Wie weit reicht die zeitliche Leistungspflicht der Krankentagegeld

Recht
Rechtsanwalt · Mediator · Patentanwalt
Steuerberaten · Wirtschaftsprüfer
Kurzprofil
Die Kanzlei Fiala, Freiesleben &
Weber beschäftigt sich mit Versicherungs- und Bankrecht, Finanzen, Immobilien, Vermögensverwaltung.
Insbesondere
das
Haftungsrecht der Anlageberater,
Agenten, Versicherungsmakler, Kapitalanlagevermittler und Vertriebsorganisationen gehören zum Kerngeschäft.
Personen
Johannes Fiala
Rechtsanwalt
Kontakt
Kanzlei Fiala, Freiesleben & Weber –
RA, PA, StB & WP
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80639 München
Tel.: 089 179090-0
Fax: 089 179090-70
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www.fiala.de
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Wie weit reicht die
zeitliche Leistungspflicht
der Krankentagegeldversicherung?*
*von Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt
(München), Mediator (Univ.), MBA
Financial Services (Univ.Wales), MM
(Univ.), geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), EG-Experte (C.I.F.E.),
Lehrbeauftragter für Bürgerliches Recht
(Univ. of Cooperative Education), Bankkaufmann (www.fiala.de)
„Es gibt bekanntes Wissen. Das sind
Sachen, von denen wir wissen, dass
wir sie wissen. Es gibt bekanntes
Unwissen. Das bedeutet, es gibt
Sachen, von denen wir wissen, dass
wir sie nicht wissen. Aber es gibt
auch unbekanntes Nichtwissen.Das
sind Sachen, von denen wir nicht
wissen, das wir sie nicht wissen.“
(Donald Rumsfeld)
Beratungsrisiken bei der Absicherung gegen Verlust der Arbeitskraft:
Für den Versicherungsmakler gehört die
Beratung und Vermittlung von Versicherungen für den Ausfalls der Arbeitskraft zu den besonders haftungsträchtigen Aufgaben. Das Angebot
einer Absicherung nach Versicherungssparten, und nicht nach Produkten,
schützt den Vermittler vor der
Haftung wegen einer Lücke im Angebot
und unterlassener Beratung. Denn hier
droht dem Vermittler eine Haftung, so
dass er „die nicht versicherte Rente“
dem Kunden später als Schadensersatz
selbst bezahlen müsste.
Jeder dritte Berunfsunfähigkeitsfall
vor Gericht?
In diesen Bereich gehört auch der Fall,
dass beispielsweise die Berufsunfähigkeits(BU)-Versicherung (noch) nicht leistet – jedoch die Krankentagegeldversicherung nicht (mehr) bezahlt. Gerade
wenn zwei Versicherer betroffen sind,
ist das Risiko einer faktischen Versorgungslücke erheblich. Es handelt sich
gleichsam um ein „Totalverlust- und
Klägerisiko“ des Versicherungsnehmers
(VN). Die Möglichkeit eine Rechtsschutzversicherung (bei einer anderen
Gesellschaft!) mit zu verkaufen, beseitigt diese Risiken nicht vollständig.
Keine Leistungspflicht der Krankentagegeldversicherung bei BU-Zahlung:
Es kann aber auch der umgekehrte Fall
eintreten. Die Krankentagegeld(KT)-Versicherung leistet bereits, und später treten die BU-Leistungen eines weiteren
Versicherers hinzu. Für diesen Fall hat
das OLG Karlruhe (Az. 12 U 89/06) durch
Urteil vom 06.07.2006 dem KT-Versicherer einen vertraglichen Rückforderungsanspruch nach § 15 I a Musterbedingungen (MB/KT 94) zugesprochen.Eine
Entreicherungseinrede nach § 818 III
BGB durch den VN ist nach der BGHRechtsprechung ausgeschlossen. Denn
der vertragliche Rückforderungsanspruch nach § 11 MB/KT verdrängt das
Recht der ungerechtfertigten Bereicherung komplett, §§ 812 ff. BGB.
Damit soll eine „Mehrfachabsicherung“
(über KT und BU) durch den zusätzlichen Bezug von „Leistungen aus
einem Versicherungsverhältnis privater
oder sozialrechtlicher Natur“ unterbunden werden: Entscheidend ist nicht das
Vorliegen einer BU, sondern der
schlichte Bezug einer BU-Rente, wenn
auch nur „zeitlich befristet“ oder „als
Kulanz“ des BU-Versicherers bzw.
„ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“.
Risiken in der Schadensabwicklung:
Der Versicherungsmakler darf Schadensfälle abwickeln, also wie ein
Rechtsanwalt den VN nur aussergerichtlich gegenüber dem Versicherer
vertreten. Dabei gibt es allerdings zahlreiche Fallstricke, und es können auch
Fehler in der Beratung bei Abschluß der
Versicherung zu Tage treten.
Mit dem Rentenbezug endet der
Anspruch auf KT-Zahlung:
- Auf das Vorliegen einer BU oder
Erwerbsminderung mit einem bestimmten Prozentsatz kommt es nicht an.
experten report 8 · 01/2007
Recht
- Die schlichte Zahlung einer BU-Leistung, auch als Kulanz oder zeitlich
befristete BU-Leistung, reicht aus den
KT-Anspruch entfallen zu lassen. Dies
gilt auch dann, wenn es sich nur um
einen „fingierten“ BU-Fall handelt.
