Datareport 1/2015

Datareport
1 2015
Veränderungen managen
Wie gelingt der
Sprung nach vorn?
Bürgerschaftswahl Hamburg
Ein Sieger, viele Zahlen und jede Menge IT
Serious Games
3D-Baukasten für den neuen Skater-Park
Dataport Hausmesse
„Zukunft mITgestalten“
1
www.bechtle.com
Seit 2009 haben wir gemeinsam mit Dataport viel
erreicht. Jetzt folgt Runde zwei der Erfolgsgeschichte: Dataport vertraut weiter auf die Leistungsstärke von Bechtle. Damit setzen wir unsere stabile
Partnerschaft zuverlässig fort. Mit Hardware, Managed Print Solutions und Managed Services für die
insgesamt knapp 60.000 IT-Arbeitsplätze der öffentlichen Verwaltungen des Nordens. Wir freuen uns
auf die nächste spannende Innovationsphase. Auf
vier weitere, erfolgreiche Jahre mit Dataport.
Starke Partnerschaft.
Bechtle GmbH
IT-Systemhaus Hamburg
Alter Teichweg 19, 22081 Hamburg
Telefon +49 40 23 99 86-0
[email protected]
2
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
Veränderungen – neudeutsch „Change“ – und Veränderungsmanagement sind Schwerpunkt dieser
Datareport. Kaum ein Aphoristiker, der nicht einmal etwas mehr oder weniger Kluges zum Wandel
der Welt, der Menschen oder zur Veränderung an
sich gesagt hätte. „Vom Wandel der Märkte“, „Psychologie des Wandels“ – so oder ähnlich lauten
Buch- und Vortragstitel. Das Thema brennt Unternehmen und Verwaltungen unter den Nägeln und
das hat seine Gründe.
der Change auf die Organisationsstruktur aus,
muss zudem geregelt werden, wie die beteiligten
Einheiten künftig zusammenarbeiten sollen. Auf
die entscheidende Rolle von Prozessen beim Erfolg von Veränderungen geht der Artikel auf Seite
10 ein. Mit einem Beispiel aus der Praxis schließen
wir unseren Schwerpunkt ab. Die Einführung der
elektronischen Akte in Schleswig-Holstein weist
alle Merkmale eines erfolgreichen Veränderungsprozesses auf. Die Einführung wurde per Kabinettsbeschluss zur Pflicht und wird übergreifend
als Organisationsprojekt verstanden (Seite 14).
Britta Heinrich,
Leiterin
Öffentlichkeitsarbeit
Warum betreffen uns Veränderungen so sehr? Ver- Der Gedanke, Veränderungen durch aktive Gestaländerungen sind immer mit Risiken verbunden. tung anzustoßen, verbirgt sich hinter dem Motto
So lautet die Einschätzung von Udo Konradt, Pro- der diesjährigen Dataport Hausmesse „Zukunft
fessor an der Christian-Albrechts-Universität zu mITgestalten“. Am 28. April findet die Hausmesse
Kiel. Im Interview auf Seite 16 erklärt der Arbeits- in Hamburg-Schnelsen statt (Seite 26). Ebenfalls
und Organisationspsychologe, warum Menschen zu Veränderungen hat die Wahl in Hamburg gemisstrauisch auf Veränderungen reagieren. Trans- führt. Im Februar standen 276 Computer in den
parenz, Beteiligung und Fairness sind, so Konradt, Auszählzentren bereit, um die Wahlergebnisse zu
die entscheidenden Faktoren, mit denen sich auch übermitteln. Von der technischen Infrastruktur
weitreichende Veränderungen erfolgreich umset- hing der Erfolg der Wahlen ebenso ab wie von der
aktiven Beteiligung der Hamburger Wählerinnen
zen lassen.
und Wähler (Seite 22).
Zu einer Erfolgsstory wird eine Veränderung dann,
wenn die „Betroffenen an Bord genommen wer- Ihre Britta Heinrich
den“ und der „Change“ Chefsache ist. Das gilt für
die öffentliche Verwaltung ebenso wie für die Privatwirtschaft. Sollen zum Beispiel Prozesse vollständig elektronisch abgebildet werden, reicht das
schlüssige IT-Konzept allein nicht aus. Entscheidend sind die Menschen, die mit dem neuen System arbeiten werden. Sie wollen mit- und ernstgenommen werden. Wenn dann die Führungsebene
im entscheidenden Moment die richtigen Impulse
gibt, wird die Veränderung zur Erfolgsgeschichte. So kommentieren Prof. Dr. Juliane Siegeris von
der Hochschule für Technik und Wirtschaft in
Berlin und die Rechtsanwältin Daniela Freiheit
auf Seite 9.
Gutes Change Management baut auf Akzeptanz
und motiviert alle Beteiligten. Wirkt sich jedoch
3
Inhalt
Titel
Aus Ideen werden Tatsachen
Egal ob es darum geht, ein neues IT-System einzuführen oder eine
Organisationseinheit umzustrukturieren: Bei Veränderungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung gibt es viele Hindernisse zu
überwinden. Wie gelingt der Sprung nach vorn?
14
Umdenken ist gefragt
„Veränderungen sind immer ein Risiko“
Menschen mögen keine Veränderungen. Ist das wirklich so?
Im Interview erklärt Prof. Dr. Udo Konradt vom Institut für
Psychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, wie wir
Veränderungsprozesse erleben.
6
In Kürze
Mit System
8
115 in der Fläche
Immer den richtigen Ansprechpartner am anderen Ende der
Leitung: Schleswig-Holstein will die Behördenrufnummer jetzt
flächendeckend in allen Kreisen und Kommunen einführen.
Auskommentiert
9
Die Anwender mitnehmen
Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs nimmt rasant
Fahrt auf. Prof. Dr. Juliane Siegeris und Daniela Freiheit meinen: Ein
Veränderungsmanagement muss her.
Unter Partnern
18
Schnell abgemeldet: Online-Kraftfahrzeugwesen
Das Auto vom Sofa aus abmelden? Das geht. Dataport hat den
Online-Dienst für 13 Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein und
für den Landesbetrieb Verkehr in Hamburg entwickelt.
Modern verwalten
20
3D-Baukasten für den neuen Skater-Park
Politik lebt von Partizipation, Jugendliche in sozialen Netzwerken –
wie man beides zusammenbringt, zeigt eine Fallstudie der Technischen Universität Darmstadt.
Report
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Ein Sieger, viele Zahlen und jede Menge IT
Stimmzettel abgeben, Hochrechnungen im Fernsehen verfolgen – so
haben viele Menschen die Bürgerschaftswahlen in Hamburg erlebt.
Dataport war hinter den Kulissen dabei.
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TSUNG-LIN WU – Fotolia
Weg vom Papier, hin zur Technik: Die Einführung der E-Akte verändert die Prozesse in einer Organisation. Größte Herausforderung
ist der Faktor Mensch.
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JiSign – Fotolia
10
Inhalt
Hausmesse
M_engel.ac – Fotolia
„Zukunft mITgestalten“
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Am 28. April 2015 wird die MesseHalle in Hamburg-Schnelsen
zum Forum für Experten aus Verwaltung und IT. Unter dem Motto
„Zukunft mITgestalten“ präsentiert Dataport die siebte Hausmesse.
Mit IT auf Spurensicherung
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Wenn es darum geht, von Polizei oder Steuerfahndung
beschlagnahmte Rechner, Smartphones oder Navigationsgeräte
auszuwerten, schlägt die Stunde der IuK-Forensik.
Behörden-Service im Internet
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Bürgerportal statt Warteschlange: Der Zugang zu Services der Verwaltung via Internet wird in der digitalen Gesellschaft immer wichtiger. Hinter den Portalen steckt eine komplexe IT-Infrastruktur.
Unternehmen
Schritt für Schritt zur fairen Maus
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Kaffee und Schokolade aus fairem Handel sind hinlänglich bekannt.
Warum das Prinzip nicht auch auf Hardware übertragen? Dataport
bietet eine Computermaus an, die zu 70 Prozent aus fair gehandelten
Materialien besteht.
Querbeet
Raub von Amts wegen
33
Die Verwaltung war als Handlanger aktiv an der wirtschaftlichen
Vernichtung jüdischer Familien in ganz Deutschland beteiligt. Die
bremische Finanzverwaltung hat sich ihrer Geschichte gestellt.
Naturschutz mit Technik
34
Dass Natur und Technik sich prima ergänzen können, zeigt ein
Projekt im Waldgebiet Kiel-Russee. Dort erforschen Naturschützer
seltene Teichfledermäuse mithilfe gespendeter Laptops.
Impressum
Herausgeber:
Dataport
Anstalt des öffentlichen Rechts
Altenholzer Straße 10-14
24161 Altenholz
Telefon (0431) 3295-0
Telefax (0431) 3295-6410
Internet: www.dataport.de
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Britta Heinrich (v.i.S.d.P.)
Redaktionsleitung: Anina Trautermann
Redaktionsbeirat: Hubertus Fiedler, Ulrich Meyer, Michael Müller,
Gerd Schramm, Sabine Wichmann
Reproduktion: Freie und Hansestadt Hamburg,
Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung
Layout: Christina Walter
Auflage: 4 400, Ausgabe: 1 / April 2015
Fotos: alle nicht näher bezeichneten Fotos Dataport
Die einzelnen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.
Ein Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur nach Genehmigung der
Redaktion gestattet.
5
In Kürze
Beschaffung mit sozialer Verantwortung
Im bundesweiten Wettbewerb „Innovation schafft Vorsprung“ hat Dataport den ersten Preis in der Kategorie
„Beschaffung eines innovativen Produkts“ gewonnen. Ausgezeichnet wurde das Konzept zur „Entwicklung von sozialen Kriterien im Rahmen der Hardwarebeschaffung“.
Dataport ist der erste IT-Dienstleister in Deutschland, der
sich mit dem Thema beschäftigt. Vorstand Andreas Reichel sagte zur Preisverleihung: „Ich freue mich sehr über
diese Auszeichnung. Wir alle haben es in der Hand, uns
aktiv für faire Arbeitsbedingungen und gegen Kinder- und
Zwangsarbeit einzusetzen. Mit unseren Kriterien für die
Hardwarebeschaffung machen wir uns dafür stark.“ So
Foto: Bundesverband Materialwirtschaft,
Einkauf und Logistik e.V. (BME)
verpflichten sich Vertragspartner von Dataport unter anderem dazu, auf Hersteller und Zulieferer einzuwirken, die
Standards der International Labour Organization (ILO) einzuhalten. Die weltweit geltenden Mindeststandards sollen die Rechte bei der Arbeit und damit menschenwürdige Arbeit für alle Menschen auf
der Welt sicherstellen. Im vergangenen Jahr wurden die neuen Vergabekriterien zum ersten Mal im
Rahmen eines EU-weiten Vergabeverfahrens eingesetzt. Dataport hatte Hardware für die rund 60.000
Verwaltungsarbeitsplätze der Bundesländer Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg ausgeschrieben.
Hamburg: IT für die Bürgerschaftswahl
stellte Dataport im Februar für
die Bürgerschaftswahlen in
Hamburg bereit. Mitarbeiter aus
30 verschiedenen Abteilungen
sorgten vor, während und nach
der Wahl für einen reibungslosen
Ablauf. Unter ihnen Netztechniker, Telefonie-Experten, Projektmanager und Mitarbeiter für
Softwareverteilung und Benutzerunterstützung. Ausgerüstet
waren die 192 Computer-Arbeitsplätze mit spezieller Software
wie OK.EWO, der IT-Lösung
für das Einwohnerwesen, NGNTelefon, Netzwerkdrucker und
Barcode-Lesestift zum Bearbeiten der Briefwahlanträge. Sechs
von neun Auszählzentren, unter
ihnen das Terminal Tango am
Hamburger Airport, wurden von
Dataport ausgestattet und eigens
mit Netztechnik versorgt (siehe
auch Reportage auf Seite 22).
Mehr Unterricht zu Digitalthemen gewünscht
Die Mehrheit der Schüler in Deutschland möchte, dass im Unterricht verstärkt Digitalthemen behandelt werden. Das geht aus einer Umfrage des
Branchenverbandes Bitkom hervor. Ganz oben
auf der Wunschliste stehen rechtliche Aspekte
des Internets. So wollen 68 Prozent der Befragten
in der Schule mehr über Themen wie Urheberrecht und Bildrechte erfahren. Jeder zweite Schüler würde gerne mehr über richtiges Verhalten in sozialen Netzwerken und Chats lernen. 45 Prozent der Schüler
wünschen sich Unterstützung bei den Themen Datenschutz, persönliche Einstellungen in sozialen Netzwerken und Schutz der Privatsphäre. Die große Mehrheit
der Schüler (75 Prozent) wünscht sich außerdem Informatik als Pflicht-Schulfach
in den Klassenstufen 5 bis 10. Auch die Lehrer sind dem nicht abgeneigt: 73 Prozent sprechen sich für einen verpflichtenden Informatikunterricht aus.
