No. 38 / November 2014 zuzzzzzzzz Berichte, Kommentare, Glossen und Despektierliches für aufgeklärte, mündige Schichten Wort des Monats Allmächtiger ewiger Gott, wir bitten dich, siehe gnädig insonderheit auf alle, die unser Reich und Land regieren. Gib ihnen Weisheit und Verstand und ein friedliches Regiment, auf dass sie a l l e ihre Untertanen in Frieden, Ruhe und Einigkeit beschirmen und regieren. Aus einem alten Gebet, dem Führungskader der Bundesrepublik ans Herz gelegt Inhalt Seite 2: Rapport zum Tage: Chinas aktuelle Position zu Russland und den USA Seite 5: Über Clausewitz Seite 7: Heimat-Erinnerung: Pölitz in Pommern Seite 9: Patrioten-Passagen Seite 10: Preußische Daten – u. a. Waisenhaus in Potsdam Seite 13: Beilage: Tagebuch eines Weltkrieg-Musketiers (Folge IX) Seite 21: Impressum Zuschriften Archiv Bestellung Abbestellung 1 Vorweg… …zunächst zwei Bitten: Haben Sie Anregungen, Wünsche, Kritiken oder gar Lobe für die Preußischen Monatsbriefe, dann teilen Sie uns diese doch bitte mit. Wir stellen uns gern auf Sie ein. Und: Die Ihnen per Mail zugesandten KOSTENLOSEN Monatsbriefe lassen sich im Internet aufrufen: www.Preussische-Monatsbriefe.de Bitte geben Sie diese Adresse an wache Geister weiter. Danke ▼▲▼ Unvorstellbar, dass unter Fürst Bismarck die deutschen Beitrittskandidaten zum gemeinsamen Deutschen Reich vor, während und nach Verhandlungen und Reichsgründung am 18. Januar 1871 so behandelt worden wären, wie es mit dem „Osten“ vor und nach der deutschen Einheit von 1990 geschah und geschieht. Was das öffentlich-rechtliche Fernsehen – das auch von den übel Beschimpften üppig zwangsbezahlt werden muss – und vornehmlich westgesteuerte Printmedien aus Anlass der Grenzöffnung vor 25 Jahren an Niedertracht und Gehässigkeiten boten, lässt sich kurz zusammenfassen: „Deutsche kujonieren Deutsche“. Offensichtlich fehlt es an Ehr- und Schamgefühl in dieser Republik, solchem Wühlen im Negativen und Auskippen von Mülleimern Einhalt zu gebieten. Wie nur können zwei an der Spitze des gemeinsamen Deutschlands stehende Ostsozialisierte und christlich Orientierte wie die Bundeskanzlerin und der doch sonst so beredte Bundespräsident es hinnehmen, dass das Land, aus dem sie kommen und das sie offensichtlich vortrefflich ausbildete, und die Landsleute, mit denen sie lebten und für die sie jetzt politische Mit-Verantwortung tragen, vornehmlich medial auf so erbärmliche Weise zu Negern in Deutschland heruntergestuft werden. Kein Tag ohne DDR-Horror! Nicht wenige meinen, dass da Volksverhetzung übelsten Ausmaßes stattfindet. Bismarck wusste, dass preußische Vorhaltungen gegen andere deutsche Länder und gegen Landsleute unwürdig wären und auf Preußen zurückfielen. Er war eben ein Staatsmann von Format. 2015 bietet diesem unserem deutschen Land die Chance, den 25. Jahrestag der Einheit nicht wieder in deutsch-gemeiner Zwietracht, sondern in menschlich-freundlicher Eintracht zu feiern. Die Schriftleitung Preußische Monatsbriefe Rapport zur Lage Chinas Position zu Russland und den USA Bereits vor vielen Jahrzehnten hat ein chinesischer Politiker erkannt und publiziert, wie damals nationale Konflikte – heute mit Fernsehen, Internet und nichtstaatlichen Organisationen - initiiert werden. Über bestehende oder künstlich hervorgerufene nationale Widersprüche werden Zwietracht gesät und Verwirrung gestiftet mit dem Ziel, tückische Pläne zu verwirklichen. Die Ukraine bietet dafür das jüngste Bilderbuch-Beispiel, wie eine gewählte Regierung mit brutal offener ausländischer Unterstützung aus dem Amt vertrieben wird und wie bis dahin friedlich miteinander lebende Teile des Volkes in militärische Auseinandersetzungen gedrängt werden. Das erste Opfer eines Krieges sei die Wahrheit? Nein, sie wird bereits Opfer der unsagbar schnell weltweit verbreitete Einstiegs-Lüge Stichwort: Massenvernichtungswaffen im Irak. Putschisten in Kiew Aufruhr in Hongkong Was sich in der Ukraine als unmissverständliche Kampfansage gegen Russland abspielt, findet auch gegen China statt. Außerhalb des Landes wirkende „Langzeitwaffen“ sind u. a. der Inselstaat Taiwan, der CIA-nahe Dalai Lama mitsamt Tibet und das wie die Bundesrepublik fest im Schlepptau der USA befindliche Japan. Im Innern des Reiches der Mitte soll die Uiguren-Provinz den Status vom Kiewer Maidan einnehmen. Studenten von Hongkong erweisen sich ebenfalls als Heloten jener Supermacht, die sich mehr und mehr zum Beherrscher der Welt aufschwingt. Die Studiosi sollen in Hongkong wie in Kiew erfolgreich geschehen – einen von der Supermacht gestützten Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen 2017 (!) installieren helfen. Als politische und militärische Nadelstiche wirken immer öfter Kriegsschiffe und Flugzeuge, die in den chinesischen Luftraum bzw. in die Territorialgewässer eindringen. Sind solche Entwicklungen schon bestürzend, nimmt jedem klar Denkenden den Atem, dass Länder und Staaten mit weitaus größerer politischer und kultureller Geschichte und Tradition als die entfesselten Großmacht in Übersee als Willige in Krise und Krieg mitmarschieren. Und das, obwohl sie gegen die Interessen der eigenen Völker und für die Interessen von Geld- und Machtbesessenen handeln. Unglaublich. Über die beschämende Rolle der botmäßigen Medien äußerte sich jüngst Journalist (langjähriger FAZ-Redakteur) und Buchautor („So lügen Journalisten“) Udo Ulfkotte. „Man muss sich nur einmal der Folter unterziehen und alle Hauptnachrichten im Fernsehen auf allen Kanälen hintereinander anzuschauen. Oder die großen Zeitungen hintereinander lesen. Obwohl unterschiedliche Redaktionen daran arbeiten, gleichen sich diese Sendungen und Zeitungen sowohl im Stil als 2 Preußische Monatsbriefe auch im Inhalt auf unfassbare Weise.“ Seine Erkenntnis über die Ursache: Viele der Journalisten sind in proamerikanische Netzwerke eingebunden. Zurück zu China. Das Reich der Mitte nimmt einen steilwirtschaftlichen und politisch durchdachten Aufstieg. Auch deshalb geht der er gegenwärtige Weltbeherrscher gegen das bevölkerungsreichste Land der Welt vor. Und weil mehr und mehr Völker den verstaubten und gänzlich egoistischen „american way of life“ ablehnen. China weiß um die drohende Gefahr für Land und Leute und wappnet sich gegen Angriffe jeglicher Art: politische, wirtschaftliche, finanztechnische, kulturelle und militärische. Das jedenfalls geht aus einem Insider-Bericht hervor, aus dem wir im Folgenden zitieren: Nicht nur die chinesische Führung arbeitet gegenwärtig an einer Positionsbestimmung zu den veränderten geopolitischen Bedingungen, an der Rolle Chinas im internationalen Gefüge sowie an der Vorbereitung auf zu erwartende mögliche Aktionen gegen das Land. Die Diskussion dieser Fragen bewegt in erster Linie politisch interessierte Chinesen unterschiedlicher Ebenen der Hierarchie; aber auch der “einfache” Chinese äußert sehr offen und deutlich, was er unter der Bewahrung der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit für China für notwendig hält. Einem China, frei von ausländischem Druck und Bevormundung. Aktueller Auslöser einer Verstärkung dieser Diskussionen und Planspiele ist die Ukraine-Krise. China bezieht klar und eindeutig Position in seinen Aktionen, die auf einen weiteren Ausbau der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation gerichtet sind. Die chinesische Führung lässt darüber keine Großen Propaganda-Aktionen laufen, sie zeigt in ihren praktischen Taten, was sie konkret von diesem Konflikt und den Aktionen der mittelund unmittelbar Beteiligten halten. Chinas Beziehungen zu Russland China unternimmt gegenwärtig alles, um die Beziehungen mit der Russischen Föderation auf allen Gebieten auszubauen. Gleiches Herangehen auch von russischer Seite gegenüber China. Das umfasst neben den üblichen politischen Konsultationen vor allem auch verstärkte wirtschaftliche, wissenschaftlich-technische und militärische Komponenten; dabei u.a.: quantitative Sprünge in der Lieferung von Lebensmitteln, Konsumgütern sowie Wirtschaftsund Verbrauchsgütern durch China; massive Erhöhung der Rohstofflieferungen von Russland, einschließlich der Versorgung von Nordchina mit Wasser aus Russland (Pipelines); beschlossene Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Entwicklung und Produktion von Langstreckenflugzeugen und Schiffseinheiten, militärisch und zivil; - Zusammenarbeit beim U-Boot-Bau (chinesische Entwicklung eines U-Bootes mit Kavitationseigenschaften – Hochgeschwindigkeit, basierend auf einer russischen Entwicklung zur Kavitation bei Geschossen); - Gemeinsame Entwicklung von Schiffsträgersystemen für Flugzeuge und Hubschrauber; - Erstmals engere Zusammenarbeit in den Raumfahrtprogrammen beider Länder (China war bisher auf Druck der USA z.B. von einer Beteiligung und Zusammenarbeit beim Bau und Betrieb der internationalen Raumfahrtstation ausgeschlossen worden); Chinesische Hilfestellungen bei der Modernisierung von ausgewählten Wirtschaftszweigen in Russland durch Lieferung chinesischer Technik und Ausrüstung; Schwerpunkt Energiegewinnung und -transport (Gas und Öle); 3 Preußische Monatsbriefe Erhöhung der Frequenz von gemeinsamen Militärmanövern (sowohl bilateral als auch im Rahmen der Shanghai-Gruppe) in Russland und China sowie im Pazifik unter Beteiligung von Luftwaffe, Heer und Marine; Abstimmung über den Bau einer Brücke zwischen der Halbinsel Kertsch (Gebiet Krasnodar/Kubin) und der Krim; hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Bauvorhaben durch ein chinesisches Konsortium realisiert wird). Warum setzen die Chinesen auf die “russische Karte”? In erster Linie aus Eigeninteresse, was die Sicherung der Nordflanke Chinas betrifft. Mit dem gegenwärtigen Russland hat man im Norden eine sichere Grenze (es gibt keinerlei offene Grenzfragen mehr), an der die USA Stützpunkte unterhält. Es gibt auch keine “Freundschaft” zwischen Russland und China (wie es wohl überhaupt keine “Freundschaften” zwischen Staaten gibt). Beide Staaten sind Partner, zumindest mit einer mittelfristigen Strategie. Auf wirtschaftlichem Gebiet wird sich der Austausch Russlands und Chinas in einem Volumen von ggw. 100 Mrd. Euro auf ca. 300 Mrd. in den nächsten drei bis vier Jahren erhöhen. Das ist der feste politische Wille beider Seiten; wirtschaftliche Möglichkeiten dafür gibt es genug. Präsident Putin wird mit militärischen Ehren in Peking/Beijing von Präsident Xi Jinping empfangen Mit Verwunderung hat Beijing konstatiert, dass die EU zu einem “Erfüllungsgehilfen amerikanischer Interessen” geworden ist. Besonders verwundert ist man über die Haltung und Aktionen der deutschen Kanzlerin. Bisher war die sehr enge Zusammenarbeit Chinas mit den Staaten der EU ein wichtiges Merkmal chinesischer Außen- und Außen-Wirtschaftspolitik. Daran wolle man eigentlich auch festhalten. Jedoch müsse man sich auch darauf vorbereiten, dass die politischen und wirtschaftlichen Interessen zwischen EU und China auch weniger übereinstimmen könnten. China bereitet eine “Charme-Offensive” gegenüber Indien vor. Brasilien ist aufgrund seiner wirtschaftlichen Potenz ein zunehmend wichtiger Partner Chinas nicht nur in Südamerika. Südafrika ist aufgrund seiner geographischen Lage von strategischem Interesse für China. Ranghohe chinesische Vertreter der Seestreitkräfte träumen von einem Flottenstützpunkt in Südafrika. Es soll dazu auch bereits Gespräche gegeben haben. Ähnlich wie Russland, so fühlt sich auch China in erster Linie durch die Außen- und Militärpolitik der USA bedroht, man sieht die Gefahr einer Einkreisung durch sie bzw. ihnen hörige Staaten, die im Süden, Südosten und Osten voranschreitet. Eine besondere Rolle spielt dabei die Republik Korea, die zunehmend auf die allseitige Zusammenarbeit mit China setzt und aus dem Cordon auszubrechen droht. 4 Preußische Monatsbriefe Fazit: China will eine friedliche Umgebung China ist unverändert an einer friedlichen Umgebung bei seinem wirtschaftlichen Auf- und Ausbau interessiert. Nur so kann es das gegenwärtige Tempo weiter fortsetzen, das vor allem auch zu einer massiven Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingung von zig Millionen Chinesen geführt hat. Die erklärte Zielstellung der chinesischen Führung, China zu einer Supermacht zu machen, die keinen wirtschaftlichen Konkurrenten oder militärischen Antagonisten fürchtet, besteht unverändert weiter. Dass sie dieses Ziel noch nicht erreicht haben, ist ihnen klar – dementsprechend spielt China auf Zeit. Ein US-Spionageflugzeug vom Typ Poseidon P8 musste von einem chinesischen Kampfjet zum Abdrehen gezwungen werden Bei allem Friedenswillen Chinas ist sich die Führung aber auch darüber im Klaren, dass es zu militärischen Auseinandersetzungen mit den USA kommen kann und wahrscheinlich auch wird. Namhafte US-Politiker und Analysten propagieren das ja schon seit Jahren. Darauf bereitet man sich in China zunehmend vor. In diesem Kontext ist Russland kein “Freund”, jedoch ein sehr wertvoller strategischer Partner. Ein Ausfall Russlands in seiner gegenwärtigen politischen Form wär aus Sicht Chinas eine Katastrophe. Deshalb wird Russland mit allen Möglichkeiten unterstützt. Es ist pures Eigeninteresse. Für China ist die Russlandpolitik der USA – und nun auch inzwischen der EU – nichts weiter als eine Blaupause zu einem Vorgehen gegen China. Wolfgang Lorenz / Gustav von Trump Das Werk von Clausewitz ist von bleibender Bedeutung Die militärische Fachliteratur sieht in Clausewitz den überragenden Theoretiker. Doch Clausewitz ist weit über die Grenzen des reinen Militärtheoretikers hinausgewachsen. Eine Generation vor den Philosophen und Ökonomen Karl Marx und Friedrich Engels sah er die Geschichte vom Standpunkt eines philosophischen historischen Materialismus, ohne seine Welt- und Kriegsbetrachtung so zu nennen. Seine philosophische Denkungsart, wie sie sich in seinem Hauptwerk “Vom Kriege“ ausdrückt, gründet sich auf das tatsächliche Sein. Davon leitet Clausewitz die Gedanken, die Ideen ab. Das Wesen des Krieges lag für ihn nicht in einer wie immer gearteten Vorsehung, nicht im unerschöpflichen Ratschluss eines Gottes, der sich mystisch verklärt dem menschlichen Urteil entzieht. Clausewitz hat viele Elemente einer historisch-materialistischen Auffassung und einer dialektischen Methode in seinem Hauptwerk vereinigt. Im Krieg sah er den Ausdruck von Gegensätzen und das Mittel, die Gegensätze zu überwinden. Gegensätze zwischen den Staaten lägen in ihrer gesellschaftlichen Struktur und seien letztlich in ihrer Politik verwurzelt. Hiervon leitete er den berühmten und hundertfach zitierten Satz ab: Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. 