Datareport 1 2015 Veränderungen managen Wie gelingt der Sprung nach vorn? Bürgerschaftswahl Hamburg Ein Sieger, viele Zahlen und jede Menge IT Serious Games 3D-Baukasten für den neuen Skater-Park Dataport Hausmesse „Zukunft mITgestalten“ 1 www.bechtle.com Seit 2009 haben wir gemeinsam mit Dataport viel erreicht. Jetzt folgt Runde zwei der Erfolgsgeschichte: Dataport vertraut weiter auf die Leistungsstärke von Bechtle. Damit setzen wir unsere stabile Partnerschaft zuverlässig fort. Mit Hardware, Managed Print Solutions und Managed Services für die insgesamt knapp 60.000 IT-Arbeitsplätze der öffentlichen Verwaltungen des Nordens. Wir freuen uns auf die nächste spannende Innovationsphase. Auf vier weitere, erfolgreiche Jahre mit Dataport. Starke Partnerschaft. Bechtle GmbH IT-Systemhaus Hamburg Alter Teichweg 19, 22081 Hamburg Telefon +49 40 23 99 86-0 [email protected] 2 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, Veränderungen – neudeutsch „Change“ – und Veränderungsmanagement sind Schwerpunkt dieser Datareport. Kaum ein Aphoristiker, der nicht einmal etwas mehr oder weniger Kluges zum Wandel der Welt, der Menschen oder zur Veränderung an sich gesagt hätte. „Vom Wandel der Märkte“, „Psychologie des Wandels“ – so oder ähnlich lauten Buch- und Vortragstitel. Das Thema brennt Unternehmen und Verwaltungen unter den Nägeln und das hat seine Gründe. der Change auf die Organisationsstruktur aus, muss zudem geregelt werden, wie die beteiligten Einheiten künftig zusammenarbeiten sollen. Auf die entscheidende Rolle von Prozessen beim Erfolg von Veränderungen geht der Artikel auf Seite 10 ein. Mit einem Beispiel aus der Praxis schließen wir unseren Schwerpunkt ab. Die Einführung der elektronischen Akte in Schleswig-Holstein weist alle Merkmale eines erfolgreichen Veränderungsprozesses auf. Die Einführung wurde per Kabinettsbeschluss zur Pflicht und wird übergreifend als Organisationsprojekt verstanden (Seite 14). Britta Heinrich, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit Warum betreffen uns Veränderungen so sehr? Ver- Der Gedanke, Veränderungen durch aktive Gestaländerungen sind immer mit Risiken verbunden. tung anzustoßen, verbirgt sich hinter dem Motto So lautet die Einschätzung von Udo Konradt, Pro- der diesjährigen Dataport Hausmesse „Zukunft fessor an der Christian-Albrechts-Universität zu mITgestalten“. Am 28. April findet die Hausmesse Kiel. Im Interview auf Seite 16 erklärt der Arbeits- in Hamburg-Schnelsen statt (Seite 26). Ebenfalls und Organisationspsychologe, warum Menschen zu Veränderungen hat die Wahl in Hamburg gemisstrauisch auf Veränderungen reagieren. Trans- führt. Im Februar standen 276 Computer in den parenz, Beteiligung und Fairness sind, so Konradt, Auszählzentren bereit, um die Wahlergebnisse zu die entscheidenden Faktoren, mit denen sich auch übermitteln. Von der technischen Infrastruktur weitreichende Veränderungen erfolgreich umset- hing der Erfolg der Wahlen ebenso ab wie von der aktiven Beteiligung der Hamburger Wählerinnen zen lassen. und Wähler (Seite 22). Zu einer Erfolgsstory wird eine Veränderung dann, wenn die „Betroffenen an Bord genommen wer- Ihre Britta Heinrich den“ und der „Change“ Chefsache ist. Das gilt für die öffentliche Verwaltung ebenso wie für die Privatwirtschaft. Sollen zum Beispiel Prozesse vollständig elektronisch abgebildet werden, reicht das schlüssige IT-Konzept allein nicht aus. Entscheidend sind die Menschen, die mit dem neuen System arbeiten werden. Sie wollen mit- und ernstgenommen werden. Wenn dann die Führungsebene im entscheidenden Moment die richtigen Impulse gibt, wird die Veränderung zur Erfolgsgeschichte. So kommentieren Prof. Dr. Juliane Siegeris von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und die Rechtsanwältin Daniela Freiheit auf Seite 9. Gutes Change Management baut auf Akzeptanz und motiviert alle Beteiligten. Wirkt sich jedoch 3 Inhalt Titel Aus Ideen werden Tatsachen Egal ob es darum geht, ein neues IT-System einzuführen oder eine Organisationseinheit umzustrukturieren: Bei Veränderungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung gibt es viele Hindernisse zu überwinden. Wie gelingt der Sprung nach vorn? 14 Umdenken ist gefragt „Veränderungen sind immer ein Risiko“ Menschen mögen keine Veränderungen. Ist das wirklich so? Im Interview erklärt Prof. Dr. Udo Konradt vom Institut für Psychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, wie wir Veränderungsprozesse erleben. 6 In Kürze Mit System 8 115 in der Fläche Immer den richtigen Ansprechpartner am anderen Ende der Leitung: Schleswig-Holstein will die Behördenrufnummer jetzt flächendeckend in allen Kreisen und Kommunen einführen. Auskommentiert 9 Die Anwender mitnehmen Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs nimmt rasant Fahrt auf. Prof. Dr. Juliane Siegeris und Daniela Freiheit meinen: Ein Veränderungsmanagement muss her. Unter Partnern 18 Schnell abgemeldet: Online-Kraftfahrzeugwesen Das Auto vom Sofa aus abmelden? Das geht. Dataport hat den Online-Dienst für 13 Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein und für den Landesbetrieb Verkehr in Hamburg entwickelt. Modern verwalten 20 3D-Baukasten für den neuen Skater-Park Politik lebt von Partizipation, Jugendliche in sozialen Netzwerken – wie man beides zusammenbringt, zeigt eine Fallstudie der Technischen Universität Darmstadt. Report 22 Ein Sieger, viele Zahlen und jede Menge IT Stimmzettel abgeben, Hochrechnungen im Fernsehen verfolgen – so haben viele Menschen die Bürgerschaftswahlen in Hamburg erlebt. Dataport war hinter den Kulissen dabei. 4 TSUNG-LIN WU – Fotolia Weg vom Papier, hin zur Technik: Die Einführung der E-Akte verändert die Prozesse in einer Organisation. Größte Herausforderung ist der Faktor Mensch. 16 JiSign – Fotolia 10 Inhalt Hausmesse M_engel.ac – Fotolia „Zukunft mITgestalten“ 26 Am 28. April 2015 wird die MesseHalle in Hamburg-Schnelsen zum Forum für Experten aus Verwaltung und IT. Unter dem Motto „Zukunft mITgestalten“ präsentiert Dataport die siebte Hausmesse. Mit IT auf Spurensicherung 28 Wenn es darum geht, von Polizei oder Steuerfahndung beschlagnahmte Rechner, Smartphones oder Navigationsgeräte auszuwerten, schlägt die Stunde der IuK-Forensik. Behörden-Service im Internet 30 Bürgerportal statt Warteschlange: Der Zugang zu Services der Verwaltung via Internet wird in der digitalen Gesellschaft immer wichtiger. Hinter den Portalen steckt eine komplexe IT-Infrastruktur. Unternehmen Schritt für Schritt zur fairen Maus 32 Kaffee und Schokolade aus fairem Handel sind hinlänglich bekannt. Warum das Prinzip nicht auch auf Hardware übertragen? Dataport bietet eine Computermaus an, die zu 70 Prozent aus fair gehandelten Materialien besteht. Querbeet Raub von Amts wegen 33 Die Verwaltung war als Handlanger aktiv an der wirtschaftlichen Vernichtung jüdischer Familien in ganz Deutschland beteiligt. Die bremische Finanzverwaltung hat sich ihrer Geschichte gestellt. Naturschutz mit Technik 34 Dass Natur und Technik sich prima ergänzen können, zeigt ein Projekt im Waldgebiet Kiel-Russee. Dort erforschen Naturschützer seltene Teichfledermäuse mithilfe gespendeter Laptops. Impressum Herausgeber: Dataport Anstalt des öffentlichen Rechts Altenholzer Straße 10-14 24161 Altenholz Telefon (0431) 3295-0 Telefax (0431) 3295-6410 Internet: www.dataport.de E-Mail: [email protected] Redaktion: Britta Heinrich (v.i.S.d.P.) Redaktionsleitung: Anina Trautermann Redaktionsbeirat: Hubertus Fiedler, Ulrich Meyer, Michael Müller, Gerd Schramm, Sabine Wichmann Reproduktion: Freie und Hansestadt Hamburg, Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung Layout: Christina Walter Auflage: 4 400, Ausgabe: 1 / April 2015 Fotos: alle nicht näher bezeichneten Fotos Dataport Die einzelnen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Ein Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur nach Genehmigung der Redaktion gestattet. 5 In Kürze Beschaffung mit sozialer Verantwortung Im bundesweiten Wettbewerb „Innovation schafft Vorsprung“ hat Dataport den ersten Preis in der Kategorie „Beschaffung eines innovativen Produkts“ gewonnen. Ausgezeichnet wurde das Konzept zur „Entwicklung von sozialen Kriterien im Rahmen der Hardwarebeschaffung“. Dataport ist der erste IT-Dienstleister in Deutschland, der sich mit dem Thema beschäftigt. Vorstand Andreas Reichel sagte zur Preisverleihung: „Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung. Wir alle haben es in der Hand, uns aktiv für faire Arbeitsbedingungen und gegen Kinder- und Zwangsarbeit einzusetzen. Mit unseren Kriterien für die Hardwarebeschaffung machen wir uns dafür stark.“ So Foto: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) verpflichten sich Vertragspartner von Dataport unter anderem dazu, auf Hersteller und Zulieferer einzuwirken, die Standards der International Labour Organization (ILO) einzuhalten. Die weltweit geltenden Mindeststandards sollen die Rechte bei der Arbeit und damit menschenwürdige Arbeit für alle Menschen auf der Welt sicherstellen. Im vergangenen Jahr wurden die neuen Vergabekriterien zum ersten Mal im Rahmen eines EU-weiten Vergabeverfahrens eingesetzt. Dataport hatte Hardware für die rund 60.000 Verwaltungsarbeitsplätze der Bundesländer Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg ausgeschrieben. Hamburg: IT für die Bürgerschaftswahl stellte Dataport im Februar für die Bürgerschaftswahlen in Hamburg bereit. Mitarbeiter aus 30 verschiedenen Abteilungen sorgten vor, während und nach der Wahl für einen reibungslosen Ablauf. Unter ihnen Netztechniker, Telefonie-Experten, Projektmanager und Mitarbeiter für Softwareverteilung und Benutzerunterstützung. Ausgerüstet waren die 192 Computer-Arbeitsplätze mit spezieller Software wie OK.EWO, der IT-Lösung für das Einwohnerwesen, NGNTelefon, Netzwerkdrucker und Barcode-Lesestift zum Bearbeiten der Briefwahlanträge. Sechs von neun Auszählzentren, unter ihnen das Terminal Tango am Hamburger Airport, wurden von Dataport ausgestattet und eigens mit Netztechnik versorgt (siehe auch Reportage auf Seite 22). Mehr Unterricht zu Digitalthemen gewünscht Die Mehrheit der Schüler in Deutschland möchte, dass im Unterricht verstärkt Digitalthemen behandelt werden. Das geht aus einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom hervor. Ganz oben auf der Wunschliste stehen rechtliche Aspekte des Internets. So wollen 68 Prozent der Befragten in der Schule mehr über Themen wie Urheberrecht und Bildrechte erfahren. Jeder zweite Schüler würde gerne mehr über richtiges Verhalten in sozialen Netzwerken und Chats lernen. 