MANAGEMENT UND IT | AUTOMOBILLOGISTIK Transparenz und Effizienz durch Einsatz logistischer Kennzahlen Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der Automobillogistik sowie den wachsenden Kostendrucks gewinnt ein Monitoring des Material- und Informationsflusses mittels logistischer Kennzahlen weiter an Bedeutung, was eine aktuelle Studie zu Kennzahlensystemen in der Automobillogistik verdeutlicht. zu stellen, muss die Effizienz aber noch weiter gesteigert werden. Daher werden Strukturen und Prozesse benötigt, die nicht nur eine steigende Komplexität und zunehmende Volumen beherrschen, sondern dies auch kostenoptimal darstellen. Nahezu alle großen OEMs und Zulieferer setzen hierzu auf die Einführung eines Produktions- und Logistikkonzepts, das auf den Prinzipien des Lean Management beruht. Doch wie effizient und stabil sind die neuen Prozesse und Strukturen, wie weit wurden die Prozesse realisiert und welches Optimierungspotenzial verbirgt sich in ihnen noch? Bild: Mercedes-AMG Vielfältige Aussagen zu Effizienz und Effektivität Ein Beispiel für gelungene Automobillogistik: Für das neue Logistikzentrum in Affalterbach wurde Mercedes-AMG mit dem deutschen Logistik-Preis 2014 ausgezeichnet. MARTIN DÖRNHÖFER UND PROF. WILLIBALD A. GÜNTHNER D er Wertschöpfungsanteil der Automobilhersteller liegt heute bei unter 30 %. Laut diversen Studien wird dieser in den kommenden Jahren weiter sinken. Vor diesem Hintergrund nimmt die Bedeutung der Logistik für die Automobilindustrie weiter zu. Die sichere Versorgung der MontageProf. Willibald A. Günthner und Martin Dörnhöfer sind Mitarbeiter am Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik der Technischen Universität München in 85748 Garching (bei München), Tel. (0 89) 2 89 15 95-1, [email protected] 44 MM Logistik 3 2015 linie muss über die gesamte Lieferkette hinweg gewährleistet sein, von den Zulieferern über Logistikdienstleister bis hin zu der werksinternen Logistik. Schon heute ist die Automobillogistik zudem mit einer steigenden Komplexität konfrontiert und eine größere Teile- und Variantenvielfalt erfordert fortschrittliche logistische Lösungen. Der Bereich gilt daher im Bezug auf den Materialfluss schon in seiner heutigen Form als besonders fortschrittlich. Um sich dem globalen Wettbewerb weiterhin erfolgreich Logistische Kennzahlen können auf diese Fragen erste Antworten liefern. Ihre Einsatzzwecke reichen vom Monitoring der Prozesse und der Budgeteinhaltung über Benchmarking bis hin zur Unterstützung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Mehr noch als einzelne Kennzahlen sollte hierbei die Integration zu einem System im Vordergrund stehen, da sie nur so ihre volle Aussagekraft erreichen. Darüber hinaus wird als weiterer Erfolgsfaktor auch die Betrachtung des Gesamtprozesses gesehen, das heißt eine Betrachtung von den Lieferanten bis an die Montagelinie des OEM. Damit wird sichergestellt, dass am Ende ein Gesamtoptimum steht und nicht lokale Einzeloptima. Hierbei sollte eine in der Wissenschaft schon vielfach diskutierte Supply-Chain-Perspektive das Ziel sein. Die Einsatzzwecke und Bedeutung logistischer Kennzahlensysteme sind vielfältig. Antworten auf die Frage, welche Kennzahlen heute überwiegend eingesetzt werden, wel- Bild: fml Bild: fml AUTOMOBILLOGISTIK | MANAGEMENT UND IT Bild 1: Heutiger Kennzahleneinsatz in den Unternehmen (100 % = 136 Teilnehmer). Bild 2: Betrachtungsbereich der logistischen Kennzahlen (100 % = 134 Teilnehmer). che Anforderungen Anwender an sie stellen und inwiefern die Partner in der Supply Chain in die Betrachtung miteinbezogen werden, finden sich nur begrenzt. Daher wurde am Lehrstuhl Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) der TU München eine Studie durchgeführt. Sie basiert auf einer Befragung von 136 Teilnehmern aus Unternehmen der automobilen Lieferkette. Um eine Aussage für die gesamte Logistikkette treffen zu können, wurden dabei bewusst die wesentlichen Partner befragt - vom Zulieferer über die Logistikdienstleister bis hin zum OEM. kungs-Beziehung hergestellt werden. Zusammenhänge mit Ergebniskennzahlen werden so transparent und ermöglichen die Identifikation von kontinuierlicher Verbesserung. Beim Einsatz von Standardkennzahlen zeigt sich in der Automobillogistik ein differenziertes Bild. Während einzelne Kennzahlen eine weite Verbreitung haben, zeigt sich bei