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In Kürze
Allianz für Highspeed-Glasfasernetze
Der Bundesverband Breitbandkommunikation und der Bundesverband Glasfaseranschluss
haben gemeinsam mit acht weiteren europäischen Telekommunikations-Verbänden die European
Local Fibre Alliance (ELFA) gegründet. In der Interessensgemeinschaft sind
Verbände aus Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Schweden und Spanien zusammengeschlossen. Sie vertreten in
ihren Heimatländern lokale und regionale Netzbetreiber, die auf Glasfaser als
zukunftssichere Technologie setzen. ELFA hat sich das Ziel gesetzt, den Rollout
ultraschneller Glasfasernetze in Europa zu beschleunigen. Die flächendeckende Verfügbarkeit zukunftssicherer Glasfasernetze stellt laut ELFA die entscheidende Basis für die Digitalisierung und Modernisierung von Wirtschaft und
Gesellschaft dar.
Dataport gehört zu besten Arbeitgebern
Dataport wurde erneut als einer der
besten Arbeitgeber Deutschlands
ausgezeichnet. Das Nachrichtenmagazin Focus bewertete in Kooperation mit dem sozialen Netzwerk
für berufliche Kontakte Xing und
der
Arbeitgeberbewertungsplattform kununu 2.000 Unternehmen
aus 22 Branchen. Kriterien für das
Ranking waren unter anderem Betriebsklima, Aufstiegschancen und
Führungsstil. Innerhalb der Kategorie Telekommunikation und IT
belegt Dataport in der Rangliste
Platz 19 von 79. Der Sieg in dieser
Kategorie ging an EMC Deutschland.
100. Verfahren produktiv gesetzt
Mit der Abnahme des Neuverfahrens „SAP1-Systemlandschaft (SAP-NOA)" ist das 100.
Verfahren im neuen Dataport-Rechenzentrum
produktiv gesetzt worden. Nach der fristgemäßen Räumung des Kieler Rechenzentrums
schreitet die Konsolidierung der ehemals sieben Rechenzentren in das Twin-Datacenter
voran. Im Zuge des Transitionsprozesses werden insgesamt 550 Verfahren und 60 Großrechner-Verfahren migriert. Im August 2016
soll die Produktivsetzung im neuen Rechenzentrum abgeschlossen sein.
7
In Kürze
Behördenrufnummer
115 in der Fläche
Als erstes Flächenland in Deutschland will Schleswig-Holstein die Behördenrufnummer
115 in allen Kreisen und Kommunen verbreiten. Die Voraussetzungen sind gut: Im landesweiten Zuständigkeitsfinder sind bereits viele der benötigten Daten vorhanden. Zudem
fördert das Land die flächendeckende Einführung und unterstützt die Kommunen.
In den Stadtstaaten Hamburg
und Bremen kann sie bereits
jeder nutzen – die Behördenrufnummer 115. Nun will
Schleswig-Holstein als erstes
Flächenland dafür sorgen, dass
alle Bürgerinnen und Bürger
über die 115 Unterstützung bei
Behördenangelegenheiten erhalten. „Wenn ich die 115 wähle, ist
die Person am Apparat immer
für mich zuständig. Ich habe
sozusagen immer die richtige
Von der Westküste bis
zum Fehmarnsund:
Schleswig-Holstein will
als erstes Flächenland
die Behördenrufnummer
115 in allen Kreisen und
Kommunen verbreiten.
Verwaltung am Apparat und erhalte alle wichtigen Auskünfte“,
erklärt Oliver Voigt, Projektleiter im Zentralen IT-Management des Landes in der Kieler
Staatskanzlei, den Vorteil der
zentralen Nummer. Zurzeit können bereits mehr als die Hälfte
aller Schleswig-Holsteiner die
Behördenrufnummer
nutzen.
Um auch die übrigen Kreise
8
und Ämter für den Beitritt zum
115-Verbund zu gewinnen, organisiert das Land den Anschluss
an das Netz der Behördenrufnummer. Dataport berät die
Kommunen, die beitreten wollen. Die Entscheidung über den
Beitritt trifft jede Kommune und
jeder Kreis selbst.
Technische Betreuung
durch Dataport
Bei der technischen und organisatorischen Abwicklung der
Behördenrufnummer kooperiert
das Land Schleswig-Holstein
mit Hamburg und dem Kreis
Pinneberg. Dieser betreibt für
sein Kreisgebiet ein eigenes
115-Servicecenter. Alle übrigen
Anrufe aus Schleswig-Holstein
werden im Servicecenter in
Hamburg angenommen und
bearbeitet. Die Mitarbeiter dort
nutzen ein Informationssystem,
um den Anrufern Auskunft zu
geben. Technisch wird das Hamburger 115-Servicecenter von Dataport betreut.
Schleswig-Holstein hat für den
Aufbau einer flächendeckenden Behördenrufnummer den
Vorteil, dass es als einziges Flächenland bereits über einen von
allen Kommunen gepflegten und
genutzten Zuständigkeitsfinder
(ZuFiSH) verfügt. Die Daten aus
dem Zuständigkeitsfinder müss-
ten von den Kommunen und
Kreisen nur aktualisiert und die
Leistungsbeschreibungen so ergänzt werden, dass sie in das Informationssystem übernommen
werden könnten.
Vision: Gewerbe mobil
anmelden
Für die Zukunft kann sich Oliver
Voigt schrittweise den Ausbau
der Services durch die 115 vorstellen. So wären zum Beispiel
telefonische Terminvergaben für
die angeschlossenen Behörden
über die 115 denkbar. Oder Bürgerinnen und Bürger könnten
Unterstützung beim Ausfüllen
von Formularen bekommen. Oliver Voigt kann sich vorstellen,
künftig ganze E-GovernmentVorgänge über die 115 abzuwickeln. „Stellen Sie sich vor, ich
möchte ein Gewerbe anmelden
und rufe mit meinem Smartphone die 115 an. Ein Mitarbeiter im
Service füllt die erforderlichen
Dokumente aus und schickt sie
mir auf mein Smartphone zurück. Mit dem digitalen Ausweis
bestätige ich meine Identität,
bezahle per App und der Antrag
wird direkt an die zuständige
Verwaltung geschickt.“
Auskommentiert
Elektronischer Rechtsverkehr
Die Anwender
mitnehmen
Mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs beschäftigen sich die Verantwortlichen nun schon viele Jahre. Auch für viele Anwender in den Gerichten
und Staatsanwaltschaften sind Bildschirm und Tastatur nicht mehr exotisch. Die
Angelegenheit hat allerdings mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung
des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 rasant
Fahrt aufgenommen. Die Verantwortlichen in den Justizministerien arbeiten fast
hektisch an verschiedensten IT-Konzepten, stimmen Umsetzungsstrategien auch
über die Ländergrenzen hinweg ab, melden Finanz- und Personalbedarf an. Die
gute Nachricht ist also: Die Verantwortlichen drücken auf die Tube.
Aber wenn der Zug so schnell fährt, bleibt da noch Zeit und Raum, die Passagiere mitzunehmen? Ist der Anwender noch im Blick? Oder macht er das Leben
der Verantwortlichen eher schwer, weil er schon jetzt nörgelt, weil er sich Sorgen
macht, weil er Veränderungen generell lieber vermeidet? Damit der elektronische
Rechtsverkehr eine Erfolgsstory bleibt, ist es jetzt besonders wichtig, die Betroffenen mit an Bord zu nehmen. Das geht nicht von heute auf morgen und benötigt
kontinuierlich Empathie und Respekt für die Anwender entlang eines koordinierten Vorgehens. Kurz gesagt: Setzen Sie konsequent auf Veränderungsmanagement!
Veränderungsmanagement hat die Menschen im Blick und stellt eine Vielzahl von
Hilfsmitteln und Werkzeugen bereit, die während der verschiedenen Phasen des
Veränderungsprozesses unterstützen.
Prof. Dr. Juliane Siegeris
leitet den Frauenstudiengang Informatik und
Wirtschaft an der Hochschule für Technik und
Wirtschaft Berlin.
Impulse geben: Veränderungsmanagement
muss „Chefsache“ sein
Die Gerichts- und Behördenleitungen müssen den elektronischen Rechtsverkehr
zur eigenen Sache erklären und seine Einführung durch Höhen und Tiefen impulsgebend begleiten. Auch Personal- und andere Interessenvertretungen können positiven Einfluss auf die Umsetzung des Vorhabens nehmen. Beziehen Sie sie unverzüglich ein. Wichtig ist weiterhin, dass geplant und strukturiert vorgegangen wird.
Veränderungsmanagement muss, genauso wie die Einführung der neuen Software,
ein fortlaufendes Projekt sein, das erst endet, wenn jeder Mitarbeiter der Rechtspflege seinen Platz im Gefüge des elektronischen Rechtsverkehrs gefunden hat. Ziel
muss sein, dass sich die Anwender den jetzigen Zustand nicht mehr zurückwünschen. Was können Sie sofort tun? Wir empfehlen: Geben Sie der Veränderung ein
Gesicht, zum Beispiel Ihres. Reden Sie stets und ständig (auch bei bei unpassender
Gelegenheit) über den elektronischen Rechtsverkehr. Und vor allem: Hören Sie zu.
Daniela Freiheit, MBA,
ist Rechtsanwältin und
entwickelt IT-Strategien
für die Justiz.
9
Titel
Veränderungsvorhaben managen
Aus Ideen
werden Tatsache
Neue IT-Tools, neue Prozesse, neue Strukturen – nie war die öffentliche Verwaltung so von Veränderungen geprägt wie heute. Um diese erfolgreich umsetzen zu können, müssen zahlreiche Hindernisse überwunden werden. Ein systematisches Change Management hilft dabei.
„Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten“, stellte der Theologe Thomas von Aquin im Mittelalter fest. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Bei Veränderungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung, die ein grundsätzliches Umdenken erfordern, gibt es viele Hindernisse zu überwinden und
einige Klippen zu umschiffen: Egal ob es darum geht, ein neues IT-System wie
zum Beispiel die E-Akte einzuführen oder eine Organisationseinheit umzustrukturieren. Kritische Punkte sind oftmals die Kommunikation des Vorhabens und
die Gestaltung von Arbeitsabläufen.
Veränderungsprozesse steuern
Die Anforderungen an die öffentliche Verwaltung sind in den letzten zehn Jahren enorm gewachsen. Bürokratie abbauen, zeitgemäße IT einführen, Strukturen
anpassen – das erfordert umfangreiche Veränderungen auf organisatorischer und
technischer Ebene. Damit eine Veränderung erfolgreich ist, muss sie dauerhaft
in die Arbeitsabläufe und in die Struktur einer Organisation verankert werden.
Dafür ist eine systematische Planung und Steuerung von Veränderungsprozessen
notwendig – ein sogenanntes Change Management.
Kommunikation ist alles
Aus einer Studie der Unternehmensberatung Capgemini von 2012 geht hervor,
dass 49 Prozent der befragten Führungskräfte und Manager in Deutschland, Österreich und der Schweiz der Ansicht sind, dass die emotionale Dimension bei
Veränderungsprozessen die zentrale Rolle spielt. Mit einigem Abstand folgen politische Dimension (28 Prozent) und rationale Dimension (23 Prozent). Der emotionalen Dimension sollte also besondere Aufmerksamkeit zukommen. Denn
Veränderungen können langfristig nur dann wirksam sein, wenn die betroffenen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frühzeitig mit ins Boot geholt werden und der
„Change“ nicht an ihren Bedürfnissen vorbeigelenkt wird. Dann werden Neuerungen im Arbeitsalltag leichter angenommen – und laufen nicht zugunsten der
gewohnten Praxis ins Leere. Das passiert schnell, wenn die Veränderungen nicht
der Arbeitsrealität entsprechen, ihr Sinn unklar bleibt oder zu viel zusätzlicher
Aufwand entsteht. Um die Motivation für den Wandel zu wecken, ist eine klare
Kommunikation gefragt und die Bereitschaft, die betroffenen Personen am Veränderungsprozess mitwirken zu lassen.