45 Prozent der Schüler wünschen sich Unterstützung bei den Themen Datenschutz, persönliche Einstellungen in sozialen Netzwerken und Schutz der Privatsphäre. Die große Mehrheit der Schüler (75 Prozent) wünscht sich außerdem Informatik als Pflicht-Schulfach in den Klassenstufen 5 bis 10. Auch die Lehrer sind dem nicht abgeneigt: 73 Prozent sprechen sich für einen verpflichtenden Informatikunterricht aus. 6 In Kürze Allianz für Highspeed-Glasfasernetze Der Bundesverband Breitbandkommunikation und der Bundesverband Glasfaseranschluss haben gemeinsam mit acht weiteren europäischen Telekommunikations-Verbänden die European Local Fibre Alliance (ELFA) gegründet. In der Interessensgemeinschaft sind Verbände aus Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Schweden und Spanien zusammengeschlossen. Sie vertreten in ihren Heimatländern lokale und regionale Netzbetreiber, die auf Glasfaser als zukunftssichere Technologie setzen. ELFA hat sich das Ziel gesetzt, den Rollout ultraschneller Glasfasernetze in Europa zu beschleunigen. Die flächendeckende Verfügbarkeit zukunftssicherer Glasfasernetze stellt laut ELFA die entscheidende Basis für die Digitalisierung und Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft dar. Dataport gehört zu besten Arbeitgebern Dataport wurde erneut als einer der besten Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichnet. Das Nachrichtenmagazin Focus bewertete in Kooperation mit dem sozialen Netzwerk für berufliche Kontakte Xing und der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu 2.000 Unternehmen aus 22 Branchen. Kriterien für das Ranking waren unter anderem Betriebsklima, Aufstiegschancen und Führungsstil. Innerhalb der Kategorie Telekommunikation und IT belegt Dataport in der Rangliste Platz 19 von 79. Der Sieg in dieser Kategorie ging an EMC Deutschland. 100. Verfahren produktiv gesetzt Mit der Abnahme des Neuverfahrens „SAP1-Systemlandschaft (SAP-NOA)" ist das 100. Verfahren im neuen Dataport-Rechenzentrum produktiv gesetzt worden. Nach der fristgemäßen Räumung des Kieler Rechenzentrums schreitet die Konsolidierung der ehemals sieben Rechenzentren in das Twin-Datacenter voran. Im Zuge des Transitionsprozesses werden insgesamt 550 Verfahren und 60 Großrechner-Verfahren migriert. Im August 2016 soll die Produktivsetzung im neuen Rechenzentrum abgeschlossen sein. 7 In Kürze Behördenrufnummer 115 in der Fläche Als erstes Flächenland in Deutschland will Schleswig-Holstein die Behördenrufnummer 115 in allen Kreisen und Kommunen verbreiten. Die Voraussetzungen sind gut: Im landesweiten Zuständigkeitsfinder sind bereits viele der benötigten Daten vorhanden. Zudem fördert das Land die flächendeckende Einführung und unterstützt die Kommunen. In den Stadtstaaten Hamburg und Bremen kann sie bereits jeder nutzen – die Behördenrufnummer 115. Nun will Schleswig-Holstein als erstes Flächenland dafür sorgen, dass alle Bürgerinnen und Bürger über die 115 Unterstützung bei Behördenangelegenheiten erhalten. „Wenn ich die 115 wähle, ist die Person am Apparat immer für mich zuständig. Ich habe sozusagen immer die richtige Von der Westküste bis zum Fehmarnsund: Schleswig-Holstein will als erstes Flächenland die Behördenrufnummer 115 in allen Kreisen und Kommunen verbreiten. Verwaltung am Apparat und erhalte alle wichtigen Auskünfte“, erklärt Oliver Voigt, Projektleiter im Zentralen IT-Management des Landes in der Kieler Staatskanzlei, den Vorteil der zentralen Nummer. Zurzeit können bereits mehr als die Hälfte aller Schleswig-Holsteiner die Behördenrufnummer nutzen. Um auch die übrigen Kreise 8 und Ämter für den Beitritt zum 115-Verbund zu gewinnen, organisiert das Land den Anschluss an das Netz der Behördenrufnummer. Dataport berät die Kommunen, die beitreten wollen. Die Entscheidung über den Beitritt trifft jede Kommune und jeder Kreis selbst. Technische Betreuung durch Dataport Bei der technischen und organisatorischen Abwicklung der Behördenrufnummer kooperiert das Land Schleswig-Holstein mit Hamburg und dem Kreis Pinneberg. Dieser betreibt für sein Kreisgebiet ein eigenes 115-Servicecenter. Alle übrigen Anrufe aus Schleswig-Holstein werden im Servicecenter in Hamburg angenommen und bearbeitet. Die Mitarbeiter dort nutzen ein Informationssystem, um den Anrufern Auskunft zu geben. Technisch wird das Hamburger 115-Servicecenter von Dataport betreut. Schleswig-Holstein hat für den Aufbau einer flächendeckenden Behördenrufnummer den Vorteil, dass es als einziges Flächenland bereits über einen von allen Kommunen gepflegten und genutzten Zuständigkeitsfinder (ZuFiSH) verfügt. Die Daten aus dem Zuständigkeitsfinder müss- ten von den Kommunen und Kreisen nur aktualisiert und die Leistungsbeschreibungen so ergänzt werden, dass sie in das Informationssystem übernommen werden könnten. Vision: Gewerbe mobil anmelden Für die Zukunft kann sich Oliver Voigt schrittweise den Ausbau der Services durch die 115 vorstellen. So wären zum Beispiel telefonische Terminvergaben für die angeschlossenen Behörden über die 115 denkbar. Oder Bürgerinnen und Bürger könnten Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen bekommen. Oliver Voigt kann sich vorstellen, künftig ganze E-GovernmentVorgänge über die 115 abzuwickeln. „Stellen Sie sich vor, ich möchte ein Gewerbe anmelden und rufe mit meinem Smartphone die 115 an. Ein Mitarbeiter im Service füllt die erforderlichen Dokumente aus und schickt sie mir auf mein Smartphone zurück. Mit dem digitalen Ausweis bestätige ich meine Identität, bezahle per App und der Antrag wird direkt an die zuständige Verwaltung geschickt.“ Auskommentiert Elektronischer Rechtsverkehr Die Anwender mitnehmen Mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs beschäftigen sich die Verantwortlichen nun schon viele Jahre. Auch für viele Anwender in den Gerichten und Staatsanwaltschaften sind Bildschirm und Tastatur nicht mehr exotisch. Die Angelegenheit hat allerdings mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 rasant Fahrt aufgenommen. Die Verantwortlichen in den Justizministerien arbeiten fast hektisch an verschiedensten IT-Konzepten, stimmen Umsetzungsstrategien auch über die Ländergrenzen hinweg ab, melden Finanz- und Personalbedarf an. Die gute Nachricht ist also: Die Verantwortlichen drücken auf die Tube. Aber wenn der Zug so schnell fährt, bleibt da noch Zeit und Raum, die Passagiere mitzunehmen? Ist der Anwender noch im Blick? Oder macht er das Leben der Verantwortlichen eher schwer, weil er schon jetzt nörgelt, weil er sich Sorgen macht, weil er Veränderungen generell lieber vermeidet? Damit der elektronische Rechtsverkehr eine Erfolgsstory bleibt, ist es jetzt besonders wichtig, die Betroffenen mit an Bord zu nehmen. Das geht nicht von heute auf morgen und benötigt kontinuierlich Empathie und Respekt für die Anwender entlang eines koordinierten Vorgehens. Kurz gesagt: Setzen Sie konsequent auf Veränderungsmanagement! Veränderungsmanagement hat die Menschen im Blick und stellt eine Vielzahl von Hilfsmitteln und Werkzeugen bereit, die während der verschiedenen Phasen des Veränderungsprozesses unterstützen. Prof. Dr. Juliane Siegeris leitet den Frauenstudiengang Informatik und Wirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Impulse geben: Veränderungsmanagement muss „Chefsache“ sein Die Gerichts- und Behördenleitungen müssen den elektronischen Rechtsverkehr zur eigenen Sache erklären und seine Einführung durch Höhen und Tiefen impulsgebend begleiten. Auch Personal- und andere Interessenvertretungen können positiven Einfluss auf die Umsetzung des Vorhabens nehmen. Beziehen Sie sie unverzüglich ein. Wichtig ist weiterhin, dass geplant und strukturiert vorgegangen wird. Veränderungsmanagement muss, genauso wie die Einführung der neuen Software, ein fortlaufendes Projekt sein, das erst endet, wenn jeder Mitarbeiter der Rechtspflege seinen Platz im Gefüge des elektronischen Rechtsverkehrs gefunden hat. Ziel muss sein, dass sich die Anwender den jetzigen Zustand nicht mehr zurückwünschen. Was können Sie sofort tun? Wir empfehlen: Geben Sie der Veränderung ein Gesicht, zum Beispiel Ihres. Reden Sie stets und ständig (auch bei bei unpassender Gelegenheit) über den elektronischen Rechtsverkehr. Und vor allem: Hören Sie zu. Daniela Freiheit, MBA, ist Rechtsanwältin und entwickelt IT-Strategien für die Justiz. 9 Titel Veränderungsvorhaben managen Aus Ideen werden Tatsache Neue IT-Tools, neue Prozesse, neue Strukturen – nie war die öffentliche Verwaltung so von Veränderungen geprägt wie heute. Um diese erfolgreich umsetzen zu können, müssen zahlreiche Hindernisse überwunden werden. Ein systematisches Change Management hilft dabei. „Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten“, stellte der Theologe Thomas von Aquin im Mittelalter fest. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Bei Veränderungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung, die ein grundsätzliches Umdenken erfordern, gibt es viele Hindernisse zu überwinden und einige Klippen zu umschiffen: Egal ob es darum geht, ein neues IT-System wie zum Beispiel die E-Akte einzuführen oder eine Organisationseinheit umzustrukturieren. Kritische Punkte sind oftmals die Kommunikation des Vorhabens und die Gestaltung von Arbeitsabläufen. Veränderungsprozesse steuern Die Anforderungen an die öffentliche Verwaltung sind in den letzten zehn Jahren enorm gewachsen. Bürokratie abbauen, zeitgemäße IT einführen, Strukturen anpassen – das erfordert umfangreiche Veränderungen auf organisatorischer und technischer Ebene. Damit eine Veränderung erfolgreich ist, muss sie dauerhaft in die Arbeitsabläufe und in die Struktur einer Organisation verankert werden. Dafür ist eine systematische Planung und Steuerung von Veränderungsprozessen notwendig – ein sogenanntes Change Management. Kommunikation ist alles Aus einer Studie der Unternehmensberatung Capgemini von 2012 geht hervor, dass 49 Prozent der befragten Führungskräfte und Manager in Deutschland, Österreich und der Schweiz der Ansicht sind, dass die emotionale Dimension bei Veränderungsprozessen die zentrale Rolle spielt. Mit einigem Abstand folgen politische Dimension (28 Prozent) und rationale Dimension (23 Prozent). Der emotionalen Dimension sollte also besondere Aufmerksamkeit zukommen. Denn Veränderungen können langfristig nur dann wirksam sein, wenn die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frühzeitig mit ins Boot geholt werden und der „Change“ nicht an ihren Bedürfnissen vorbeigelenkt wird. Dann werden Neuerungen im Arbeitsalltag leichter angenommen – und laufen nicht zugunsten der gewohnten Praxis ins Leere. Das passiert schnell, wenn die Veränderungen nicht der Arbeitsrealität entsprechen, ihr Sinn unklar bleibt oder zu viel zusätzlicher Aufwand entsteht. Um die Motivation für den Wandel zu wecken, ist eine klare Kommunikation gefragt und die Bereitschaft, die betroffenen Personen am Veränderungsprozess mitwirken zu lassen. 