5 Preußische Monatsbriefe Clausewitz studierte den nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg von 1775-85, die militärische Intervention gegen die französische Revolution von 1789, die Niederlage der preußischen Armee in der Schlacht gegen Napoleon bei Jena und Auerstedt 1806, die Volkskriege in Spanien 1808-14 und den Freiheitskampf der Tiroler unter Führung von Andreas Hofer 1809 sowie die Kriegführung der Russen gegen die französischen Angreifer 1811/13. Clausewitz setzte sich mit dem Dogmatismus in seiner Zeit auseinander und schrieb, Entscheidungen dürften nicht nach Vorurteilen getroffen werden, sondern nach Analyse der gegebenen Bedingungen der Gesellschaft. „Das Allerwenigste“, schrieb er, „ist den vielen Ideen zuzuschreiben, das Meiste den neuen gesellschaftlichen Zuständen und Verhältnissen.“ Clausewitz-Geburtshaus in Burg Ehrenwache an seinem Grab in Burg zur DDR-Zeit General Carl von Clausewitz ist einer der sehr wenigen, der die Kriegstheorie mit philosophischen Grundgedanken durchwebt hat. Er steht mit seinem Werk in der vordersten Reihe der Kriegstheorie, ein Preuße von Geburt und Gesinnung, humanistisch denkend, philosophisch überzeugend und militärisch folgerichtig. Geboren in Burg bei Magdeburg am 01. Juni 1780, gestorben am 16. November 1831 in Breslau. Mit 12 Jahren, (1792) trat er als Fähnrich dem preußischen Heer bei. Der bedeutendste unter den preußischen Heeresreformern, General David von Scharnhorst, erkannte früh die außergewöhnliche Begabung des jungen Offiziers und nahm ihn mit 29 Jahren als Mitarbeiter an seine Seite, lehrte und förderte ihn. Auf seine Empfehlung ging Clausewitz während der napoleonischen Besetzung Preußens in russische Dienste. Im Stab des russischen Feldmarschall Kutusow war er Beobachter der Schlacht bei Borodino im September 1812. Mit dem preußischen Feldmarschall Yorck von Wartenberg führte der 32-jährige Clausewitz im Dezember 1812 die Verhandlungen in Tauroggen für die Vereinigung des preußischen und russischen Heeres im Kampf gegen Napoleon (Konvention von Tauroggen, 30.12.1812). Mit seinem Werk „Vom Kriege“ schuf er die Grundlagen zur ersten wissenschaftlichen Theorie des Krieges, ein Werk von bleibender Bedeutung. Im Verständnis dieses Werkes muss aus aktueller Sicht zur heutigen Krise der Bundeswehr gesagt werden, die führenden Politiker der Bundesregierungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben den Buchdeckel des Werkes von Clausewitz sicher nicht einmal aufgeschlagen, geschweige ein Kapital gelesen; denn diese Krise ist nicht die Folge von allzu großer Sparsamkeit, sondern von mangelhaftem Wissen. In der Person von Clausewitz verkörpert sich der humanistisch gebildete politische Offizier, der von tätiger Anteilnahme an den Kämpfen seiner Zeit erfüllt war. Zusammen mit den militärischen und politischen Reformern Scharnhorst, Gneisenau, Boyen, Stein und Hardenberg arbeitete er für fortschrittliche gesellschaftliche Verhältnisse, die sich auch in der Einheit von Volk und Armee ausdrücken sollten. Professor Dr. Heinz Odermann 6 Preußische Monatsbriefe Erinnerungen an die Heimat – Pölitz in Pommern Der Eingang zum Lapidarium unter der ausladenden Krone einer 1888 gepflanzten Friedenseiche Ein Spaziergang durch das pommersche Pölitz, das seit 1946 Police heißt, erfreut und schmerzt zugleich. Schöne, erhalten gebliebene Viertel wecken Erinnerungen an DAMALS, neue Bauten künden von Veränderungen, obwohl Spuren der vor bald 70 Jahren beendeten Kampfhandlungen immer noch sichtbar sind. Der große, sehr gepflegte Park in der Innenstadt war DAMALS der städtische Friedhof. Er zerfiel nach der Übernahme der Stadt 1945 durch die Rote Armee, dann 1946 nach dem Einzug von Polen und der Vertreibung der Deutschen. Letzteres ist insofern höchst merkwürdig, weil Pölitz (Police) westlich der Oder im so genannten Stettiner Zipfel liegt. Festgelegt von den Siegermächten wurde in Potsdam aber, daß die Oder-Neiße-Linie die neue Grenze sei: deutsches Land östlich des Stromes wurde Polen zugeschlagen, was westlich lag, blieb deutsch. Erst Sowjet-, dann DDR- und nun Gesamtdeutsch. Stalin wollte es so, Truman und Churchill stimmten zu. Sie trennten Gestorben 1940, als der zweite große Krieg des vorigen Jahrhunderts schon tobte (links). Der 30 Tonnen schwere Findling ist 1934 für eine nicht mehr existierende Gedenkstätte für gefallene deutsche Soldaten des ersten Weltkrieges aufgestellt worden. (rechts). 7 Preußische Monatsbriefe (Mehr auf der nächsten Seite) willkürlich, was zusammengehörte. Sie erklärten zwar, dass die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens bis zu der Friedenskonferenz zurückgestellt werden soll. Vergaßen aber hinzufügen, dass sie nicht stattfinden wird. Jedenfalls bis heute nicht. Der Völker- und Menschenrechtler, Historiker und Autor Professor Dr. Dr. Alfred M. de Zayas urteilt unmissverständlich: „Alle Vertreibungen sind völkerrechtswidrig, und sie waren es bereits in den Jahren 1944 bis 1948. Sie müssen unzweideutig verurteilt und in der Zukunft unmöglich gemacht werden. Darum muss das Recht auf die Heimat allgemeine Anerkennung finden.“ (Siehe zu diesem Thema seine Publikation „50 Thesen zur Vertreibung“.) Doch zurück zu Pölitz / Police. Wie erwähnt, wurde der deutsche Friedhof – wie so viele in den ehemaligen deutschen Ostgebieten - eingeebnet oder liegengelassen, auf dass die Zeit das zerstörende Werk vollende. Bemerkenswerterweise änderte sich die Haltung Polens nach der Wende von 1990 und dem Versinken der DDR in einem Gesamtdeutschland. Man entsann sich offensichtlich östlich der Oder, dass hier bis 1945/46 auch Christen wie sie es sind gelebt haben, die in Kirchen beteten, die sie jetzt zum Lobpreis des gleichen Herrn ungezwungen nutzen. Vielleicht schlug ein wenig das Gewissen oder man rechnete mit gewissem Dank von der reichen Bundesrepublik, jedenfalls tauchen hier und da wie in Pölitz und Kolberg so genannte Lapidarien auf, in denen mühsam zusammengetragene steinerne Reste von Grabdenkmalen ehemaliger deutscher Friedhöfe aufgestellt und gepflegt werden. Sie nicht schlicht Lapidarien, sondern Sanktuarien zu nennen, dürfte den Initiatoren ein Schritt zu weit gewesen sein. Schade. Text und Fotos: Peter Mugay Alte Grabdenkmäler von 24 (!) ehemaligen deutschen Friedhöfen in Pommern. Wer in dem Park neben den Wegen geht, läuft über eingeebnete deutsche Gräber. 8 Preußische Monatsbriefe Patrioten-Passagen November 2014 FRIEDRICH VON SCHILLER Darf der Deutsche in diesem Augenblicke, wo er ruhmlos aus seinem tränenvollen Kriege geht, wo zwei übermütige Völker ihren Fuß auf seinen Nacken setzen und der Sieger sein Geschick bestimmt darf er sich fühlen? Darf er sich seines Namens rühmen und freuen? Darf er sein Haupt erheben und mit Selbstgefühl auftreten in der Völker Reihe? Ja, er darf's! Er geht unglücklich aus dem Kampf, aber das, was seinen Wert ausmacht, hat er nicht verloren. Deutsches Reich und deutsche Nation sind zweierlei Dinge. Die Majestät des Deutschen ruhte nie auf dem Haupt seiner Fürsten. Abgesondert von dem politischen, hat der Deutsche sich einen Wert gegründet, und wenn auch das Imperium unterginge, so bliebe die deutsche Würde unangefochten. Sie ist eine sittliche Größe, sie wohnt in der Kultur und im Charakter der Nation, der von ihren politischen Schicksalen unabhängig ist. — Dieses Reich blüht in Deutschland, es ist in vollem Wachsen, und mitten unter den gotischen Ruinen einer alten barbarischen Verfassung bildet sich das Lebendige aus. (Aus „Deutsche Größe", Entwurf zu einem Gedicht) AUGUST NEIDHARDT VON GNEISENAU Jede Nation muss sich selbst ehren und keine Einrichtung bei sich dulden, die sie in den Augen anderer Völker herabsetzt. (An einen anonymen Briefschreiber) JOHANN JOSEPH GÖRRES Was Deutschland allein retten kann, ist engster, innigster Zusammenhalt. XXX Das Eine, was uns allein vom unausbleiblichen Untergange retten kann, ist, dass alle, die deutschen Stammes sind, im Werke und überall zusammenhalten. Was einzelne, wie was Völker entzweien mag, es muss alles vergessen und wenigstens, bis das Geschäft vollbracht ist, verschoben sein. Was alle eint, insgesamt, ist das gemeine Wohl, die gleiche Liebe, Treue und dasselbe Vaterland. Was trennt und irrt, kann hernach unter uns geschlichtet und vertragen werden. („Über eine künftige deutsche Verfassung") XXX Brüder, vergesst die Brüder nicht! (Aus: „Deutschland und die Revolution") FRIEDRICH LUDWIG JAHN Was Einzelheiten sammelt, sie zu Mengen häuft, diese zu Ganzen verknüpft, solche steigernd zu immer größeren verbindet, zu Sonnenreichen und Welten eint, bis alle sämtlich das große All bilden — diese Einungskraft kann in der höchsten und größten und umfassendsten Menschengesellschaft, im Volke, nicht anders genannt werden als — Volkstum. Es ist das Gemeinsame des Volkes, sein innewohnendes Wesen, sein Regen und Leben, seine Wiedererzeugungskraft, seine Fortpflanzungsfähigkeit. Dadurch waltet in allen Volksgliedern ein volkstümliches Denken und Fühlen, Lieben und Hassen, Frohsinn und Trauern, Leiden und Handeln, Entbehren und Genießen, Hoffen und Sehnen, Ahnen und Glauben. Das bringt alle die einzelnen Menschen des Volks, ohne dass ihre Freiheit und Selbständigkeit untergeht, sondern grade noch mehr gestärkt wird, in der Viel- und Allverbindung mit den übrigen zu einer schönverbundenen Gemeinde. (Aus: Deutsches Volkstum) 9 Preußische Monatsbriefe Preußische Daten 1.November 1539 (vor 475 Jahren): Kurfürst Joachim II. Hektor empfängt in der Nikolaikirche zu Spandau aus der Hand des Brandenburger Bischofs Mathias von Jagow das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Von diesem Zeitpunkt an galt die Mark als lutherisches Land. 2.November: Nachdem am Vortage Kurfürst Joachim II. Hektor und Teile des Adels das Abendmahl nach evangelischem Ritus empfangen hatten, wird auch für Räte und Bürgerschaft von Berlin und Cölln die Abendmahlsfeier in der neuen Form durchgeführt. 1.November 1724: (290): In das vom König Friedrich Wilhelm I. gestiftete Militärwaisenhaus ziehen die ersten Mädchen und Jungen im Alter von 6 bis 14 Jahren ein. Es soll nach dem Vorbild der Halleschen Musteranstalten des Theologen August Hermann Francke wirken und neben Militärwaisen auch Kinder von armen und kranken Soldaten versorgen und erziehen. In der angeschlossenen Schule erhalten sie Unterricht in Christentum, Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Stiftung besteht bis zum Jahr 1952 mit veränderter Satzung unter dem Namen „Potsdamsches Großes Waisenhaus“. Sie wird jedoch am 1. April 1952 aufgelöst und in Volkseigentum überführt. 1992 ist die Stiftung nach 40-jähriger Unterbrechung wiederbelebt worden. Mit seinem Tempelturm (Monopteros) und der damit gekrönten Caritas-Figur ist das nach Plänen von Carl v. Gontard zwischen 1771 und 1778 errichtete Gebäude heute eines der Wahrzeichen von Potsdam. 2.November 1699 (315): Kurfürst Friedrich III. ernennt den Bildhauer und Architekten Andreas Schlüter zum Schlossbaudirektor. Vom genialen Schlüter stammen u. a. das monumentale Reiterstandbild vom Großen Kurfürsten, das immer noch nicht aus Charlottenburg wenigstens in die Nähe seines ursprünglichen Standortes zurückgeführt wurde, die Masken sterbender Krieger im Zeughaus, das legendenumwobene Bernsteinzimmer und der nach ihm benannten Schlüterhof im Berliner Schloss, der beim gegenwärtig laufenden teilweisen Schlossneubau völlig verhunzt wird. 1713 reist Schlüter nach Russland, wo er wohl in die Dienste Zar Peters des Großen tritt, der Petersburg ausbauen lässt. 2.November 1839 (175): In der Großen Frankfurter Straße (Karl-Marx-Allee, Friedrichshain) öffnet das nach Plänen von Friedrich Wilhelm Langerhans errichtete „Nikolaus-Bürgerhospital für 90 pflegebedürftige Männer, die hier Arztbehandlung, freie Wohnung und Brennmaterial erhalten. Die Baukosten werden aus einer Spende in Höhe von 5 000 Dukaten beglichen, die Zar Nikolaus I. aus Anlass seiner Ernennung zum Berliner Ehrenbürger der Stadt übergegeben hat. Solche noble Geste ist von nachfolgenden Ehrenbürgern – wie etwa jüngst Wolf Biermann - nicht bekannt geworden. 3.November 1849 (165): Das Generalkommando vom III. (brandenburgischen) Armeekorps wird General Friedrich Heinrich Ernst Graf von Wrangel übertragen, der es bis zum 19. Oktober 1857 führt. Vier Tage darauf wird in Berlin-Kreuzberg eine Straße nach ihm benannt. 10 Preußische Monatsbriefe 6.November 1869 (145): Der preußische Arzt und Politiker Rudolf Virchow hält auf der Konferenz der Frauenvereine zu Berlin einen Vortrag über die Berufsausbildung zur Krankenpflege für Frauen, wie sie auch außerhalb der kirchlichen Organisationen möglich war. 9.November 1824 (190): 14 Jahre nach dem Tode seiner ersten Gemahlin Königin Luise vermählt sich König Friedrich Wilhelm III. morganatisch mit Auguste, Tochter des Grafen Ferdinand von Harrach. Sie erhält den Titel Fürstin von Liegnitz, Gräfin von Hohenzollern. 9.November 1859 (155): Zum 100. Geburtstag des Dichters Friedrich Schiller am 10. November finden in Berlin zahlreiche Gedenkfeierlichkeiten statt. Die große Granitschale vor dem Berliner Dom (links) und nahe dem Schloss (Hintergrund), gemalt 1831 von Johann Erdmann Hummel 10.November 1834 (180): An das Königliche Museum und an die Öffentlichkeit wird die große Zierschale vor der Freitreppe zum Alten Museum im Lustgarten übergeben. Die monolithische Schale ist vom Bauunternehmer Cantian aus einem Granit-Findling aus den Rauenschen Bergen bei Fürstenwalde hergestellt worden. Bisher ist weltweit keine größere aus einem einzelnen Stein hergestellt worden. 11.November 1814 (200): Zum Andenken an seine beiden in den Befreiungskriegen gefallenen Söhne stiftet der Bankier Isaak Christian Liman ein Legat von 1 000 Talern zur Unterstützung von invalid gewordenen Freiwilligen und Landwehrmännern. 13.November 1769 (245): Friedrich II. der Große ernennt Joachim Friedrich Henckel, dem zuvor die erste Kaiserschnittentbindung an der Charité gelungen war, zum Professor der Chirurgie an der Charité. 13.November 1799 (215): Friedrich Wilhelm III. erteilt der „Gesellschaft zur Versorgung der hiesigen deutschen Hausarmen mit freier Feuerung“ die Arbeitsgenehmigung. 13.November 1874 (140): Redakteur K. Becker muss sich vor dem Berliner Kammergericht verantworten, weil er durch die Veröffentlichung einer „Deutschen Arbeitermarseillaise“ in der Zeitung „Socialdemokrat“ die Bevölkerung zu Gewalttaten „aufgereizt“ habe. 11 Preußische Monatsbriefe 15.November 1884 (130): Auf Einladung von Reichskanzler Bismarck beginnt in Berlin die so genannte Kongokonferenz (Afrikanische Konferenz). Sie soll die Handelsfreiheit am Kongo und am Niger regeln. Ihr Schlussdokument - die Kongoakte vom 26. Februar 1885 – sicherte den 14 Signatarstaaten die Handelsfreiheit in dem genannten Gebiet zu. Zudem wurde ein Verbot des Sklavenhandels ausgesprochen. 16.November 1879 (135): Der russische Thronfolger Alexander (III.) besucht Berlin 17.November 1899 (115): Im Raubtierhaus des Zoologischen Gartens von Berlin bricht in den Morgenstunden ein Feuer aus. An den Löscharbeiten der Feuerwehr beteiligen sich u. a. Direktor Prof. Ludwig Heck, Inspektor Havemann und zwei Wärter. 19.November 1779 (235): Erste Prüfungen für Studenten vor der Bergwerks- und Hüttenadministration finden am Berliner Berginstitut in Chemie, Mineralogie und Physik statt. Das Alte Palais in der Straße Unter den Linden war die hauptstädtische Residenz des Preußischen Königs und Deutschen Kaisers Wilhelms I. und dient heute der Humboldt-Universität zu Berlin als Teil der Juristischen Fakultät. 22.November 1869 (145): Der Baumeister Karl Ferdinand Langhans (d. J.) stirbt in Berlin. Zu seinen Werken in Berlin zählten das Palais des Prinzen Wilhelm (unser Foto), das 1843 nach einem Brand wiederaufgebaute Opernhaus Unter den Linden sowie das Opernhaus in Breslau. 24.November 1884 (130): Gegründet wird in Berlin die „Allgemeine Ortskrankenkasse gewerblicher Arbeiter und Arbeiterinnen“. Sie war die Vorläuferin der AOK Berlin. Die erste Geschäftsstelle, damals Kassenlokal genannt, befindet sich in der Holzmarktstraße. 25.November 1829 (185): Jenny Hirsch wird in Zerbst geboren. Sie war Vorkämpferin der Frauenbewegung und Schriftführerin des Berliner Lette-Vereins von seiner Gründung (1866) bis zum Jahre 1883. 30.November 1709 (305): König Friedrich I. erlässt eine „Verordnung, wie es wegen des monatlich einzufordernden jährlichen Beytrags zur Versorgung derer Armen in Residentzien zu halten, und dass solches in ein Buch einzuschreiben (sei) etc.“ 12 Preußische Monatsbriefe Beilage „100 Jahre Erster Weltkrieg“ (Teil IX) „Ein Soldat muss mit dem Leben nach außen abgeschlossen haben“ Aus dem einzigartigen Tagebuch eines jungen Musketiers im Ersten Weltkrieg Robert Johnscher ist einer von 70 Millionen junger Männer, die zwischen 1914 und 1918 in Europa, dem Nahen Osten, in Afrika, Ostasien und auf den Weltmeeren unter Waffen standen, einer von etwa 20 Millionen, die den Ersten Weltkrieg verwundet überlebten – etwa zehn Millionen blieben „im Felde“. Er hatte sich in Berlin als 18jähriger zu Beginn des zweiten Kriegsjahres freiwillig gemeldet. Der junge Mann ging gesund als Musketier in den Krieg für Gott, Kaiser und Vaterland und beendete ihn mit einer Kopfschuss-Verletzung als Zugführer im Range eines Vizefeldwebels mit Leutnantsbefugnissen. Auskunft über sein Schicksal in den Jahren des Weltbrandes gibt sein erhalten gebliebenes Tagebuch. Er führte es vom ersten bis zum letzten Tag seines Soldatenlebens. Wir setzen heute den Abdruck von Passagen aus dem Tagebuch von Robert Johnscher fort. (Teil 1 finden Sie in der Märzausgabe der Preußischen Monatsbriefe – siehe Seite 1 unter Archiv!) Robert Johnscher ۩ 2. April 1917 Jetzt geht’s also auf und heidi. In Odobesti bei Focsani kommen wir in Stellung. Täglich müssen wir jetzt zur Vorbeugung gegen Malaria eine Tablette Chinin schlucken. Jeden 7. Tag 3 Tabletten. Das Zeug schmeckt ganz erbärmlich bitter. – Mit Urlaub könnte ich im Juli-August hoffen. Nun sollen aber wieder die Verheirateten den Vorzug haben. Ist wirklich eine Gemeinheit oder wie unser K.u.K. Oberleutnant sagt: eine „Gemeinerei“. Unsereiner braucht ja keinen Urlaub. Bin nun schon den 10. Monat im Felde, und noch keine Aussicht. Gründonnerstag, 5. April 1917 In zwei Tagen beginnt der 4tägige Marsch in die Stellung. Obwohl wir viele Märsche absolviert haben, reicht es wohl noch nicht aus, und so legten wir heute einen ca. 20 km langen Übungsmarsch zurück, und zwar über Gradistes nach Sutesti und zurück nach Balta-Alba-Ost. Die Sonne brennt hier schon verdammt heiß. – Na, Übung muss sein. – Morgen ist Karfreitag, da haben wir Dienst zum Verrecken. Alles Schikane! Heute machte ich während unserer Rast in Sutesti wieder eine Beobachtung, die bereits früher Erwähntes bestätigt. Zu Haus steht es um die Ernährung schlechter als je, die Brotrationen sind gekürzt worden. Auch hier bei uns im Felde ist die Verpflegung nicht hervorragend. Allerdings bekommen wir 13 Preußische Monatsbriefe in letzter Zeit wieder richtige Portionen, dafür hat die dünne Mittagssuppe gar kein Nährgehalt. Doch wir können immer noch zufrieden sein. Na, und nun zur Sache. Also in Sutesti kauften wir uns fast alle von den Bulgaren für 50 Pf. 1 Brot. – So muss es kommen, wir Deutsche müssen die Bulgaren um Brot angehen!! – Warum hat der Bulgare Brot und Fleisch in Hülle und Fülle? Weil er in Rumänien während unseres Vormarsches genügend Vieh und Getreide requiriert hat. Der deutsche Michel hat dies nicht gekonnt. Immer vorwärts! Kaum das er das tägliche Brot für seine vorn schwer ringenden Truppen beschaffen konnte. Traurig aber wahr, da kann einem doch die Galle überlaufen. Und da schwingen die Herren wie Batocki etc. große Reden. Die Zeitungen bringen Artikel, die das Ausland mit seinen Nöten schildern, z.B. „Frankreich friert“. Ich kann da nur eine Antwort finden: „Und Deutschland schwitzt“. Gott gebe, dass ein baldiges siegreiches Ende diesem Übel eine Schranke setzt! Karfreitag, 6. April 1917 Der gestern für heute angesagte Dienst ist gottlob bedeutend gekürzt worden. Sonst ist aber von der Heiligkeit des Tages nichts zu merken. Karsamstag, 7.April 1917 3.30 Uhr früh Wecken. 