16 STUTTGART STUTTGARTER ZEITUNG Nr. 90 | Montag, 20. April 2015 Stadträte diskutieren über hohe Mieten Der StZ-Hochschulatlas Wo studiert man was in Baden-Württemberg? Bis zum 9. Mai helfen wir in einer Ratgeberserie bei der Orientierung. Online unter http://stzlinx.de/ hochschulatlas Wohnungsmarkt Experte hält bisherige staatliche Eingriffe für falsch. Von Liviana Jansen D ie Mieten in Stuttgart sind hoch, bezahlbarer Wohnraum knapp. Doch was bedeutet eigentlich bezahlbar? Und mit welchen Maßnahmen kann die Politik dazu beitragen, die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen? Mit diesen Fragen haben sich am Sonntagnachmittag Kommunalpolitiker von CDU, SPD, Freien Wählern und Grünen sowie Experten aus der Branche in einer Gesprächsrunde im Rahmen der Stuttgarter Immobilienmesse STIM beschäftigt. Moderiert wurde die Diskussion von Sven Hahn, Journalist der Stuttgarter Zeitung. „Bezahlbares Wohnen, das ist eine politische Worthülse aus Berlin“, sagte Robert Göötz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen in seinem Einführungsvortrag. Wichtig sei ein gesellschaftlicher Diskurs über die Frage, woran „bezahlbar“ sich bemessen lasse: ob an dem, was Mieter sich leisten können, den Baukosten oder einer akzeptablen Rendite für Vermieter. Egal, wofür man sich aber entscheide, man greife immer in den Markt ein und beschneide somit die Interessen einer Seite. In einer Kostenaufstellung legte er dar, dass bei einem Neubau die Kosten bei etwa 4000 Euro pro Quadratmeter liegen, rund ein Viertel entstehe durch staatliche Eingriffe. Je nach Rechnung ergebe sich so eine notwendige Kaltmiete von elf bis 16 Euro pro Quadratmeter. Das sei natürlich ein Widerspruch zu den Interessen der Mieter. Die Politik versuche mit einer Reihe von Maßnahmen deren Interessen zu stärken, die bisher ergriffenen Maßnahmen seien aber aus seiner Sicht eher kontraproduktiv, „Bezahlbares sagte Göötz – und nannte als Beispiel die Wohnen, Mietpreisbremse. das ist eine Martin Körner, politische Fraktionschef der SPD im Stuttgarter GeWorthülse meinderat, verteidigte aus Berlin.“ die Mietpreisbremse, Robert Göötz, die lediglich dazu dieWohnungsexperte ne, die Auswüchse der „explodierenden Mietund Grundstückspreise“ einzudämmen. „Eine Begrenzung auf zehn Prozent über der ortsüblichen Miete bei Neubezug kann ja wohl nicht die Investitionsabsichten schwächen“, sagte er. Bei vielen Familien mit mittlerem Einkommen sei die „Schallgrenze“ bei einer Kaltmiete von zehn Euro pro Quadratmeter erreicht. Der Fokus müsse zwar auf dem Bau von neuen Wohnungen liegen, aber auch die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbotes könne zu einer Entspannung beitragen. Widerspruch bekam Körner von CDU und Freien Wählern. Jürgen Zeeb von den Freien Wählern ärgerte sich über die „staatlichen Gängeleien“, denen man als Vermieter unterliege. „Das bringt keine einzige neue Wohnung auf den Markt“, sagte er. Das Pendel sei in den letzten Jahren zu stark auf Mieterseite ausgeschlagen. Alexander Kotz von der CDU gab zu bedenken, dass die Kaufkraft in der Region nach Abzug der Wohnkosten immer noch höher sei, als in anderen Regionen. Silvia Fischer, Stadträtin der Grünen, drückte ihr Verständnis für Mietanpassungen aus, betonte aber auch, dass der Wohnungsmarkt immer ein regulierter Markt gewesen sei. Sie sagte: „Auch Menschen mit niedrigerem Einkommen sollen sich Wohnungen in der Stadt leisten können.