Fall 7

TEIL I
Der Bürgermeister (B) einer kleinen Gemeinde (ca. 1000 Einwohner) möchte seinen Bürgern
ein Freibad als neue Attraktion bieten. Nach den erforderlichen Rücksprachen mit dem
Gemeinderat kommt es zur Ausschreibung zwecks Vergabe dieses Bauauftrags.
Von der Ausschreibung erfahren auch der Geschäftsführer der Flott-Bau GmbH (F), der
Prokurist der Fix-und-Fertig-Bau GmbH (P) und der Geschäftsführer der Ruck-Zuck-Bau
GmbH (R). Es handelt sich um die einzigen österreichischen Firmen, die realistischerweise für
einen solchen Auftrag in Frage kommen. Wie immer bei solchen Gelegenheiten setzen sich F, P
und R zusammen, um die Legung ihrer Angebote abzusprechen. Denn obwohl es sich um
getrennte Firmen handelt, teilt man sich den Markt auf. Da bei den letzten Ausschreibungen F
und P zum Zug kamen, sollen die Angebote diesmal so gestaltet werden, dass R als günstigster
Anbieter erscheint. Daher soll R ein (freilich immer noch überhöhtes – man will schließlich gut
verdienen) Angebot legen, F und P werden dieselben Leistungen noch teurer anbieten. Die drei
sind sich einig, dass diese Vorgehensweise – wie auch in den letzten Ausschreibungsfällen –
klappen und der R den Zuschlag erhalten wird. Wie bei diesem Gespräch vereinbart legen F, P
und R ihre Angebote.
Folgendes konnten sie freilich nicht wissen: Gleich zu Beginn der Ausschreibungsfrist hat ein
ausländischer Bauunternehmer (A) den Bürgermeister B inoffiziell kontaktiert und dabei
durchblicken lassen, dass er die Villa des Bürgermeisters kostenlos generalsanieren würde,
falls er den Zuschlag für den Bau des Freibades erhielte. Allerdings müsste A dann bei seinem
Angebot in der Preiskalkulation etwas höher gehen, weil die Sanierungskosten (ca 100.000
Euro) irgendwo untergebracht werden müssten. Nach einer längeren Überlegung stimmt B zu:
Sollte A ein Angebot im Verfahren legen, so werde B ihm den Zuschlag erteilen. Im Gegenzug
soll A die Bürgermeister-Villa sanieren. Dass die Leistung des A überteuert ist, mache nichts, es
sei schließlich das Geld der Gemeinde und nicht das Privatvermögen des B, das zur Bezahlung
des Bauauftrages verwendet werde. Auf der Basis dieser inoffiziellen Vorvereinbarung legt
auch A ein Angebot. Wie versprochen erteilt B als Vertreter der Gemeinde den Zuschlag an A.
Dem Gemeinderatsmitglied G kommt das Angebot des A aber ziemlich teuer vor, und er
vermutet irgendwelche Machenschaften des B. Als ihm von politischen Gegnern des B
zugetragen wird, dass es eine Absprache zwischen A und B gebe, und dann auch noch die
Sanierung von Bs Villa durch A beginnt, sieht G seine Vermutungen bestätigt. G erstattet
höchstpersönlich Strafanzeige beim zuständigen Staatsanwalt.
Da dem G das Strafverfahren zu lange dauert, beschließt er schließlich, selbst zu handeln, um
den B für immer aus dem Verkehr zu ziehen. Er kauft eine Praline, in die er etwas Gift injiziert.
Sodann klebt er sie auf eine Grußkarte, auf der sich der Schriftzug „für eine Naschkatze" findet,
steckt die Karte auf die Windschutzscheibe des Autos von B und geht weg. An diesem Tag hat
sich allerdings die neunzehnjährige Tochter des B (T) dessen Auto geliehen. Als sie die Karte
mit der Praline sieht, glaubt sie an eine Überraschung eines ihrer Verehrer und verzehrt die
Praline mit Begeisterung. Kurz darauf bricht sie zusammen. Als sie von Passanten gefunden
wird, ist sie bereits tot. Das hat G freilich nicht gewollt.
I. Prüfen Sie die Strafbarkeit von A, B, R und G!
Im Verfahren wegen der Tötung der T findet die Kripo neben den DNA-Spuren der Toten auch
fremde DNA auf der Karte. Durch einen Abgleich dieser Spuren mit DNA-Material der
Gemeindebewohner könnte sich die Identität des Täters klären lassen. Es sollen daher alle im
Alter von über 10 Jahren zum DNA-Test erscheinen. Das sind etwa zwei Drittel der
Gemeindebevölkerung.
II. Beurteilen Sie diese Vorgehensweise aus strafprozessualer Sicht!
Einige Bewohner empfinden es als empörend, unter einen Generalmordverdacht gestellt zu
werden, und verweigern die Abgabe einer DNA-Probe.
III. Dürfen sie zur Abgabe gezwungen werden? Unabhängig davon: Wenn sie dazu
gezwungen werden, steht ihnen ein Rechtsmittel dagegen offen? Wenn ja, welches?
Nach einigen weiteren Erhebungen wird G als Verdächtiger ermittelt und schließlich wegen
Mordes angeklagt. Die Hauptverhandlung zieht sich so sehr in die Länge, dass ein
Geschworener sogar einschläft. Letztendlich wird G wegen vollendeten vorsätzlichen Mordes
zu lebenslanger Haft verurteilt.
IV. Welche Rechtsmittelmöglichkeiten hat G mit welcher Begründung?
Im Strafverfahren gegen A, B und R sollen Informationen erhoben werden, die die
verschiedenen Absprachen beweisen. Zu diesem Zweck sollen beispielsweise die Telefondaten
der Handys ausgewertet werden. Durch Auswertung der Ruflisten, die auf den Handys und
SIM-Karten gespeichert sind, will die Kripo feststellen, ob es öfters zu telefonischen Kontakten
kam.
V. Welche Staatsanwaltschaft ist für das Ermittlungsverfahren zuständig?
VI. Durch welche strafprozessuale Maßnahme kommen die Strafverfolgungsbehörden in
den Besitz der Handys? Dürfen die Ruflisten am Handy angesehen und ausgewertet
werden? Wenn ja, auf welcher rechtlichen Basis? Dürfen die Ermittler dabei auch gleich
noch die Mailbox abhören?
TEIL II
A hat eine neue Einnahmequelle für sich entdeckt: Jeden zweiten Tag durchstreift er
einschlägige Wiener Lokale und bietet dort Heroinkügelchen zum Preis von 90 Euro pro
Gramm zum Kauf an. Durchschnittlich verkauft er 5 Gramm pro Abend. Vom Erlös kauft er für
sich selbst Suchtgift, bezahlt aber teilweise auch offene Rechnungen damit. Allerdings währt
der Geldsegen nicht sehr lange. An As 30. Verkaufsabend wird er bei einer Drogenrazzia
festgenommen, nachdem er nun schon 150 Gramm in guter Straßenqualität (ca. 10%
Heroinanteil) verkauft hat.
I. Prüfen Sie die Strafbarkeit von A!
II. Der Richter verurteilt A zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten. A, der selbst
süchtig ist, möchte eine Therapie machen. Welche Möglichkeit steht A offen?
III. Obwohl A die besten Vorsätze hat, hält er die Therapie nicht durch. Wie ist einem solchen
Fall vorzugehen? Was wäre demgegenüber zu tun, wenn A die Therapie erfolgreich
abschließt?