Projektarbeit als Motor der Unterrichtsentwicklung Essay

Tagung «Unterrichtsentwicklung – wozu?»
Workshop Erich Lipp
Projektarbeit als Motor zur Unterrichtsentwicklung
In diesem Workshop standen folgende Fragen im Raum: Warum überhaupt Projektarbeit? Wie verändert sich
die Lehrerrolle? Wie beeinflusst Projektunterricht die Lernerautonomie, die Selbstständigkeit, die
Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler?
Anhand von zwei konkreten Beispielen aus der Schule wurde aufgezeigt, welche Chancen die Projektarbeit
hat. Zum Einen das Beispiel einer Schule, wo die Lehrpersonen aus Angst, dass die Schülerinnen und
Schüler die Regeln in einem Lager sowieso nicht einhalten würden, keine Klassenlager mehr durchführen
wollten. Hier kamen die Schulleitung und die Lehrpersonen auf die Idee, den Lernenden selber die
Verantwortung für einzelne Tage im Klassenlager zu übergeben. Zuerst besprachen die Lehrpersonen
zusammen mit der Schulleitung die Rahmenbedingungen. Danach erstellten sie einen Projektauftrag für die
Lernenden. Mit Hilfe der Methoden in einem Projekt mussten die Lernenden in ausgelosten Gruppen Ziele
formulieren, ein Konzept und eine Planung erstellen und ihre Ideen sowie Überlegungen der ganzen Klasse
vorstellen. In einer Diskussion und anschliessender Diskussion einigte sich die Klasse zusammen mit der
Klassenlehrperson auf die besten vorgestellten Projektideen. Das Lager wurde ein Erfolg und die Lernenden
hielten sich an die Regeln. Denn in gewissen Situationen geht es darum, die Lernenden am
Unterrichtsgeschehen zu partizipieren lassen, so dass die Lernenden zu Beteiligten werden und eigene
Verantwortung für ihr Tun und Handeln übernehmen können. So kann Unterricht aber auch das
Zusammenleben funktionieren. In einem anderen Beispiel wurde aufgezeigt, wie eine Schülerin des 9.
Schuljahres die Chance im Projektunterricht packte und ein für sich ein schon lang gehegter Wunsch
umsetzte. Die Schülerin fiel den Lehrpersonen im normalen Unterricht demotiviert auf, im Projektunterricht
setzte sie sich aber positiv in Szene, weil sie schon lange ein Vorhaben umsetzen wollte. So nähte sie
stilechte Kleider aus den 50er Jahren nach Vorbild Audrey Hepburn. Mit den selbstgenähten Kleidern
inszenierte sie ein Fotoshooting mit Oldtimern dieser Zeit und illustrierte dadurch ihre Dokumentation
gekonnt. Weiter beschäftigte sie sich mit der Biographie von Audrey Hepburn und bewerkstelligte neben ihrer
Dokumentation, wo der Arbeitsprozess im Mittelpunkt stand, noch eine eigene Dokumentation über die
Filmschauspielerin. Daneben führte sie ein Projektjournal, das sehr detailliert und beindruckend über die
einzelnen Tage ihres Arbeits- und Lernprozesses Bescheid gab. Stolz konnte sie in ihrer Präsentation über
ihre gelungene Abschlussarbeit erzählen. Diese Projektarbeit konnte aufzeigen, dass viele Schülerinnen und
Schüler die Lehrpersonen, wenn ihnen etwas zugetraut wird, überraschen können. Schon John Dewey
meinte 1900: „Unterricht kann nur gelingen, wenn das Kind ein Problem als sein eigenes erkennt, so dass es
von sich aus beginnt, eine Antwort zu finden.“ Diese alte Forderung Deweys war eigentlich der Startschuss
der Projektarbeit, indem von den Demokratiepädagogen immer wieder gefordert wurde, Denken und Handeln
zu einem ganzheitlichen Lernarrangement zu verbinden. Mehr als 100 Jahre sollte es dann dauern, ehe der
Kanton Luzern quasi als Pionierkanton, den Projektunterricht im 9. Schuljahr mit einem Zeitgefäss versehen
hat. Die Erfahrungen nach über 10 Jahren zeigen, dass sich dieses Gefäss positiv auf die Schulkultur aber
auch die Selbstständigkeit, Autonomie und die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler auswirken. Klar
ist auch: der Projektunterricht ist nicht das Allerweltheilsmittel für renitente Lernende, aber es zeigt sich doch
deutlich, dass die Lehrpersonen mit einer gesunden Haltung viele Lernende nochmals im 9. Schuljahr aus
ihren Reserven locken können. Dass sich dabei die Rolle der Lehrperson in diesem Setting auch verändert,
wurde ebenso diskutiert. Nebst der gewohnten Rollen der Vermittlung von theoretischen Inputs und
Arbeitstechniken als auch der Rolle als Beurteilerin kommen zwei neue Rollen hinzu. Die Lehrperson amtet
als Auftraggeberin, die die Projektideen aus rechtlichen aber auch aus Überlegungen der Unter- bzw.
Überforderung bewilligt. Weiter nimmt die Lehrperson im Prozess die Rolle der Beraterin ein. Hier geht es
darum, die Lernenden mittels Meilensteinen auf den Zahn zu fühlen und ihnen gute Frage zu stellen. In
diesen Meilensteingesprächen geben die Lernenden auch Rechenschaft über ihre Lernprozesse ab, damit
klar ersichtlich wird, dass die Lernenden einen grossen Eigenanteil am Projekt haben. Die Projektmethode ist
also eine mögliche Form, die den Lehrpersonen ermöglicht, eine andere Rolle als sonst im normalen
Unterricht zu übernehmen. Der Projektunterricht kann auch die Lehrperson entlasten, indem die Lernenden
auch Verantwortung für ihre Vorhaben übernehmen. Und für die Lernenden? Sie können an Autonomie,
Erich Lipp, PH Luzern
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Kooperation und Selbstständigkeit dazulernen und Schlüsselqualifikationen für ihre weitere beruflich
respektive schulische Laufbahn vertiefen. Die überfachlichen Kompetenzen werden so nebst den fachlichen
Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu Gelingensbedingungen für Projekte. Somit haben schon viele
Schülerinnen und Schüler dank des Projektunterrichtes auf der Sekundarstufe II zeigen können, dass sie für
Maturarbeiten am Gymnasium, Vertiefungsarbeiten in der Berufsschule oder Projekten im Betrieb respektive
Freizeit besser gerüstet sind. Und wo bleibt die Unterrichtsentwicklung? Die Lehrpersonen nehmen durch die
Projekte die Lernprozesse der Schülerinnen bewusster wahr, erfahren viele Lernenden von einer anderen
Seite, nämlich von den zum Teil verborgenen Stärken, kennen, müssen die Balance zwischen Führung und
Moderation finden und sind nicht zuletzt auch Mitlernende bei den verschiedenen Projekten. Da die Projekte
stark auch in peer-Gruppen stattfinden, bekommt auch das Lernen von den Mitschülerinnen eine grosse
Bedeutung. All dies sind gute Gründe den Projektunterricht weiter an den Schulen zu praktizieren und immer
weiterzuentwickeln. Zudem stehen für die erfolgreiche Umsetzung der Projektarbeit auch bewährte Lehrmittel
aus dem Schulverlag den Lehrpersonen zur Verfügung.
Erich Lipp, 25. November 2014
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