“ Anlegermesse Veranstalter ziehen positive Bilanz Veranstalter und Finanzexperten haben eine positive Bilanz der Anlegermesse Invest gezogen, die am Samstag zu Ende gegangen ist. Die 16. Auflage der Veranstaltung für Finanzen und Geldanlage verzeichnete nach Angaben der Messegesellschaft Stuttgart 113 Aussteller und rund 11 000 Besucher und lag damit in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Bei mehr als 200 Diskussionsrunden, Vorträgen und Workshops konnten sich Interessenten über Möglichkeiten zur Geldanlage etwa in Fonds und Wertpapieren informieren. „Im aktuellen Niedrigzinsumfeld ist es wichtiger denn je, die Funktionsweise von Wertpapieren zu verstehen und Chancen und Risiken richtig einzuschätzen“, sagte Ralph Danielski, Vizegeschäftsführer des Mitveranstalters, der Stuttgarter Börse Holding. Dazu habe die Invest 2015 einen wichtigen Beitrag geleistet. Die nächste Ausgabe der Anlegerschau auf den Fildern ist für den 15. und 16. April 2016 geplant. StZ Wer an der Popakademie in Mannheim studieren möchte, muss sein Instrument gut beherrschen. Mehrere praktische Prüfungen sind die Regel. Mit Talent zum Studienplatz Zulassungsverfahren An kreativen Hochschulen wie der Pop-, Film- oder Theaterakademie kommt es mehr auf echtes Können und Praxiserfahrungen an. Gute Schulnoten sind zweitrangig. Von Julia Bosch J ura oder Popmusikdesign – für Johannes Stahnecker gab es nur diese beiden Extreme. Vier Semester studierte der 22-Jährige in Bonn Jura, dann kam die Zusage aus Mannheim und der gebürtige Stuttgarter warf die Gesetzesbücher über Bord. „Schon im Vorjahr hatte ich mich an der Popakademie beworben, aber eine Absage kassiert“, berichtet Johannes Stahnecker. Die Absage überraschte ihn wenig: „Die Bewerbung war halbherzig, und ich habe sie am letztmöglichen Tag abgegeben.“ Nach einem weiteren Jahr Jura festigte sich sein Plan, Popmusikdesign mit dem Schwerpunkt Singer/Songwriter in Mannheim zu studieren. „Ich habe mich tagelang in meinem Bonner Neun-Quadratmeter-Zimmer verkrochen und alles selbst aufgenommen“, berichtet Stahnecker. Für eine Bewerbung an der Popakademie muss man neben einem Lebenslauf auch praktische Arbeiten abgeben. Ein paar Wochen später hatte Stahnecker die Einladung zum persönlichen Bewerbungsgespräch an der Popakademie im Briefkasten – wobei der Begriff Gespräch nicht ganz passend ist. „Am Morgen hatten wir eine theoretische Prüfung“, berichtet er. Vom Nachmittag an bis in den späten Abend hätten dann die Liveprüfungen stattgefunden. Als er an der Reihe war, musste er zunächst drei Lieder vorsingen, auf die er vorbereitet war. „Danach kam dann die Improvisation: Die Gesangsdozentin Annette Marquard rief mir verschiedene Genres zu, zu denen ich einen Text in verschiedenen Stimmungen singen sollte.“ Bei all dem hatte er ein Publikum. „Vor einem sitzen zwar nur etwa fünf Leute von der Popakademie, aber alle Liveprüfungen sind öffentlich.“ Stören tut das die meisten potenziellen Studienanfänger aber wenig: Die meisten hätten eine Band, sagt Stahn- ecker. „Auch ich war froh über jede weitere Person“, erinnert sich Johannes Stahnecker. So habe es sich weniger wie eine Prüfung, sondern mehr wie ein Konzert angefühlt. Pro Jahr werden etwa 30 Bewerber für Popmusikdesign zugelassen – er war einer von zehn, die für den Bereich Singer/ Songwriter eine Zusage erhielten. Auch bei einer Bewerbung für die Filmakademie in Ludwigsburg sind gute praktische Arbeiten nötig für einen Studienplatz. „Wenn man sich für den Studiengang Regie Szenischer Film bewirbt, muss man eine zehnminütige Arbeitsprobe zusätzlich zur klassischen Bewerbung abgeben“, sagt Beate Pfennigwerth vom Prüfungsamt der Filmakademie. Wenn die Bewerbung überzeugt und man mindestens zwölf Monate Praktika mitbringt, wird man zu einem Einzelgespräch mit einem Dozenten eingeladen. „Die Bewerber werden rund 15 Minuten zu ihrer Motivation und praktischen Erfahrung befragt“, sagt Pfennigwerth. Wer auch hier brillieren kann, kommt in die finale Runde: „Die Bewerber bekommen ein Thema, zu dem sie einen Film realisieren sollen – innerhalb von 72 Stunden.