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13. Mai 2015
KONJUNKTUR: DIE EUROZONE HOLT AUF
von Cornelia Koller, Berenberg Volkswirtin
1. Deutschland: Aufwärtstrend intakt, Wirtschaft verliert zu Jahresanfang aber etwas an Tempo
Bruttoinlandsprodukt steigt im ersten Quartal 2015 um 0,3 %
Die deutsche Wirtschaft hat ihren Wachstumskurs im ersten Quartal 2015 fortgesetzt, mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) von 0,3 % gegenüber dem Vorquartal allerdings etwas von ihrem hohen Tempo zum Ende des letzten Jahres (viertes Quartal:
+0,7 %) abgegeben. Im Vorjahresvergleich expandierte die Wirtschaftsleistung kalenderbereinigt um 1,0 % (viertes Quartal: 1,4 %).
Noch liegen keine detaillierten Daten für die Entwicklung der einzelnen Komponenten vor (Veröffentlichung: 22. Mai). Für den Anstieg des BIP im ersten Quartal 2015 sorgten vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamts zufolge vor allem positive Impulse aus dem Inland. So erhöhten die privaten Haushalte und der Staat ihre Konsumausgaben, darüber hinaus zogen auch die Investitionen weiter an. Sowohl in Ausrüstungen als auch in Bauten wurde deutlich mehr investiert als im vierten Quartal 2014. Dagegen
dämpfte der Außenhandel das Wachstum, da die Importe sehr viel kräftiger expandierten als die Exporte.
Damit wirkte das Zusammenspiel von Ölpreisrückgang, schwachem Euro und niedrigen Zinsen per saldo etwas weniger wachstumsfördernd als wir erwartet hatten. Zwar haben sich billigere Öl- und Benzinpreise wie prognostiziert als Schmierstoff für den Konsum
erwiesen. Auf der anderen Seite hat sich gleichzeitig aber auch die Nachfrage nach importierten Konsumgütern kräftig erhöht, sodass
die positiven Effekte des schwachen Euro auf die Exporte hierdurch mehr als überlagert wurden.
Aufwärtstrend intakt: Konsum bleibt Zugpferd, Investitionen ziehen weiter an
Wir erwarten unverändert, dass das Wachstum auch im weiteren Jahresverlauf robust bleiben wird. Zwar hat der dreifache Rückenwind
für die Konjunktur etwas nachgelassen– der Euro hat gegenüber dem US Dollar wieder an Wert gewonnen, Ölpreise und Zinsen sind
gestiegen – und die Wirtschaftsdaten aus dem verarbeitenden Gewerbe haben zuletzt enttäuscht. Andererseits weisen die Stimmungsindikatoren unverändert auf eine konjunkturelle Belebung hin. So hat sich Deutschlands aussagekräftigster Frühindikator, das ifo Geschäftsklima, in den letzten sechs Monaten in Folge verbessert und das GfK Konsumklima ist auf den höchsten Stand seit über 13
Jahren gestiegen; die Einkommenserwartung kletterte im April angesichts der soliden Beschäftigungsentwicklung und realer Einkommenszuwächse sogar auf den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung.
Wachstumspfeiler wird auch 2015 der Konsum sein, der durch die weiter zunehmende Beschäftigung (erstes Quartal 2015: +275.000
Erwerbstätige bzw. 0,7 % mehr als vor einem Jahr), steigende Löhne und die geringe Inflation (April: 0,5 %) sowie das niedrige Zinsniveau gestützt wird. Darüber hinaus sollte sich der Investitionsstau weiter auflösen, da die Unternehmen von den gesunkenen Kosten
durch die immer noch vergleichsweise geringen Öl- und Energiepreise profitieren. Zudem wird die Baukonjunktur weiter vom niedrigen Zinsniveau angeschoben, wobei der Wohnungsbau tragende Säule der Bauinvestitionen bleiben wird. Des Weiteren sollten die
Exporte im weiteren Jahresverlauf von der moderaten Konjunkturbelebung des Euroraums sowie dem wieder anziehenden Wachstum
in den USA und in Großbritannien etwas mehr Rückenwind erhalten.
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2. Eurozone: Wirtschaft holt weiter auf
Bruttoinlandsprodukt steigt im ersten Quartal 2015 um 0,4 %
Die Konjunktur in der Eurozone hat durch den niedrigen Ölpreis, den günstigen Wechselkurs und vor allem durch die vertrauensbildenden Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) mit ihrer extrem expansiven Geldpolitik kräftigen Rückenwind erhalten.
Dies spiegeln die heutigen Daten für die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal wider. Basierend auf der ersten Schnellschätzung von
Eurostat stieg das BIP im ersten Quartal 2015 um 0,4 % gegenüber dem Vorquartal (viertes Quartal 2014: +0,3 %). Im Vorjahresvergleich wuchs die Wirtschaftsleistung um 1,0 % (viertes Quartal 2014: +0,9 %).
Für eine positive Überraschung sorgte Frankreich. Nach Stagnation im vierten Quartal 2014 legte das BIP zu Jahresanfang 2015 kräftig
um 0,6 % gegenüber dem Vorquartal zu. Wachstumsimpulse kamen vor allem von den privaten Konsumausgaben (+0,8 %) und vom
Staatsverbrauch (+0,4 %). Erneut bremsten dagegen die rückläufigen Investitionen, die nun schon das sechste Quartal in Folge
schrumpften, wenn auch mit -0,2 % nicht mehr so stark wie in den Vorquartalen. Ähnlich wie in Deutschland wurde die Zunahme der
Exporte (+0,9 %) durch die sehr viel stärker gestiegene Importnachfrage (+2,3 %) überkompensiert.
Auch die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone meldete eine konjunkturelle Belebung: Erstmals seit sechs Quartalen wies Italien
wieder eine positive Wachstumsrate auf (+0,3 %). Wachstumsstar unter den großen Euroländern war erneut Spanien. Das Land hat mit
einem BIP Wachstum von 0,9 % einmal mehr gezeigt, dass die Peripherieländer nach erfolgreicher Umsetzung ihrer Reformpläne
stärker wachsen können als die Kernländer der Eurozone. Mit einem eindrucksvollen Plus von 1,6 % konnte auch Zypern wieder eine
positive Wachstumsrate verzeichnen. Das Wachstum in Portugal entsprach mit 0,4 % – genauso wie jenes in den Niederlanden und in
Lettland – dem Eurozonendurchschnitt. Überdurchschnittliches Wachstum konnte neben Frankreich und Zypern noch die Slowakei
(+0,8 %) aufweisen. Unterdurchschnittliches Wachstum verzeichneten dagegen Belgien (0,3 %) und Österreich (0,1 %). Rückläufig war
die Wirtschaftsleistung erneut in Griechenland (-0,2 %). Auch das BIP in Finnland (-0,1 %) sowie in Estland (-0,3 %) und in Litauen
(-0,6 %), das seit dem 1. 1. 2015 der Eurozone angehört, schrumpfte. (Angaben jeweils gegenüber dem Vorquartal).
Ausblick: Auch mit etwas schwächerem Rückenwind weiter aufwärts
Auch wenn die Wirtschaftsstimmung zuletzt einen kleinen Dämpfer erhielt, nachdem Euro und Öl nicht mehr ganz so günstig waren
wie im ersten Quartal, erwarten wir unverändert, dass die konjunkturelle Dynamik weiter aufwärts gerichtet bleiben wird. So hat der
starke Rückenwind zu Jahresbeginn den entscheidenden konjunkturellen Anstoß geliefert, sodass nun auch ein etwas laueres Lüftchen
reicht, um die Konjunktur voran zu treiben. Zudem wird die EZB ihre ultralockere Geldpolitik unverändert fortsetzen: Sie hat ihre
Zinsen auf 0,05 % gesenkt – eine Zinswende erwarten wir erst 2017 – und zusätzlich umfangreiche unkonventionelle geldpolitische
Maßnahmen zur Ankurbelung der Kreditvergabe beschlossen. Mindestens bis September 2016 will sie pro Monat Anleihen im Umfang
von 60 Mrd. Euro ankaufen, darunter seit Anfang März nun auch Staatsanleihen. Erste Erfolge sind sichtbar: Einer Umfrage der Zentralbanken zufolge hat die Kreditnachfrage der Unternehmen bei den Banken im ersten Quartal 2015 zugenommen; darüber hinaus
haben die Banken ihre Kreditvergaberichtlinien gelockert.
Vor diesem Hintergrund sind die Stimmungsindikatoren in der Tendenz weiter aufwärts gerichtet, vor allem das Konsumentenvertrauen zieht mit Blick auf Inflation und Zinsen an. Auf ein anhaltend robustes Wirtschaftswachstum weist auch das ifo Wirtschaftsklima
für die Eurozone, das im zweiten Quartal 2015 auf den höchsten Stand seit fast acht Jahren geklettert ist.
Von der positiven Gemengelage sollten vor allem die Investitionen und in etwas abgeschwächter Form die Konsumnachfrage profitieren. Neben gesunkenen Energieausgaben können vor allem die niedrigeren Finanzierungskosten den Unternehmen helfen, die Investi-
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tionstätigkeit anzuregen. Vor allem aber wirken die niedrigen Ölpreise sowie die allmählich abnehmende Arbeitslosigkeit positiv auf das
Konsumverhalten, das zudem von der geringen Inflationsrate (April: 0 %) begünstigt wird. Des Weiteren tragen die Strukturanpassungen und Haushaltskonsolidierungen der Reformländer Spanien, Irland und Portugal immer mehr Früchte. Nicht zuletzt wird die Exportwirtschaft von der Euroschwäche sowie allmählich wieder stärkeren Zugkraft der Weltwirtschaft profitieren.
Ein Risiko für unseren Konjunkturausblick bleibt das russische Vorgehen in der Ukraine. Allerdings hat die hieraus resultierende Unsicherheit zuletzt etwas abgenommen, auch wenn ein neuer russischer Großangriff eine erhebliche Gefahr bleibt. Auch die Krise in
Griechenland zählt zu den wesentlichen Risiken. Die Wahrscheinlichkeit für einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone liegt bei
etwa 30 %. Die Lage könnte sich jederzeit zuspitzen. Allerdings ist Europa für mögliche Turbulenzen jetzt weit besser gerüstet als
zuvor. Die energische Geldpolitik der EZB stützt die Konjunktur.
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