10 en Mach neu: Damit Veränderungen gelingen, gibt es einiges zu beachten. Change Management hilft dabei, Ideen erfolgreich in die Tat umzusetzen. Foto: Frank Boston – Fotolia 11 Titel Allen Beteiligten muss deutlich sein, warum eine Veränderung überhaupt notwendig ist, was konkret umgestaltet werden soll und für welchen Zeitraum dies geplant ist. Ein anschauliches Leitbild der Organisationseinheit hilft dabei, die Veränderungen in den strategischen Zusammenhang einzuordnen und schafft Verständnis für die Situation. ten halten dann an der bekannten Arbeitsweise fest. Gerade in der öffentlichen Verwaltung orientieren sich Prozesse oft an Funktionen und nicht an Abläufen. Bringt eine Veränderung es mit sich, dass verschiedene Organisationseinheiten zusammenarbeiten müssen, sollte dies bei der Gestaltung des Prozesses berücksichtigt werden – sonst können Schnittstellen leicht zu Schwachstellen im Arbeitsablauf werden. Deshalb ist es hilfreich, Prozesse so zu gestalten, dass sie die Zusammenarbeit verschiedener Organisationseinheiten erleichtern. Geduldige Begleitung gesucht Top oder Flop? Die Erfolgsaussichten für ein Vorhaben steigen, wenn es systematisch geplant und gesteuert wird. Foto: MH – Fotolia Wichtig ist außerdem, dass es verlässliche Informationen darüber gibt, wie sich eine Neuerung für die Betroffenen praktisch auswirkt und wie damit künftig umgegangen werden soll. Auch eine Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist sinnvoll: Können diese ihre Bedenken äußern, Ideen einbringen und zum Beispiel im Rahmen von Resonanzgruppen den Veränderungsprozess beeinflussen, wird der bevorstehende Change eher positiv empfunden – und damit besser angenommen und unterstützt. Entscheidend für gutes Gelingen: gute Prozesse Akzeptanz für ein Vorhaben zu erreichen und Motivation bei den Beteiligten zu wecken, sind wichtige Aufgaben des Change Managements. Das allein reicht aber nicht aus, um eine Veränderung erfolgreich umzusetzen. Ebenso wichtig ist es, alle organisatorischen und technischen Fragen zu klären, bevor der Change durchgeführt wird. Bis neue Prozesse, Tools oder Strukturen etabliert sind und effizient genutzt werden können, dauert es eine Zeit. Wer gerade den Umgang mit einem neuen Fachverfahren einübt oder sich in veränderten Arbeitsabläufen zurechtfinden muss, wird in der Anfangsphase weniger produktiv sein als üblich und für Routinearbeiten mehr Zeit benötigen. Dies muss einkalkuliert und von den Führungskräften entsprechend berücksichtigt werden. Hilfreich ist es auch, wenn die erste Phase nach der Veränderung durch einen zentralen Ansprechpartner begleitet wird. Dieser sollte den Mitarbei- Sind Prozesse zu kompliziert oder nicht transparent, misslingt das Änderungsvorhaben. Werden zum Beispiel Organisationsstrukturen geändert, muss geregelt sein, wie in Zukunft zusammengearbeitet werden soll. Wird ein neues IT-System eingeführt (siehe Bericht S. 14), müssen die Anwender es bedienen können. Zudem sollte es den praktischen Arbeitsabläufen entsprechen. Hier spielen Prozesse eine wichtige Rolle. Unter einem Prozess versteht man die Abfolge von Arbeitsschritten, die erforderlich sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Sind diese zu kompliziert gestaltet, nicht für alle Beteiligten transparent oder entsprechen nicht der Arbeitsrealität, misslingt das Änderungsvorhaben. Die Beteilig12 terinnen und Mitarbeitern zur Verfügung stehen, um Fragen zu klären und Hilfestellung bei spontan auftretenden Problemen zu bieten – so können die erforderlichen Änderungen von Arbeitsweise und Verhalten leichter umgesetzt werden. Gerade bei langfristigen Veränderungsvorhaben sollten zudem schnell zu erzielende Teilerfolge – soge- Titel nannte Quick Wins – im Rahmen des Change Managements eingeplant werden. Sie zeigen den Beteiligten, dass die Veränderungen sinnvoll sind und erhalten so die Motivation. Ohne Rückendeckung kein Erfolg Nicht zu unterschätzen für den Erfolg eines Veränderungsprozesses ist die kontinuierliche Unterstützung durch die oberste Hierarchieebene. Sie bietet Orientierung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und bekräftigt Priorität und Verbindlichkeit des Vorhabens. Das ist umso wichtiger, je mehr Schnittstellen ein Veränderungsprozess zu anderen Organisationseinheiten hat: Fehlt die Rückendeckung, wird das Vorhaben schnell in Frage gestellt und die Erfolgsaussichten schwinden. Jede Veränderung beinhaltet ein Risiko. Ein systematisches Veränderungsmanagement kann dazu Literatur zum Thema Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Change Management. Anwendungshilfe zu Veränderungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung, Berlin 2009. Ideen nach vorn: Können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich aktiv in den Veränderungsprozess einbringen, steigt die Motivation. Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Praxisleitfaden Projektmanagement, Berlin 2012. Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Regierungsprogramm Vernetzte und transparente Verwaltung, Projekt Prozessmanagement, Berlin 2011. Capgemini Consulting (Hrsg.): Digitale Revolution. Ist Change Management mutig genug für die Zukunft?, München 2012. Vitako Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen ITDienstleister (Hrsg.): Einführung der E-Akte. Warum die elektronische Aktenführung nicht geht und die Erde eine Scheibe ist, Berlin 2014. beitragen, Veränderungsprozesse zielgerichtet zu steuern und langfristig zu verankern. Eine Erfolgsgarantie ist es aber nicht. Der Mathematiker Georg Christoph Lichtenberg brachte das folgendermaßen auf den Punkt: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird. Aber so viel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“ 13 Titel Einführung E-Akte Umdenken ist g Die elektronische Akte bringt viele Vorteile mit sich. Dennoch ist ihre flächendeckende Einführung eine Herausforderung. Das liegt nicht nur an der gewöhnungsbedürftigen Umstellung auf papierloses Arbeiten – auch organisatorische Aspekte spielen eine Rolle. E-Akte in der Kommunalverwaltung Die Stadt Wilsdruff in Sachsen führte vor 14 Jahren ein Dokumentenmanagementsystem ein. Über die Erfahrungen damit referiert Matthias Martin, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Wilsdruff, bei der Dataport-Hausmesse am 28. April 2015. Ein neues IT-System einführen – das klingt primär nach einer technischen Aufgabe. Tatsächlich bedeutet aber gerade die Einführung eines Dokumentenmanagement- und Vorgangsbearbeitungssystems einen tiefen Einschnitt in die Prozesse einer Organisation und erfordert ein grundlegendes Umdenken der Beteiligten. Ulla Dreger leitet das Dokumentenmanagement bei Dataport. Sie begleitet die Einführung der elektronischen Akte in Schleswig-Holstein und Bremen – und kennt die Erfolgskriterien für die Umstellung von Papier auf Technik: „Die größte Herausforderung ist der Faktor Mensch. Für die Einführung der E-Akte müssen die Anwender ihre Arbeitsweise analysieren. Das ist wichtig, damit wir den Arbeitsablauf im System elektronisch abbilden und Verbesserungspotenzial identifizieren können. Viele Menschen erleben dieses oft zeitaufwendige Hinterfragen ihres Handelns aber als Kritik oder Zeitverschwendung – und reagieren mit Widerstand. Das ist eine Hürde, die wir überwinden müssen.“ Überzeugungsarbeit leisten Eine weitere Hürde ist die Veränderung der Arbeitsweise durch die E-Akte: Im Büroalltag ohne Papier auszukommen, bedeutet eine große Umstellung. Langjährige Routinen müssen aufgegeben, der Arbeitsablauf mit einem neuen System eingeübt werden. Hier sind Überzeugungsarbeit und praktische Unterstützung gefordert, um den Beteiligten die Vorteile der E-Akte nahezubringen. Diese zeigen sich in der Praxis aber in der Regel erst, wenn die kritische Umstellungsphase abgeschlossen ist und die neuen Abläufe sich eingeprägt haben. Ulla Dreger dazu: „Ist diese Phase überwunden, sind die meisten Anwender von den Vorteilen der E-Akte überzeugt. Wir sind ehrlich zu den Anwendern und sagen ihnen, dass die Umstellung am Anfang schwierig ist. Es dauert etwa zwei Monate, 14 bis man sich an die Arbeit mit dem neuen System gewöhnt hat.“ Während der Einführungsphase bietet Dataport deshalb an, mit mehreren Mitarbeitern vor Ort zu sein und den Anwendern bei Fragen und Problemen zu helfen. Das sei effektiver, als wenn diese zunächst beim Support anrufen müssten. Damit das Arbeiten mit dem neuen System gut von der Hand geht, hat sich außerdem ein zweiter Bildschirm für die Anwender bewährt: So wie bislang der Aktenordner im Büro immer in Griffweite lag, steht auf diese Weise die elektronische Akte permanent zur Verfügung – ohne dass zwischen den Bildschirminhalten hin- und hergewechselt werden muss. Dadurch fällt es leichter, das Verfahren im Arbeitsalltag konsequent zu nutzen. Einheitliches Regelwerk statt Insel lösungen Vor zwei Jahren wurde die Einführung der E-Akte in Schleswig-Holstein per Kabinettsbeschluss zur Pflicht erklärt: Bis 2016 soll das Verfahren in allen Ministerien ausgerollt sein. „Die E-Akte hat in Schleswig-Holstein dadurch ein ganz anderes Gewicht bekommen“, verdeutlicht Ulla Dreger. Der verbindliche Charakter und die Behandlung des Vorhabens als übergreifendes Organisationsprojekt mit einer zentralen Arbeitsgruppe, an der alle Ministerien beteiligt sind, sind starke Treiber und beschleunigen den Veränderungsprozess. Das Ergebnis: Ein einheitliches Regelwerk zur Handhabung der E-Akte für alle Ministerien statt diverser Insellösungen. Zudem gibt es zentrale Ansprechpartner für das Vorhaben, die innerhalb der Behörden für die E-Akte werben. Hierbei hat es sich bewährt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Papier- und elektronische Vorgangsbearbeitung im direkten Vergleich zu präsentieren. So wird deutlich, wie das elektronische Verfahren die Arbeit erleichtert. Titel gefragt Standardisierung auch bei E-Akte möglich In den Kommunalverwaltungen hingegen ist die E-Akte noch nicht sehr weit verbreitet: Zu viel zeitlicher und finanzieller Aufwand waren bislang mit der Analyse der abzubildenden Prozesse verbunden. Mit einem neuen Ansatz für ein standardisiertes System zur elektronischen Aktenführung soll dies in Zukunft anders werden. Die Idee stammt aus Sachsen: Dort haben sich Landkreise, Gemeinden und Städte in einem Projekt zusammengeschlossen, um ihre Verwaltungsaufgaben zu standardisieren und für die elektronische Vorgangsbearbeitung in Modulen abzubilden. Kurzfristig einsatzbereit „Die kommunalen Fachaufgaben unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland kaum. So arbeiten zum Beispiel die Einwohnerämter sehr ähnlich. Mit dem standardisierten System können 95 Prozent aller kommunalen Fachaufgaben abgebildet werden“, erläutert Ulla Dreger. Die E-Akte-Dienste für die kommunalen Fachaufgaben – zum Beispiel Aktenordner durch die Gegend tragen – das war gestern. Mit der E-Akte können Vorgänge elektronisch verteilt, abgelegt und archiviert werden. Foto: Franz Pfluegl – Fotolia automatisierte Posteingangsbearbeitung, Bauwesen oder JobCenter – können im Prinzip direkt von jeder Kom- naten bereitgestellt werden und ist im Vergleich munalverwaltung übernommen werden. Lediglich zu einer individuellen Lösung preisgünstig. „Aldie anzuschließenden Fachverfahren können sich lerdings nur, wenn die Verwaltung den vorgegebenen Standard im Großen und Ganzen übernimmt“, unterscheiden. schränkt Ulla Dreger ein. „In der Stadtverwaltung Die Vorteile der standardisierten E-Akte: Die um- Lübeck wird die E-Akte auf diese Weise bereits fangreiche Analyse der individuellen Prozesse eingeführt – es funktioniert und die Mitarbeiter entfällt, das System kann innerhalb von zwei Mo- sind begeistert.