“ Im vergangenen Jahr war die Aufgabe, eine Familiensituation filmisch darzu- Popakademie Die staatliche Hochschule für Populäre Musik und Musikwirtschaft sitzt in Mannheim. An der Popakademie kann man die drei Bachelorstudiengänge Popmusikdesign, Weltmusik und Musikbusiness studieren sowie die beiden Masterstudiengänge Popular Music und Music and Creative Industries. Filmakademie Die staatliche Filmhochschule in Ludwigsburg bietet vierjährige Diplom-Studiengänge an, die sich in ein zweijähriges Grundstudium und ein zweijähriges Projektstudium gliedern. Dazu gehören unter anderem Studiengänge in Film und Medien, Produktion, Filmmusik und Sounddesign. Studienbereich Germanistik – typische Studiengänge: Germanistik, Niederdeutsch, Dänisch, Niederländisch, Nordistik – Studierende in Baden-Württemberg: 12 751 – Anteil der Frauen: 79,5 Prozent – Anteil der Ausländer: 12,9 Prozent Studienangebote in Baden-Württemberg Universität Heidelberg: 1733 Studierende Universität Tübingen: 1565 Studierende PH Heidelberg: 1511 Studierende PH Ludwigsburg: 1388 Studierende Universität Freiburg: 1287 Studierende PH Freiburg: 1010 Studierende PH Karlsruhe: 960 Studierende PH Schwäbisch Gmünd: 768 Studierende PH Weingarten: 705 Studierende Universität Stuttgart: 524 Studierende Universität Mannheim: 511 Studierende Karlsruher Institut für Technologie: 501 Stud. Universität Konstanz: 288 Studierende Am Dienstag folgt die Elektrotechnik. Svenja Wulff studiert Germ anistik an der Uni Konstanz. Foto: privat Party im Bahnhofstower Freiburg Die Stadt punktet auch mit ihrer Lage. Die Schweiz und Frankreich liegen um die Ecke. W o will ich studieren? Wir stellen die Uni-Städte des Landes und alle Hochschulstandorte aus der Metropolregion vor. Heute: Freiburg. Einwohnerzahl 218 000 Studierende 32 020 Frauenanteil 58,1 Prozent Ausländische Studierende 13,2 Prozent Durchschnittskaltmiete 7,75 Euro/qm Wohnheimplätze 5200 Besonderheit Freiburg liegt nur 30 Kilometer von der französischen und 60 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt. Kultur Das Stadttheater und das Konzerthaus sind Schwergewichte der traditionellen Hochkultur mit nationalem und internationalem Rang. Daneben gibt es Tanz, Theater, Kleinkunst und Kabarett im EWerk und im Vorderhaus. Hinzu kommen kleinere Häuser wie das Wallgraben-Thea- KREATIVE HOCHSCHULEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG Viel lesen und viele Praktika Dass sie einmal unbedingt im Verlagswesen arbeiten möchte, war Svenja Wulff schon früh klar. Die 25-Jährige hat nach ihrem Abitur eine Ausbildung zur Buchhändlerin absolviert und sich danach im Fach Germanistik eingeschrieben. Um als studierter Germanist nicht als Taxifahrer zu enden, empfiehlt sie Studienanfängern, früh außeruniversitäre Erfahrungen zu sammeln und über Praktika Schlüsselqualifikationen zu erwerben. „Und man darf das Lesepensum nicht unterschätzen.“ jub stellen, die erhebliche Auswirkung auf das weitere Leben hatte. Danach werden die Bewerber von insgesamt zehn Dozenten bewertet. Daraus ergibt sich ein Ranking, und maximal acht Bewerber erhalten eine Zusage. Pro Jahr erhält die Filmakademie etwa 800 Bewerbungen auf 90 Plätze. Deutlich weniger Plätze gibt es an der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg: rund 20 sind es. In dem größten Studiengang Schauspiel würden pro Jahr zehn Erstsemester aufgenommen, so Claudia Valet vom Studentensekretariat. „Wir bekommen aber etwa 500 