Studierende wundern sich. - AStA Uni Konstanz

Studierende wundern sich.
Professor Axel Meyer gab in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 16.04. seine Meinung über
die deutschen Studierenden preis. Der Kommentar stellt nicht nur Vermutungen als Wahrheiten
dar, sondern ist an einigen Stellen auch schlichtweg falsch. Wir wollen nun, Punkt für Punkt, den
von Prof. Dr. Axel Meyer verfassten Kommentar richtigstellen.
Es ist wahr, in der Uni wird häufig eingebrochen. Auch der Einbruch bei Herrn Mayer hat
tatsächlich stattgefunden. Doch ob es wirklich Studierende waren, lässt sich zu diesem Zeitpunkt
noch nicht feststellen. Meistens werden Kaffeemaschinen, teure Laboreinrichtungen und
Wertgegenstände gestohlen.
Sollte deshalb für eine anlasslose Massenüberwachung plädiert und alle Gänge per Kamera
überwacht werden? Sicher nicht. Nur weil einzelne Personen auf rechtswidrige Weise in
Persönlichkeitsrechte anderer eingreifen, darf diese generelle Verletzung des Grundrechts aller
Studierenden, UniversitätsmitarbeiterInnen und auch ProfessorInnen noch lange nicht legalisiert
werden. Außerdem wirft sich bei der Vorstellung einer solchen Massenüberwachung doch die
Frage auf, inwiefern Forschung und Lehre noch frei sind, wenn jedes Wort, jede Handlung
dokumentiert wird und man sich erst einmal fragen muss, ob man seine Gedanken auch ohne
Konsequenzen äußern darf.
Verwöhnte Studierende auf Kosten des Wohlfahrtsstaates?
Nicht grundlos genießt jeder in Deutschland lebende Mensch das Grundrecht auf Bildung,
unabhängig von seiner sozialen Herkunft. Viele Studierende können sich ein Studium ohne
staatliche Hilfe nicht leisten. Die Stipendienkultur ist in Deutschland bei weitem nicht so ausgeprägt
wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten, sodass die hohen Lebenshaltungskosten dadurch
nicht aufgefangen werden können.
In Konstanz liegt der BAföG-Höchstsatz bei 670 Euro monatlich. Wer hier studiert, gibt davon
durchschnittlich 350 Euro für Miete aus. Von den restlichen 320 Euro müssen unter anderem
Nahrung, Kleidung und die Fachliteratur, die nicht selten mehr als 60 Euro pro Band kostet,
angeschafft werden. Bei meist sieben Veranstaltungen pro Semester im Biologiestudium dürfen die
Studierenden dann circa sechs Wochen lang nichts essen - dafür kann man dann mit Stolz auf das
Erlernte, auf das prall gefüllte Bücherregal verweisen. Nein, wir wollen nicht darüber klagen, dass
alle Studierenden zu wenig Geld bekommen, aber bei vielen geht die aktuelle BAföG-Kalkulation
des Staates nicht auf.
Glücklicherweise stellt nicht jeder Studierende die Ausstattung des persönlichen Bücherregals über
dessen Umweltbewusstsein. Man muss keine Materialwissenschaften studieren um sich
auszumalen, wie viele Quadratmeter Wald gerodet werden müssten, um jedem Studierenden ein
eigenes Exemplar seiner Lehrbücher in das Regal zu stellen. Außerdem werden alte Bücher für
gewöhnlich nicht von der Bibliothek vernichtet, sondern günstig an Studierende verkauft.
Nebenbei bemerkt zahlt der Steuerzahler nicht nur Büchersätze, die so viel wert sind wie das
Jahresgehalt von Herrn Meyers, laut seinen Worten, unterbezahlten Sekretärin, sondern auch das
Beamtengehalt (von stolzen 100.000 Euro jährlich plus Zuschläge) und die Forschung von Herrn
Meyer. Wir wollen hiermit keinesfalls implizieren, dass Professoren überbezahlt seien, jedoch ist es
wichtig, dass sowohl Lehre als auch Forschung angemessen gefördert werden.
Von ausländischer Konkurrenz und dem internationalen Vergleich
Herr Meyer stört sich nicht nur an den, den deutschen Wohlfahrtsstaat ausnutzenden,
Studierenden. Er stört sich auch an dem hohen Anteil ausländischer Studierender, die auf Kosten
des deutschen Steuerzahlers in Konstanz studieren. Zuerst verwundert diese Aussage, wenn man
bedenkt, dass seine Vorlesungen oft an sprachlichen Barrieren scheitern, weil Herr Meyer sie von
ausländischen Doktoranden halten lässt. Diese können nicht selten nur gebrochen Englisch
sprechen. Das ändert jedoch nichts daran, dass sie wichtig für die Forschung und die Universität
sind.
