericht gemäß §1 37 SGB V für das Jahr 2004“.
http://qualitaetsberichte.klinikbewertungen.de/26033046300/2004/krankenhaus-salzhausen.pdf (abgerufen am 1 5. Januar
201 5).
Zu den Organisationen:
www.vdaeae.de
www.medibuero.de
(1 1 ) Laschet, Helmut: „Erfolg nach sechs Jahren. Gesundes Kinzigtal
ist gesünder“. In: Ärzte Zeitung. Stand: 30. Oktober 201 2.
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/versorgungsforschu
ng/article/825541 /erfolg-nach-sechs-jahren-gesundes-kinzigtalgesuender.html (abgerufen 1 4. Januar 201 5).
Quellen:
(1 2) LZonline: „Kreis übernimmt das Zepter“. Stand: 1 1 . Oktober
201 4. http://www.landeszeitung.de/blog/lokales/1 94268-kreisuebernimmt-das-zepter (abgerufen am 1 4. Januar 201 5).
www.mezis.de
(1 ) ankedidi: „Tolle Betreuung und professionelle Mitarbeiter“. In:
Erfahrungsberichte. Stand: 28. September 201 2.
http://www.klinikbewertungen.de/klinik-forum/erfahrung-mitkrankenhaus-salzhausen (abgerufen am 1 5. Januar 201 5).
Mut zur Versorgungslücke - Spielräume einer Medizin mit sozialer Verantwortung
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Finaler diagnostischer Test zur
Quantifizierung des Erwachsenseins
Sofia Banzhof
Man steht vor dem leeren Kühlschrank und stellt sich die Frage aller Fragen: Werde ich eigentlich langsam erwachsen oder müsste dafür das Gemüsefach bis oben hin gefüllt sein? Beim Abhaken der Aufgabe auf dem WG-Putzplan denkt man sich „Heißt das jetzt, dass ich mein Leben
im Griff habe, oder ist das erst so, wenn Sauberkeit auch ohne Putzplan geht?“
Heute kannst du diesen Zweifeln ein Ende bereiten und diesen finalen diagnostischen Test zur
Quantifizierung des Erwachsenseins machen. Gib dir für jede zutreffende Aussage einen Punkt
und siehe in der Auflösung nach, ob der heilige Gral in erreichbarer Nähe ist, oder ob du dir
lieber „Noch Student“ an eine gut sichtbare Stelle tätowieren lassen solltest.
• Frühstück: Ein Event, das nicht nur am Wochenende stattfindet.
• Das Wäsche-Aufhäng-Abhäng-Intervall beträgt weniger als drei Tage.
• Du hast erst einmal vergessen, dich für die Prüfungen anzumelden.
• Du hast ein Backupsystem für deine elektronischen Daten. Nie wieder totaler Ausarbeitungsverlust und helle Panik bei unglücklichem Zusammentreffen von Kaffee und Computer.
• Deine Kontodeckung ist gewährleistet. Zumindest in den ersten drei Wochen des Monats...
• Wenn wir schon mal beim Thema Geld sind: Du hast einen Notgroschen für kaputte Fahrräder, geklaute Laptops, Stromnachzahlungen, spontane WG-Parties, etc.
• Zeitungen: Kein Fremdwort, sondern ein Gegenstand des regelmäßigen Gebrauchs. (regelmäßig: öfter als ab und zu, nicht nur auf die Semesterferien beschränkt)
• Du erfüllst die WHO-Empfehlung von 1 50 Minuten körperlicher Aktivität pro Woche.
• Du gehst regelmäßig zum Zahnarzt. Obwohl der mal Zahni war.
• Du sitzt maximal einmal im Monat verkatert im Seminar.
• Du tauchst nur einmal im Semester ohne Kittel beim U-Kurs auf.
• Schimmelpilzpopulationen leben in deinem Kühlschrank nur auf Produkten, die diese auch
schon an der Käsetheke beherbergt haben.
• Du liest medizinische Paper nicht nur im Rahmen der "Wissenschaftliches Arbeiten" Module
oder deiner Doktorarbeit.
• Überhaupt, deine Doktorarbeit: Es gibt konkrete Pläne und vielleicht sogar schon Text.
• Oder bist du etwa schon fertig??? Und wartest nur noch darauf, das Staatsexamen zu bestehen?
• 1 00-Tage Lernpläne jagen dir keine Angst ein.
• Wenn dir plötzlich medizinische Begrifflichkeiten im Kopf herumschwirren, schlägst du sie umgehend nach anstatt zu hoffen, dass irgendein Dozent sie irgendwann mal so definiert, dass du
sie dir bis übers Rentenalter hinaus merkst.
• Du vergisst es maximal einmal im Semester dir einen Wecker zu stellen. Wenn du ein
Glückspilz bist, passiert das an Tagen an denen du sowieso erst um 1 4 Uhr Uni hast (Keine Extrapunkte, Glück wird nicht belohnt.)
• Du musstest noch nie die Säumnisgebühr fürs zu späte Überweisen der Semestergebühr zahlen.
• Du bist nicht nur einigermaßen pünktlich, wenn dies dringend erforderlich ist (Vorstellungsgespräch, Abflug zur Weltreise), sondern auch bei normalen Veranstaltungen (Vorlesung, Verabredung zum Kaffeetrinken).
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Finaler diagnostischer Test zur Quantifizierung des Erwachsenseins
Auflösung:
Volle Punktzahl: Du bist nicht von
dieser Welt, eindeutig. Aber
herzlich willkommen und richte
auf deinem Heimatplaneten
schöne Grüße aus.
1 9 - 1 5 Punkte: Respekt.
Du hast dein Leben im
Griff. Du bist zwar nicht
ganz perfekt, aber wer
will das schon. Dass du
nicht immer daran
denkst, frische Milch zu
kaufen macht dich in
deinen Augen nur
sympathischer.
1 4-1 0 Punkte: Wie sagt man so
schön? Du bist auf dem
richtigen Weg. Ein paar
Semester noch und du hast
es raus. Bleibt nur zu hoffen,
dass du nicht schon im PJ
bist...
weniger als 9 Punkte:
Mach dir keine Sorgen.
Hochwissenschaftliche
Studien haben gezeigt, dass
3 x 50 mg/d
Gewissenhaftigkeit, 1 x 30
µg/d
Verantwortungsbewusstsein und
intensives Monitoring der To Do
Liste diesen Test-Score innerhalb
weniger Wochen signifikant
verbessern können. Konsultiere einen
Arzt deines Vertrauens und bleib dran!
CAVE: Dieser Test ist für unter
1 8-jährige nicht zugelassen. Die
Aussagekräftigkeit für
Studierende nichtmedizinischer Fächer ist
nicht belegt.
Zeichnung:
Sonja Radde
Finaler diagnostischer Test zur Quantifizierung des Erwachsenseins
35
36
Redaktion
Kontakt
Anastasia Abdolvand, Henrik Abheiden, Sofia Banzhoff, Paul Felsmann, Leonard Hillmann, Markus Holstein, Anton Jacobshagen,
Linda Polley, Franziska Storbeck, Christine Zeides _ Frederik Holz, Johanna Nagel,
Malte Schmieding _ Illustration: Hannes Kutza, Katharina Mindach, Sonja Radde
Berlin, № 04, Auflage 700
[email protected]
20. Februar2015
Druck: