II. Antrag und Annahme Vertrag = Rechtsgeschäft, bestehend aus

Prof. Dr. Peter Gröschler
Sommersemester 2013
II. Antrag und Annahme
Vertrag = Rechtsgeschäft, bestehend aus zwei oder mehr korrespondierenden, d.h. wechselseitig
übereinstimmenden Willenserklärungen, genannt Antrag und Annahme
im BGB: keine Definition des Vertrags
§§ 145 ff. BGB → Regelung von Einzelheiten zu Antrag und Annahme
1. Antrag
Antrag muss alle wesentlichen Punkte des Vertrags (essentialia negotii) umfassen
beim Kaufvertrag: Kaufpreis und Kaufgegenstand
§ 150 II BGB → Annahme muss ein uneingeschränktes Ja zum Antrag beinhalten → Antrag muss so
gestaltet sein, dass man ihn durch ein einfaches Ja annehmen kann
Antrag an einen unbestimmten Personenkreis (Offerte ad incertas personas)
zwei Gesichtspunkte:
– Sicherung der eigenen Leistungsfähigkeit des Anbieters (Problempunkt „Vorrat des Anbieters“)
– Prüfung der Bonität des Vertragspartners (Problempunkt „Zahlungsfähigkeit des Kunden“)
Beispiele für einen Antrag an einen unbestimmten Personenkreis
– Internetversteigerung
• Anbieter bindet sich bereits mit der Freischaltung der Angebotsseite
• Vertrag wird mit demjenigen Bieter geschlossen, der innerhalb der festgelegten Frist das höchste Gebot
abgibt
• Anbieter kann nicht die Bonität des Vertragspartners prüfen
– Aufstellung von Warenautomaten (h.M.)
• Vorrat: das Angebot gilt nur, solange der Vorrat reicht (Auslegung)
• Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners: Vertrag kommt erst mit dem Münzeinwurf zustande
Aufforderung zur Abgabe eines Antrags (invitatio ad offerendum)
z.B. Zusendung von Katalogen und Werbeprospekten, Ankündigung von Veranstaltungen durch
Plakataushang, Auslagen im Schaufenster
Auslegung der Erklärung → will sich der Erklärende mit seiner Äußerung schon rechtlich binden oder will
er sich die Entscheidung über den Vertragsschluss noch vorbehalten?
Problempunkte: „Vorrat des Anbieters“, „Zahlungsfähigkeit des Kunden“
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Sonderprobleme
Vertragsschluss im Selbstbedienungsladen
– Meinung 1: Antrag des Verkäufers liegt in der Aufstellung der Ware im Selbstbedienungsladen; die
Annahme durch den Käufer in der Vorlage der Waren an der Kasse
aber: Zahlungsfähigkeit des Käufers; Verkäufer will die aufgestellte Ware u.U. nur in kleinen Mengen
abgeben (Sonderangebote)
– Meinung 2 (wohl h.M.): Antrag liegt in der Vorlage der Waren an der Kasse durch den Käufer; durch das
Registrieren des Rechnungsbetrags wird der Antrag angenommen
aber: Zahlungsfähigkeit des Käufers
– Meinung 3: Vertrag kommt erst mit der Bezahlung durch den Käufer zustande
Vertragsschluss an der Tankstelle
→ Verkaufsantrag liegt in der betriebsbereiten Zapfsäule (Offerte ad incertas personas); konkludente
Annahme durch das Tanken
BGH NJW 2011, 2871 Tz. 13, 16: durch das Einfüllen des Kraftstoffs wird ein „praktisch unumkehrbarer
Zustand“ geschaffen → Interesse beider Parteien, dass bereits zu diesem Zeitpunkt (nicht erst an der Kasse)
der Kaufvertrag zustande kommt
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Bindungswirkung des Antrags
§ 145 BGB → grundsätzliche Bindung an den Antrag
§ 145 BGB „es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat“ → Freiklauseln („freibleibend“,
„unverbindlich“, „ohne Obligo“)
Bedeutung der Freiklausel → Frage der Auslegung
– wenn die Freiklausel auf das Angebot als Ganzes bezogen ist (Angebot soll insgesamt „freibleibend“
sein): invitatio ad offerendum
– wenn die Freiklausel das Angebot nur eingeschränkt erfasst: Widerrufsvorbehalt
z.B. Angebot einer Flugreise mit der Freiklausel „freibleibend entsprechend unserer Verfügbarkeit“
• Auslegung → Widerrufsrecht der Fluggesellschaft für den Fall, dass der Flug schon ausgebucht ist
• bis zu welchem Zeitpunkt kann das Widerrufsrecht ausgeübt werden?
Meinung 1: Widerruf nur bis zum Zugang der Annahmeerklärung
Meinung 2: Widerruf auch noch unverzüglich nach Annahme des Antrags
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Befristung des Antrags
§ 148 BGB → Bestimmung einer Annahmefrist
wenn keine Annahmefrist bestimmt ist:
– der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden (§ 147 I 1 BGB); ebenso:
telefonischer Antrag (§ 147 I 2 BGB)
– bei Anträgen unter Abwesenden: Antrag kann bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der
Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen zu erwarten ist (§ 147 II BGB)
bei nicht rechtzeitiger Annahme bzw. bei Ablehnung des Antrags: Erlöschen des Antrags, § 146 BGB
§ 148: „ …, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen.“ → Annahmeerklärung muss innerhalb
der Annahmefrist zugehen (die bloße Abgabe innerhalb der Annahmefrist genügt nicht)
Umkehrschluss aus § 149 BGB (Verspätet zugegangene Annahmeerklärung) = Ausnahmevorschrift
§ 149 BGB → Verspätungsanzeige (unverzüglich → § 121 I 1 BGB)
§ 149 S. 2 BGB („gilt“) → die Rechtzeitigkeit der Annahme wird fingiert
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