anderen weiterer Handlungsbedarf. Weitgehend eingesetzt werden Kennzahlen zur Liefertermintreue, zu Reichweiten sowie der Transport- und Lagerkosten. Bei weiteren Kostenkennzahlen, die für eine ganzheitliche Kostenbetrachtung relevant sind, beispielsweise Umschlags-, Fehler- oder Overheadkosten, ist der Einsatz hingegen vergleichsweise gering (etwa 53 bis 78 %). Ebenso sind Kennzahlen zum Informationsprozess weniger weit verbreitet als Kennzahlen zum Materialflussprozess, ein Aspekt, der sich auch in der wissenschaftlichen Literatur häufig wiederfindet. Teilnehmer, die angeben, diese Kennzahlen heute im Einsatz zu haben beurteilen deren Einsatz überwiegend als sehr sinnvoll. Daher sollten Unternehmen, die diese nicht einsetzen, eine Überarbeitung ihres Kennzahlensystems in Betracht ziehen und dieses erweitern. Weitverbreitet, aber häufig nicht systematisch verknüpft Im Rahmen der Studie geben fast alle Teilnehmer an, Kennzahlen in der Logistik einzusetzen. Dies spiegelt damit auch Ergebnisse von Studien aus anderen Branchen wider. Rund 40 % der Teilnehmer setzen allerdings lediglich einzelne Kennzahlen ein, die nicht zu einem Kennzahlensystem verknüpft sind (siehe Bild 1). Dieses Ergebnis überrascht vor allem vor dem Hintergrund, dass einzelne Kennzahlen zwar im Zeitverlauf oder im Vergleich mit einem vorgegebenen Planwert eine Aussage bezüglich des bewerteten Aspektes liefern können, aber nur wenig über die Logistik insgesamt aussagen können. Erst durch eine Integration von Einzelkennzahlen zu einer Gesamtsystematik werden die Ergebnisse aussagekräftig und interpretierbar. So können beispielsweise Einflussgrößen berücksichtigt sowie eine Ursache-Wir- Eingeschränkte Betrachtung der Supply Chain Neben dem Einsatz von Standardkennzahlen geht die Studie der Frage nach, inwiefern Kennzahlen heute innerhalb des Unternehmens standardisiert sind und ob eine Be- trachtung der Lieferkette erfolgt. Von einer vollständigen oder überwiegenden Standardisierung der logistischen Kennzahlen innerhalb des Unternehmens gehen dabei rund 50 % der Teilnehmer aus. Die andere Hälfte sieht nur einzelne Topkennzahlen als standardisiert an. Das überrascht erneut, da auch hier ein kennzahlenbasierter Vergleich zwischen Standorten erst durch standardisierte Kennzahlen möglich wird. Auch bei der unternehmensübergreifenden Betrachtung zeigen sich noch deutliche Verbesserungspotenziale. Nur rund 18 % der Teilnehmer geben an, dass in ihrem Unternehmen die komplette Lieferkette ab Lieferant betrachtet wird. Immerhin knapp 60 % setzen einzelne Kennzahlen ein, die über die Werksgrenzen hinausgehen (Bild 2), bei den verbleibenden Teilnehmern beschränkt sich die Betrachtung auf die Werksgrenzen. Im Rahmen des eingangs angesprochenen Supply-ChainManagement-Gedankens und der verbreiteten Meinung, dass in der Betrachtung des logistischen Gesamtprozesses weitere Potenziale zur Effizienzsteigerung stecken, sollte an dieser Stelle der Betrachtungsbereich der Kennzahlensysteme auf den Materialfluss ab Lieferant erweitert werden. Dabei sollten die Unternehmen auch prüfen, welche Potenziale sich darüber hinaus ergeben können, wenn die Betrachtung zusätzlich auch noch auf vorgelagerte Zulieferstufen ausgedehnt wird. Mehr Standardisierung und ganzheitliche Betrachtung nötig Es lässt sich also ein verbreiteter Kennzahleneinsatz in der Automobillogistik feststellen, bei der systematischen Verknüpfung der Einzelkennzahlen zu einer Kennzahlensystematik besteht jedoch Verbesserungsbedarf. Erst diese macht die Ursache-WirkungsBeziehungen deutlich und ermöglicht die Identifikation von Verbesserungsmöglichkeiten. Existierende Kennzahlensystematiken sollten häufig überarbeitet werden, um eine ganzheitlichere Betrachtung zu liefern. Gleiches gilt für die Erweiterung des Betrachtungshorizontes über die Unternehmensgrenzen hinaus. Bei einer engeren Kooperation mit den Zulieferern im Rahmen des Supply-ChainManagements sollte auch ein Kennzahlensystem diesen Aspekt integrieren und die Gesamtprozessperspektive einnehmen. Neben den konzeptionellen Handlungsbedarfen kann auch in der Standardisierung der Kennzahlen Potenzial liegen. Ein Vergleich verschiedener Standorte wird so erst ermöglicht und bildet den Ausgangspunkt für eine zielgerichtete Optimierung der Logistik. ■ 45 MM Logistik 3 2015
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