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RÄG 2014 und Unternehmenssteuerung
Wirkungen und Nebenwirkungen für die Erfolgsmessung mittels Kennzahlen
Mag. (FH) Josef Baumüller
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as nunmehr beschlossene RÄG 2014 wird die Bilanzierungspraxis in Österreich maßgeblich verändern.
Doch nicht nur die Abschlussersteller selbst sind hier von
großen Umstellungs- wie Folge-Änderungen betroffen.
Auch das Bild, das Adressaten dieser Abschlüsse über die
Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens
vermittelt wird, dürfte sich für eine Vielzahl dieser Unternehmen nicht unwesentlich ändern.
Aus Sicht der – internen wie externen – Abschlussanalyse
ist das natürlich nicht unproblematisch. Für diese spielen
Kennzahlen und die an diese anknüpfenden Interpretationsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle. Ändert sich
eine Kennzahl, die auf Grundlage des Jahresabschlusses
ermittelt wird, so legt dies Schlüsse auf das Geschehen im
Unternehmen nahe: Geschäftsprozesse sind effizienter
gestaltet (z. B. erhöhte Umsatzrentabilität), die Lagerprozesse optimiert (z. B. erhöhte Lagerumschlagshäufigkeit),
die finanzielle Basis gestärkt (z. B. erhöhte Eigenkapitalquote). Hieran knüpfen in weiterer Folge Entscheidungen
der internen und externen Anspruchsgruppen eines Unternehmens. Dieses Erkenntnisziel wird jedoch zumindest
teilweise ad absurdum geführt, wenn sich eine Änderung
nicht aufgrund realer Prozesse und Ereignisse, sondern
lediglich aufgrund neuer „Spielregeln“ in der Buchhaltung
ergibt. Freilich ist dies oft unumgänglich und geschieht
regelmäßig. Diesfalls ist aber erhöhte Sensibilität bei den
Analysten und ihren Adressaten erforderlich.
Aus Sicht des Controllings, einer zentralen Analystengruppe, ist ein Aspekt besonders bedeutsam: Wie wird in
die Unternehmensprozesse selbst eingegriffen und welche
neuen Erwägungen folgen aus den veränderten Rahmenbedingungen? Die Erfahrung lehrt, dass schließlich nicht
nur die Finanzzahlen die Realität abbilden, sondern
manchmal auch zu einer Veränderung ebendieser führen.
Mitunter wird nicht das getan, was für sich betrachtet die
beste Handlungsalternative zu sein scheint, sondern das,
was vielleicht zum besseren Abschlussbild führt: Um
anschließend eine bessere Verhandlungsposition bei Banken zu erhalten, Prämienziele auf Ebene der Geschäftsführung zu erreichen etc. Hierzu in Folge einige Überlegungen.
D
Besonders umstritten und fragwürdig am RÄG 2014 ist die
Neuregelung, dass fortan zur Bemessung der Herstellungskosten eine Kalkulation auf Vollkostenbasis zu erfolgen hat (§ 203 Abs. 3 UGB). Die Umwandlung des bisherigen Wahlrechts zu einer Bilanzierungspflicht verbessert
zwar aus Sicht der Bilanzanalyse die Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen. Die damit verbundenen Anreize für
die Unternehmen selbst sind demgegenüber problematisch, sodass sich die Frage stellt, ob hier nicht eine (hierzulande leider häufig vorzufindende) „Nivellierung nach
unten“ vorliegt.
Bereits die heute gängigen Standard-(Lehr-)Werke widmen sich ausführlich den Vorteilen der Teilkostenrechnung gegenüber der Vollkostenrechnung. Freilich ist die
letztgenannte international zum Teil weiter verbreitet,
weswegen es nicht verwundert, dass beispielsweise auch
die IFRS nur einen vollkostenbasierten Ansatz von Herstellungskosten zulassen. Aus Sicht einer korrekten (im
Sinne von „verursachungsgerechten“) Zuordnung der Fixkosten sind diese jedoch nicht zu aktivieren, sondern in
der Periode ihres Entstehens erfolgswirksam zu erfassen.