10
en
Mach neu: Damit Veränderungen gelingen, gibt es einiges zu beachten. Change Management hilft dabei,
Ideen erfolgreich in die Tat umzusetzen.
Foto: Frank Boston – Fotolia
11
Titel
Allen Beteiligten muss deutlich sein, warum eine Veränderung
überhaupt notwendig ist, was konkret umgestaltet werden soll und
für welchen Zeitraum dies geplant ist. Ein anschauliches Leitbild
der Organisationseinheit hilft dabei, die Veränderungen in den strategischen Zusammenhang einzuordnen und schafft Verständnis für
die Situation.
ten halten dann an der bekannten Arbeitsweise fest. Gerade
in der öffentlichen Verwaltung
orientieren sich Prozesse oft an
Funktionen und nicht an Abläufen. Bringt eine Veränderung
es mit sich, dass verschiedene
Organisationseinheiten zusammenarbeiten müssen, sollte dies
bei der Gestaltung des Prozesses
berücksichtigt werden – sonst
können Schnittstellen leicht zu
Schwachstellen im Arbeitsablauf werden. Deshalb ist es hilfreich, Prozesse so zu gestalten,
dass sie die Zusammenarbeit
verschiedener Organisationseinheiten erleichtern.
Geduldige Begleitung
gesucht
Top oder Flop? Die
Erfolgsaussichten für ein
Vorhaben steigen, wenn es
systematisch geplant und
gesteuert wird.
Foto: MH – Fotolia
Wichtig ist außerdem, dass es verlässliche Informationen darüber
gibt, wie sich eine Neuerung für die Betroffenen praktisch auswirkt
und wie damit künftig umgegangen werden soll. Auch eine Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist sinnvoll: Können
diese ihre Bedenken äußern, Ideen einbringen und zum Beispiel
im Rahmen von Resonanzgruppen den Veränderungsprozess beeinflussen, wird der bevorstehende Change eher positiv empfunden –
und damit besser angenommen und unterstützt.
Entscheidend für gutes Gelingen: gute Prozesse
Akzeptanz für ein Vorhaben zu erreichen und Motivation bei den
Beteiligten zu wecken, sind wichtige Aufgaben des Change Managements. Das allein reicht aber nicht aus, um eine Veränderung erfolgreich umzusetzen. Ebenso wichtig ist es, alle organisatorischen und
technischen Fragen zu klären, bevor der Change durchgeführt wird.
Bis neue Prozesse, Tools oder
Strukturen etabliert sind und effizient genutzt werden können,
dauert es eine Zeit. Wer gerade
den Umgang mit einem neuen
Fachverfahren einübt oder sich
in veränderten Arbeitsabläufen zurechtfinden muss, wird
in der Anfangsphase weniger
produktiv sein als üblich und
für Routinearbeiten mehr Zeit
benötigen. Dies muss einkalkuliert und von den Führungskräften entsprechend berücksichtigt
werden. Hilfreich ist es auch,
wenn die erste Phase nach der
Veränderung durch einen zentralen Ansprechpartner begleitet
wird. Dieser sollte den Mitarbei-
Sind Prozesse zu kompliziert oder nicht
transparent, misslingt das Änderungsvorhaben.
Werden zum Beispiel Organisationsstrukturen geändert, muss geregelt sein, wie in Zukunft zusammengearbeitet werden soll. Wird ein
neues IT-System eingeführt (siehe Bericht S. 14), müssen die Anwender es bedienen können. Zudem sollte es den praktischen Arbeitsabläufen entsprechen.
Hier spielen Prozesse eine wichtige Rolle. Unter einem Prozess versteht man die Abfolge von Arbeitsschritten, die erforderlich sind,
um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Sind diese zu kompliziert gestaltet, nicht für alle Beteiligten transparent oder entsprechen nicht
der Arbeitsrealität, misslingt das Änderungsvorhaben. Die Beteilig12
terinnen und Mitarbeitern zur
Verfügung stehen, um Fragen
zu klären und Hilfestellung bei
spontan auftretenden Problemen
zu bieten – so können die erforderlichen Änderungen von Arbeitsweise und Verhalten leichter umgesetzt werden. Gerade
bei langfristigen Veränderungsvorhaben sollten zudem schnell
zu erzielende Teilerfolge – soge-
Titel
nannte Quick Wins – im Rahmen des Change Managements
eingeplant werden. Sie zeigen
den Beteiligten, dass die Veränderungen sinnvoll sind und erhalten so die Motivation.
Ohne Rückendeckung
kein Erfolg
Nicht zu unterschätzen für den
Erfolg eines Veränderungsprozesses ist die kontinuierliche
Unterstützung durch die oberste Hierarchieebene. Sie bietet
Orientierung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und
bekräftigt Priorität und Verbindlichkeit des Vorhabens. Das ist
umso wichtiger, je mehr Schnittstellen ein Veränderungsprozess
zu anderen Organisationseinheiten hat: Fehlt die Rückendeckung,
wird das Vorhaben schnell in Frage gestellt und die Erfolgsaussichten schwinden.
Jede Veränderung beinhaltet ein
Risiko. Ein systematisches Veränderungsmanagement kann dazu
Literatur zum Thema
Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Change Management.
Anwendungshilfe zu Veränderungsprozessen in der öffentlichen
Verwaltung, Berlin 2009.
Ideen nach vorn: Können
Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sich aktiv in
den Veränderungsprozess
einbringen, steigt die
Motivation.
Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Praxisleitfaden Projektmanagement, Berlin 2012.
Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Regierungsprogramm
Vernetzte und transparente Verwaltung, Projekt Prozessmanagement, Berlin 2011.
Capgemini Consulting (Hrsg.): Digitale Revolution. Ist Change
Management mutig genug für die Zukunft?, München 2012.
Vitako Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen ITDienstleister (Hrsg.): Einführung der E-Akte. Warum die elektronische Aktenführung nicht geht und die Erde eine Scheibe ist,
Berlin 2014.
beitragen, Veränderungsprozesse zielgerichtet zu steuern und langfristig zu verankern. Eine Erfolgsgarantie ist es aber nicht. Der Mathematiker Georg Christoph Lichtenberg brachte das folgendermaßen auf den
Punkt: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn
es anders wird. Aber so viel kann ich sagen: Es muss anders werden,
wenn es gut werden soll.“
13
Titel
Einführung E-Akte
Umdenken ist g
Die elektronische Akte bringt viele Vorteile mit sich. Dennoch ist ihre flächendeckende
Einführung eine Herausforderung. Das liegt nicht nur an der gewöhnungsbedürftigen
Umstellung auf papierloses Arbeiten – auch organisatorische Aspekte spielen eine Rolle.
E-Akte in der
Kommunalverwaltung
Die Stadt Wilsdruff in
Sachsen führte vor 14
Jahren ein Dokumentenmanagementsystem
ein. Über die Erfahrungen damit referiert
Matthias Martin, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Wilsdruff, bei
der Dataport-Hausmesse am 28. April 2015.
Ein neues IT-System einführen – das klingt primär nach einer technischen Aufgabe. Tatsächlich
bedeutet aber gerade die Einführung eines Dokumentenmanagement- und Vorgangsbearbeitungssystems einen tiefen Einschnitt in die Prozesse
einer Organisation und erfordert ein grundlegendes Umdenken der Beteiligten. Ulla Dreger leitet
das Dokumentenmanagement bei Dataport. Sie begleitet die Einführung der elektronischen Akte in
Schleswig-Holstein und Bremen – und kennt die
Erfolgskriterien für die Umstellung von Papier auf
Technik: „Die größte Herausforderung ist der Faktor Mensch. Für die Einführung der E-Akte müssen die Anwender ihre Arbeitsweise analysieren.
Das ist wichtig, damit wir den Arbeitsablauf im
System elektronisch abbilden und Verbesserungspotenzial identifizieren können. Viele Menschen
erleben dieses oft zeitaufwendige Hinterfragen ihres Handelns aber als Kritik oder Zeitverschwendung – und reagieren mit Widerstand. Das ist eine
Hürde, die wir überwinden müssen.“
Überzeugungsarbeit leisten
Eine weitere Hürde ist die Veränderung der Arbeitsweise durch die E-Akte: Im Büroalltag ohne Papier
auszukommen, bedeutet eine große Umstellung.
Langjährige Routinen müssen aufgegeben, der Arbeitsablauf mit einem neuen System eingeübt werden. Hier sind Überzeugungsarbeit und praktische
Unterstützung gefordert, um den Beteiligten die
Vorteile der E-Akte nahezubringen. Diese zeigen
sich in der Praxis aber in der Regel erst, wenn die
kritische Umstellungsphase abgeschlossen ist und
die neuen Abläufe sich eingeprägt haben.
Ulla Dreger dazu: „Ist diese Phase überwunden,
sind die meisten Anwender von den Vorteilen der
E-Akte überzeugt. Wir sind ehrlich zu den Anwendern und sagen ihnen, dass die Umstellung am
Anfang schwierig ist. Es dauert etwa zwei Monate,
14
bis man sich an die Arbeit mit dem neuen System
gewöhnt hat.“ Während der Einführungsphase
bietet Dataport deshalb an, mit mehreren Mitarbeitern vor Ort zu sein und den Anwendern bei
Fragen und Problemen zu helfen. Das sei effektiver, als wenn diese zunächst beim Support anrufen müssten. Damit das Arbeiten mit dem neuen
System gut von der Hand geht, hat sich außerdem
ein zweiter Bildschirm für die Anwender bewährt:
So wie bislang der Aktenordner im Büro immer in
Griffweite lag, steht auf diese Weise die elektronische Akte permanent zur Verfügung – ohne dass
zwischen den Bildschirminhalten hin- und hergewechselt werden muss. Dadurch fällt es leichter, das Verfahren im Arbeitsalltag konsequent zu
nutzen.
Einheitliches Regelwerk statt Insel­
lösungen
Vor zwei Jahren wurde die Einführung der E-Akte
in Schleswig-Holstein per Kabinettsbeschluss zur
Pflicht erklärt: Bis 2016 soll das Verfahren in allen Ministerien ausgerollt sein. „Die E-Akte hat in
Schleswig-Holstein dadurch ein ganz anderes Gewicht bekommen“, verdeutlicht Ulla Dreger. Der
verbindliche Charakter und die Behandlung des
Vorhabens als übergreifendes Organisationsprojekt
mit einer zentralen Arbeitsgruppe, an der alle Ministerien beteiligt sind, sind starke Treiber und beschleunigen den Veränderungsprozess. Das Ergebnis: Ein einheitliches Regelwerk zur Handhabung
der E-Akte für alle Ministerien statt diverser Insellösungen. Zudem gibt es zentrale Ansprechpartner
für das Vorhaben, die innerhalb der Behörden für
die E-Akte werben. Hierbei hat es sich bewährt,
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Papier- und
elektronische Vorgangsbearbeitung im direkten
Vergleich zu präsentieren. So wird deutlich, wie
das elektronische Verfahren die Arbeit erleichtert.
Titel
gefragt
Standardisierung auch
bei E-Akte möglich
In den Kommunalverwaltungen
hingegen ist die E-Akte noch
nicht sehr weit verbreitet: Zu
viel zeitlicher und finanzieller Aufwand waren bislang mit
der Analyse der abzubildenden
Prozesse verbunden. Mit einem
neuen Ansatz für ein standardisiertes System zur elektronischen Aktenführung soll dies
in Zukunft anders werden. Die
Idee stammt aus Sachsen: Dort
haben sich Landkreise, Gemeinden und Städte in einem Projekt
zusammengeschlossen, um ihre
Verwaltungsaufgaben zu standardisieren und für die elektronische Vorgangsbearbeitung in
Modulen abzubilden.
Kurzfristig einsatzbereit
„Die kommunalen Fachaufgaben
unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland kaum. So
arbeiten zum Beispiel die Einwohnerämter sehr ähnlich. Mit
dem standardisierten System
können 95 Prozent aller kommunalen Fachaufgaben abgebildet
werden“, erläutert Ulla Dreger. Die
E-Akte-Dienste für die kommunalen Fachaufgaben – zum Beispiel Aktenordner durch die Gegend tragen – das war gestern. Mit der E-Akte können Vorgänge elektronisch verteilt, abgelegt und archiviert werden. Foto: Franz Pfluegl – Fotolia
automatisierte
Posteingangsbearbeitung, Bauwesen oder JobCenter – können im Prinzip direkt von jeder Kom- naten bereitgestellt werden und ist im Vergleich
munalverwaltung übernommen werden. Lediglich zu einer individuellen Lösung preisgünstig. „Aldie anzuschließenden Fachverfahren können sich lerdings nur, wenn die Verwaltung den vorgegebenen Standard im Großen und Ganzen übernimmt“,
unterscheiden.
schränkt Ulla Dreger ein. „In der Stadtverwaltung
Die Vorteile der standardisierten E-Akte: Die um- Lübeck wird die E-Akte auf diese Weise bereits
fangreiche Analyse der individuellen Prozesse eingeführt – es funktioniert und die Mitarbeiter
entfällt, das System kann innerhalb von zwei Mo- sind begeistert.“
15
Titel
Interview mit Prof. Dr. Udo Konradt
„Veränderungen sind
Risiken verbunden“
Stehen in einem Unternehmen Veränderungen an, reagieren Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter oft irritiert oder ablehnend. Warum das so ist und wie Veränderungen
konstruktiv gestaltet werden können, erklärt Prof. Dr. Udo Konradt vom Institut für
Psychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Was bedeuten Veränderungen für Menschen
aus psychologischer Sicht?
