Rede anlässlich der Rektoratsübergabe am 29.04.2015 von Rektor

Rede anlässlich der Rektoratsübergabe am 29.04.2015
Prof. Michael Hoch
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, liebe Gäste,
Ich bin doch etwas nachdenklich geworden, als ich in Vorbereitung auf mein neues
Amt in einem Forschungsartikel der Fachzeitschrift Psychosomatic Medicine von
2014 gelesen habe, dass Personen mit einer hohen Arbeitsbelastung und gleichzeitig niedriger Kontrolle über die verrichteten Tätigkeiten ein etwa 45 Prozent höheres
Risiko für Typ-2-Diabetes haben. Die Wissenschaftler um Prof. Ladwig vom Helmholtz-Zentrum München haben dazu die bevölkerungs-basierten Kohortenstudien
MONICA und KORA ausgewertet, bei der über einen Zeitraum von 13 Jahren über
5300 berufstätige Teilnehmer zwischen 29 und 66 Jahren beobachtet wurden. Vermutlich werden durch den Stress Entzündungsreaktionen ausgelöst, das Risiko von
Herz-Kreislauferkrankungen steigt, und es wird dauerhaft zu viel Cortison ausgeschüttet.
Gut, dass ich dann doch noch einen Artikel der American Heart Association vom Juni
2013 gefunden habe! Beruhend auf einer Australischen Kohorten-Studie mit 5741
Probanden wurde dort ermittelt, dass “Pet ownership”, also das Halten von Haustieren, den Blutdruck von Haustier-Haltern im Vergleich zu -Nicht-Haltern senkt, trotz
gleichem Body Mass Index und vergleichbaren sozioökonomischen Profilen der beiden Gruppen. Es gibt also eine gute medizinische Begründung dafür, dass ich mit
meinen „Haustieren“, den Drosophila Fruchtfliegen, auch als Rektor noch etwas weiterarbeite – das ist quasi eine Art “Gesundheitsvorsorge”.
Wenn also zu viel Stress der Gesundheit schadet, warum freue ich mich dann
trotzdem auf das neue Amt?
Weil es mich stolz macht, diese Universität mit ihrer fast 200-jährigen Geschichte in
den nächsten 6 Jahren führen zu dürfen und sie trotz der schwierigen finanziellen
Rahmenbedingungen im nationalen und internationalen Wettbewerb um talentierte
Studierende, herausragende Forscherpersönlichkeiten und letztlich auch Ressourcen möglichst gut positionieren zu können.
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Was kann ich in das Amt einbringen?
- meine Erfahrung in der Forschung als international vernetzter Wissenschaftler, aber
auch als Sprecher und Mitglied von DFG-Drittmittelinitiativen, wie Forschergruppen,
SFBs und Exzellenzclustern,
- meine Erfahrung als Gutachter für internationale Forschungsförderinstitutionen und
Stiftungen zur Unterstützung junger Talente, wie der Studienstiftung oder der Minerva-Stiftung der Max-Planck-Gesellschaft
- meine Erfahrung in der Lehre als Dozent, aber auch als Koordinator von Studiengängen und Doktorandenprogrammen
- meine Erfahrung im Knüpfen internationaler Netzwerke, wie mit der WasedaUniversität in Tokyo oder mit der Harvard University.
- meine Überzeugung, dass Forschung und Lehre eine Einheit bilden und für beides
hohe Qualitätsstandards gelten müssen,
- meine Neugier, Kreativität und Freude an der Entwicklung neuer Konzepte und
Strategien,
- den Willen andere zu motivieren und mit meiner Begeisterung anzustecken,
- meinen Optimismus, dass wir auch schwierige Situationen gemeinsam meistern
können, und die Erkenntnis, dass dabei Transparenz in Form von klarer, beständiger
und inhaltlich konsistenter Kommunikation unerlässlich ist.