Was seine Aussage aber letztlich völlig hinfällig macht ist der Fakt, dass vor allem im Rahmen des
Erasmus-Programms viele Konstanzer Studierende ein oder mehrere Semester ihrer Studienzeit
im Ausland verbringen, im Austausch dafür, dass ausländische Studierende hier in Deutschland
studieren können. Die Universität Konstanz ist bekannt für ihr großes Netz an Partnerschaften, von
denen nicht nur aus- und inländische Studierende, sondern auch die Forschung stark profitieren.
Ganz unabhängig von den direkten Vorteilen, die diese Partnerschaften in einer globalisierten
Welt, die von Universitätsabsolventen eine immer internationalere Ausrichtung fordert,
offensichtlich fördern, sollte man nicht vergessen, dass dies auch noch weitere Vorteile bringt:
Austausch fördert Verständnis für andere Kulturen, Toleranz und letztendlich eine friedlichere Welt.
Wer die Geschichte des 20. Jahrhunderts aufmerksam studiert hat, wird zögern, diese Investition
als unnötig oder Exzess des Wohlfahrtsstaates abzutun.
Stress, Leistungsdruck, Prüfungen
Der Aufbau unseres Studiums hat viele Vor- und Nachteile. Das stetige Ansteigen des
Leistungsdrucks auf Studierende gehört sicherlich zu letzteren. So kann man im Fach Biologie
keinesfalls eine Klausur ein zweites Mal schreiben und sich dann nach Belieben die Note
aussuchen, auch ein Anspruch auf eine mündliche Prüfung im Krankheitsfall gibt es nicht.
Mündliche Prüfungen, wie sie Herr Meyer anspricht, werden nur durchgeführt, wenn der
Studierende bereits einen Härtefallantrag stellen musste (dieser muss nach dem zweiten
Nichtbestehen gestellt werden). Besteht der Studierende auch diese mündliche Prüfung nicht, darf
er in ganz Deutschland das entsprechende Fach nicht mehr studieren. Der gemeine Studierende
ist also sehr darauf bedacht, mündliche Prüfungen zu vermeiden.
Sieben Veranstaltungen pro Semester, das heißt auch meistens sieben Klausuren, die oftmals in
wenigen Tagen geschrieben werden sollen. Zu den Prüfungen wird man oft automatisch
angemeldet, eine Abmeldung ist nicht immer möglich. Die Universität rechnet dabei im Schnitt mit
30 Arbeitsstunden lediglich für die Klausurvorbereitung, ungeachtet der Anwesenheit während der
Vorlesung sowie deren Vor- und Nachbereitung. "Eine schlechte Klausurnote ist indiskutabel", weil
bei der heutigen Arbeitsmarktsituation ein abgeschlossenes Studium alleine noch lange kein
Garant für eine Anstellung ist. Ist es da so unverständlich, dass Einzelne ein paar Klausuren per
Krankmeldung auf ein späteres Datum verschieben? In diesem Punkt wäre es sicher sinnvoll, das
Prüfungssystem zu hinterfragen, anstatt die Studierenden als faul und ehrlos zu beschimpfen.
Ist es wirklich nötig, dass man sieben Klausuren in wenigen Tagen schreiben muss? Was bleibt
hier viel anderes übrig, außer „Bulimielernen“, also viel Inhalt für eine Klausur auswendig zu
lernen, nur um einige Wochen später festzustellen, dass man nichts mehr weiß. Ist es sinnvoll,
jedes Semester den kompletten Stoff abzuprüfen? Oder ist der Lerneffekt nicht vielleicht größer,
wenn man die Zusammenhänge, die man über mehrere Semester lernt, in einer Prüfung
abzufragen, anstatt 4 Teilprüfungen zu schreiben?
Die „Krankheit“ Bologna ist eigentlich keine Krankheit. Lediglich die Art und Weise, wie sie
umgesetzt wurde, macht sie dazu. Dass man nach drei Jahren seinen Studienort wechseln, und
zum Master in einer neuen Stadt studieren kann, ist toll! Studierende sollten nicht zu SchülerInnen
gemacht werden, in dem die Lehr- und Lernbedingungen sich weiter angleichen und wenig
Spielraum gelassen wird zur individuellen Auseinandersetzung. Und dass zu einer
selbstbestimmten, intensiven und individuellen Aneignung der Inhalte im Studium, sowie der
persönlichen Entwicklung von einer/m SchülerIn hin zur/zum Absolventin/en im besten Sinne eine
vertrauensvolle, positiv fördernde und fordernde Lernumgebung bedarf. Auch wenn man immer
wieder hört, dass es mittlerweile schon Elternabende an Hochschulen gibt, so haben doch immer
noch die Minderheit der Studierenden überfürsorgliche Eltern. Zum Glück!
Es freut uns sehr, dass sich die Universitätsleitung von den Äußerungen Prof. Dr. Axel Meyers
distanziert. Ebenfalls haben wir wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass Herr Prof. Dr. Axel
Meyer die Biologiestudierenden um ein klärendes Gespräch gebeten hat und sein Kommentar
auch außerhalb der Hochschullandschaft eine lebhafte Diskussion über die aktuellen
Studienverhältnisse an deutschen Hochschulen angestoßen hat.
Die Studierendenvertretung der Universität Konstanz