In der Regel wird dies zu betriebswirtschaftlich sinnvolleren Entscheidungsgrundlagen führen. Als besonderer Nebeneffekt ergibt sich bei Aktivierung der Fixkosten eines
Unternehmens für dieses die Möglichkeit, über die mengenmäßige Veränderung der Produktionsmenge das
Unternehmensergebnis maßgeblich zu beeinflussen.
Diesen Effekt stellt das nachfolgende Beispiel dar: (Siehe
nächste Seite oben.) Hier zeigt sich der neue Gestaltungsspielraum, der sich
bereits im Hinblick auf die – vergleichsweise einfache,
wenngleich zentrale – Kennzahl des Unternehmensgewinns auftut. Der geschilderte Sachverhalt wirkt sich
natürlich ebenso auf eine Vielzahl weiterer Bilanz- und
GuV-Posten aus, was die damit verbundene (Analyse)Komplexität weiter erhöht. Im obigen Beispiel wäre bei
Überkapazitäten an sich eine Anpassung der Produktionsmenge an die Absatzmenge naheliegend, im Hinblick auf
den GuV-Effekt wird jedoch der gegenteilige Anreiz
gesetzt – was letztlich bei längerer Betrachtung dem Unternehmen schadet. Die konzeptionelle Ebene der UGBRechnungslegung ist hierbei noch gar nicht mit in die
Betrachtung aufgenommen, insbesondere im Hinblick auf
das Vorsichtsprinzip, mit dem der dargestellte Sachverhalt
allenfalls bedingt in Einklang zu bringen ist (und jedenfalls keine Verbesserung zum Status quo der noch gültigen
Bestimmungen im UGB darstellt). Nur bedingt wirkt mildernd, dass sich der dargestellte Effekt bei späterem
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Abbau der Lagerbestände wieder umkehrt. Nicht alles
sollte daher aus den IFRS „abgeschrieben“ werden, ohne
den konkreten Rahmen zu berücksichtigen (der oft beschworene „true and fair view“ darf hier kein Totschlägerargument sein).
Viele weitere Neuregelungen des RÄG 2014 werden das
ihrige dazu beitragen, dass die gängigen Kennzahlen fortan zu anderen Bildern führen werden. Dies betrifft zum
Teil gleichermaßen die Ergebnisse zum Stichtag wie auch
deren Schwankungen im Zeitreihenvergleich.
Zu nennen sind hier z. B.:
◆ der gleichsam eingeschränkte Umfang der Herstellungskosten im Hinblick auf Langfristfertigungen;
◆ die Neuregelung zum Abschreibungszeitraum des
Geschäfts(firmen)wertes (auch im Konzernabschluss);
◆ der Entfall des Abschreibungswahlrechtes für Finanzanlagevermögen bei nicht dauernden Wertminderungen;
◆ die Zuschreibungspflicht bei Wertaufholungen (mit
Ausnahme für den Geschäfts(firmen)wert);
◆ die Neuregelungen im Hinblick auf die Bildung von
Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen;
◆ der Entfall des Ausweises unversteuerter Rücklagen.
Dies in die Erfolgsmessung zu integrieren und bei den
abgeleiteten Schlussfolgerungen angemessen zu berücksichtigen, wird gewiss eine große Herausforderung für die
kommende Umstellungsphase (und darüber hinaus).
Betroffen hiervon sind einerseits die Menschen, die mit
dem neuen Zahlenmaterial arbeiten, nicht zuletzt Controller.
Den Bilanzierenden hat demgegenüber der neue Gestaltungsspielraum bewusst zu sein – sowie die damit verbundenen Anreize, Risiken und mögliche (mittel- bis langfristige) Nebenwirkungen. Seiner Rolle für die Unternehmenssteuerung wird es zuträglich sein.
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