Veränderungen sind für Menschen grundsätzlich
mit Risiken verbunden. Es ist zunächst unsicher,
ob eine Veränderung negative Folgen hat, die nicht
kontrolliert werden können. Gefühle alarmieren
uns dann, lenken unsere Aufmerksamkeit auf das
Problem und setzen Energie frei. Prinzipiell tun
sich Mitarbeiter aber nicht schwer mit Veränderungen im Arbeitsumfeld. Änderungen, die kontrollierbar oder gewünscht sind – wie zum Beispiel
die Vereinfachung von Arbeitsprozessen oder die
Flexibilisierung von Arbeitszeiten – werden in der
Regel unterstützt. Anders ist es mit weitreichenderen Änderungen, die möglicherweise gravierende
negative Auswirkungen besitzen: Diese müssen
von Seiten des Managements gut vorbereitet und
begleitet werden, um erfolgreich zu sein.
Prof. Dr. Udo Konradt
leitet die Arbeitseinheit
Arbeits- und Organisationspsychologie an der
Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel. Er
studierte in Bielefeld und
Bochum. Sein Forschungsinteresse gilt u.a. den Themen Electronic Human
Resource Management
und E-Learning.
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Wie kann das aussehen?
Für kleinere Veränderungsmaßnahmen – wie
etwa die ergonomische Umgestaltung des Arbeitsplatzes – gilt, dass Pläne rechtzeitig angekündigt
werden sollten. Außerdem sollten die Gründe für
Veränderungen und der Veränderungsprozess
durchsichtig und nachvollziehbar sein und die
Mitarbeiter beteiligt werden – nicht nur durch die
Personalvertretung. Umfassende Veränderungsmaßnahmen, wie zum Beispiel die Restrukturierung von Unternehmen, sind weniger gut zu kontrollieren. Aus organisationstheoretischer Sicht
sollten solche Maßnahmen mit einem speziellen
Übergangsmanagement begleitet werden. Dazu
zählen Steuerungsgruppen, Beiräte und externe
Beratungen. Sie können dabei helfen, Konflikte
konstruktiv zu begleiten und Eskalationen zu kontrollieren. Zudem werden auf diese Weise gestaltete Prozesse in aller Regel besser akzeptiert und
erweisen sich somit als effizienter.
Welche Probleme können im Rahmen von Veränderungsprozessen entstehen?
Prinzipiell kann eine Vielzahl von Problemen auf unterschiedlichen Ebenen entstehen. Für das Management entstehen beispielsweise Konflikte hinsichtlich kurz- und langfristiger Gewinne und Verluste
sowie strategischer und operativer Ziele. Arbeitnehmer erleben Verteilungskonflikte in Bezug auf die erlebte Gerechtigkeit. Schließlich entstehen Spannungen zwischen den Ebenen durch unterschiedliche
Ansichten und Auffassungen zu Sachfragen.
Inwiefern wirkt sich die Unternehmenskultur
auf das Gelingen von Veränderungen aus?
Die Unternehmenskultur ist die Menge von in
einer Organisation geteilten Handlungsmustern,
Überzeugungen und Werten. Sie wird durch Veränderungen beeinflusst und verändert. Eine Unternehmenskultur, die sich den Prinzipien der
Transparenz, Beteiligung und Fairness verpflichtet, hat günstigere Voraussetzungen für einen effektiven und effizienten Veränderungsprozess. Im
besten Fall kann dadurch die Unternehmenskultur gestärkt werden.
Die Beziehung zum Arbeitgeber ist in der öffentlichen Verwaltung zumeist stärker von Loyalität,
Arbeitsplatzsicherheit und planbaren Karriereaussichten geprägt als in der Privatwirtschaft –
dies sollte als ein Vorteil bei Veränderungsmaßnahmen genutzt werden.
Haben Veränderungsprozesse für den beruflichen Alltag heute eine größere Bedeutung als
früher?
Meines Erachtens sind gravierende Veränderungen im Beruf heute häufiger anzutreffen als früher. Auch sind die Folgen von Veränderungen oft
weitreichender.
Titel
grundsätzlich mit
Benötigen Arbeitnehmer vor diesem Hintergrund andere Schlüsselqualifikationen als vor
20 Jahren?
Heute geht man davon aus, dass Arbeitnehmer
ihren eigenen Marktwert erhalten und steigern
sollten. Damit sind Fähigkeiten, Fertigkeiten
und Kenntnisse gemeint, die firmenübergreifend
für Arbeitgeber attraktiv sind. Neben fachlichen
Qualifikationen zählen dazu Kompetenzen und
Ressourcen, die sich auf Stressreduzierung und
Stressbewältigung beziehen. Dazu gehören zum
Beispiel die Fähigkeit und Bereitschaft, Ungewissheit auszuhalten, eine hohe Belastbarkeit sowie
emotionale Stabilität. Vorausgesetzt werden heute
vermehrt auch Selbstverantwortlichkeit und Autonomiestreben. Eine weitere Kompetenz ist die
Fähigkeit, sich die eigenen Stärken und Schwächen einzugestehen und persönliche Werte und
Ziele durch Selbstreflektion zu klären.
Achtung, Baustelle:
Veränderungen gehören
zum Arbeitsleben dazu –
heute mehr denn je.
Foto: Robert Kneschke –
Fotolia
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Unter Partnern
Neuer Webservice für Fahrzeughalter
Schnell abgemeldet:
Erster Schritt zum OnlineDreizehn Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein sowie der Landesbetrieb Verkehr
in Hamburg nutzen einen Online-Dienst, den Dataport in ihrem Auftrag entwickelt
hat. Die Abmeldung von Kraftfahrzeugen im Internet ist dabei der erste Schritt auf
dem Weg zum vollständigen Kraftfahrzeug-Online-Service.
Online-KfzWesen
Das Online-Kraftfahrzeug-Wesen soll die
Kfz-Zulassung für Bürger und Verwaltung effizienter, flexibler und
zeitsparender gestalten. Seit Januar 2015
sieht eine Änderung
der
Fahrzeugzulassungsverordnung des
Bundes die Möglichkeit der Online-Abmeldung verbindlich
vor. Kommunen ohne
eigenen
Kfz-OnlineDienst können das
zentrale
InternetPortal des KraftfahrtBundesamtes
(KBA)
noch bis zu dessen
Abschaltung Anfang
2016 nutzen. Die technischen Schnittstellen
des KBA bleiben darüber hinaus erhalten.
Spätestens dann müssen die Kommunen
den
entsprechenden
Online-Service selbst
vorhalten.
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Heutzutage erkennen Autos Staus und parken sogar selbstständig ein. Was sie den Autobesitzern
nicht abnehmen können, ist die Zulassung des
Kraftfahrzeugs (Kfz). Bislang mussten Bürgerinnen und Bürger die zuständige Kfz-Zulassungsstelle persönlich aufsuchen, um ihr Fahrzeug
an-, um- oder abzumelden. Eine Änderung im
Kfz-Wesen macht diese Zulassungsvorgänge jetzt
stufenweise auch online möglich. Die erste Stufe
wurde zum Jahresanfang 2015 erreicht: Seitdem
sieht eine Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung des Bundes die Möglichkeit der OnlineAbmeldung verbindlich vor. Im Auftrag von dreizehn Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein
und dem Landesbetrieb Verkehr in Hamburg hat
Dataport hierfür einen Online-Dienst entwickelt
und stellt die Infrastruktur für den Betrieb bereit.
Der Service ist sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Autoverleiher und Betriebe über
die jeweiligen Landesportale im Internet verfügbar.
Fahrzeug vom Sofa aus abmelden
Möglich wird die Online-Abmeldung durch neue
Stempelplaketten für Kfz-Kennzeichen. Seit dem
1. Januar 2015 werden sie bei der Zulassung neuer Autos, Motorräder oder Anhänger ausgegeben.
Das Besondere: Die runden Aufkleber mit Wappen
des jeweiligen Bundeslandes und Namen der Zulassungsstelle enthalten eine spezielle Siegelung.
Dahinter verbirgt sich ein Sicherheitscode. Auch
die Zulassungsbescheinigung Teil I hat ein Feld
mit verdecktem Code. Wer sein Kraftfahrzeug
außer Betrieb setzen will, muss zunächst die
Sicherheitscodes von Kennzeichen und Zulassungsbescheinigung freilegen. Soll das Fahrzeug
von zu Hause aus abgemeldet werden, muss der
Antragsteller die eigene Identität mit seinem elektronischen Personalausweis nachweisen und die
Sicherheitscodes samt Kennzeichen in ein Online-Formular eintragen. Die Verwaltungsgebühr
bezahlt der Fahrzeughalter über ein ePaymentSystem. Dabei kann er zwischen Online-Überweisung, Kreditkartenzahlung oder Lastschrift wählen. Gibt der Halter im Online-Antrag ein eigenes
DE-Mail-Postfach an, wird ihm der Bescheid über
die Abmeldung auf elektronischem Weg zugestellt. Ansonsten verschickt die Zulassungsstelle
diesen per Post.
Was zunächst kompliziert klingt, ist tatsächlich
eine Erleichterung. Bundesweit werden jährlich
rund 25 Millionen Transaktionen in den Kfz-Zulassungsstellen abgewickelt. Fahrzeughalter im
privaten und geschäftlichen Bereich können sich
den Weg zur Zulassungsstelle jetzt sparen und
entlasten so auch die Verwaltung. Die Kooperation der Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein
und Hamburg steigert zusätzlich die Effizienz des
Verwaltungsverfahrens: So teilen sich die Beteiligten die Kosten für die gemeinsame technische
Infrastruktur, für den ePayment-Provider und für
den Serviceprovider, der den eID-Service für die
Authentifizierung mit dem elektronischen Personalausweis abwickelt. Der projektverantwortliche
IT-Berater Wolfgang Fey freut sich über die Vorteile der gemeinsamen Lösung. Der E-GovernmentExperte von Dataport betont: „Maßgebend für den
Erfolg in Schleswig-Holstein war die enge Zusammenarbeit von Städteverband, Wirtschaftsministerium und Staatskanzlei sowie dem Kommunalen
Forum für Informationstechnik.“
Sicher online ausweisen
Der eID-Service hat eine Schlüsselfunktion bei den
Zulassungsvorgängen im Internet. Hintergrund
sind die hohen Sicherheitsanforderungen an den
Zulassungsvorgang und die Zulassungsbehörden.
Unter Partnern
Kraftfahrzeugwesen
Seit Jahresbeginn können Fahrzeuge bundesweit online abgemeldet werden. Bis 2017 soll auch die An- und Ummeldung per Internet
möglich sein.
Als Service-Partner hat sich die Bundesdruckerei
in einer deutschlandweiten Ausschreibung qualifiziert. Dataport hat den Service ausgeschrieben
und für Schleswig-Holstein erstmals ein sogenanntes Bürgerkonto im Schleswig-Holstein-Gateway eingerichtet. Dabei handelt es sich um einen
Dienst, der die elektronischen Personalausweisdaten ausliest und sie einmalig an das Fachverfahren
überträgt (temporäres Bürgerkonto). Wahlweise
können Bürgerinnen und Bürger ihre Ausweisdaten für weitere Online-Anträge dauerhaft in einem
Profil hinterlegen (permanentes Bürgerkonto). Die
Mittlerfunktion bei der elektronischen Identifikation sorgt für einen zuverlässigen Schutz. Das ist
wichtig, denn mit der Registrierung von Fahrzeug
und Halter werden persönliche Daten des An-
tragstellers übertragen. Die Registrierung ist von
allgemeinem Interesse: Sie hilft unter anderem
dabei, Beteiligte von Unfällen zu ermitteln und
entstandene Schäden abzuwickeln.