“ 15 Titel Interview mit Prof. Dr. Udo Konradt „Veränderungen sind Risiken verbunden“ Stehen in einem Unternehmen Veränderungen an, reagieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft irritiert oder ablehnend. Warum das so ist und wie Veränderungen konstruktiv gestaltet werden können, erklärt Prof. Dr. Udo Konradt vom Institut für Psychologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Was bedeuten Veränderungen für Menschen aus psychologischer Sicht? Veränderungen sind für Menschen grundsätzlich mit Risiken verbunden. Es ist zunächst unsicher, ob eine Veränderung negative Folgen hat, die nicht kontrolliert werden können. Gefühle alarmieren uns dann, lenken unsere Aufmerksamkeit auf das Problem und setzen Energie frei. Prinzipiell tun sich Mitarbeiter aber nicht schwer mit Veränderungen im Arbeitsumfeld. Änderungen, die kontrollierbar oder gewünscht sind – wie zum Beispiel die Vereinfachung von Arbeitsprozessen oder die Flexibilisierung von Arbeitszeiten – werden in der Regel unterstützt. Anders ist es mit weitreichenderen Änderungen, die möglicherweise gravierende negative Auswirkungen besitzen: Diese müssen von Seiten des Managements gut vorbereitet und begleitet werden, um erfolgreich zu sein. Prof. Dr. Udo Konradt leitet die Arbeitseinheit Arbeits- und Organisationspsychologie an der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel. Er studierte in Bielefeld und Bochum. Sein Forschungsinteresse gilt u.a. den Themen Electronic Human Resource Management und E-Learning. 16 Wie kann das aussehen? Für kleinere Veränderungsmaßnahmen – wie etwa die ergonomische Umgestaltung des Arbeitsplatzes – gilt, dass Pläne rechtzeitig angekündigt werden sollten. Außerdem sollten die Gründe für Veränderungen und der Veränderungsprozess durchsichtig und nachvollziehbar sein und die Mitarbeiter beteiligt werden – nicht nur durch die Personalvertretung. Umfassende Veränderungsmaßnahmen, wie zum Beispiel die Restrukturierung von Unternehmen, sind weniger gut zu kontrollieren. Aus organisationstheoretischer Sicht sollten solche Maßnahmen mit einem speziellen Übergangsmanagement begleitet werden. Dazu zählen Steuerungsgruppen, Beiräte und externe Beratungen. Sie können dabei helfen, Konflikte konstruktiv zu begleiten und Eskalationen zu kontrollieren. Zudem werden auf diese Weise gestaltete Prozesse in aller Regel besser akzeptiert und erweisen sich somit als effizienter. Welche Probleme können im Rahmen von Veränderungsprozessen entstehen? Prinzipiell kann eine Vielzahl von Problemen auf unterschiedlichen Ebenen entstehen. Für das Management entstehen beispielsweise Konflikte hinsichtlich kurz- und langfristiger Gewinne und Verluste sowie strategischer und operativer Ziele. Arbeitnehmer erleben Verteilungskonflikte in Bezug auf die erlebte Gerechtigkeit. Schließlich entstehen Spannungen zwischen den Ebenen durch unterschiedliche Ansichten und Auffassungen zu Sachfragen. Inwiefern wirkt sich die Unternehmenskultur auf das Gelingen von Veränderungen aus? Die Unternehmenskultur ist die Menge von in einer Organisation geteilten Handlungsmustern, Überzeugungen und Werten. Sie wird durch Veränderungen beeinflusst und verändert. Eine Unternehmenskultur, die sich den Prinzipien der Transparenz, Beteiligung und Fairness verpflichtet, hat günstigere Voraussetzungen für einen effektiven und effizienten Veränderungsprozess. Im besten Fall kann dadurch die Unternehmenskultur gestärkt werden. Die Beziehung zum Arbeitgeber ist in der öffentlichen Verwaltung zumeist stärker von Loyalität, Arbeitsplatzsicherheit und planbaren Karriereaussichten geprägt als in der Privatwirtschaft – dies sollte als ein Vorteil bei Veränderungsmaßnahmen genutzt werden. Haben Veränderungsprozesse für den beruflichen Alltag heute eine größere Bedeutung als früher? Meines Erachtens sind gravierende Veränderungen im Beruf heute häufiger anzutreffen als früher. Auch sind die Folgen von Veränderungen oft weitreichender. Titel grundsätzlich mit Benötigen Arbeitnehmer vor diesem Hintergrund andere Schlüsselqualifikationen als vor 20 Jahren? Heute geht man davon aus, dass Arbeitnehmer ihren eigenen Marktwert erhalten und steigern sollten. Damit sind Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse gemeint, die firmenübergreifend für Arbeitgeber attraktiv sind. Neben fachlichen Qualifikationen zählen dazu Kompetenzen und Ressourcen, die sich auf Stressreduzierung und Stressbewältigung beziehen. Dazu gehören zum Beispiel die Fähigkeit und Bereitschaft, Ungewissheit auszuhalten, eine hohe Belastbarkeit sowie emotionale Stabilität. Vorausgesetzt werden heute vermehrt auch Selbstverantwortlichkeit und Autonomiestreben. Eine weitere Kompetenz ist die Fähigkeit, sich die eigenen Stärken und Schwächen einzugestehen und persönliche Werte und Ziele durch Selbstreflektion zu klären. Achtung, Baustelle: Veränderungen gehören zum Arbeitsleben dazu – heute mehr denn je. Foto: Robert Kneschke – Fotolia 17 Unter Partnern Neuer Webservice für Fahrzeughalter Schnell abgemeldet: Erster Schritt zum OnlineDreizehn Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein sowie der Landesbetrieb Verkehr in Hamburg nutzen einen Online-Dienst, den Dataport in ihrem Auftrag entwickelt hat. Die Abmeldung von Kraftfahrzeugen im Internet ist dabei der erste Schritt auf dem Weg zum vollständigen Kraftfahrzeug-Online-Service. Online-KfzWesen Das Online-Kraftfahrzeug-Wesen soll die Kfz-Zulassung für Bürger und Verwaltung effizienter, flexibler und zeitsparender gestalten. Seit Januar 2015 sieht eine Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung des Bundes die Möglichkeit der Online-Abmeldung verbindlich vor. Kommunen ohne eigenen Kfz-OnlineDienst können das zentrale InternetPortal des KraftfahrtBundesamtes (KBA) noch bis zu dessen Abschaltung Anfang 2016 nutzen. Die technischen Schnittstellen des KBA bleiben darüber hinaus erhalten. Spätestens dann müssen die Kommunen den entsprechenden Online-Service selbst vorhalten. 18 Heutzutage erkennen Autos Staus und parken sogar selbstständig ein. Was sie den Autobesitzern nicht abnehmen können, ist die Zulassung des Kraftfahrzeugs (Kfz). Bislang mussten Bürgerinnen und Bürger die zuständige Kfz-Zulassungsstelle persönlich aufsuchen, um ihr Fahrzeug an-, um- oder abzumelden. Eine Änderung im Kfz-Wesen macht diese Zulassungsvorgänge jetzt stufenweise auch online möglich. Die erste Stufe wurde zum Jahresanfang 2015 erreicht: Seitdem sieht eine Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung des Bundes die Möglichkeit der OnlineAbmeldung verbindlich vor. Im Auftrag von dreizehn Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein und dem Landesbetrieb Verkehr in Hamburg hat Dataport hierfür einen Online-Dienst entwickelt und stellt die Infrastruktur für den Betrieb bereit. Der Service ist sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Autoverleiher und Betriebe über die jeweiligen Landesportale im Internet verfügbar. Fahrzeug vom Sofa aus abmelden Möglich wird die Online-Abmeldung durch neue Stempelplaketten für Kfz-Kennzeichen. Seit dem 1. Januar 2015 werden sie bei der Zulassung neuer Autos, Motorräder oder Anhänger ausgegeben. Das Besondere: Die runden Aufkleber mit Wappen des jeweiligen Bundeslandes und Namen der Zulassungsstelle enthalten eine spezielle Siegelung. Dahinter verbirgt sich ein Sicherheitscode. Auch die Zulassungsbescheinigung Teil I hat ein Feld mit verdecktem Code. Wer sein Kraftfahrzeug außer Betrieb setzen will, muss zunächst die Sicherheitscodes von Kennzeichen und Zulassungsbescheinigung freilegen. Soll das Fahrzeug von zu Hause aus abgemeldet werden, muss der Antragsteller die eigene Identität mit seinem elektronischen Personalausweis nachweisen und die Sicherheitscodes samt Kennzeichen in ein Online-Formular eintragen. Die Verwaltungsgebühr bezahlt der Fahrzeughalter über ein ePaymentSystem. Dabei kann er zwischen Online-Überweisung, Kreditkartenzahlung oder Lastschrift wählen. Gibt der Halter im Online-Antrag ein eigenes DE-Mail-Postfach an, wird ihm der Bescheid über die Abmeldung auf elektronischem Weg zugestellt. Ansonsten verschickt die Zulassungsstelle diesen per Post. Was zunächst kompliziert klingt, ist tatsächlich eine Erleichterung. Bundesweit werden jährlich rund 25 Millionen Transaktionen in den Kfz-Zulassungsstellen abgewickelt. Fahrzeughalter im privaten und geschäftlichen Bereich können sich den Weg zur Zulassungsstelle jetzt sparen und entlasten so auch die Verwaltung. Die Kooperation der Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein und Hamburg steigert zusätzlich die Effizienz des Verwaltungsverfahrens: So teilen sich die Beteiligten die Kosten für die gemeinsame technische Infrastruktur, für den ePayment-Provider und für den Serviceprovider, der den eID-Service für die Authentifizierung mit dem elektronischen Personalausweis abwickelt. Der projektverantwortliche IT-Berater Wolfgang Fey freut sich über die Vorteile der gemeinsamen Lösung. Der E-GovernmentExperte von Dataport betont: „Maßgebend für den Erfolg in Schleswig-Holstein war die enge Zusammenarbeit von Städteverband, Wirtschaftsministerium und Staatskanzlei sowie dem Kommunalen Forum für Informationstechnik.