Die neue Aufgabe macht mich sehr stolz, und ich verspreche, dass ich meine ganze
Kompetenz und Energie in das Amt einbringen werde.
Vor welchen Herausforderungen stehen wir?
Dazu möchte ich heute nur einige Grundüberlegungen darlegen – detailliert werde
ich darauf bei der Eröffnung des Akademischen Jahres im Oktober diesen Jahres
eingehen.
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Die Universität Bonn will sich trotz der unzureichenden Grundfinanzierung – Herr
Fohrmann ist schon darauf eingegangen - auch in Zukunft und unter neuen politischen Rahmenbedingungen die akademische Freiheit erhalten und Grundlagenforschung auf höchstem Niveau betreiben - zur Erweiterung der Wissensbasis und als
Ausgangspunkt für den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in Anwendungsfelder. Die Stärke unserer Universität, die zu den besten in Deutschland und weltweit
zählt, beruht nicht zuletzt auf herausragenden Forscherpersönlichkeiten, die die Universität in ihrer Geschichte geprägt haben und immer noch prägen und die auch einzelnen Fächern an unserer Universität ihr Profil verleihen.
Um diese herausgehobene Position auch in Zukunft zu halten, müssen wir uns jedoch kontinuierlich wandeln und adaptieren. Wir tun gut daran, in unserer Zukunftsstrategie zusätzlich zur Förderung einzelner Fachdisziplinen übergreifende thematische Forschungsschwerpunkte zu definieren, die sich an den großen Herausforderungen der Gesellschaften bzw. der Menschheit insgesamt orientieren.
Die ETH Zürich fokussiert beispielsweise in ihrer Strategie für die Jahre 2012-16 auf
die 5 Themen: «Nachhaltige Welten», «Technologie und Wissen für die Gesundheit», «Komplexe Systeme», «Materialien, Technologien und industrielle Prozesse»
sowie «Wissenschaftliche Grundlagen der Zukunft». Ich möchte auch an unserer
Universität solche übergreifenden Schwerpunktthemen, für die wir eine besondere
Kompetenz aufweisen, etablieren. Dadurch soll unser Beitrag zur Bewältigung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen noch deutlicher nach außen hin sichtbar
gemacht werden. Im Unterschied zur ETH, die ja eine technische Hochschule ist,
können wir an unserer Volluniversität Querschnittsthemen mit breiter gesellschaftlicher Relevanz definieren, bei denen von den Kultur- und Geistes- bis zu den Naturwissenschaftlern alle zusammenarbeiten können. Zur Themenfindung möchte ich
noch in diesem Jahr Strategiegruppen einsetzen, in denen herausragende Wissenschaftlerpersönlichkeiten aus allen Fakultäten zusammen kommen und damit die
Expertise unserer Universität in ihrer gesamten Breite abgebildet werden kann. Die
neuen übergreifenden Themen müssen so interessant sein, dass sich die Beteiligten
aus eigenem wissenschaftlichen Antrieb damit beschäftigen wollen. Dadurch werden
sie das Profil unserer Universität schärfen, gleichzeitig aber auch unsere Pluralität
und Fächervielfalt verdeutlichen und erhalten. Es werden dabei neue wissenschaftliche Begegnungs- und Kommunikationsräume über die Grenzen der Fakultäten hinweg entstehen. Auch wäre das Potential gegeben, parallel zur Forschung neue interfakultäre Ausbildungs- und Nachwuchsförder-Konzepte in den einzelnen Quer-
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schnittsbereichen zu entwickeln. Ich bin davon überzeugt, dass unser Potential für
Fakultäts-übergreifende Zusammenarbeiten bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist.
Und darum möchte ich Sie heute bitten: Lassen wir uns auf einen neuen fächerübergreifenden Dialog ein! In diese Einladung zum Dialog möchte ich ganz ausdrücklich
unsere Studierenden mit einschließen.