Kfz-Wesen bald komplett online
Auf dem Weg zur durchgehend internetbasierten
Fahrzeugzulassung ist der Service zur OnlineAbmeldung erst der Anfang. Bisher können nur
Fahrzeuge online abgemeldet werden, die nach
dem 1. Januar 2015 zugelassen wurden. In zwei
Jahren sollen Fahrzeuge dann komplett online ab-,
an- und umgemeldet werden können – noch bevor
uns selbstfahrende Autos auf deutschen Straßen
überholen.
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Modern verwalten
Bürgerbeteiligung mit Serious Games
3D-Baukasten für den
Bürgerbeteiligung spielerisch gestalten: Forscher der Technischen Universität Darmstadt haben in einem Projekt mit der Stadt Darmstadt ein Computerspiel entwickelt,
das zur Stadtgestaltung in kommunale Bürgerbeteiligungsprozesse integriert werden
kann. Das Ziel: vor allem Jugendliche und junge Menschen ansprechen und dazu motivieren, sich bei Beteiligungsprojekten einzumischen.
Die Autoren
Matthias Bastian ist
für die Öffentlichkeitsarbeit des Fachgebiets
Multimedia
Kommunikation
an
der TU Darmstadt zuständig. Viktor Wendel leitet das Projekt
Serious Games. Stefan
Göbel ist Leiter des
Forschungsgebiet Serious Games.
Politik ist für viele Jugendliche und junge Menschen kein besonders spannendes Thema mehr.
Die statistische Auswertung der letzten Bundestagswahl zeigt: Die Wahlbeteiligung der 18- bis
30-Jährigen ist unterdurchschnittlich. Erst ab 40
Jahren steigt die politische Anteilnahme und ist
insbesondere bei den Altersgruppen jenseits 65
Jahren besonders stark ausgeprägt. Im Klartext:
Die politische Einflussnahme älterer Generationen steigt. So besteht das Risiko, dass die Bedürfnisse junger Menschen auf der Strecke bleiben.
Der demografische Wandel intensiviert diese Entwicklung.
Politik fängt aber nicht auf der Bundesebene an,
sondern in den Städten und Gemeinden. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an gemeinschaftlichen Prozessen spielt hier eine wesentliche Rolle. Die zentrale Frage: Wie kann man
jungen Menschen wieder das Gefühl geben, dass
sie sich in die Gesellschaft einbringen können,
um sie so frühzeitig für politische Beteiligung zu
begeistern? Und umgekehrt: Wie schafft man Verständnis für Entscheidungen der Politik, gerade
bei Jugendlichen?
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Die Stadt Darmstadt geht gemeinsam mit dem
Fachgebiet Multimedia Kommunikation der Technischen Universität Darmstadt (TUD) und dem
httc e.V innovative Wege, um junge Menschen zu
aktivieren und diese zum Mitmachen zu bewegen.
Httc steht für Hessisches Telemedia Technologie
Kompetenz-Center, ein am Fachgebiet angesiedelter Verein zur Förderung von Wissenschaft und
Bildung im Gebiet der Multimedia-Technologie.
Halfpipes mit den Freunden teilen
Der Lösungsansatz: Um mit jungen Menschen
ins Gespräch zu kommen, müssen Medien eingesetzt werden, die junge Menschen auch nutzen
wollen. Unter dieser Prämisse wurde das Serious
Game „UrCity“ konzipiert, bei dem spielerische
Elemente mit bekannten Funktionen aus sozialen
Netzwerken kombiniert wurden. Serious Games
bezeichnet digitale Spiele für Computer, Smartphone, Tablet oder Konsole, die in einem ernsthaften Kontext eingesetzt werden. Beispielsweise
beim Lernen in der Aus-, Weiter- und Fortbildung,
aber auch in der Altenpflege oder bei der Therapie
von stark übergewichtigen Kindern. Sie machen
Spaß und bringen Senioren, Erwachsenen, Jugendlichen oder Kindern Freude – so dass selbst
anspruchsvolle oder anstrengende Aufgaben mit
spielerischer Leichtigkeit gemeistert werden.
UrCity ist eine Online-Plattform, über die Jugendliche zusammenarbeiten können und bei der
Gestaltung von Spielplätzen, Skater-Parks oder
dergleichen ihrer Kreativität freien Lauf lassen
können. Ähnlich wie bei einem LEGO- oder Minecraft-Spiel können junge Menschen in einem
3D-Baukasten gemeinsam Vorschläge ausarbeiten, wie städtische Flächen, die zum Beispiel jetzt
noch Brachflächen sind, in Zukunft genutzt oder
Modern verwalten
en neuen Skater-Park
umgestaltet werden können. Mit
dem Baukasten ist es möglich,
Landschaften, Gebäude oder
Spielgeräte und viele andere Objekte zu erstellen, zum Beispiel
Halfpipes.
Die Nutzer können über diese
Plattform komplexe Objekte, die
sie für die zu gestaltende Fläche
erstellt haben, abspeichern, teilen und wiederverwenden. Sie
können ihre Lösungen Freunden
und Bekannten mitteilen, gegenseitig bewerten und gemeinsam
weiterentwickeln. Die OnlinePlattform bietet außerdem umfangreiche Verwaltungsfunktionen, um einfach und intuitiv
neue Projekte – inklusive deren
Integration in Google Maps –
Bilder, Beschreibungen und
Kostenangaben zu erstellen und zu bearbeiten.
Die Konzepte und Entwürfe können die Spieler
dann gemeinsam ansehen, vergleichen und bewerten. Im Anschluss können auch die verantwortlichen Stadtplaner ein fachmännisches Auge
darauf werfen und schauen ob einer der Entwürfe
umgesetzt werden kann. Kriterien für die Umsetzung der Vorschläge sind Sicherheit, Statik oder
auch die Kosten.
Brachfläche spielerisch mit Leben füllen
Während der Projektlaufzeit 2013/2014 wurden
wissenschaftlich-technische,
psychologische,
ethisch-rechtliche und anwendungsspezifische
Aspekte untersucht, um so zu signifikanten Ergebnissen hinsichtlich der möglichen späteren
Akzeptanz und Nutzbarkeit der UrCity-Plattform
zu kommen. Das Ergebnis: Der UrCity-Ansatz ist
sehr vielversprechend. Durch die Verbindung
existierender Bürgerbeteiligungsprozesse mit
Spieletechnologien und -konzepten können umfangreiche Gestaltungsvorschläge für die Um-
wandlung von Brachflächen erarbeitet werden.
Diese können dann von Stadt und Stadtplanern in
realen Planungs- und Umsetzungsprozessen berücksichtigt und nach fachlicher Prüfung umgesetzt werden. Die Stadt Darmstadt stellt sich damit
der prinzipiellen Aufgabe, junge Bürgerinnen und
Bürger, Stadtverwaltung und kommunale Politik
zusammenzubringen. Das freut Projektleiter Viktor Wendel: „Die Idee hinter UrCity ist, dass junge Menschen sich stärker in die Gemeinden und
Kommunen einbringen und deren Zukunft mitgestalten. Dafür braucht es konkrete Beteiligungsmöglichkeiten an Themen, die sie selbst betreffen,
über ein Medium, das sie verstehen und einsetzen
können und wollen. Wir freuen uns, dass die jungen Menschen in Darmstadt UrCity gut angenommen haben.“
Spielt er noch oder plant
er schon? Computerspiele können auch für die
Stadtplanung eingesetzt
werden – zum Beispiel um
auch jüngere Menschen
zum kreativen Mitmachen
bei Bürgerbeteiligungsprojekten zu motivieren.
Foto: jackfrog – Fotolia
Der Abschlussbericht „Bürgerbeteiligung 2.0 –
Serious Games und Social Media als IT-gestützte
Anreizsysteme für die ‚Piraten‘-Generation“ steht
zum Download bereit unter: www.isprat.net
21
Report
Wahlnacht in Hamburg
Ein Sieger, viele Zah
Menge IT
Ob Bürgerschafts-, Bundestags- oder Europawahl: Dataport unterstützt die Hansestadt
Hamburg seit 2004 mit IT bei der technischen Umsetzung von Wahlen. Die dafür notwendige Infrastruktur wird von Technikern bereitgestellt, ein Projektteam koordiniert Planung und Umsetzung. Datareport hat das Team bei der diesjährigen Bürgerschaftswahl
begleitet.
Der Wahlsieger stand lange vor
der ersten Prognose fest. Dass
Olaf Scholz (SPD) als Erster Bürgermeister Hamburgs weiterregieren würde, war seit vielen
Wochen klar. Offen blieb nur,
ob alleine oder in Koalition mit
den Grünen. Gegenspieler Dietrich Wersich (CDU) hatte zuletzt
noch einmal alles in die Waag-
Läuft alles störungsfrei? Die Projektmanager Dirk Wellmann (l.) und Stefan Lamprecht
beobachten mit Vorstand Andreas Reichel im Wahlzentrum die Übertragung der
Ergebnisse.
Zahlen und Fakten zur Bürgerschaftswahl 2015
in Hamburg
Wahlbeteiligung insgesamt: 56,5 %
Höchste Wahlbeteiligung (Stadtteil): Wohldorf-Ohlstedt (76.7%)
Niedrigste Wahlbeteiligung (Stadtteil): Billbrook (26,3%)
Anzahl der Briefwähler: 30,9%
Anteil ungültiger Stimmen: 3,0%
Kandidatenstimmen: 47%
Anzahl aller Wahlkreuze: 3,5 Millionen
Personenstimmen für Olaf Scholz: 735.737
Personenstimmen für Dietrich Wersich: 134.584
Wahlhelfer im Einsatz: 14.300
22
schale geworfen. Am Ende vergeblich.
Am Wahlabend. Das hektische
Treiben in der großen Halle
des Congress Centers Hamburg
(CCH) ist urplötzlich vorbei.
Stille. Nur gelegentlich ist leises Gemurmel in den Studios
der Fernseh- und Radiosender zu hören. In den schmalen
Gängen dazwischen: TV-Teams
mit Kameras auf der Schulter,
Fotografen mit Kameras im Anschlag und Regieassistenten mit
Kopfhörern am Ohr – alle halten
inne. Es ist kurz vor 18 Uhr. Die
Blicke richten sich auf die Bildschirme, die an jeder Ecke aufgebaut sind. Punkt sechs wird es
laut: Die erste Prognose zur Bürgerschaftswahl 2015 in Hamburg wird verkündet.
IT für das Medienzentrum
Eine Etage höher im deutlich
kleineren Wahlzentrum der
Landeswahlleitung sind die gerade verkündeten Zahlen für
Stefan Lamprecht und Dirk
Wellmann nur Nebensache.
Die beiden Projektmanager interessiert vielmehr, dass die
gesammelten Stimmen aus den
Auszählzentren störungsfrei ins
CCH übermittelt werden. Zahlen aus insgesamt 1.780 Wahlbezirken in Hamburg. Nur wenn
Report
len und jede
alles störungsfrei läuft, kann
Landeswahlleiter Willi Beiß –
wie geplant – spätestens um 23
Uhr den Medienvertretern das
Ergebnis präsentieren.
Stefan Lamprecht und Dirk
Wellmann erleben bislang einen
ruhigen Wahlsonntag. Das war
in den Wochen und Monaten
zuvor anders. Sieben bezirkliche
Wahlgeschäftsstellen, 14 bezirkliche Wahldienststellen, sechs
Auszählzentren und das Medienzentrum im CCH mussten mit
jeder Menge IT ausgestattet werden. Insgesamt 276 ComputerArbeitsplätze wurden in ganz
Hamburg aufgebaut, allein 22 im
Medienzentrum. Auch im neuen
Rechenzentrum hatten die beiden Projektmanager frühzeitig
wichtige Vorkehrungen zu treffen. Änderungen an Verfahren
oder Infrastrukturen, wie zum
Beispiel Softwareaktualisierungen auf Kunden-Rechnern, durften nicht auf den Wahlsonntag
gelegt werden, um Störungen im
Arbeitsablauf der Wahlhelfer zu
vermeiden. Das Einspielen von
Updates in die Systeme ist sonst
ein übliches Vorgehen am Wochenende.
Der Mann der Stunde:
Olaf Scholz
„Bisher läuft alles glatt. In den
meisten Fällen mussten nur kleinere Anmelde- oder AccountProbleme behoben werden“, sagt
Dirk Wellmann, der mit Stefan
Lamprecht das Beheben der Störungen koordiniert. Rund 20
kleinere Vorfälle werden es am
Ende sein. „Für ein Ereignis wie
eine Bürgerschaftswahl kaum
der Rede wert“, so Lamprecht.