4.45 Uhr Abmarsch des Batl. Erst nach zwei Stunden war die erste Rast, kurz hinter Boldul. Wieder marschierten wir volle zwei Stunden. Verschiedene haben abgebaut und waren umgefallen. Mir fiel die zweite Tour gar nicht schwer, da mich Kamerad Jahnke glänzend unterhielt. Dafür wurden mir die letzten ¾ Stunden verdammt sauer. Die Sonne brachte mir manchen Schweißtropfen. Da war in denn doch aufrichtig froh, dass wir in Rubla (vor Rimnicul-Sarat) Quartier bezogen. Abends gab es Post. Von meinem alten Unteroffizier Jordan erhielt ich endlich auch einen Brief. Ostersonntag, 8. April 1917 „Ostern ist’s bei meiner Ehre!“ Fürwahr, ein heiliger Tag. Doch wollte in mir keine rechte Stimmung emporkommen. Wecken 3.30 Uhr wie gestern, und 4.45 Uhr Abmarsch über Baltati nach RimniculSarat. In Gruppenkolonne mit angezogenem Gewehr marschierten wir unter den Klängen unserer Kapelle durch die untere Stadt. Schöne Gebäude und Straßen konnte ich nicht entdecken. Im Inneren der Stadt soll es ganz nett sein. Die Sonne brannte unbarmherzig. Mühsam schleppten wir uns dahin. Es ging nun in die Berge. Wir waren ca. 3 Stunden marschiert, und erst dann der erste Halt. Hauptmann Engels meinte es heute besonders „gut“ mit uns. Einer nach dem anderen klappte zusammen. – Zum Hohn des Ganzen spielt die Musik ab und zu. Endlich halt! Eine Stunde später geht’s wieder weiter. Bergauf, bergab – der Dachs macht mir das Leben sauer. Eine herrliche Gegend passierten wir, aber die Hitze war zu groß, der Dachs zu schwer, als dass man sich daran erfreuen konnte. In Candesti hinter Timboesti bezogen wir endlich Quartier. „Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich fein, was durch Langmut er versäumt, bringt mit Schärf’ er wieder ein.“ Ostermontag 9. April1917 Wie üblich marschierten wir 4.45 Uhr früh ab. Um einen Umweg zu vermeiden, verließen wir die Chaussee, die einen weiten Bogen nach rechts über Plaginesti beschreibt, marschierten quer durch die Berge und stießen bei Urechesti wieder auf die Chaussee, ca. 6 km hatten wir so abgeschnitten. Gleich nach der ersten ¼ Stunde mussten wir ein Flussbett durchqueren. Allerdings war das Flussbett bis auf einen kleinen Bach ausgetrocknet. Wir trafen heute noch einmal auf solch einen Fluss. Eigentümlich auch dieser ausgetrocknet. Das jenseitige Ufer des Flusses war sehr hoch und steil. Hoch oben lag ein kleines Dorf mit einem Gefangenenlager. „Donnerwetter“ meinte ich scherzend, „hier möchte ich Posten schieben“. Aber als ich mir die Landstürmer näher ansah, da stellte sich her- 14 Preußische Monatsbriefe aus, dass diese armen Kerls alles nur G.V.-Leute waren. So hatten viele ein Glasauge, andere hatten ähnliche Gebrechen. – Da will ich denn doch gern meine schwere Pflicht geduldig ausfüllen, zu der mich das Vaterland rief. Da unser Batl.-Kommandeur heute alle Stunde Pause machte, fiel mir das Marschieren verhältnismäßig leicht. Anderenfalls wären wir wohl in der heute besonders enormen Sonnenhitze nicht weit gekommen. Der Schweiß lief mir trotzdem reichlich herunter. Aber ich war so gut zu Wege, dass ich mich an der prächtigen Gegend erfrischen konnte. Trotz Krieges empfand Robert Johnscher die rumänische Berg-Landschaft reizvoll Wahrlich, ich freue mich, dass ich nun auch das schöne Rumänien kennenlerne. Bisher nur immer die öde und unschöne große „Walachei“ und „Moldau“, jetzt die herrlichen Landstriche der südlichen Transsilvanischen Alpen. Ich will mich kurz fassen: Weinberge, Obstberge, in der Ferne waldige Höhenzüge, kurz, alles was das Herz begehrt. Die Dörfer sehen hier sehr anmutig und sauber aus. Die Bevölkerung ist freundlich und ganz im Gegensatz zu der in der Walachei und Moldau sehr sauber und macht einen besseren und kultivierteren Eindruck. Überhaupt weisen viele Bewohner einen germanischen Typ auf, namentlich die Kinder sehen denen Deutschlands und Österreichs ähnlich. Sicher sind hier viele eingewanderte Deutsche und Österreicher. So ging’s denn heute bis Cotesti. – Gegen ½ 11 Uhr bezogen wir hier Quartier. – Gottlob auch den 3. Tag glücklich überstanden. Ich freue mich herzlich, dass ich mir meine Füße nicht kaputt gelaufen habe, dass ich nicht abzubauen brauchte, wie es vielen meiner Kameraden ging. Meist sind letztere solche Kerls, die immer den größten Mund haben, die dick und vollgefressen sind und dann schlapp machen. Ja, der eiserne Wille zum Durchhalten ist mir lieber und wertvoller als die erwähnten Eigenschaften. Mein Kompaniefeldwebel erkannte denn zu meiner Erstaunung und auch Freude mein unverzagtes Aushalten an. Na, ich will nun schließen. Die Musik spielt auf unserm Hof, und da will ich mich denn noch ein wenig zerstreuen. Übrigens gibt’s heute Abend noch Rotwein. Wir sind ja auch in der reichen Weingegend. – So ist denn Ostern auch vergangen. Schweiß und Anstrengung haben mich die Tage gekostet. Aber kein Jammern, nein, hoffen wir, dass ich Ostern 1918 gesund daheim bin. Die Kirschbäume blühen hier bereits. In der Ferne kann man Focsani – in der Ebene gelegen – erkennen. Morgen kommt der schwerste Marschtag; insgesamt in diesen Tagen 86 km. 10. April 1917 Auch heute ging es 4.45 Uhr los. Von Odobesti ab gingen wir „zugweise“ weiter. Immer höher wurden die Berge, die Front rückte näher. In Jarestea bezogen wir Quartier. Hier ist die richtige Weingegend. Die vollen Fässer liegen unbeaufsichtigt umher, jeder kann nach Belieben davon abfüllen. So machten auch wir es. Mit zwei Mann meiner Gruppe stiefelte ich zwei Stunden nach dem Einrücken los und holte Wein. Wir probierten von so zehn verschiedenen Fässern je ¼ Liter in aller Hast. In nicht 15 Preußische Monatsbriefe weniger als 10 Minuten. Na, und diese Proben wirkten bald gewaltig. Doch war ich abends wieder hergestellt. Dafür hatten sich die anderen ohne Ausnahme einen angetrunken. Ich glaube, die ganze Kompanie hat heute zu tief ins Glas gesehen. Ich erhielt übrigens von Thyra Raute aus Flensburg 6 gut gekochte Eier, von Ernst ½ Pfund Schmalz. Also hatte mich der Osterhase doch nicht ganz vergessen. 11.April 1917 Am Abend verließen wir gegen 6 Uhr Jarestea, und nach ca. zwei Stunden waren wir in Bolotesti. Wir wohnen in Häusern. Tagsüber darf sich kein Mensch auf der Straße sehen lassen. Nachts schiebt jede Gruppe 4 Std. Oberjägerposten, jeden 4. Tag außerdem von 4 Uhr früh bis 7 Uhr abends Tagesposten. Jedenfalls ist die Stellung soweit ruhig und annehmbar. Gewehrschüsse fallen meist nur nachts und auch da nur spärlich. Täglich gibt’s im Dorf eine „Frühstücksportion“ von der feindlichen Artillerie. 