“ Sicher online ausweisen Der eID-Service hat eine Schlüsselfunktion bei den Zulassungsvorgängen im Internet. Hintergrund sind die hohen Sicherheitsanforderungen an den Zulassungsvorgang und die Zulassungsbehörden. Unter Partnern Kraftfahrzeugwesen Seit Jahresbeginn können Fahrzeuge bundesweit online abgemeldet werden. Bis 2017 soll auch die An- und Ummeldung per Internet möglich sein. Als Service-Partner hat sich die Bundesdruckerei in einer deutschlandweiten Ausschreibung qualifiziert. Dataport hat den Service ausgeschrieben und für Schleswig-Holstein erstmals ein sogenanntes Bürgerkonto im Schleswig-Holstein-Gateway eingerichtet. Dabei handelt es sich um einen Dienst, der die elektronischen Personalausweisdaten ausliest und sie einmalig an das Fachverfahren überträgt (temporäres Bürgerkonto). Wahlweise können Bürgerinnen und Bürger ihre Ausweisdaten für weitere Online-Anträge dauerhaft in einem Profil hinterlegen (permanentes Bürgerkonto). Die Mittlerfunktion bei der elektronischen Identifikation sorgt für einen zuverlässigen Schutz. Das ist wichtig, denn mit der Registrierung von Fahrzeug und Halter werden persönliche Daten des An- tragstellers übertragen. Die Registrierung ist von allgemeinem Interesse: Sie hilft unter anderem dabei, Beteiligte von Unfällen zu ermitteln und entstandene Schäden abzuwickeln. Kfz-Wesen bald komplett online Auf dem Weg zur durchgehend internetbasierten Fahrzeugzulassung ist der Service zur OnlineAbmeldung erst der Anfang. Bisher können nur Fahrzeuge online abgemeldet werden, die nach dem 1. Januar 2015 zugelassen wurden. In zwei Jahren sollen Fahrzeuge dann komplett online ab-, an- und umgemeldet werden können – noch bevor uns selbstfahrende Autos auf deutschen Straßen überholen. 19 Modern verwalten Bürgerbeteiligung mit Serious Games 3D-Baukasten für den Bürgerbeteiligung spielerisch gestalten: Forscher der Technischen Universität Darmstadt haben in einem Projekt mit der Stadt Darmstadt ein Computerspiel entwickelt, das zur Stadtgestaltung in kommunale Bürgerbeteiligungsprozesse integriert werden kann. Das Ziel: vor allem Jugendliche und junge Menschen ansprechen und dazu motivieren, sich bei Beteiligungsprojekten einzumischen. Die Autoren Matthias Bastian ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Fachgebiets Multimedia Kommunikation an der TU Darmstadt zuständig. Viktor Wendel leitet das Projekt Serious Games. Stefan Göbel ist Leiter des Forschungsgebiet Serious Games. Politik ist für viele Jugendliche und junge Menschen kein besonders spannendes Thema mehr. Die statistische Auswertung der letzten Bundestagswahl zeigt: Die Wahlbeteiligung der 18- bis 30-Jährigen ist unterdurchschnittlich. Erst ab 40 Jahren steigt die politische Anteilnahme und ist insbesondere bei den Altersgruppen jenseits 65 Jahren besonders stark ausgeprägt. Im Klartext: Die politische Einflussnahme älterer Generationen steigt. So besteht das Risiko, dass die Bedürfnisse junger Menschen auf der Strecke bleiben. Der demografische Wandel intensiviert diese Entwicklung. Politik fängt aber nicht auf der Bundesebene an, sondern in den Städten und Gemeinden. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an gemeinschaftlichen Prozessen spielt hier eine wesentliche Rolle. Die zentrale Frage: Wie kann man jungen Menschen wieder das Gefühl geben, dass sie sich in die Gesellschaft einbringen können, um sie so frühzeitig für politische Beteiligung zu begeistern? Und umgekehrt: Wie schafft man Verständnis für Entscheidungen der Politik, gerade bei Jugendlichen? 20 Die Stadt Darmstadt geht gemeinsam mit dem Fachgebiet Multimedia Kommunikation der Technischen Universität Darmstadt (TUD) und dem httc e.V innovative Wege, um junge Menschen zu aktivieren und diese zum Mitmachen zu bewegen. Httc steht für Hessisches Telemedia Technologie Kompetenz-Center, ein am Fachgebiet angesiedelter Verein zur Förderung von Wissenschaft und Bildung im Gebiet der Multimedia-Technologie. Halfpipes mit den Freunden teilen Der Lösungsansatz: Um mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen, müssen Medien eingesetzt werden, die junge Menschen auch nutzen wollen. Unter dieser Prämisse wurde das Serious Game „UrCity“ konzipiert, bei dem spielerische Elemente mit bekannten Funktionen aus sozialen Netzwerken kombiniert wurden. Serious Games bezeichnet digitale Spiele für Computer, Smartphone, Tablet oder Konsole, die in einem ernsthaften Kontext eingesetzt werden. Beispielsweise beim Lernen in der Aus-, Weiter- und Fortbildung, aber auch in der Altenpflege oder bei der Therapie von stark übergewichtigen Kindern. Sie machen Spaß und bringen Senioren, Erwachsenen, Jugendlichen oder Kindern Freude – so dass selbst anspruchsvolle oder anstrengende Aufgaben mit spielerischer Leichtigkeit gemeistert werden. UrCity ist eine Online-Plattform, über die Jugendliche zusammenarbeiten können und bei der Gestaltung von Spielplätzen, Skater-Parks oder dergleichen ihrer Kreativität freien Lauf lassen können. Ähnlich wie bei einem LEGO- oder Minecraft-Spiel können junge Menschen in einem 3D-Baukasten gemeinsam Vorschläge ausarbeiten, wie städtische Flächen, die zum Beispiel jetzt noch Brachflächen sind, in Zukunft genutzt oder Modern verwalten en neuen Skater-Park umgestaltet werden können. Mit dem Baukasten ist es möglich, Landschaften, Gebäude oder Spielgeräte und viele andere Objekte zu erstellen, zum Beispiel Halfpipes. Die Nutzer können über diese Plattform komplexe Objekte, die sie für die zu gestaltende Fläche erstellt haben, abspeichern, teilen und wiederverwenden. Sie können ihre Lösungen Freunden und Bekannten mitteilen, gegenseitig bewerten und gemeinsam weiterentwickeln. Die OnlinePlattform bietet außerdem umfangreiche Verwaltungsfunktionen, um einfach und intuitiv neue Projekte – inklusive deren Integration in Google Maps – Bilder, Beschreibungen und Kostenangaben zu erstellen und zu bearbeiten. Die Konzepte und Entwürfe können die Spieler dann gemeinsam ansehen, vergleichen und bewerten. Im Anschluss können auch die verantwortlichen Stadtplaner ein fachmännisches Auge darauf werfen und schauen ob einer der Entwürfe umgesetzt werden kann. Kriterien für die Umsetzung der Vorschläge sind Sicherheit, Statik oder auch die Kosten. Brachfläche spielerisch mit Leben füllen Während der Projektlaufzeit 2013/2014 wurden wissenschaftlich-technische, psychologische, ethisch-rechtliche und anwendungsspezifische Aspekte untersucht, um so zu signifikanten Ergebnissen hinsichtlich der möglichen späteren Akzeptanz und Nutzbarkeit der UrCity-Plattform zu kommen. Das Ergebnis: Der UrCity-Ansatz ist sehr vielversprechend. Durch die Verbindung existierender Bürgerbeteiligungsprozesse mit Spieletechnologien und -konzepten können umfangreiche Gestaltungsvorschläge für die Um- wandlung von Brachflächen erarbeitet werden. Diese können dann von Stadt und Stadtplanern in realen Planungs- und Umsetzungsprozessen berücksichtigt und nach fachlicher Prüfung umgesetzt werden. Die Stadt Darmstadt stellt sich damit der prinzipiellen Aufgabe, junge Bürgerinnen und Bürger, Stadtverwaltung und kommunale Politik zusammenzubringen. Das freut Projektleiter Viktor Wendel: „Die Idee hinter UrCity ist, dass junge Menschen sich stärker in die Gemeinden und Kommunen einbringen und deren Zukunft mitgestalten. Dafür braucht es konkrete Beteiligungsmöglichkeiten an Themen, die sie selbst betreffen, über ein Medium, das sie verstehen und einsetzen können und wollen. Wir freuen uns, dass die jungen Menschen in Darmstadt UrCity gut angenommen haben.“ Spielt er noch oder plant er schon? Computerspiele können auch für die Stadtplanung eingesetzt werden – zum Beispiel um auch jüngere Menschen zum kreativen Mitmachen bei Bürgerbeteiligungsprojekten zu motivieren. Foto: jackfrog – Fotolia Der Abschlussbericht „Bürgerbeteiligung 2.0 – Serious Games und Social Media als IT-gestützte Anreizsysteme für die ‚Piraten‘-Generation“ steht zum Download bereit unter: www.isprat.net 21 Report Wahlnacht in Hamburg Ein Sieger, viele Zah Menge IT Ob Bürgerschafts-, Bundestags- oder Europawahl: Dataport unterstützt die Hansestadt Hamburg seit 2004 mit IT bei der technischen Umsetzung von Wahlen. Die dafür notwendige Infrastruktur wird von Technikern bereitgestellt, ein Projektteam koordiniert Planung und Umsetzung. Datareport hat das Team bei der diesjährigen Bürgerschaftswahl begleitet. Der Wahlsieger stand lange vor der ersten Prognose fest. Dass Olaf Scholz (SPD) als Erster Bürgermeister Hamburgs weiterregieren würde, war seit vielen Wochen klar. Offen blieb nur, ob alleine oder in Koalition mit den Grünen. Gegenspieler Dietrich Wersich (CDU) hatte zuletzt noch einmal alles in die Waag- Läuft alles störungsfrei? Die Projektmanager Dirk Wellmann (l.) und Stefan Lamprecht beobachten mit Vorstand Andreas Reichel im Wahlzentrum die Übertragung der Ergebnisse. Zahlen und Fakten zur Bürgerschaftswahl 2015 in Hamburg Wahlbeteiligung insgesamt: 56,5 % Höchste Wahlbeteiligung (Stadtteil): Wohldorf-Ohlstedt (76.7%) Niedrigste Wahlbeteiligung (Stadtteil): Billbrook (26,3%) Anzahl der Briefwähler: 30,9% Anteil ungültiger Stimmen: 3,0% Kandidatenstimmen: 47% Anzahl aller Wahlkreuze: 3,5 Millionen Personenstimmen für Olaf Scholz: 735.737 Personenstimmen für Dietrich Wersich: 134.584 Wahlhelfer im Einsatz: 14.300 22 schale geworfen. Am Ende vergeblich. Am Wahlabend. Das hektische Treiben in der großen Halle des Congress Centers Hamburg (CCH) ist urplötzlich vorbei. Stille. Nur gelegentlich ist leises Gemurmel in den Studios der Fernseh- und Radiosender zu hören. In den schmalen Gängen dazwischen: TV-Teams mit Kameras auf der Schulter, Fotografen mit Kameras im Anschlag und Regieassistenten mit Kopfhörern am Ohr – alle halten inne. Es ist kurz vor 18 Uhr. Die Blicke richten sich auf die Bildschirme, die an jeder Ecke aufgebaut sind. Punkt sechs wird es laut: Die erste Prognose zur Bürgerschaftswahl 2015 in Hamburg wird verkündet. IT für das Medienzentrum Eine Etage höher im deutlich kleineren Wahlzentrum der Landeswahlleitung sind die gerade verkündeten Zahlen für Stefan Lamprecht und Dirk Wellmann nur Nebensache. Die beiden Projektmanager interessiert vielmehr, dass die gesammelten Stimmen aus den Auszählzentren störungsfrei ins CCH übermittelt werden. Zahlen aus insgesamt 1.780 Wahlbezirken in Hamburg. Nur wenn Report len und jede alles störungsfrei läuft, kann Landeswahlleiter Willi Beiß – wie geplant – spätestens um 23 Uhr den Medienvertretern das Ergebnis präsentieren. Stefan Lamprecht und Dirk Wellmann erleben bislang einen ruhigen Wahlsonntag. Das war in den Wochen und Monaten zuvor anders. Sieben bezirkliche Wahlgeschäftsstellen, 14 bezirkliche Wahldienststellen, sechs Auszählzentren und das Medienzentrum im CCH mussten mit jeder Menge IT ausgestattet werden. Insgesamt 276 ComputerArbeitsplätze wurden in ganz Hamburg aufgebaut, allein 22 im Medienzentrum. Auch im neuen Rechenzentrum hatten die beiden Projektmanager frühzeitig wichtige Vorkehrungen zu treffen. Änderungen an Verfahren oder Infrastrukturen, wie zum Beispiel Softwareaktualisierungen auf Kunden-Rechnern, durften nicht auf den Wahlsonntag gelegt werden, um Störungen im Arbeitsablauf der Wahlhelfer zu vermeiden. Das Einspielen von Updates in die Systeme ist sonst ein übliches Vorgehen am Wochenende. Der Mann der Stunde: Olaf Scholz „Bisher läuft alles glatt. In den meisten Fällen mussten nur kleinere Anmelde- oder AccountProbleme behoben werden“, sagt Dirk Wellmann, der mit Stefan Lamprecht das Beheben der Störungen koordiniert. Rund 20 kleinere Vorfälle werden es am Ende sein. „Für ein Ereignis wie eine Bürgerschaftswahl kaum der Rede wert“, so Lamprecht. Vom technischen Support im Hintergrund wissen die Medienvertreter der TV- und Radiosender im Erdgeschoss kaum etwas. Müssen sie auch nicht, für sie zählen nur das nächste Interview und die nächste Live-Sendung. Immer häufiger huschen nun bekannte Politiker durch die Menge, ein wortgewandter Anwalt aus Kiel ist genauso gefragt wie der Bundesvorsitzende der Grünen. Schnell wird das Mikrofon gezückt, der Fragebogen abgearbeitet. Danach noch ein Foto für die Agentur – und schon zupft der nächste Journa- list am Jackett des Zielobjekts. Um 18.30 Uhr blickt Willi Beiß auf seinen Computer: Neun grüne Haken sind dort zu sehen, jeder hinter einem ausgezählten Wahlbezirk. Noch fehlen 1.771 Bezirke, kenntlich gemacht durch rote Kreuze. Für den Landeswahlleiter, der die Wahl organisiert und überwacht, ist es die elfte und zugleich letzte Wahl – seit 2004 hat er den Posten in der Elbmetropole inne. Deutlich kürzer ist die Amtszeit von Olaf Scholz als Erster Bürgermeister Hamburgs. 