Vom technischen Support im
Hintergrund wissen die Medienvertreter der TV- und Radiosender im Erdgeschoss kaum etwas.
Müssen sie auch nicht, für sie
zählen nur das nächste Interview und die nächste Live-Sendung. Immer häufiger huschen
nun bekannte Politiker durch
die Menge, ein wortgewandter
Anwalt aus Kiel ist genauso gefragt wie der Bundesvorsitzende
der Grünen. Schnell wird das
Mikrofon gezückt, der Fragebogen abgearbeitet. Danach noch
ein Foto für die Agentur – und
schon zupft der nächste Journa-
list am Jackett des Zielobjekts.
Um 18.30 Uhr blickt Willi Beiß
auf seinen Computer: Neun grüne Haken sind dort zu sehen,
jeder hinter einem ausgezählten Wahlbezirk. Noch fehlen
1.771 Bezirke, kenntlich gemacht
durch rote Kreuze. Für den Landeswahlleiter, der die Wahl organisiert und überwacht, ist es die
elfte und zugleich letzte Wahl
– seit 2004 hat er den Posten in
der Elbmetropole inne. Deutlich
kürzer ist die Amtszeit von Olaf
Scholz als Erster Bürgermeister
Hamburgs. 2011 übernahm der
SPD-Politiker das Ruder in der
Hansestadt und wird es auch in
den kommenden fünf Jahren in
der Hand behalten. Zu groß ist
der Vorsprung zu Herausforderer
Dietrich Wersich – obwohl die
Der alte und neue Erste
Bürgermeister Hamburgs:
Olaf Scholz (SPD).
23
Report
Nach den ersten Hochrechnungen gibt Olaf
Scholz das erste Fernsehinterview.
18-Uhr-Prognose der Meinungsforschungsinstitute nur auf Ergebnissen einer zufälligen Befragung
von Wählern nach dem Verlassen des Wahllokals
basiert.
In der Maske eines lokalen Hamburger TV-Senders wird dem Sprecher das Gesicht gepudert, der
Duft edler Parfüms begleitet Männer in dunklen
Anzügen und Frauen mit eleganten BusinessKostümen. Vom Eingangsbereich bewegt sich eine
große Menschentraube in Richtung eines der TVStudios. Blitzlichter flackern auf, ein Fotograf gerät beim Rückwärtslaufen beinahe ins Stolpern.
Inmitten der Menge läuft Olaf Scholz gutgelaunt
zum Studioeingang. Zwei Männer mit breitem
Kreuz, kurzen Haaren und ernster Miene verwehren dem nicht bestellten Gefolge den Zutritt.
Während der Bürgermeister vor die Kameras tritt,
bringen sich gut zwei Dutzend Fotografen vor der
Absperrung in Stellung. Zwei Geübte klettern wackelige Klappleitern hinauf, die anderen rangeln
Schulter an Schulter um die beste Position. Viel
Zeit für den perfekten Schuss bleibt nicht, nach
wenigen Minuten ist das Gespräch mit dem Wahlsieger schon wieder vorbei.
Mittlerweile ist es kurz nach acht. Willi Beiß und
die Mitarbeiter vom Statistikamt analysieren im
Wahlzentrum die einlaufenden Zahlen und vergleichen sie mit den Fernseh-Prognosen, die auf
stichprobenartigen Umfragen basieren. Das Zwischenergebnis weicht davon noch immer ab, bei
den kleineren Parteien zum Teil um mehr als einen Prozentpunkt. Doch es wird umso valider, je
24
Gleich geht's los: Letzte Vorbereitungen hinter den Kulissen
eines lokalen TV-Senders.
mehr Ergebnisse aus den Bezirksämtern per Computer übermittelt werden. Zum ersten Mal wird
eine mögliche Sitzverteilung durchgerechnet. Die
bisherige „Alleinherrschaft“ des Amtsinhabers
erscheint trotz des deutlichen Wahlsieges immer
unwahrscheinlicher.
Schnelle Wahlhelfer, schnelle Ergebnisse
20.38 Uhr: Die Spannung der ersten Stunde ist
längst verflogen, sowohl bei den Protagonisten vor
als auch hinter der Kamera. Im Wahlzentrum bei
Stefan Lamprecht und Dirk Wellmann ist deutlich
zu spüren, dass technisch alles nach Plan läuft.
So sind bereits jetzt die Zahlen von mehr als 1.400
Wahlbezirken übermittelt worden. Gelegenheit für
einen nicht mehr ganz brühfrischen Kaffee aus
der Thermoskanne und ein belegtes Brötchen mit
Report
Salami. Von den anderen Arbeitsplätzen sind jetzt
häufiger Meldungen zu hören wie „Harburg ist
komplett“ und „in Mitte fehlen nur noch elf“. Im
Minutentakt laufen die Ergebnisse ein. Schließlich fehlen nur noch Zahlen aus Altona und
Hamburg-Nord. Eine Randnotiz für Willi Beiß,
der sich freut, dass alle Ergebnisse deutlich vor
Plan übermittelt werden konnten: „Die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer haben rasch ausgezählt.
Auch bei der Übermittlung der Zahlen ist alles
glatt gelaufen. Projektplaner und IT-Techniker haben gute Arbeit geleistet.“ Ein Wermutstropfen für
den Landeswahlleiter ist die Wahlbeteiligung: Die
geringste aller Zeiten, wenn auch nur um 0,4 Prozentpunkte niedriger als vor vier Jahren.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Nach der offiziellen Ergebnisbekanntgabe durch
Beiß beginnen viele Radio- und TV-Sender mit dem
Abbau, ein Privatsender aus Luxemburg ist schon
abgereist. Vereinzelt bereiten sich Moderatoren auf
die letzte Sendung vor. Ihre Augen sind müde. Mitarbeiter eines großen Hamburger Radiosenders sitzen nicht weit entfernt in gelöster Atmosphäre auf
Holzbänken und nippen an Kaffee, Tee und Wasser, während um sie herum emsig zusammengepackt wird. Erschöpfte, aber zufriedene Gesichter.
Smalltalk kurz vor Mitternacht. Wenig Schlaf auch
für die Techniker, die bis Montagvormittag Zeit
haben, alle IT-Arbeitsplätze im CCH abzubauen.
Stefan Lamprecht: „Danach sind die Auszählzentren dran. Sie müssen in den nächsten zwei bis drei
Tagen zurückgebaut werden. Bei den Wahldienstund Wahlgeschäftsstellen ist es zeitlich nicht so
kritisch, da dort Nachprüfungen stattfinden. Für
diese haben wir etwa eineinhalb Wochen Zeit.“ Einen Tag später wird auch dort nichts mehr an die
Wahl erinnern.
So wurde in Hamburg gewählt
Ergebnis 2015
SPD: 45,6%
CDU: 15,9%
Grüne:12,3%
Linke: 8,5%
FDP: 7,4%
AfD: 6,1%
Piraten:1,6%
Sonstige: 2,6%
Ergebnis 2011
48,4%
21,9%
11.2%
6,4%
6,7%
keine Bet.
2,1%
3,4%
Hintergrund: Hamburger Wahlrecht
Das Hamburger Wahlrecht wurde zwischen
2004 und 2014 grundlegend verändert. Bis 2004
galt eine reine Listenwahl. Seitdem ist Hamburg in 17 Wahlkreise aufgeteilt worden, in
denen jedoch nicht jeweils ein einzelnes Mandat vergeben wird, sondern drei bis fünf. Außerdem können die Wähler durch Vergabe von
jeweils fünf Personenstimmen auch die Reihenfolge der Vorschlagslisten der Parteien verändern. Das gilt sowohl für die Landesliste als
auch die Wahlkreislisten. In Hamburg hat der
Wähler aber nicht nur fünf Personenstimmen,
sondern auch fünf Listenstimmen, die er entweder einer einzelnen Partei geben oder auch
auf verschiedene Parteien verteilen kann. Das
komplizierte Wahlrecht – bereits 2009 wurde
auf diese Weise gewählt – bedeutet auch für die
Wahlhelfer viel Arbeit. So mussten diese nicht
nur einen Stimmzettel ansehen, sondern jedes
Mal ein ganzes Heft, um zu ermitteln, ob die
abgegebene Stimme überhaupt gültig ist.
Landeswahlleiter Willi Beiß analysiert an einem von Dataport bereitgestellten Arbeitsplatz die einlaufenden Zahlen.
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Hausmesse
Dataport Hausmesse 2015
„Zukunft mITgestalten“
Die Verwaltungs-IT von morgen steht im Zentrum der siebten Dataport Hausmesse in
Hamburg-Schnelsen am 28. April 2015. Drei Themenwelten, vier Fachforen und ein Vortragsprogramm mit 45 Referenten informieren die Besucherinnen und Besucher über
Entwicklungen in der IT und im E-Government.
Die öffentliche Verwaltung steht vor Herausforderungen: Knappe Finanzbudgets und ein durch
den demografischen Wandel bedingter Mangel an
Fachkräften verringern den Gestaltungsspielraum
von Ämtern und Behörden. Gleichzeitig fordern
die Bürger einen hochwertigen und auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Service.
IT-Anwendungen und Programme unterstützen
die Verwaltung dabei, diesen Anforderungen auch
zukünftig gerecht zu werden. Auf der diesjährigen Hausmesse präsentiert Dataport deshalb unter
dem Motto „Zukunft mIT gestalten“ verschiedene
Lösungen für eine moderne und effiziente Arbeitsgestaltung.
lung digitaler Datensammlungen bis hin zur sicheren Verwahrung von E-Akten. „Technik zum Anfassen“ gibt es am Stand für BOS-Funk: Dort führt
T-Systems an einem Funkstreifenwagen vor, wie
mobiles Arbeiten im Polizeieinsatz funktioniert.
Von Connected Car bis E-Government
Insgesamt 45 Referenten sprechen unter anderem über zukünftige Entwicklungen im Bereich
E-Government und stellen Einsatzmöglichkeiten
von IT-Anwendungen vor. So wagt Prof. Dr. Frank
Köster vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt unter dem Titel „Connected Car – kooperative und automatisierte Straßenfahrzeuge
von morgen“ einen Blick auf den Straßenverkehr
der Zukunft, während Lena-Sophie Müller von
der Initiative D21 in ihrem Vortrag „eGovernment
für Smart City und Smart Country – der Bürger im
Fokus“ über die Potenziale von E-Government in
ländlichen Gebieten referiert.
Foren für Fachdialoge
Die MesseHalle in
Hamburg-Schnelsen öffnet am 28. April 2015 ihre
Pforten für die Besucherinnen und Besucher der
Dataport Hausmesse.
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In den drei Themenwelten „Fachdienste“, „Kommunikation und Sicherheit“ und „Verwaltungsdienste“ können sich Besucherinnen und Besucher
an mehr als 50 Themeninseln zu den einzelnen
Fachanwendungen und Dienstleistungen informieren und von Dataport und seinen Partnern vor
Ort beraten lassen. An einem eigenen Stand zeigt
Dataport zum Beispiel verschiedene Aspekte der
elektronischen Aktenführung – von der Übermitt-
Wer Gelegenheit zum intensiven Austausch sucht,
findet diese in den vier Fachforen, die parallel
zu Vortragsprogramm und Themenwelten auf
der Messe stattfinden: Das Personal-Forum beschäftigt sich mit verschiedenen Strategien zur
Sicherung von Fachkräften in der Verwaltung.
Im Fachforum Polizei wird über die Perspektiven
eines gemeinsamen DataCenters diskutiert. Im
Anwenderforum für SAP und im OK.FIS-Forum
haben Besucher die Möglichkeit, sich über ihre
Erfahrungen mit der jeweiligen Software auszutauschen. Mehrere Fachvorträge geben außerdem
einen Einblick in die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der Programme.
Weitere Informationen zur Hausmesse erhalten Sie
unter www.dataport.de.
MesseHalle Hamburg-Schnelsen
Modering 1a, 22457 Hamburg
27
www.dataport.de
Hausmesse
IuK-Forensik
Mit IT auf Spurensic
Wenn es darum geht, von Polizei oder Steuerfahndung beschlagnahmte Rechner, Smartphones oder Navigationsgeräte auswerten, schlägt die Stunde der IuK-Forensik. Bei Dataport gibt es hierfür eine eigene Gruppe, die mit innovativer Technik die Arbeit der
Strafverfolgungsbehörden unterstützt.
