43 - Baumüller RÄG 2014 und Unternehmenssteuerung Wirkungen und Nebenwirkungen für die Erfolgsmessung mittels Kennzahlen Mag. (FH) Josef Baumüller [email protected] as nunmehr beschlossene RÄG 2014 wird die Bilanzierungspraxis in Österreich maßgeblich verändern. Doch nicht nur die Abschlussersteller selbst sind hier von großen Umstellungs- wie Folge-Änderungen betroffen. Auch das Bild, das Adressaten dieser Abschlüsse über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens vermittelt wird, dürfte sich für eine Vielzahl dieser Unternehmen nicht unwesentlich ändern. Aus Sicht der – internen wie externen – Abschlussanalyse ist das natürlich nicht unproblematisch. Für diese spielen Kennzahlen und die an diese anknüpfenden Interpretationsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle. Ändert sich eine Kennzahl, die auf Grundlage des Jahresabschlusses ermittelt wird, so legt dies Schlüsse auf das Geschehen im Unternehmen nahe: Geschäftsprozesse sind effizienter gestaltet (z. B. erhöhte Umsatzrentabilität), die Lagerprozesse optimiert (z. B. erhöhte Lagerumschlagshäufigkeit), die finanzielle Basis gestärkt (z. B. erhöhte Eigenkapitalquote). Hieran knüpfen in weiterer Folge Entscheidungen der internen und externen Anspruchsgruppen eines Unternehmens. Dieses Erkenntnisziel wird jedoch zumindest teilweise ad absurdum geführt, wenn sich eine Änderung nicht aufgrund realer Prozesse und Ereignisse, sondern lediglich aufgrund neuer „Spielregeln“ in der Buchhaltung ergibt. Freilich ist dies oft unumgänglich und geschieht regelmäßig. Diesfalls ist aber erhöhte Sensibilität bei den Analysten und ihren Adressaten erforderlich. Aus Sicht des Controllings, einer zentralen Analystengruppe, ist ein Aspekt besonders bedeutsam: Wie wird in die Unternehmensprozesse selbst eingegriffen und welche neuen Erwägungen folgen aus den veränderten Rahmenbedingungen? Die Erfahrung lehrt, dass schließlich nicht nur die Finanzzahlen die Realität abbilden, sondern manchmal auch zu einer Veränderung ebendieser führen. Mitunter wird nicht das getan, was für sich betrachtet die beste Handlungsalternative zu sein scheint, sondern das, was vielleicht zum besseren Abschlussbild führt: Um anschließend eine bessere Verhandlungsposition bei Banken zu erhalten, Prämienziele auf Ebene der Geschäftsführung zu erreichen etc. Hierzu in Folge einige Überlegungen. D Besonders umstritten und fragwürdig am RÄG 2014 ist die Neuregelung, dass fortan zur Bemessung der Herstellungskosten eine Kalkulation auf Vollkostenbasis zu erfolgen hat (§ 203 Abs. 3 UGB). Die Umwandlung des bisherigen Wahlrechts zu einer Bilanzierungspflicht verbessert zwar aus Sicht der Bilanzanalyse die Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen. Die damit verbundenen Anreize für die Unternehmen selbst sind demgegenüber problematisch, sodass sich die Frage stellt, ob hier nicht eine (hierzulande leider häufig vorzufindende) „Nivellierung nach unten“ vorliegt. Bereits die heute gängigen Standard-(Lehr-)Werke widmen sich ausführlich den Vorteilen der Teilkostenrechnung gegenüber der Vollkostenrechnung. Freilich ist die letztgenannte international zum Teil weiter verbreitet, weswegen es nicht verwundert, dass beispielsweise auch die IFRS nur einen vollkostenbasierten Ansatz von Herstellungskosten zulassen. Aus Sicht einer korrekten (im Sinne von „verursachungsgerechten“) Zuordnung der Fixkosten sind diese jedoch nicht zu aktivieren, sondern in der Periode ihres Entstehens erfolgswirksam zu erfassen. In der Regel wird dies zu betriebswirtschaftlich sinnvolleren Entscheidungsgrundlagen führen. Als besonderer Nebeneffekt ergibt sich bei Aktivierung der Fixkosten eines Unternehmens für dieses die Möglichkeit, über die mengenmäßige Veränderung der Produktionsmenge das Unternehmensergebnis maßgeblich zu beeinflussen. Diesen Effekt stellt das nachfolgende Beispiel dar: (Siehe nächste Seite oben.) Hier zeigt sich der neue Gestaltungsspielraum, der sich bereits im Hinblick auf die – vergleichsweise einfache, wenngleich zentrale – Kennzahl des Unternehmensgewinns auftut. Der geschilderte Sachverhalt wirkt sich natürlich ebenso auf eine Vielzahl weiterer Bilanz- und GuV-Posten aus, was die damit verbundene (Analyse)Komplexität weiter erhöht. Im obigen Beispiel wäre bei Überkapazitäten an sich eine Anpassung der Produktionsmenge an die Absatzmenge naheliegend, im Hinblick auf den GuV-Effekt wird jedoch der gegenteilige Anreiz gesetzt – was letztlich bei längerer Betrachtung dem Unternehmen schadet. Die konzeptionelle Ebene der UGBRechnungslegung ist hierbei noch gar nicht mit in die Betrachtung aufgenommen, insbesondere im Hinblick auf das Vorsichtsprinzip, mit dem der dargestellte Sachverhalt allenfalls bedingt in Einklang zu bringen ist (und jedenfalls keine Verbesserung zum Status quo der noch gültigen Bestimmungen im UGB darstellt). Nur bedingt wirkt mildernd, dass sich der dargestellte Effekt bei späterem 44 - Baumüller Abbau der Lagerbestände wieder umkehrt. Nicht alles sollte daher aus den IFRS „abgeschrieben“ werden, ohne den konkreten Rahmen zu berücksichtigen (der oft beschworene „true and fair view“ darf hier kein Totschlägerargument sein). Viele weitere Neuregelungen des RÄG 2014 werden das ihrige dazu beitragen, dass die gängigen Kennzahlen fortan zu anderen Bildern führen werden. Dies betrifft zum Teil gleichermaßen die Ergebnisse zum Stichtag wie auch deren Schwankungen im Zeitreihenvergleich. Zu nennen sind hier z. B.: ◆ der gleichsam eingeschränkte Umfang der Herstellungskosten im Hinblick auf Langfristfertigungen; ◆ die Neuregelung zum Abschreibungszeitraum des Geschäfts(firmen)wertes (auch im Konzernabschluss); ◆ der Entfall des Abschreibungswahlrechtes für Finanzanlagevermögen bei nicht dauernden Wertminderungen; ◆ die Zuschreibungspflicht bei Wertaufholungen (mit Ausnahme für den Geschäfts(firmen)wert); ◆ die Neuregelungen im Hinblick auf die Bildung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen; ◆ der Entfall des Ausweises unversteuerter Rücklagen. Dies in die Erfolgsmessung zu integrieren und bei den abgeleiteten Schlussfolgerungen angemessen zu berücksichtigen, wird gewiss eine große Herausforderung für die kommende Umstellungsphase (und darüber hinaus). Betroffen hiervon sind einerseits die Menschen, die mit dem neuen Zahlenmaterial arbeiten, nicht zuletzt Controller. Den Bilanzierenden hat demgegenüber der neue Gestaltungsspielraum bewusst zu sein – sowie die damit verbundenen Anreize, Risiken und mögliche (mittel- bis langfristige) Nebenwirkungen. Seiner Rolle für die Unternehmenssteuerung wird es zuträglich sein. ■ www.controller-institut.at
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