Bewerbungen – nur für diesen Studiengang“, berichtet sie. Bereits im März findet das erste Vorsprechen statt, danach wird ausgesiebt. Wer es in die zweite Runde schafft, muss im Mai zum zweiten Vorsprechen. In den Studiengängen Regie und Dramaturgie variiert die Zahl der Neulinge: Maximal sind es jeweils vier pro Studiengang. Wer sich für Regie bewirbt, muss an einem zweitägigen Workshop teilnehmen, in dem die Bewerber Inszenierungsarbeiten präsentieren müssen. Dramaturgiestudenten müssen ein geisteswissenschaftliches Erststudium vorweisen können und sich in einem Prüfungsgespräch behaupten. Foto: ullstein Die Zahlen beziehen sich auf das Wintersemester 2013/14. Weitere Infos zu den Studiengängen unter http://stzlinx.de/atlasdigital // Theaterakademie Die staatliche Schauspielschule ist auf dem gemeinsamen Campus mit der Filmakademie in Ludwigsburg angesiedelt. An der Theaterakademie kann man zum Schauspieler, Regisseur oder Bühnen- und Kostümbildner ausgebildet werden. Zudem gibt es den Masterstudiengang Dramaturgie. jub Brotlose Kunst mit vielen Möglichkeiten Warum sind „ganze vier Tore“ für manche Deutschen viel und für andere wenig? Wer das genau wissen will, könnte in der germanistischen Linguistik richtig sein. Zur Germanistik gehören auch Literaturwissenschaft, Sprach- und Literaturgeschichte. Man kann sich auf Skandinavistik verlegen, auf Psycholinguistik oder die Erforschung des Spracherwerbs. Jedes Jahr bewerben sich Tausende Abiturientinnen auf einen Studienplatz. Dabei sehen viele die deutsche Philologie als brotlose Kunst. Den Beruf des Germanisten gibt es nicht. Aber ein breites Spektrum an beruflichen Möglichkeiten. Manche erfordern Zusatzqualifiktionen wie Praktika oder Volontariate. Man findet Germanisten in Redaktionen, in Verlagen oder auch im Redaktionsstab beim Bundestag. Dort prüfen sie Gesetzentwürfe auf sprachliche Richtigkeit und Verständlichkeit und leisten Sprachberatung. Natürlich arbeiten viele als Lehrer. Wer Germanistik studieren will, muss oft zwei moderne Fremdsprachen und Latein beherrschen. Renate Freudenberg-Findeisen von der Gesellschaft für Deutsche Sprache ist begeistert von ihrem Fach. „Germanisten können die Welt ein bisschen schöner machen“, sagt sie. ral Das Münster prägt das Stadtbild in Freiburg. Foto: dpa I ter, das Galli-Theater, das Theater der Immoralisten und die Alemannische Bühne. Im Sommer findet das Zeltmusikfestival statt, das weltbekannten und aufstrebenden Interpreten von Pop, Rock und Klassik eine Bühne bietet. Eine wichtige permanente Spielstätte ist das Jazzhaus. Nachtleben Partyliebhaber treffen sich im Kagan im Bahnhofstower, im Karma, aber auch im Agar, in Schmitz’ Katze oder im Tacheles. Das sogenannte Bermuda-Dreieck hinter der Uni ist voller Clubs, Bars und Kneipen. Für Kinogänger hat Freiburg das CineMaxx als Großkino sowie die zusammengehörenden Kinos Kandelhof, Friedrichsbau und Harmonie, die Filme in Originalsprache zeigen. Dazu kommt das alternative Kommunale Kino. Flaneure genießen Sommernächte am liebsten auf dem Augustinerplatz. Mobilität Das Netz der Freiburger Verkehrs-AG (VAG) ist im Stadtgebiet flächendeckend und bis tief in die Nacht hinein dicht getaktet. Am Wochenende gibt es Safer-Trafic-Angebote mit Nachtbussen und preiswerten Sammeltaxis, die auch in die Randgemeinden fahren. Der Regio-Verkehrsverbund Freiburg (RVF) bietet ein Semesterticket für 79 Euro an. Das Radwegenetz von Freiburg gehört zu den am besten ausgebauten im Land. sie BEWERTUNG Kultur Nachtleben Mobilität = herausragend, = überdurchschnittlich, = gut, = Luft nach oben, = viel zu verbessern
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