Ich möchte kurz auf einen weiteren Punkt eingehen, der mir wichtig erscheint. Dabei
handelt es sich um die Veränderung unserer Lehr- und Wissenschaftslandschaften
im internationalen Kontext, die durch unsere Informations- und Mobilitätsmöglichkeiten neue Dimensionen erreicht haben. Ich will Ihnen ein Beispiel geben:
Im Jahr 2013 hat der bekannte Neurobiologe und Nobelpreisträger Eric Kandel die
These aufgestellt, dass die größte Herausforderung, der sich die Wissenschaft jemals gestellt hat, die Erforschung des Gehirns sei. Im selben Jahr wurden dazu zwei
Forschungsgroßprojekte mit gewaltigen Geldsummen ins Leben gerufen, das “Human Brain Project” der Europäischen Kommission, an dem mehr als 120 Institute in
26 Ländern beteiligt sind und das innerhalb von 10 Jahren mit einer Milliarde Euro
gefördert werden soll. Parallel dazu rief US-Präsident Barack Obama im Frühjahr
2013 die amerikanische “Brain Initiative” aus, die in den nächsten 12 Jahren mit 4,5
Milliarden Euro gefördert werden soll. Am Ende dieser beiden internationalen Großprojekte soll eine Computersimulation des menschlichen Gehirns stehen, bei der
Denken, Fühlen und Erinnern simuliert werden können. Die 3D-Kartierung des
Fruchtfliegengehirns, das aus 100.000 Neuronen besteht, wird derzeit am Janelia
Research Campus, einem weltbekannten Forschungsinstitut in der Nähe von
Washington D.C, mit großem Erfolg durchgeführt. Die 3D-Kartierung der viel komplizierteren Gehirne der Maus und des Menschen hat gerade erst begonnen. Parallel
dazu findet die Entwicklung neuer Supercomputer statt, die energieeffizient und lernfähig sein sollen, und neuer Methoden der Datenanalyse, die eine detaillierte Erforschung des Gehirns ermöglichen sollen. Ich bin zwar etwas skeptisch, ob alle Ziele
in den nächsten 10 oder 12 Jahren tatsächlich erreicht werden können - das
menschliche Gehirn ist mit seinen etwa 100 Milliarden Nervenzellen doch außergewöhnlich komplex vernetzt. Andererseits habe ich meine Doktorarbeit zum Teil noch
auf der Schreibmaschine geschrieben und hätte damals auch nicht gedacht, dass es
einmal Tablet und Handy geben würde, die eine derart wichtige Rolle in unserem
Alltag spielen würden.
Unsere Wissenschaftler befinden sich in vielen Bereichen im wissenschaftlichen
Wettbewerb mit ähnlichen Großinitiativen, die nicht nur Ressourcen für die For-
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schung binden, sondern Forschungsgebiete in großem Stil vorantreiben. Um hier im
internationalen Wettbewerb zu bestehen, sind neben der Kreativität des Einzelnen
auch Vernetzung und Zusammenarbeit gefragt, die wir mit unseren lokalen außeruniversitären Partnern der Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaften, und der
Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaften, unseren Partneruniversitäten der ABCDRegion und mit unseren internationalen Partnern, wie zum Beispiel der Waseda und
der Peking-Universität, in den nächsten Jahren noch weiter ausbauen und intensivieren müssen. Dies wird auch sehr hilfreich für eine nächste Runde der Exzellenzinitiative ab 2017 sein, deren Rahmenbedingungen derzeit festgelegt werden. Wir möchten uns mit unseren Exzellenzbereichen wieder bewerben und sind auch sehr hoffnungsvoll, dass wir eine erfolgreiche Weiterförderung erlangen können.