Eher unscheinbar steht der Forensic Cube auf dem
Schreibtisch im Labor der IuK-Forensik von Dataport in Bremen. Daneben stehen Computer und
Monitore, in den Regalen liegen Smartphones und
Festplatten. Der Forensic Cube – so unauffällig er
wirkt – hat technisch einiges zu bieten. Als mobiles System mit Touchscreen wird er von den Computerforensikern für die Beweisaufnahme im Feld
eingesetzt, hauptsächlich zur Steuerfahndung in
Norddeutschland.
Matthias Scheele am
Forensik Cube: Das Speichervolumen des Cubes
umfasst vier Festplatten
in einer Größe von je
einem Terabyte.
28
Matthias Scheele ist fachlicher Leiter des Teams
IuK-Forensik bei Dataport. Als IT-Fahnder arbeitete er schon, bevor die Vorgängerorganisation
„fidatas“ 2007
durch
Dataport übernommen
wurde.
„Was mir an
meinem Beruf
gefällt, ist die
Abwechslung
– wie zum Beispiel
immer
wieder neue
Menschen und
Örtlichkeiten
ken nenzulernen“, sagt Scheele, der seine berufliche Laufbahn
1997 bei der Oberfinanzdirektion Bremen begann.
Bis vor kurzem war sein Job nahezu eine OneMan-Show, denn Matthias Scheeles „Gruppe“ bestand nur aus ihm. Lediglich bei umfangreicheren
Aufgaben bekam er Unterstützung aus anderen
Abteilungen. Jetzt stehen ihm mit Carolin Güldner und Janne Ropers zwei neue Kolleginnen zur
Seite. Janne Ropers stieß über eine Ausbildung bei
Dataport und den Field Service im Mai 2014 zur
IuK-Forensik. Carolin Güldner arbeitete bis Au-
gust 2014 in Bremen als Polizistin. Nach einem
Fernstudium entschied sie sich für einen Wechsel
zur Forensik.
Gelöschte Daten sind nicht vernichtet
Während sich die ehemalige Polizistin um ein
neues Forensik-Projekt kümmert, hat sich Janne
Ropers auf Mobilfunk spezialisiert. Eines ihrer
Werkzeuge ist der mobile Cellebrite UFED Touch
(Universal Forensic Extraction Device). Mit diesem können die verwertbaren Daten von Handys
und Smartphones, Tablet-PCs und mobilen GPSGeräten zu Strafverfolgungszwecken extrahiert
und auf externe Festplatten gespeichert werden.
Selbst gelöschte Daten können mit dem UFED
Touch wieder hergestellt werden. Aus den so erhaltenen Daten wird ein Bericht erstellt – nicht
selten mit Fotos und Videos – der an die jeweilige
Strafverfolgungsbehörde gesandt wird.
Schutzweste kaum im Einsatz
Mit dem anderen mobilen Gerät – dem Forensic
Cube – lassen sich im Rahmen der Datensicherung
und -auswertung zwei Festplatten gleichzeitig anschließen. Das Speichervolumen des Cubes umfasst
vier Platten in einer Größe von je einem Terabyte.
Neben der Steuerfahndung unterstützt das Team
gelegentlich auch die Bremer Polizei, wenn diese
Hilfe anfordert. Bevor die IuK-Forensiker jedoch
ausrücken und die Steuerfahnder bei der Beweismittelsuche unterstützen, muss ein Gerichtsbeschluss vorliegen. Vor Ort wird sowohl nach analogen als auch nach digitalen Beweismitteln gesucht.
„Belastendes Material entdecken wir zum Beispiel
auf Festplatten, Laptops, USB-Sticks oder Navis“,
erklärt Matthias Scheele. Nur selten müssen die
Forensiker eine Schutzweste tragen – meist dann,
wenn es sich um einschlägig bekannte Einsatzorte
oder Beschuldigte handelt. Spannung sei aber bei
Hausmesse
herung
Mit dem UFED Touch können Daten von Mobilgeräten extrahiert
und zur Auswertung auf externen Festplatten gespeichert werden.
den meisten Aufträgen dabei. Diese können zwischen wenigen Stunden und mehreren Monaten
dauern. Ein größeres Team und neue Hilfsmittel:
Die IuK-Forensiker von Dataport setzen auf weitere
Kunden durch neue Produkte und noch mehr Standardisierung. Matthias Scheele dazu: „Bislang gibt
es nur einen Rahmenvertrag mit Bremen. Wenn
Strafverfolgungsbehörden von anderen Standorten
hinzukämen, würden wir uns freuen.“
Dabei soll auch das neue Projekt „Forensisches
Remotesystem“ helfen, das bei der Hausmesse
am 28. April in Hamburg vorgestellt wird. Beim
forensischen Remotesystem werden elektronische Beweismittel von Strafverfolgungsbehörden
wie der Steuerfahndung oder Polizei an Dataport
übermittelt und dort auf Servern gespeichert. Die
Forensiker bereiten die Daten mithilfe der forensischen Software X-Ways nach Kundenwunsch auf
und stellen ihm diese dann in einem virtuellen
Container zur Verfügung. Nach der Bereitstellung
können die Daten am Client-Rechner über einen
VPN-Tunnel abgerufen werden.
Dieses Vorgehen macht sich vor allem dann bezahlt, wenn in einem Verfahren mehrere elektronische Beweismittel vorhanden sind. So können
die ersten Asservate bereits vom Sachbearbeiter
ausgewertet werden, während die restlichen sich
noch in der Sicherung befinden. „Wir haben uns
das Remotesystem vom LKA Rheinland-Pfalz zeigen lassen, wo es bereits erfolgreich im Einsatz ist.
Mit der dortigen Behörde kooperieren wir eng und
waren auch bereits vor Ort“, erklärt Carolin Güldner. Nach der Dataport Hausmesse soll das Forensische Remotesystem als standardisierte Lösung
einem möglichst breiten Kundenkreis vorgestellt
werden.
Janne Ropers ist auf Mobilfunk spezialisiert. Eines ihrer Werkzeuge: der UFED Touch.
29
Hausmesse
Bürgerportale
Behörden-Service
im Internet
Von der Abmeldung von Fahrzeugen bis zur Einsicht in Behördenakten: Über Bürgerportale stellen Verwaltungen immer mehr Services zur Verfügung. Die Grundlage dafür stellen komplexe IT-Infrastrukturen wie das Government Gateway von Dataport
zur Verfügung.
Themeninsel
Nähere Informationen
zu den Anforderungen
und Lösungen für die
Bereitstellung von Services in Bürgerportalen erhalten Sie auf der
Dataport Hausmesse an
der Themeninsel V15.
Der Zugang zu Informationen und Services der
Verwaltung über Online-Dienste wird in der digitalen Gesellschaft immer wichtiger. Statt sich in
Wartschlangen bei den Behörden einzureihen und
Auskunftsersuche zu stellen, wollen immer mehr
Menschen ihre Angelegenheiten bei den Ämtern
über Bürgerportale im Internet erledigen. Seit Anfang 2015 können zum Beispiel Fahrzeughalter in
Hamburg und bei 13 Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein ihr Kraftfahrzeug über das Government Gateway online abmelden (siehe Artikel S. 18).
Um solche Services in Bürgerportalen anbieten zu
können, müssen hohe Sicherheitsstandards erfüllt
und eine komplexe Infrastruktur bereitgestellt
werden. Beim Kraftfahrzeug-Online-Service wird
zum Beispiel die eID-Funktion des neuen Personalausweises für das Fachverfahren verwendet.
Damit einher geht die Einrichtung von temporären oder dauerhaften Bürgerkonten für angemeldete Benutzer.
ren zum Beispiel Anwendungen aus dem Bau-,
Kfz- und Meldewesen oder Online-Services für
Bewerbungsverfahren, Fischereidokumente oder
das Hunderegister.
Behördliche Informationen einsehen
per Mausklick
Ein weiteres Feld für Bürgerportale haben die
Informationsfreiheitsgesetze der Bundesländer
eröffnet. In Bremen und Hamburg beispielsweise
können über entsprechende Portale bereits viele
freiwillig und auf Anfrage bereitgestellte Informationen und Dokumente aus den Behörden online
Infrastruktur für vielfältige Fachverfahren
Dataport betreibt seit zehn Jahren für Hamburg
und Schleswig-Holstein mit dem Government
Gateway eine Infrastruktur, die Basisfunktionen
zur Verfügung stellt, auf die Fachanwendungen
aufsetzen können. Zu diesen Basisdiensten gehören zum Beispiel eine Benutzerverwaltung
mit Sicherheitsstufen und einem fachbezogenem
Rollen- und Berechtigungskonzept oder eine
elektronische Bezahlfunktion. In Hamburg und
Schleswig-Holstein nutzen bereits etwa 100 Fachanwendungen das Government Gateway für die
Bereitstellung von Online-Services, so dass die
Bürgerinnen und Bürger in der Hansestadt und
im Flächenland viele Behördenangelegenheiten
über das Internet erledigen können. Dazu gehö30
Bürgerportal statt Warteschlange: Der Online-Zugang zu Verwaltungsdiensten wird immer wichtiger.
Foto: ra2 studio – Fotolia
eingesehen und ausgewertet werden. Das Transparenzportal Hamburg ging offiziell im Oktober
2014 an den Start und geht noch einen Schritt weiter: Das proaktive Veröffentlichen von ganz unterschiedlichen Informationstypen aus vielfältigen
Fachverfahren wird hier per Gesetz gefordert. Dafür musste eine Vielzahl von IT-Lösungen miteinander verknüpft und an einen zentralen Speicher
angebunden werden. Dieser erfüllt insbesondere
die Anforderungen an Sicherheit und Zugänglichkeit von Dokumenten.
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31
Unternehmen
Fair gehandelte Hardware
Schritt für Schritt zur
fairen Maus
Eine Computermaus besteht aus etwa 200 verschiedenen Materialien. Das Spektrum
reicht vom in Deutschland produzierten Farbstoff bis hin zu Metallen, deren Herkunft
meist nicht nachvollziehbar ist. Auf Initiative der Freien Hansestadt Bremen bietet Dataport eine Maus an, die nach und nach aus fair gehandelten Materialien hergestellt
werden soll.
Die faire Maus
Registrierte
Kunden
können die faire Maus
im Dataport Shop bestellen. Bezugsquellen
für den privaten Gebrauch finden Sie auf
der Homepage der Nager IT.
Vor etwa einem Jahr trat Dr. Martin Hagen, CIO der
Stadt Bremen, mit einer Idee an Dataport heran. Er
schlug vor, eine fair gehandelte Computermaus anzubieten. Die Maus der Firma Nager IT verbaut so
viele fair gehandelte Teile wie möglich – und der
Anteil soll immer weiter erhöht werden. Das Ziel:
eine 100 Prozent faire Maus. „Ich war beeindruckt
von der Komplexität der Produktions- und Lieferketten und dem Engagement des Herstellers“, so
Dr. Martin Hagen. „Einfach mal auszuprobieren,
wieweit man kommt, wenn man möglichst fair produzierte Bauteile verwenden möchte. Das hat mir
gefallen.“ Zusammen mit Dataport habe er dann
entschieden, die Maus der Nager IT den Kunden
anzubieten.
se fordert unter anderem einen angemessenen Arbeitslohn, geregelte Arbeitszeiten und Gesundheitsschutzmaßnahmen für Arbeitnehmer. Weltweit
sucht die Nager IT nach Lieferanten, die diese Forderungen erfüllen. Zusammengebaut werden die
Mäuse in zwei Werkstätten für psychisch kranke
und behinderte Menschen in Süddeutschland.
Fair gehandelte Materialien
Zu 100 Prozent fair ist ein Produkt erst dann,
wenn jeder Bestandteil die Fair-Trade-Kriterien
erfüllt. Für Materialien, die in der EU verfügbar
sind, wie Farbstoffe oder Naturharze, ist es relativ leicht, Anbieter zu finden, die die genannten
Kriterien erfüllen. Schwieriger wird es bei der Beschaffung von Metallen. Diese stammen zumeist
aus Bergwerken in Asien oder Afrika. Arbeitsschutzbedingungen und Entlohnung entsprechen
dort in der Regel nicht den Fair-Trade-Anforderungen. Deshalb ist die Maus der Nager IT heute
nur eine „teilfaire“ Maus. Sie besteht zu etwa 70
Prozent aus fair gehandelten Materialien.