2011 übernahm der SPD-Politiker das Ruder in der Hansestadt und wird es auch in den kommenden fünf Jahren in der Hand behalten. Zu groß ist der Vorsprung zu Herausforderer Dietrich Wersich – obwohl die Der alte und neue Erste Bürgermeister Hamburgs: Olaf Scholz (SPD). 23 Report Nach den ersten Hochrechnungen gibt Olaf Scholz das erste Fernsehinterview. 18-Uhr-Prognose der Meinungsforschungsinstitute nur auf Ergebnissen einer zufälligen Befragung von Wählern nach dem Verlassen des Wahllokals basiert. In der Maske eines lokalen Hamburger TV-Senders wird dem Sprecher das Gesicht gepudert, der Duft edler Parfüms begleitet Männer in dunklen Anzügen und Frauen mit eleganten BusinessKostümen. Vom Eingangsbereich bewegt sich eine große Menschentraube in Richtung eines der TVStudios. Blitzlichter flackern auf, ein Fotograf gerät beim Rückwärtslaufen beinahe ins Stolpern. Inmitten der Menge läuft Olaf Scholz gutgelaunt zum Studioeingang. Zwei Männer mit breitem Kreuz, kurzen Haaren und ernster Miene verwehren dem nicht bestellten Gefolge den Zutritt. Während der Bürgermeister vor die Kameras tritt, bringen sich gut zwei Dutzend Fotografen vor der Absperrung in Stellung. Zwei Geübte klettern wackelige Klappleitern hinauf, die anderen rangeln Schulter an Schulter um die beste Position. Viel Zeit für den perfekten Schuss bleibt nicht, nach wenigen Minuten ist das Gespräch mit dem Wahlsieger schon wieder vorbei. Mittlerweile ist es kurz nach acht. Willi Beiß und die Mitarbeiter vom Statistikamt analysieren im Wahlzentrum die einlaufenden Zahlen und vergleichen sie mit den Fernseh-Prognosen, die auf stichprobenartigen Umfragen basieren. Das Zwischenergebnis weicht davon noch immer ab, bei den kleineren Parteien zum Teil um mehr als einen Prozentpunkt. Doch es wird umso valider, je 24 Gleich geht's los: Letzte Vorbereitungen hinter den Kulissen eines lokalen TV-Senders. mehr Ergebnisse aus den Bezirksämtern per Computer übermittelt werden. Zum ersten Mal wird eine mögliche Sitzverteilung durchgerechnet. Die bisherige „Alleinherrschaft“ des Amtsinhabers erscheint trotz des deutlichen Wahlsieges immer unwahrscheinlicher. Schnelle Wahlhelfer, schnelle Ergebnisse 20.38 Uhr: Die Spannung der ersten Stunde ist längst verflogen, sowohl bei den Protagonisten vor als auch hinter der Kamera. Im Wahlzentrum bei Stefan Lamprecht und Dirk Wellmann ist deutlich zu spüren, dass technisch alles nach Plan läuft. So sind bereits jetzt die Zahlen von mehr als 1.400 Wahlbezirken übermittelt worden. Gelegenheit für einen nicht mehr ganz brühfrischen Kaffee aus der Thermoskanne und ein belegtes Brötchen mit Report Salami. Von den anderen Arbeitsplätzen sind jetzt häufiger Meldungen zu hören wie „Harburg ist komplett“ und „in Mitte fehlen nur noch elf“. Im Minutentakt laufen die Ergebnisse ein. Schließlich fehlen nur noch Zahlen aus Altona und Hamburg-Nord. Eine Randnotiz für Willi Beiß, der sich freut, dass alle Ergebnisse deutlich vor Plan übermittelt werden konnten: „Die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer haben rasch ausgezählt. Auch bei der Übermittlung der Zahlen ist alles glatt gelaufen. Projektplaner und IT-Techniker haben gute Arbeit geleistet.“ Ein Wermutstropfen für den Landeswahlleiter ist die Wahlbeteiligung: Die geringste aller Zeiten, wenn auch nur um 0,4 Prozentpunkte niedriger als vor vier Jahren. Nach der Wahl ist vor der Wahl Nach der offiziellen Ergebnisbekanntgabe durch Beiß beginnen viele Radio- und TV-Sender mit dem Abbau, ein Privatsender aus Luxemburg ist schon abgereist. Vereinzelt bereiten sich Moderatoren auf die letzte Sendung vor. Ihre Augen sind müde. Mitarbeiter eines großen Hamburger Radiosenders sitzen nicht weit entfernt in gelöster Atmosphäre auf Holzbänken und nippen an Kaffee, Tee und Wasser, während um sie herum emsig zusammengepackt wird. Erschöpfte, aber zufriedene Gesichter. Smalltalk kurz vor Mitternacht. Wenig Schlaf auch für die Techniker, die bis Montagvormittag Zeit haben, alle IT-Arbeitsplätze im CCH abzubauen. Stefan Lamprecht: „Danach sind die Auszählzentren dran. Sie müssen in den nächsten zwei bis drei Tagen zurückgebaut werden. Bei den Wahldienstund Wahlgeschäftsstellen ist es zeitlich nicht so kritisch, da dort Nachprüfungen stattfinden. Für diese haben wir etwa eineinhalb Wochen Zeit.“ Einen Tag später wird auch dort nichts mehr an die Wahl erinnern. So wurde in Hamburg gewählt Ergebnis 2015 SPD: 45,6% CDU: 15,9% Grüne:12,3% Linke: 8,5% FDP: 7,4% AfD: 6,1% Piraten:1,6% Sonstige: 2,6% Ergebnis 2011 48,4% 21,9% 11.2% 6,4% 6,7% keine Bet. 2,1% 3,4% Hintergrund: Hamburger Wahlrecht Das Hamburger Wahlrecht wurde zwischen 2004 und 2014 grundlegend verändert. Bis 2004 galt eine reine Listenwahl. Seitdem ist Hamburg in 17 Wahlkreise aufgeteilt worden, in denen jedoch nicht jeweils ein einzelnes Mandat vergeben wird, sondern drei bis fünf. Außerdem können die Wähler durch Vergabe von jeweils fünf Personenstimmen auch die Reihenfolge der Vorschlagslisten der Parteien verändern. Das gilt sowohl für die Landesliste als auch die Wahlkreislisten. In Hamburg hat der Wähler aber nicht nur fünf Personenstimmen, sondern auch fünf Listenstimmen, die er entweder einer einzelnen Partei geben oder auch auf verschiedene Parteien verteilen kann. Das komplizierte Wahlrecht – bereits 2009 wurde auf diese Weise gewählt – bedeutet auch für die Wahlhelfer viel Arbeit. So mussten diese nicht nur einen Stimmzettel ansehen, sondern jedes Mal ein ganzes Heft, um zu ermitteln, ob die abgegebene Stimme überhaupt gültig ist. Landeswahlleiter Willi Beiß analysiert an einem von Dataport bereitgestellten Arbeitsplatz die einlaufenden Zahlen. 25 Hausmesse Dataport Hausmesse 2015 „Zukunft mITgestalten“ Die Verwaltungs-IT von morgen steht im Zentrum der siebten Dataport Hausmesse in Hamburg-Schnelsen am 28. April 2015. Drei Themenwelten, vier Fachforen und ein Vortragsprogramm mit 45 Referenten informieren die Besucherinnen und Besucher über Entwicklungen in der IT und im E-Government. Die öffentliche Verwaltung steht vor Herausforderungen: Knappe Finanzbudgets und ein durch den demografischen Wandel bedingter Mangel an Fachkräften verringern den Gestaltungsspielraum von Ämtern und Behörden. Gleichzeitig fordern die Bürger einen hochwertigen und auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Service. IT-Anwendungen und Programme unterstützen die Verwaltung dabei, diesen Anforderungen auch zukünftig gerecht zu werden. Auf der diesjährigen Hausmesse präsentiert Dataport deshalb unter dem Motto „Zukunft mIT gestalten“ verschiedene Lösungen für eine moderne und effiziente Arbeitsgestaltung. lung digitaler Datensammlungen bis hin zur sicheren Verwahrung von E-Akten. „Technik zum Anfassen“ gibt es am Stand für BOS-Funk: Dort führt T-Systems an einem Funkstreifenwagen vor, wie mobiles Arbeiten im Polizeieinsatz funktioniert. Von Connected Car bis E-Government Insgesamt 45 Referenten sprechen unter anderem über zukünftige Entwicklungen im Bereich E-Government und stellen Einsatzmöglichkeiten von IT-Anwendungen vor. So wagt Prof. Dr. Frank Köster vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter dem Titel „Connected Car – kooperative und automatisierte Straßenfahrzeuge von morgen“ einen Blick auf den Straßenverkehr der Zukunft, während Lena-Sophie Müller von der Initiative D21 in ihrem Vortrag „eGovernment für Smart City und Smart Country – der Bürger im Fokus“ über die Potenziale von E-Government in ländlichen Gebieten referiert. Foren für Fachdialoge Die MesseHalle in Hamburg-Schnelsen öffnet am 28. April 2015 ihre Pforten für die Besucherinnen und Besucher der Dataport Hausmesse. 26 In den drei Themenwelten „Fachdienste“, „Kommunikation und Sicherheit“ und „Verwaltungsdienste“ können sich Besucherinnen und Besucher an mehr als 50 Themeninseln zu den einzelnen Fachanwendungen und Dienstleistungen informieren und von Dataport und seinen Partnern vor Ort beraten lassen. An einem eigenen Stand zeigt Dataport zum Beispiel verschiedene Aspekte der elektronischen Aktenführung – von der Übermitt- Wer Gelegenheit zum intensiven Austausch sucht, findet diese in den vier Fachforen, die parallel zu Vortragsprogramm und Themenwelten auf der Messe stattfinden: Das Personal-Forum beschäftigt sich mit verschiedenen Strategien zur Sicherung von Fachkräften in der Verwaltung. Im Fachforum Polizei wird über die Perspektiven eines gemeinsamen DataCenters diskutiert. Im Anwenderforum für SAP und im OK.FIS-Forum haben Besucher die Möglichkeit, sich über ihre Erfahrungen mit der jeweiligen Software auszutauschen. Mehrere Fachvorträge geben außerdem einen Einblick in die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der Programme. Weitere Informationen zur Hausmesse erhalten Sie unter www.dataport.de. MesseHalle Hamburg-Schnelsen Modering 1a, 22457 Hamburg 27 www.dataport.de Hausmesse IuK-Forensik Mit IT auf Spurensic Wenn es darum geht, von Polizei oder Steuerfahndung beschlagnahmte Rechner, Smartphones oder Navigationsgeräte auswerten, schlägt die Stunde der IuK-Forensik. Bei Dataport gibt es hierfür eine eigene Gruppe, die mit innovativer Technik die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden unterstützt. Eher unscheinbar steht der Forensic Cube auf dem Schreibtisch im Labor der IuK-Forensik von Dataport in Bremen. Daneben stehen Computer und Monitore, in den Regalen liegen Smartphones und Festplatten. Der Forensic Cube – so unauffällig er wirkt – hat technisch einiges zu bieten. Als mobiles System mit Touchscreen wird er von den Computerforensikern für die Beweisaufnahme im Feld eingesetzt, hauptsächlich zur Steuerfahndung in Norddeutschland. Matthias Scheele am Forensik Cube: Das Speichervolumen des Cubes umfasst vier Festplatten in einer Größe von je einem Terabyte. 