15. April 1917 Heute, morgen und übermorgen feiern die Russen und Rumänen Ostern. Von unserer Seite soll kein Schuss abgegeben werden, nur im Falle eines feindlichen Angriffs resp. Schanzarbeiten. Es wird angenommen, dass Friedensverhandlungen im Gange sind. So lautet der heutige Tagesbefehl. Ich fürchte, wir bleiben nicht lange hier. Wir erhalten in den nächsten Tagen Gebirgsausrüstung. (Lederhose, Bergschuhe mit Wickelgamaschen und Stock. ) Und dann soll es nach Italien gehen. Hoffentlich bewahrheitet sich diese Latrine nicht. Unsere Verpflegung ist übrigens zurzeit schlechter als je. Wir führen hier ein faules Leben. Immer schlafen, man wird ganz dumm vor lauter Faulheit. Rumänische Bauernhäuser – oft bewohnt von großer Familie 20. April 1917 In den letzten 5 Tagen hat sich nichts Besonderes ereignet. Nachts schiebt man seine Wache, und Tags über schläft, isst, schreibt oder spielt man. Ab und zu wird dieser oder jener „angeödet“, was meist immer großes Hallo gibt. Viel Freude bereitet uns auch das Kartenspiel „Anlegen“. Infolge der Hiobsnachrichten aus Russland hoffen wir alle auf einen baldigen Frieden mit Russland. Am 20., 21. und 22. April haben alle Kampfhandlungen einschließlich Sperrfeuerübung - wie während der russischen Ostertage - zu unterbleiben.“ Wieder brachte eine Patrouille wie am 15.April eine Tafel mit Flugblättern hinüber. Mag dieser Befehl mit den Verhandlungen in Stockholm zusammenhängen oder erhofft man dadurch Munitionsersparnis, da die Arbeiter in Deutschland angeblich streiken wollen? Ich weiß es nicht, hoffen wir jedenfalls das Beste. Heute Morgen kam ein russischer Überläufer. Wir – ich und Walter - hatten gerade Hermann und Nis vom Standposten abgelöst, als plötzlich der Ruf ertönt: „Achtung! – Halblinks!“ - „Was gibt’s?“ - 16 Preußische Monatsbriefe „Im Wasser ein dunkler Schatten“. - „Er kommt näher“. „Ein Überläufer!“ - „Nicht schießen!“ - Wir stehen alle gespannt auf unserem Posten. Doch steuerte der Russe leider zu O.P. 2 und wurde dort festgenommen. 27.April 1917 Nur Gewehrschüsse und vereinzelte Kanonenschüsse, so lautet auch jetzt der russische Heeresbericht. Anscheinend aus lauter Angst wirft der Russe auf seinem Ufer ab und zu Handgranaten. Geht eine Leuchtkugel unsererseits hoch, so gibt er stets fünf Schüsse nach dieser Richtung ab. Ab 21. April erhalten wir statt eines halben nur noch 1/3 Brot. Ob man uns diesen Abzug zu Gunsten der Arbeiter machte, die am 16. April wegen Kürzung der Brotration gestreikt haben? Wir wissen es nicht. – Jedenfalls ist der Streik der Arbeiter nicht scharf genug zu verwerfen. Wahrlich, jene Leute meinen, dadurch dem Krieg ein Ende zu setzen. Lasst uns nie folgendes treffliches Beispiel vergessen: „Die Mannschaft eines Schiffes streikt auf hoher See während eines heftigen Sturmes, um irgend einen Vorteil zu erzwingen. Sie dient damit nur dem Element und führt den allgemeinen Untergang herbei“. Gewiss ist es bitter schwer, mit dem wenigen Brot heute auszukommen, aber wir wollen uns doch lieber um ein Viertel einschränken, als nach drei Monaten überhaupt hungern zu müssen. Museum mit Waffen und Munition des Ersten Weltkriegs in Brüssel Und was wollen überhaupt die Entbehrungen der Munitionsarbeiter gegenüber den Strapazen der Feldgrauen an der Front besagen?! Euer Leben daheim ist sicher. Wir setzen das unsere aufs Spiel! – Ein Glück ist nur, dass wir nicht im Westen sind, denn die großen Schlachten an der Aisne, bei Reims und Arras übertreffen an Heftigkeit die Sommeschlacht. Es geht jetzt aufs Ganze. Der letzte Schlag wird getan. Nicht der Russe, sondern unsere eigenen Waffen werden uns den Sieg bringen. Gebe Gott, dass die 6. Kriegsanleihe mit ihren 12 ¾ Milliarden das siegreiche Ende herbeibringt. Und in solchen Zeiten schreibt Vetter Otto an Mutter: „Frankreich ist arm an Vergnügungen und ist daher sehr langweilig.“ Ist solch ein Ausspruch nicht zu verwerfen? 17 Preußische Monatsbriefe 3. Mai 1917 In der Nacht vom 2. zum 3. Mai lösten uns die 7er Jäger ab. Wir bezogen das Waldlager bei Garest– Skanteia. Die Lage desselben ist außerordentlich idyllisch und gesund. Unsere Baracken stehen inmitten eines herrlichen Buchenwaldes. Ein dicht vorbei fließender Bach, liefert uns das Trink- und Waschwasser. Heute mussten wir nach Varsatura zur Entlausung. Der Weg dauerte hin und zurück je 2 Stunden. Davon liefen wir mehr als 1 Stunde durch Weinberge. – Der Wein treibt überall Knospen. Herrlich anzusehen. Die Bewohner brauchen nur wenig zur Pflege des Weines tun, alles wächst hier von selbst. Wenn ich da an die Weinberge am Rhein denke. Wie müssen doch die Leute arbeiten, mühsam Sand herbeischaffen usw. O könnten wir diesen Boden in unsere Heimat verlegen. – In Jarestea empfingen wir auf dem Rückmarsch Gebirgsausrüstung. Da wir zuletzt ankamen, so war nicht mehr viel da. Hose und Schuhe fehlten mir noch. Außerdem haben wir Stahlhelme erhalten. Ob es doch nach Westen gehen sollte? Aber was sollen wir da mit Steigeisen? Hoffen wir das Beste! Weinlese in Rumänien – Robert Johnscher wünschte sich den fruchtbaren Boden für seine Heimat 6. Mai 1917 Obwohl heute Sonntag ist, müssen wir wie sonst arbeiten. Nur Katholiken haben frei, da sie Gottesdienst haben. Ich habe einen ganz angenehmen Posten erhalten. Ich schleppe mit mehreren Kameraden Holzstämme zum Barackenbau herbei. So schwer die Arbeit an und für sich ist, fällt sie mir leicht, da wir mehr Pausen machen als notwendig sind. Man drückt sich halt, wo man kann. Dies ist eigentlich gegen meine Grundsätze, doch muss man beim Kommis sehen, wo man bleibt. Ein anderer Teil der Kompanie baut Wege, und der Rest baut die 2. Stellung aus. Selbige liegt ca. 300 Meter vor unserem Lager und ist eigentlich wenig geschickt angelegt, da man in diesem dichten Wald kein Schussfeld hat. Sollte es hier wirklich einmal zum Gefecht kommen, dann gibt’s lauter „Querschläger“. Unser eigentlicher Ruheort ist Jarestea, doch wird es dort so heiß, dass die Seuchengefahr noch drohender wird, wie sie schon ist. Täglich melden sich in unserem Jäger-Regiment Leute mit hohem Fieber krank. Alle kommen sofort ins Lazarett als sogenannte „Seuchen-Verdächtige“. In allen umliegenden Dörfern wüten Flecktyphus, Malaria und andere gefährliche Krankheiten. Von unserer 4. Kompanie sind zwei Kameraden an Flecktyphus gestorben. Da beugen nur Chinin und auch Rauchen vor. Jene zwei haben natürlich die Chinin-Tabletten nicht geschluckt, also ihre eigene Schuld. Da unser Waldlager ca. 400 bis 500 m über dem Meeresspiegel liegt, so ist es für uns Deutsche sehr gesund, hier zu hausen, denn Höhenluft und Waldluft vermischt hilft gegen die gefürchtete Malaria. Unsere Verpflegung macht uns jetzt viel zu schaffen; denn 1/3 Brot = 3 Scheiben ist doch verdammt 18 Preußische Monatsbriefe wenig für einen Tag. Zumal man in dieser Waldluft einen starken Hunger bekommt. Wenn wir wenigstens die uns zustehende erhöhte Fleischportion bekämen, aber davon ist nichts zu sehen. Schwer trifft jetzt so manchen die heimatliche Losung „Keine Lebensmittel mehr ins Feld.