Viele weitere Herausforderungen stehen an, auf die ich an dieser Stelle nicht detailliert eingehen möchte. Dazu gehören:
+ Weiterentwicklung und Professionalisierung von Kommunikations- und Organisationstrukturen an der Universität
+ Qualitätsmanagement, Evaluation und Nachhaltigkeit
+ Bewältigung der Unterfinanzierung und des strukturellen Defizits
+ Eine signifikante Erhöhung des Anteils der Professorinnen
+ Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft
+ Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
+ Campusmodernisierung und Räumliche Strukturentwicklung an der Universität
+ Digitalisierung und IT-Technologie
+ Qualitätssicherung in Studiengängen und Qualifizierung für den Berufseinstieg
+ Graduiertenausbildung
+ Gründung neuer Kooperationsstrukturen mit Partnern aus Akademia und Wirt-
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schaft und die
+ Fokussierung auf strategische nationale und internationale Partnerschaften
Für die Bewältigung dieser Aufgaben habe ich in den letzten Wochen ein neues
Team von 5 Kolleginnen und Kollegen aus 5 verschiedenen Fakultäten zusammengestellt, die ich den Gremien des Hochschulrats und des Senats zur Wahl als Prorektoren vorschlagen werde. Ich hoffe, dass sie dieses Team unterstützen – es sind
wirklich herausragende Persönlichkeiten. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass ich
aus Respekt vor den beiden zuständigen Gremien heute noch keine Namen nennen
werde. Dies wird selbstverständlich zu gegebener Zeit erfolgen.
Die Universität Bonn ist in ihrer fast 200-jährigen Geschichte durch viele bedeutende
Gelehrte geprägt worden, darunter Ernst Moritz Arndt, Ernst Robert Curtius, die Nobelpreisträger Otto Wallach (Chemie, 1910), Wolfgang Paul (Physik, 1989), Reinhard
Selten (Wirtschaftswissenschaften, 1994) und Harald zur Hausen (Physiologie und
Medizin, 2008) – und auch durch herausragende Studierende wie Heinrich Heine,
Karl Marx, Friedrich Nietzsche, Max Delbrück oder Luigi Pirandello. Es wird auch in
Zukunft unsere wichtigste Aufgabe sein, die Universität in die Lage zur versetzen,
herausragende Forscherpersönlichkeiten und talentierte Studierende anzuziehen.
Das einfache Rezept: “Hire the best and let them work” hat sich in der Vergangenheit
bewährt. Die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen
wir heute arbeiten, stellen uns aber vor zusätzliche Aufgaben. Jeder Einzelne muss
auch in seinem Handeln Verantwortung für die gesamte Universität übernehmen.
Dieses Bewusstsein, dass wir Teil eines Ganzen sind, möchte ich bei allen Angehörigen der Universität erzeugen. Die „Universitas“ ist schließlich die Gesamtheit der
Lehrenden und Lernenden, Professoren, Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter
und Mitarbeiter aus Technik und Verwaltung - ein großes Team, in das jeder seine
Stärken einbringt, und das in seiner Gesamtheit stärker sein muss als die Summe
seiner Teile.
Wichtig ist dabei auch die Unterstützung unserer Bonner Partner in Forschung, Wissenschaftsförderung, Politik, Wirtschaft, Medien, Verbänden und der Bundesstadt
Bonn. Viele Vertreter unserer Partner sind heute anwesend. Ich danke Ihnen für Ihr
Kommen, denn Sie dokumentieren damit Ihre enge Verbundenheit, auf die wir alle zu
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Recht stolz sind. Ich freue mich schon darauf, mit Ihnen zusammen unser
200jähriges Jubiläum im Jahr 2018 zu begehen.
Zum Schluss möchte ich mich herzlich bei meinem Vorgänger Prof. Jürgen Fohrmann und seinen Prorektoren Prof. Christa Müller, Prof. Christiane Kuhl, Prof. Volkmar Gieselmann, Prof. Armin Cremers, Prof. Jürgen von Hagen und dem Kanzler Dr.
Reinhardt Lutz für ihr Engagement und ihre Arbeit bedanken.
Freuen Sie sich mit mir darauf, die Zukunft unserer großartigen Universität gemeinsam zu gestalten!
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