28 Matthias Scheele ist fachlicher Leiter des Teams IuK-Forensik bei Dataport. Als IT-Fahnder arbeitete er schon, bevor die Vorgängerorganisation „fidatas“ 2007 durch Dataport übernommen wurde. „Was mir an meinem Beruf gefällt, ist die Abwechslung – wie zum Beispiel immer wieder neue Menschen und Örtlichkeiten ken nenzulernen“, sagt Scheele, der seine berufliche Laufbahn 1997 bei der Oberfinanzdirektion Bremen begann. Bis vor kurzem war sein Job nahezu eine OneMan-Show, denn Matthias Scheeles „Gruppe“ bestand nur aus ihm. Lediglich bei umfangreicheren Aufgaben bekam er Unterstützung aus anderen Abteilungen. Jetzt stehen ihm mit Carolin Güldner und Janne Ropers zwei neue Kolleginnen zur Seite. Janne Ropers stieß über eine Ausbildung bei Dataport und den Field Service im Mai 2014 zur IuK-Forensik. Carolin Güldner arbeitete bis Au- gust 2014 in Bremen als Polizistin. Nach einem Fernstudium entschied sie sich für einen Wechsel zur Forensik. Gelöschte Daten sind nicht vernichtet Während sich die ehemalige Polizistin um ein neues Forensik-Projekt kümmert, hat sich Janne Ropers auf Mobilfunk spezialisiert. Eines ihrer Werkzeuge ist der mobile Cellebrite UFED Touch (Universal Forensic Extraction Device). Mit diesem können die verwertbaren Daten von Handys und Smartphones, Tablet-PCs und mobilen GPSGeräten zu Strafverfolgungszwecken extrahiert und auf externe Festplatten gespeichert werden. Selbst gelöschte Daten können mit dem UFED Touch wieder hergestellt werden. Aus den so erhaltenen Daten wird ein Bericht erstellt – nicht selten mit Fotos und Videos – der an die jeweilige Strafverfolgungsbehörde gesandt wird. Schutzweste kaum im Einsatz Mit dem anderen mobilen Gerät – dem Forensic Cube – lassen sich im Rahmen der Datensicherung und -auswertung zwei Festplatten gleichzeitig anschließen. Das Speichervolumen des Cubes umfasst vier Platten in einer Größe von je einem Terabyte. Neben der Steuerfahndung unterstützt das Team gelegentlich auch die Bremer Polizei, wenn diese Hilfe anfordert. Bevor die IuK-Forensiker jedoch ausrücken und die Steuerfahnder bei der Beweismittelsuche unterstützen, muss ein Gerichtsbeschluss vorliegen. Vor Ort wird sowohl nach analogen als auch nach digitalen Beweismitteln gesucht. „Belastendes Material entdecken wir zum Beispiel auf Festplatten, Laptops, USB-Sticks oder Navis“, erklärt Matthias Scheele. Nur selten müssen die Forensiker eine Schutzweste tragen – meist dann, wenn es sich um einschlägig bekannte Einsatzorte oder Beschuldigte handelt. Spannung sei aber bei Hausmesse herung Mit dem UFED Touch können Daten von Mobilgeräten extrahiert und zur Auswertung auf externen Festplatten gespeichert werden. den meisten Aufträgen dabei. Diese können zwischen wenigen Stunden und mehreren Monaten dauern. Ein größeres Team und neue Hilfsmittel: Die IuK-Forensiker von Dataport setzen auf weitere Kunden durch neue Produkte und noch mehr Standardisierung. Matthias Scheele dazu: „Bislang gibt es nur einen Rahmenvertrag mit Bremen. Wenn Strafverfolgungsbehörden von anderen Standorten hinzukämen, würden wir uns freuen.“ Dabei soll auch das neue Projekt „Forensisches Remotesystem“ helfen, das bei der Hausmesse am 28. April in Hamburg vorgestellt wird. Beim forensischen Remotesystem werden elektronische Beweismittel von Strafverfolgungsbehörden wie der Steuerfahndung oder Polizei an Dataport übermittelt und dort auf Servern gespeichert. Die Forensiker bereiten die Daten mithilfe der forensischen Software X-Ways nach Kundenwunsch auf und stellen ihm diese dann in einem virtuellen Container zur Verfügung. Nach der Bereitstellung können die Daten am Client-Rechner über einen VPN-Tunnel abgerufen werden. Dieses Vorgehen macht sich vor allem dann bezahlt, wenn in einem Verfahren mehrere elektronische Beweismittel vorhanden sind. So können die ersten Asservate bereits vom Sachbearbeiter ausgewertet werden, während die restlichen sich noch in der Sicherung befinden. „Wir haben uns das Remotesystem vom LKA Rheinland-Pfalz zeigen lassen, wo es bereits erfolgreich im Einsatz ist. Mit der dortigen Behörde kooperieren wir eng und waren auch bereits vor Ort“, erklärt Carolin Güldner. Nach der Dataport Hausmesse soll das Forensische Remotesystem als standardisierte Lösung einem möglichst breiten Kundenkreis vorgestellt werden. Janne Ropers ist auf Mobilfunk spezialisiert. Eines ihrer Werkzeuge: der UFED Touch. 29 Hausmesse Bürgerportale Behörden-Service im Internet Von der Abmeldung von Fahrzeugen bis zur Einsicht in Behördenakten: Über Bürgerportale stellen Verwaltungen immer mehr Services zur Verfügung. Die Grundlage dafür stellen komplexe IT-Infrastrukturen wie das Government Gateway von Dataport zur Verfügung. Themeninsel Nähere Informationen zu den Anforderungen und Lösungen für die Bereitstellung von Services in Bürgerportalen erhalten Sie auf der Dataport Hausmesse an der Themeninsel V15. Der Zugang zu Informationen und Services der Verwaltung über Online-Dienste wird in der digitalen Gesellschaft immer wichtiger. Statt sich in Wartschlangen bei den Behörden einzureihen und Auskunftsersuche zu stellen, wollen immer mehr Menschen ihre Angelegenheiten bei den Ämtern über Bürgerportale im Internet erledigen. Seit Anfang 2015 können zum Beispiel Fahrzeughalter in Hamburg und bei 13 Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein ihr Kraftfahrzeug über das Government Gateway online abmelden (siehe Artikel S. 18). Um solche Services in Bürgerportalen anbieten zu können, müssen hohe Sicherheitsstandards erfüllt und eine komplexe Infrastruktur bereitgestellt werden. Beim Kraftfahrzeug-Online-Service wird zum Beispiel die eID-Funktion des neuen Personalausweises für das Fachverfahren verwendet. Damit einher geht die Einrichtung von temporären oder dauerhaften Bürgerkonten für angemeldete Benutzer. ren zum Beispiel Anwendungen aus dem Bau-, Kfz- und Meldewesen oder Online-Services für Bewerbungsverfahren, Fischereidokumente oder das Hunderegister. Behördliche Informationen einsehen per Mausklick Ein weiteres Feld für Bürgerportale haben die Informationsfreiheitsgesetze der Bundesländer eröffnet. In Bremen und Hamburg beispielsweise können über entsprechende Portale bereits viele freiwillig und auf Anfrage bereitgestellte Informationen und Dokumente aus den Behörden online Infrastruktur für vielfältige Fachverfahren Dataport betreibt seit zehn Jahren für Hamburg und Schleswig-Holstein mit dem Government Gateway eine Infrastruktur, die Basisfunktionen zur Verfügung stellt, auf die Fachanwendungen aufsetzen können. Zu diesen Basisdiensten gehören zum Beispiel eine Benutzerverwaltung mit Sicherheitsstufen und einem fachbezogenem Rollen- und Berechtigungskonzept oder eine elektronische Bezahlfunktion. In Hamburg und Schleswig-Holstein nutzen bereits etwa 100 Fachanwendungen das Government Gateway für die Bereitstellung von Online-Services, so dass die Bürgerinnen und Bürger in der Hansestadt und im Flächenland viele Behördenangelegenheiten über das Internet erledigen können. Dazu gehö30 Bürgerportal statt Warteschlange: Der Online-Zugang zu Verwaltungsdiensten wird immer wichtiger. Foto: ra2 studio – Fotolia eingesehen und ausgewertet werden. Das Transparenzportal Hamburg ging offiziell im Oktober 2014 an den Start und geht noch einen Schritt weiter: Das proaktive Veröffentlichen von ganz unterschiedlichen Informationstypen aus vielfältigen Fachverfahren wird hier per Gesetz gefordert. Dafür musste eine Vielzahl von IT-Lösungen miteinander verknüpft und an einen zentralen Speicher angebunden werden. Dieser erfüllt insbesondere die Anforderungen an Sicherheit und Zugänglichkeit von Dokumenten. Reshaping the Datacenter So dynamisch wie Ihr Unternehmen Der Betrieb einer modernen IT-Infrastruktur erfordert neue und moderne Betriebskonzepte, die Ressourcen schonen, flexibel sind und gleichzeitig kostenoptimiert arbeiten. Das ermöglicht schnelle Anpassungen an sich ändernde Geschäftssituationen und ein Verlagern der Ressourcen: weg von der reinen Wartung der IT-Infrastruktur und hin zu Geschäftsanwendungen und Prozessinnovationen. Virtualisierung und Automatisierung - basierend auf Industriestandard-Komponenten – sowie die Grundlagen des Cloud Computing sind die wichtigsten Elemente der IT-Architektur der nächsten Generation, um maximale Flexibilität zu gewährleisten. Wie dies funktioniert, erfahren Sie telefonisch unter 040 512 03-126 oder senden Sie uns eine E-Mail an [email protected] http://reshaping-datacenter.de.ts.fujitsu.com – starten Sie jetzt! 31 Unternehmen Fair gehandelte Hardware Schritt für Schritt zur fairen Maus Eine Computermaus besteht aus etwa 200 verschiedenen Materialien. Das Spektrum reicht vom in Deutschland produzierten Farbstoff bis hin zu Metallen, deren Herkunft meist nicht nachvollziehbar ist. Auf Initiative der Freien Hansestadt Bremen bietet Dataport eine Maus an, die nach und nach aus fair gehandelten Materialien hergestellt werden soll. Die faire Maus Registrierte Kunden können die faire Maus im Dataport Shop bestellen. Bezugsquellen für den privaten Gebrauch finden Sie auf der Homepage der Nager IT. Vor etwa einem Jahr trat Dr. Martin Hagen, CIO der Stadt Bremen, mit einer Idee an Dataport heran. Er schlug vor, eine fair gehandelte Computermaus anzubieten. Die Maus der Firma Nager IT verbaut so viele fair gehandelte Teile wie möglich – und der Anteil soll immer weiter erhöht werden. Das Ziel: eine 100 Prozent faire Maus. „Ich war beeindruckt von der Komplexität der Produktions- und Lieferketten und dem Engagement des Herstellers“, so Dr. Martin Hagen. „Einfach mal auszuprobieren, wieweit man kommt, wenn man möglichst fair produzierte Bauteile verwenden möchte. Das hat mir gefallen.