Ein symbolischer Schritt
Der faire Handel von IT-Hardware ist ein relativ
neues Terrain. Die ersten Fair-Trade-Produkte in
Deutschland waren landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Kaffee und Schokolade. Elektronische
Geräte fair zu handeln, ist weit komplexer. Eine
Maus – ein scheinbar einfaches technisches Hilfsmittel – enthält etwa 200 verschiedene Materialien. Komponenten wie Mausrad, LED-Leuchte oder
Kabel bestehen wiederum aus einzelnen Materialien: Kunststoffe, Gummi, Glas, Farbstoffe und
viele andere werden hier eingesetzt.
Die Nager IT richtet sich nach den Forderungen
der International Labour Organization (ILO). Die32
Im Vergleich zu konventionellen Mäusen ist die
faire Maus teurer. Dazu Dr. Martin Hagen: „In
vielen Verwaltungen gibt es ein Verantwortungsbewusstsein für soziale und nachhaltige Entwicklung. Eine Maus ist zwar nur ein winziger Beitrag,
aber eben auch ein symbolischer Schritt. Mit steigender Nachfrage wird sich der Preis der Maus
reduzieren, da er abhängig von der produzierten
Stückmenge ist.“ Auch die Nager IT selbst sieht
sich als Wegbereiterin: Sie will eine Entwicklung
in der Elektronikindustrie anstoßen, wie es sie bei
Kaffee, Kakao und Kleidung bereits gibt. Den Weg
zur 100 Prozent fairen Maus geht sie Schritt für
Schritt.
querbeet
Finanzverwaltung im Nationalsozialismus
Raub von Amts wegen
Mehr als eine Milliarde Reichsmark, eingezogen über die sogenannte „Judenvermögensabgabe“, floss in der Zeit des Nationalsozialismus in die Staatskasse. Staat, Unternehmen aber auch die deutsche Bevölkerung profitierten vom staatlich sanktionierten
Raubzug gegen die jüdische Bevölkerung. Die bremische Finanzverwaltung hat sich
nun ihrer Geschichte gestellt.
„Gerade ist Gras drüber gewachsen, da kommt ein
Kamel und frisst es wieder ab.“ So lautet ein Eintrag im Gästebuch, das begleitend zur Ausstellung
„Ausplündern und Verwalten“ im Haus des Reichs,
dem Sitz der bremischen Finanzsenatorin, auslag.
Mitte Januar gab es nur wenige Einträge. Da besuchten 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von
Dataport die Ausstellung. Eingeladen von Finanzstaatssekretär und Initiator Henning Lühr. „Ausplündern und Verwalten“ hat sich mit der Rolle
der bremischen Finanzverwaltung bei der Vertreibung und Ermordung der Juden im Nationalsozialismus auseinandergesetzt.
causts. Allein über die „Judenvermögensabgabe“,
die 1938 eingeführt wurde, flossen etwa 1,1 Milliarden Reichsmark in die Staatskasse.
Mit ihrem regionalgeschichtlichen Ansatz schließen die Bremer Historiker vor allem Forschungslücken bezogen auf die ökonomische Dimension
der Judenverfolgung. „Tatort der Raubzüge“ war
stets die Region. Profit gemacht hat vor allem der
Staat. Aber auch private Unternehmen haben mit
der Ausplünderung Geschäfte gemacht und nicht
zuletzt profitierte auch die deutsche Bevölkerung
von den staatlich sanktionierten Raubzügen. Sie
ersteigerte auf sogenannten „Judenauktionen“ das
Eigentum der ausgewanderten oder deportierten
Juden für wenig Geld. Dafür ließen die Finanzämter die verlassenen Wohnungen ausräumen.
Im Auswanderungshafen Bremen fand dann der
letzte Akt der Beraubung statt. Nach 1939 begannen Gestapo und Finanzverwaltung damit, das
in Bremen verbliebene Umzugsgut der jüdischen
Emigranten zu verwerten. Überregionale Bedeutung besaß Bremen im Zusammenhang mit der
sogenannten „M-Aktion“. Unter diesem Decknamen wurden in von Deutschen besetzten GebieSchreibmaschinengeklapper – das Hintergrundgeräusch der
ten Hausrat und Möbel deportierter Juden beAusplünderung. Schreibmaschinen vom Typ „Erika“ aus jüschlagnahmt
und anschließend versteigert. Allein
dischem Besitz gelangten in die bremische Finanzverwaltung.
45.000 Kubikmeter Mobiliar erreichte bis 1944
Die Ausstellung zeigte bis Ende März die Ergebnis- den Gau Weser-Ems, in 5.988 Waggonladungen
se eines Forschungsprojekts der Universität Bremen. und dutzenden Schiffsladungen.
Das Institut für Geschichtswissenschaft kooperierte dafür mit der Senatorin für Finanzen. Zweiein- Die Finanzverwaltung sollte ihre Geschichte kenhalb Jahre hat ein Team aus Forschern um den His- nen und sich mit ihr auseinandersetzen, so formutoriker Jaromir Balcar die noch vorliegenden Akten lieren es die Initiatoren von Ausstellung und Forausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, wie in perfider schungsprojekt, Finanzsenatorin Karoline Linnert
Art und Weise jüdische Mitbürger ausgeplündert und Staatsrat Henning Lühr. Gut, dass ein Kamel
wurden; der „Finanztod“ als Vorstufe des Holo- gekommen ist, um das Gras zu fressen.
Literatur zum
Thema
Die Forschungsergebnisse sind in Buchform
bei der Edition Temmen publiziert worden:
Jaromir Balcar (Hrsg.),
Raub von Amts wegen.
Zur Rolle von Verwaltung, Wirtschaft und
Öffentlichkeit bei der
Enteignung und Entschädigung der Juden
in Bremen, 2014.
33
querbeet
Fledermausprojekt
Naturschutz mit
Technik
Im Waldgebiet Kiel-Russee erforschen Naturschützer seltene Teichfledermäuse – mithilfe von gespendeten Laptops. Die Geräte helfen beim Sammeln und Auswerten von
Daten und machen sogar Töne sichtbar.
Arbeitsgemeinschaft Fleder­
mausschutz
(AGF)
Die AGF ist Teil eines
überregionalen Netzwerks aus Fledermausschützern und Naturschutzverbänden. Sie
bietet Beratung und
Unterstützung bei allen Fragen des Fledermausschutzes. Zudem
werden Vorträge und
Seminare zum Thema
Fledermausschutz angeboten. Weitere Informationen unter:
www.schleswig.holstein.nabu.de
Um den Lebensraum von Teichfledermäusen
im Waldgebiet Kiel-Russee zu erforschen, haben
Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz (AGF) – eine Projektgruppe des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) im Landesverband Schleswig-Holstein – ein neues Projekt
initiiert. Das Ziel: Die Quartiere der Fledermäuse
im Jahresverlauf aufzuspüren, ihre Wanderrouten
zu erkennen und mit den gesammelten Informationen Maßnahmen zu planen, um die Tiere zu
schützen. Das geschieht mit Hilfe ausrangierter
Laptops von Dataport.
Die Teichfledermaus ist eine von 15 Fledermausarten, die in Norddeutschland vorkommen. Mit
einer Flügelspannweite von 20 bis 30 Zentimetern
gehört sie zu den größeren Arten. In SchleswigHolstein steht sie auf der Roten Liste stark gefährdeter Tiere. Bedroht ist die Art durch den Verlust
ihrer bevorzugten Quartiere sowie durch die Verknappung der Nahrung. Werden Gebäude saniert
und abgedichtet, um Energie zu sparen, geht für
die Tiere der Zugang zu den Dachböden, Kellern
oder Hohlräumen verloren. Außerdem gibt es
durch die forstwirtschaftliche Nutzung der Wälder kaum noch alte Bäume mit Höhlen, in denen
die Tiere Unterschlupf finden können. Zudem
wird durch den Einsatz von Insektiziden in der
Landwirtschaft die Nahrung immer knapper.
Mehrmals jährlich Quartierwechsel
Den Winter verbringen Teichfledermäuse bevorzugt in frostfreien Höhlen, Bunkern oder Kellern.
Während die Männchen ab März in kleinen Gruppen Sommerquartiere beziehen, ziehen die Weibchen in Gruppen von bis zu 300 Tieren in sogenannte Wochenstuben. Dort bringen sie ab Ende
Mai ihre Jungen zur Welt und ziehen sie auf. Ab
Ende August trennen sich die Wege der Mütter
und ihrer Jungen: Während die Jungtiere direkt
in die Winterquartiere überwechseln, treffen sich
die erwachsenen Männchen und Weibchen in
Paarungsquartieren. Noch im September finden
sich alle Tiere jedoch wieder in den Winterquartieren ein. Während größere Fledermausarten wie
die Abendsegler zwischen ihren Quartieren oft
tausende Kilometer zurücklegen, bewegen sich
die Teichfledermäuse meist in einem Umkreis von
30 bis 50 Kilometern. So findet man im Raum Kiel
alle Formen von Quartieren, die die Teichfledermäuse für ihr Überleben benötigen.
Hägar der Schreckliche
34
querbeet
Mit detaillierten Daten Schutzgebiete
bestimmen
Bislang wurden Teichfledermäuse im Kieler Gebiet an 35 Orten nachgewiesen. Wochenstuben
sind zum Beispiel aus den Gebieten Westensee
und Wahlstorf bekannt, Winterquartiere wurden
unter anderem an der Levensauer Hochbrücke gesichtet. Für den NABU ist zurzeit das Waldgebiet
Russeer Gehege von besonderer Bedeutung: Hier
betreuen ehrenamtliche Mitglieder vier sogenannte Kastenreviere, in denen regelmäßig Teichfledermäuse Unterschlupf suchen. Natürliche Quartiere
für die Tiere sind Baumhöhlen. Diese entstehen
bei den hier besonders verbreiteten Buchen und
Eichen ab einem Alter ab 120 Jahren. Da es im
Russeer Gehege nur wenige Bäume dieses Alters
gibt, fehlt es an natürlichen Behausungen. Deshalb hängt der NABU an den Bäumen Kästen als
Unterkünfte für die Tiere auf.
Die Fledermausschützer suchen außerhalb der
Winterzeit regelmäßig die Quartiere auf, um Daten
darüber zu sammeln, wann sich wie viele Tiere an
welchem Ort aufhalten. Die Kästen werden daraufhin überprüft, ob sie bewohnt sind. Außerdem
werden mit Hilfe von Detektoren Hochfrequenztöne aufgezeichnet, die für das menschliche Ohr
nicht wahrnehmbar sind. Fledermäuse navigieren
per Echolot und stoßen deshalb während des Fluges ständig Rufe aus, um Beutetiere oder Hindernisse zu orten. Für eine genaue Bestimmung reichen die Detektoren jedoch nicht immer aus, denn
die Rufe verschiedener Fledermausarten sind nur
schwer zu unterscheiden. Die Naturschützer übertragen deshalb die Aufzeichnungen auf die von
Dataport gespendeten Laptops. Diese machen die
Töne mit Hilfe einer speziellen Software durch
Spektrogramme sichtbar. Das sind grafische Darstellungen akustischer Signale, die eine sichere
Artbestimmung ermöglichen.
Alle erfassten Daten über die Aufenthaltsorte der
Fledermäuse werden in einem Geodateninformationssystem ausgewertet.
Dem Naturschutz verpflichtet
Das Europäische Naturschutzrecht verlangt von
den EU-Mitgliedstaaten, Schutzgebiete zu benennen, um die natürlichen Lebensräume wildlebender Tiere und Pflanzen zu erhalten. Der NABU liefert mit seiner Arbeit Belege für die Anwesenheit
von Teichfledermäusen im Russeer Gehege. Die
Daten dienen als Grundlage für die Bestimmung
eines geeigneten neuen Schutzgebiets. Mit Hilfe
der Dataport-Laptops wird das Sammeln und Auswerten der gesammelten Informationen erheblich
vereinfacht und die Qualität der Daten erhöht. So
leistet ausrangierte IT-Technik einen wesentlichen Beitrag zum Naturschutz.
Der Natur auf der
Spur: Wer Fledermäuse
beobachten will, muss
den Sonnenuntergang
abwarten – die Tiere sind
nachtaktiv.
Die Autoren dieser Ausgabe
Matthias Bastian
Seite 20
Heiko Scharffenberg
Seite 8, 30
Florian Bayer
Seite 27
Thomas Schulze
Seite 22, 28
Daniela Freiheit
Karin Gerken
Stefan Göbel
Britta Heinrich
Seite 9
Seite 32, 34
Seite 20
Seite 3, 33
Prof. Dr. Juliane Siegeris
Stefan Törmer
Anina Trautermann
Viktor Wendel
Seite 9
Seite 18
Seite 10, 14, 16
Seite 20
35
www.dataport.de
36