“ Nun, ich leide nicht darunter, denn ich habe aus der Heimat noch keine Fettpakete erhalten, da es meinen lieben Angehörigen eben unmöglich ist. Da werden die Bauernsöhne aber mit der Zeit Augen machen! Zum Teil ist diese Verordnung sehr gut, denn nun wird es nicht mehr vorkommen, dass unsereins trockenen Karo schiebt, während der Bauernsohn eine Speckstulle nach der anderen verdrückt. Ich kann mich ja beherrschen und bin gottlob nicht verwöhnt, aber doch steigt mir bei diesem Zustand oft ein geheimer Groll auf. Robert Johnscher vor der Bücherei-Baracke im Waldlager Vor etlichen Tagen durften wir 5 Pfund Bohnen zu 1,87 Mark heim senden. Hoffentlich kommt diese Sendung an. Ein bezeichnender Satz: „Oft stellt man tiefsinnige Betrachtungen an, wie schön es doch wäre, wenn man wenigstens nur einmal ein ganzes Brot erhalten würde.“ Hoffentlich dauert dieser Zustand nicht allzu lange. Die Hauptsache ist, dass man seinen Humor nicht verliert. Leider ist obendrein die Post spärlicher als sonst. Es ist tatsächlich alles wie vom Teufel besessen. In letzter Zeit taucht immer wieder das Gerücht auf, dass wir nach dem Westen kommen sollen. Es wird so viel geschwätzt. Seit heute spricht man von russischen Angriffen. General v. Falkenhayn ist zurzeit dienstlich verhindert, unsere Armee zu führen. Generalleutnant v. Hosch übernimmt vertretungsweise das Kommando. In einem dies anzeigenden Heeresbefehl setzt S. Exzellenz voraus, dass wir evtl. russische Angriffe mit der gleichen Tapferkeit wie beim Vormarsch zurückweisen. Ob v. Falkenhayn sich bereits die neue Stellung ansieht? Na, abwarten und Tee trinken. „Die Tränen lassen nichts gelingen, wer schaffen will, muss fröhlich sein!!“ 8. Mai 1917 Ich liege im Walde und vertreibe mir die Zeit mit Lesen, Schreiben und Schlafen. In der Baracke herrscht dicke Luft d.h. dort sucht man dauernd Leute zu allen möglichen Arbeiten, da habe ich es denn vorgezogen, mich mit mehreren Kameraden zu verdrücken, denn anders kann man sich an einem freien Nachmittag nicht vor Arbeit schützen. Heute Morgen sind wir in Vorsatura abermals entlaust worden, da in unserer Komp. Gefreiter Christ an Fleckfieber erkrankt ist. Unser Wald liegt in einer Mulde, dicht daneben geht’s hoch hinauf. Von hier herab hat man eine wunderbare Beobachtung auf das vorliegende Gelände. Bis zur Putna, diesseits freundlich, jenseits feindlich. 19 Preußische Monatsbriefe Mit dem Glase vermag man die feindlichen Stellungen zu erkennen. Wahrlich unsere Artillerie hat eine gute Beobachtung. Allerdings auch der Russe. Vor einigen Tagen sind Truppenansammlungen beobachtet worden. Man vermutet einen Angriff. Nun sie können kommen, es wird ihnen schlecht ergehen. Unsere Artillerie ist sehr zahlreich vertreten und schießt nur deshalb nicht, um ihre Stellungen nicht zu verraten. Gefangene sprechen von einem Angriff am 11. Mai. Na, wir werden ja sehen. Gefreiter Christ, derselbe Gefreite Christ, der mir bei meiner Verwundung in der Schlacht am Arges geholfen hat, ist im Lazarett an Flecktyphus gestorben. Diese Seuchen wüten furchtbar. Lieber durch eine Kugel, als durch solche Seuche dahingerafft werden. Der Gas-Alarm bei Robert Johnscher war zum Glück nur eine Übung 10. Mai 1917 Gestern Abend 7 Uhr war probeweise Gas-Alarm. Nachts 2 Uhr war Probealarm. Mit Sack und Pack rückten wir um ½ 3 Uhr ab nach Bolotesti. Zum ersten Male den Stahlhelm auf. Der Stahlhelm wird im ganzen deutschen Heere eingeführt. In der Zeitung spricht man von: „Der kleidsamen Tracht des deutschen Stahlhelms“. Das „Ding“ wiegt ein paar Pfund und ist schwer handlich, schützt allerdings gegen Granatsplitter etwas. Hat man solch eine Kippe länger auf, dann brummt einem der Schädel. Wir hatten ungefähr hin 1 ½ Stunde zu laufen, und wie gewöhnlich hatten wir uns in der Richtung geirrt. Na, irren ist menschlich, aber Unsinn war die ganze Übung. Todmüde und hungrig kamen wir um 6 Uhr im Waldlager an. Während die Protestanten um 10 Uhr Gottesdienst hatten, schlief ich bis ½ 12 Uhr. So wird dafür gesorgt, dass einem die „Ruhetage“ recht gut bekommen. 11.Mai 1917 Heute war der übliche Arbeitsdienst. Wir arbeiten am Regimentsgefechtsstand. Um nur ja recht viel Ruhe zu haben, musste unsere Komp. heute zum dritten Mal nach Jarestea laufen, um dort die fehlenden Stücke der Gebirgsausrüstung zu holen. Alle anderen Kompanien bekamen die Sachen nach dem Waldlager gefahren. Ohne Frühstück stiefelten wir von früh 6 – ½ 12 Uhr in der Welt herum. Im Waldlager angekommen, mussten wir gleich nach dem wenig Kohldampf stillenden Mittagessen die Baracke zwecks Infektion vollständig räumen. Unsere neue Stellung! Unser Bataillon liegt in Vitanesti. Wir wohnen auch hier in Häusern und dürfen uns tagsüber nicht sehen lassen. Unsere Führung ist entschieden zu leichtsinnig. Verhaltungsmaßregeln über Verhalten bei einem Angriff sind nicht bekannt. Wahrscheinlich sollen sich die einzelnen Posten nach dem 1000 Meter weiter zurückgelegenen Kampfgraben zurückziehen unter möglichster Aufhaltung des Feindes. Bei 20 Preußische Monatsbriefe Tage steht in jeder Komp. ein Doppelposten. Er steht ca. 50 m vor dem Kampfgraben und hat einen guten Überblick über das Vorgelände. Zum Schluss möchte ich über die Stimmung meiner Kameraden über die Bayern folgendes bemerken: „Dass meine Kameraden – durchweg Preußen – auf meine Landsleute nicht gut zu sprechen sind, kann ich fast täglich beobachten. Wenn sie in manchem sehr Unrecht haben, so muss ich doch leider zugeben, dass die 1. Bayr. Res. Jäger unseres Jäger-Regt. tatsächlich einen wenig günstigen Eindruck Erst putzen, dann wetzen – Skizzen von Robert Johnscher machen. Durchweg sehr schlotig und größtenteils sehr unfreundlich. Aber dies beruht auf Gegenseitigkeiten. Ich selbst ärgere mich oft über so manchen meiner Landsleute. Doch konnte ich meine Kameraden wiederum auch oft sehr lobend über die Bayern sprechen hören. Ich halte mich natürlich neutral und bin der Meinung, dass jeder Fehler hat und das ein gegenseitiges Nachgeben jedenfalls besser ist, als dauernd einander zu beschimpfen. Aber trotz allem bin und will ich ein Bayer sein!!! Hat der Preuße seinen Nationalstolz, so darf ihn der Bayer mit dem gleichen Recht haben! Der tägliche Umgang mit den verschiedensten Menschen, der verschiedenen Klassen und Arten, mit gutmütigen und raubeinigen, mit groben und höflichen, mit rücksichtsvollen, mit selbstlosen und selbstsüchtigen ist kein Genuss! Im Gegenteil! Man fühlt sich öfter abgestoßen, als angezogen, und um einem solchen Umgang gewachsen zu sein, muss man sehr widerstandsfähig sein. Für uns junge Kerls ist dieser widerspruchsreiche Umgang ein Segen, eine Schule fürs Leben. Denn wer nicht nur schöne Stille und vornehmes Wissen, wer den Erfolg im Leben sucht, der darf sich nicht ins Blumenstübchen einschließen, nicht hinterm Bücherschrank verkriechen, der gehört hinein ins wogende Leben, der darf den Umgang nicht meiden, sondern muss ihn suchen! Und dies bringt der Krieg von selbst mit sich. – Auch hier kann man von einem Kampf ums Dasein sprechen! (Wird fortgesetzt) IMPRESSUM: CHEFREFDAKTEUR (V.I.S.D.P.): PETER MUGAY; [email protected]; ( 0173 7089448 ); www.preussische-monatsbriefe.de 21 Preußische Monatsbriefe
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