“ Zusammen mit Dataport habe er dann entschieden, die Maus der Nager IT den Kunden anzubieten. se fordert unter anderem einen angemessenen Arbeitslohn, geregelte Arbeitszeiten und Gesundheitsschutzmaßnahmen für Arbeitnehmer. Weltweit sucht die Nager IT nach Lieferanten, die diese Forderungen erfüllen. Zusammengebaut werden die Mäuse in zwei Werkstätten für psychisch kranke und behinderte Menschen in Süddeutschland. Fair gehandelte Materialien Zu 100 Prozent fair ist ein Produkt erst dann, wenn jeder Bestandteil die Fair-Trade-Kriterien erfüllt. Für Materialien, die in der EU verfügbar sind, wie Farbstoffe oder Naturharze, ist es relativ leicht, Anbieter zu finden, die die genannten Kriterien erfüllen. Schwieriger wird es bei der Beschaffung von Metallen. Diese stammen zumeist aus Bergwerken in Asien oder Afrika. Arbeitsschutzbedingungen und Entlohnung entsprechen dort in der Regel nicht den Fair-Trade-Anforderungen. Deshalb ist die Maus der Nager IT heute nur eine „teilfaire“ Maus. Sie besteht zu etwa 70 Prozent aus fair gehandelten Materialien. Ein symbolischer Schritt Der faire Handel von IT-Hardware ist ein relativ neues Terrain. Die ersten Fair-Trade-Produkte in Deutschland waren landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Kaffee und Schokolade. Elektronische Geräte fair zu handeln, ist weit komplexer. Eine Maus – ein scheinbar einfaches technisches Hilfsmittel – enthält etwa 200 verschiedene Materialien. Komponenten wie Mausrad, LED-Leuchte oder Kabel bestehen wiederum aus einzelnen Materialien: Kunststoffe, Gummi, Glas, Farbstoffe und viele andere werden hier eingesetzt. Die Nager IT richtet sich nach den Forderungen der International Labour Organization (ILO). Die32 Im Vergleich zu konventionellen Mäusen ist die faire Maus teurer. Dazu Dr. Martin Hagen: „In vielen Verwaltungen gibt es ein Verantwortungsbewusstsein für soziale und nachhaltige Entwicklung. Eine Maus ist zwar nur ein winziger Beitrag, aber eben auch ein symbolischer Schritt. Mit steigender Nachfrage wird sich der Preis der Maus reduzieren, da er abhängig von der produzierten Stückmenge ist.“ Auch die Nager IT selbst sieht sich als Wegbereiterin: Sie will eine Entwicklung in der Elektronikindustrie anstoßen, wie es sie bei Kaffee, Kakao und Kleidung bereits gibt. Den Weg zur 100 Prozent fairen Maus geht sie Schritt für Schritt. querbeet Finanzverwaltung im Nationalsozialismus Raub von Amts wegen Mehr als eine Milliarde Reichsmark, eingezogen über die sogenannte „Judenvermögensabgabe“, floss in der Zeit des Nationalsozialismus in die Staatskasse. Staat, Unternehmen aber auch die deutsche Bevölkerung profitierten vom staatlich sanktionierten Raubzug gegen die jüdische Bevölkerung. Die bremische Finanzverwaltung hat sich nun ihrer Geschichte gestellt. „Gerade ist Gras drüber gewachsen, da kommt ein Kamel und frisst es wieder ab.“ So lautet ein Eintrag im Gästebuch, das begleitend zur Ausstellung „Ausplündern und Verwalten“ im Haus des Reichs, dem Sitz der bremischen Finanzsenatorin, auslag. Mitte Januar gab es nur wenige Einträge. Da besuchten 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Dataport die Ausstellung. Eingeladen von Finanzstaatssekretär und Initiator Henning Lühr. „Ausplündern und Verwalten“ hat sich mit der Rolle der bremischen Finanzverwaltung bei der Vertreibung und Ermordung der Juden im Nationalsozialismus auseinandergesetzt. causts. Allein über die „Judenvermögensabgabe“, die 1938 eingeführt wurde, flossen etwa 1,1 Milliarden Reichsmark in die Staatskasse. Mit ihrem regionalgeschichtlichen Ansatz schließen die Bremer Historiker vor allem Forschungslücken bezogen auf die ökonomische Dimension der Judenverfolgung. „Tatort der Raubzüge“ war stets die Region. Profit gemacht hat vor allem der Staat. Aber auch private Unternehmen haben mit der Ausplünderung Geschäfte gemacht und nicht zuletzt profitierte auch die deutsche Bevölkerung von den staatlich sanktionierten Raubzügen. Sie ersteigerte auf sogenannten „Judenauktionen“ das Eigentum der ausgewanderten oder deportierten Juden für wenig Geld. Dafür ließen die Finanzämter die verlassenen Wohnungen ausräumen. Im Auswanderungshafen Bremen fand dann der letzte Akt der Beraubung statt. Nach 1939 begannen Gestapo und Finanzverwaltung damit, das in Bremen verbliebene Umzugsgut der jüdischen Emigranten zu verwerten. Überregionale Bedeutung besaß Bremen im Zusammenhang mit der sogenannten „M-Aktion“. Unter diesem Decknamen wurden in von Deutschen besetzten GebieSchreibmaschinengeklapper – das Hintergrundgeräusch der ten Hausrat und Möbel deportierter Juden beAusplünderung. Schreibmaschinen vom Typ „Erika“ aus jüschlagnahmt und anschließend versteigert. Allein dischem Besitz gelangten in die bremische Finanzverwaltung. 45.000 Kubikmeter Mobiliar erreichte bis 1944 Die Ausstellung zeigte bis Ende März die Ergebnis- den Gau Weser-Ems, in 5.988 Waggonladungen se eines Forschungsprojekts der Universität Bremen. und dutzenden Schiffsladungen. Das Institut für Geschichtswissenschaft kooperierte dafür mit der Senatorin für Finanzen. Zweiein- Die Finanzverwaltung sollte ihre Geschichte kenhalb Jahre hat ein Team aus Forschern um den His- nen und sich mit ihr auseinandersetzen, so formutoriker Jaromir Balcar die noch vorliegenden Akten lieren es die Initiatoren von Ausstellung und Forausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, wie in perfider schungsprojekt, Finanzsenatorin Karoline Linnert Art und Weise jüdische Mitbürger ausgeplündert und Staatsrat Henning Lühr. Gut, dass ein Kamel wurden; der „Finanztod“ als Vorstufe des Holo- gekommen ist, um das Gras zu fressen. Literatur zum Thema Die Forschungsergebnisse sind in Buchform bei der Edition Temmen publiziert worden: Jaromir Balcar (Hrsg.), Raub von Amts wegen. Zur Rolle von Verwaltung, Wirtschaft und Öffentlichkeit bei der Enteignung und Entschädigung der Juden in Bremen, 2014. 33 querbeet Fledermausprojekt Naturschutz mit Technik Im Waldgebiet Kiel-Russee erforschen Naturschützer seltene Teichfledermäuse – mithilfe von gespendeten Laptops. Die Geräte helfen beim Sammeln und Auswerten von Daten und machen sogar Töne sichtbar. Arbeitsgemeinschaft Fleder mausschutz (AGF) Die AGF ist Teil eines überregionalen Netzwerks aus Fledermausschützern und Naturschutzverbänden. Sie bietet Beratung und Unterstützung bei allen Fragen des Fledermausschutzes. Zudem werden Vorträge und Seminare zum Thema Fledermausschutz angeboten. Weitere Informationen unter: www.schleswig.holstein.nabu.de Um den Lebensraum von Teichfledermäusen im Waldgebiet Kiel-Russee zu erforschen, haben Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz (AGF) – eine Projektgruppe des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) im Landesverband Schleswig-Holstein – ein neues Projekt initiiert. Das Ziel: Die Quartiere der Fledermäuse im Jahresverlauf aufzuspüren, ihre Wanderrouten zu erkennen und mit den gesammelten Informationen Maßnahmen zu planen, um die Tiere zu schützen. Das geschieht mit Hilfe ausrangierter Laptops von Dataport. Die Teichfledermaus ist eine von 15 Fledermausarten, die in Norddeutschland vorkommen. Mit einer Flügelspannweite von 20 bis 30 Zentimetern gehört sie zu den größeren Arten. In SchleswigHolstein steht sie auf der Roten Liste stark gefährdeter Tiere. Bedroht ist die Art durch den Verlust ihrer bevorzugten Quartiere sowie durch die Verknappung der Nahrung. Werden Gebäude saniert und abgedichtet, um Energie zu sparen, geht für die Tiere der Zugang zu den Dachböden, Kellern oder Hohlräumen verloren. Außerdem gibt es durch die forstwirtschaftliche Nutzung der Wälder kaum noch alte Bäume mit Höhlen, in denen die Tiere Unterschlupf finden können. Zudem wird durch den Einsatz von Insektiziden in der Landwirtschaft die Nahrung immer knapper. Mehrmals jährlich Quartierwechsel Den Winter verbringen Teichfledermäuse bevorzugt in frostfreien Höhlen, Bunkern oder Kellern. Während die Männchen ab März in kleinen Gruppen Sommerquartiere beziehen, ziehen die Weibchen in Gruppen von bis zu 300 Tieren in sogenannte Wochenstuben. Dort bringen sie ab Ende Mai ihre Jungen zur Welt und ziehen sie auf. Ab Ende August trennen sich die Wege der Mütter und ihrer Jungen: Während die Jungtiere direkt in die Winterquartiere überwechseln, treffen sich die erwachsenen Männchen und Weibchen in Paarungsquartieren. Noch im September finden sich alle Tiere jedoch wieder in den Winterquartieren ein. Während größere Fledermausarten wie die Abendsegler zwischen ihren Quartieren oft tausende Kilometer zurücklegen, bewegen sich die Teichfledermäuse meist in einem Umkreis von 30 bis 50 Kilometern. So findet man im Raum Kiel alle Formen von Quartieren, die die Teichfledermäuse für ihr Überleben benötigen. Hägar der Schreckliche 34 querbeet Mit detaillierten Daten Schutzgebiete bestimmen Bislang wurden Teichfledermäuse im Kieler Gebiet an 35 Orten nachgewiesen. Wochenstuben sind zum Beispiel aus den Gebieten Westensee und Wahlstorf bekannt, Winterquartiere wurden unter anderem an der Levensauer Hochbrücke gesichtet. Für den NABU ist zurzeit das Waldgebiet Russeer Gehege von besonderer Bedeutung: Hier betreuen ehrenamtliche Mitglieder vier sogenannte Kastenreviere, in denen regelmäßig Teichfledermäuse Unterschlupf suchen. Natürliche Quartiere für die Tiere sind Baumhöhlen. Diese entstehen bei den hier besonders verbreiteten Buchen und Eichen ab einem Alter ab 120 Jahren. Da es im Russeer Gehege nur wenige Bäume dieses Alters gibt, fehlt es an natürlichen Behausungen. Deshalb hängt der NABU an den Bäumen Kästen als Unterkünfte für die Tiere auf. Die Fledermausschützer suchen außerhalb der Winterzeit regelmäßig die Quartiere auf, um Daten darüber zu sammeln, wann sich wie viele Tiere an welchem Ort aufhalten. Die Kästen werden daraufhin überprüft, ob sie bewohnt sind. Außerdem werden mit Hilfe von Detektoren Hochfrequenztöne aufgezeichnet, die für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar sind. Fledermäuse navigieren per Echolot und stoßen deshalb während des Fluges ständig Rufe aus, um Beutetiere oder Hindernisse zu orten. Für eine genaue Bestimmung reichen die Detektoren jedoch nicht immer aus, denn die Rufe verschiedener Fledermausarten sind nur schwer zu unterscheiden. Die Naturschützer übertragen deshalb die Aufzeichnungen auf die von Dataport gespendeten Laptops. Diese machen die Töne mit Hilfe einer speziellen Software durch Spektrogramme sichtbar. Das sind grafische Darstellungen akustischer Signale, die eine sichere Artbestimmung ermöglichen. Alle erfassten Daten über die Aufenthaltsorte der Fledermäuse werden in einem Geodateninformationssystem ausgewertet. Dem Naturschutz verpflichtet Das Europäische Naturschutzrecht verlangt von den EU-Mitgliedstaaten, Schutzgebiete zu benennen, um die natürlichen Lebensräume wildlebender Tiere und Pflanzen zu erhalten. Der NABU liefert mit seiner Arbeit Belege für die Anwesenheit von Teichfledermäusen im Russeer Gehege. Die Daten dienen als Grundlage für die Bestimmung eines geeigneten neuen Schutzgebiets. Mit Hilfe der Dataport-Laptops wird das Sammeln und Auswerten der gesammelten Informationen erheblich vereinfacht und die Qualität der Daten erhöht. So leistet ausrangierte IT-Technik einen wesentlichen Beitrag zum Naturschutz. Der Natur auf der Spur: Wer Fledermäuse beobachten will, muss den Sonnenuntergang abwarten – die Tiere sind nachtaktiv. Die Autoren dieser Ausgabe Matthias Bastian Seite 20 Heiko Scharffenberg Seite 8, 30 Florian Bayer Seite 27 Thomas Schulze Seite 22, 28 Daniela Freiheit Karin Gerken Stefan Göbel Britta Heinrich Seite 9 Seite 32, 34 Seite 20 Seite 3, 33 Prof. Dr. Juliane Siegeris Stefan Törmer Anina Trautermann Viktor Wendel Seite 9 Seite 18 Seite 10, 14, 16 Seite 20 35 www.dataport.de 36
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