- Unerheblich ist die Höhe der BU-Leistung. Liegt diese unterhalb der KTZahlung, kann dies auch einen Beratungsfehler des Vermittlers offenbaren.
Typisch ist, dass der Vermittler übersehen hat, dass auch solche Versicherungsleistungen zu versteuern sind.
- Wird die Rente aus privatem Vertrag
oder durch den Sozialversicherer, wie
in der Praxis üblich, oft erst nach
Monaten rückwirkend bewilligt, so
endet die Leistungspflicht (spätestens
drei Monate nach Rentebewilligung)
des KT-Versicherers ebenfalls.
Allein derartige Verzögerungen mit daraus folgenden Einkommenslücken des
VN, bedeuten einen typische Beratungsfehler, welcher sich auch in mancher Finanzplanung wiederfindet.
Rechtswidrige MB/KT: Daher kein
automatisches KT-Vertragsende:
Kommt es zum BU-Leistungsfall hat
sich das Eintrittsalter und das Risiko in
der Person des VN verändert. Es
würde ihn unangemessen benachteiligen, wenn der KT-Versicherungsvertrag damit automatisch enden würde,
wie der Bundesgerichtshof (BGH) in
zwei Urteilen bereits 1992 festgestellt
hat, § 307 I, II Nr.2 BGB.
Einzige Ausnahmen sind ein KT-Vertragsende durch Bezug von Altersrente
oder etwa durch die Vollendung der
vertraglichen Altersgrenze (z.B. 65.
Geburtstag). Genauso, wie ein vorheriger BU-Fall nur als „vorübergehend“ zu
betrachten ist, wird auch der Fall eines
Wegzugs ins Ausland nicht zum automatischen KT-Vertragsende führen. Im
Wege der ergänzenden Vertragsauslegung wird also der KT-Versicherer (im
BU-Fall) von der Leistungspflicht (nur
vorübergehend) frei, §§ 133, 157 BGB.
Eine (endgültige) Vertragsbeendigung
würde dem sozialen Schutzzweck der
KT-Versicherung zuwider laufen.
Schulungshaftung von Vertrieben /
Versicherern: Beratungslücke bei
Wegzug ins Ausland
Wer seinen Ruhestand beispielsweise
in Brasilien verbringen möchte, wird
feststellen, dass „seine“ gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) ihn schlicht
abmeldet, sobald kein Wohnsitz mehr
im Inland besteht. Besteht ein Wohnsitz
im Inland, so unterfällt das weltweite
Einkommen „des Auswanderers“ dauerhaft dem deutschen Steuerrecht, §§ 8
AO, 1 EStG. Ähnlich ergeht es zahlreichen VN in der privaten Krankenversiexperten report 8 · 01/2007
cherung (PKV), denn nur wenige Tarife
gestatten eine dauerhafte Aufgabe des
Wohnsitzes im Inland. Damit entfällt
dann regelmäßig („vorübergehend“)
nicht nur der Anspruch auf KT-Leistungen, sondern auch auf die anderen vertraglich mit dem Versicherer vereinbarten Ansprüche.
Auch hier kann ein nicht unbedeutender Haftungsfall für den Makler
schlummern. Soweit Schulungen zu
den MB/KT hier lückenhaft – also
unrichtig – waren, wird der Vermittler
im Haftungsfall versuchen, den schulenden Versicherer oder Vertrieb in
Regress zu nehmen.
Die gleiche Problematik stellt sich für
den Fall, dass der BU-Fall später wieder wegfällt. Dies kann zum Wiederaufleben der vertraglichen KT-Leistungsansprüche führen. Sicherer wäre in
jedem Falle eine Anzeige beim Versicherer, verbunden mit einer Antragsstellung auf KT-Leistungen, denn während der Anwartschaftsphase besteht
Leistungsfreiheit des Versicherers.
Auch hier kann der Einsatz von
Rechtsbedingungen dem VN weiterhelfen. Ob das Risiko „einer aus
Unkenntnis bzw. ohne Verschulden
des VN unterlassenen Anzeige“ der VN
zu tragen hat, ist obergerichtlich noch
zu entscheiden.
Haftungsfalle durch Option einer
Anwartschaftsversicherung:
Die Möglichkeit einer Anwartschaftsversicherung bietet dem VN die
Option, für sich selbst im Falle erneuter
Arbeitsunfähigkeit weitere KT-Leistungen zu erhalten. Die Umwandlung in
einen vorübergehend ruhenden Vertrag, hat den Vorteil, dass das
ursprüngliche Eintrittsalter in den Tarif
erhalten bleibt und keine abermalige
Gesundheitsprüfung stattfindet. Der
Haken dabei ist, dass der KT-Vertrag
„automatisch“ enden kann, wenn der
VN nicht binnen – in der Regel - zweier
Monate sein Wahlrecht einer Anwartschaftsversicherung ausübt. Denn
diese Option im KT-Tarif bedeutet nach
der BGH-Rechtsprechung aus 1992
einen angemessenen (ausreichend den
VN schützenden) Interessenausgleich.
Wird die BU erst später (rückwirkend)
festgestellt, kann diese Frist verstrichen sein! Wird eine BU später als
nicht bestehend erkannt, hat der VN
seine KT-Leistungen verloren, wenn er
sein Wahlrecht einer Anwartschaftsversicherung bereits ausgeübt hat!
Entweder Prozeßrisiko oder Einsatz
von Rechtsbedingungen:
Das Prozeßrisiko des VN liegt darin,
dass er dann erst einmal vor Gericht
durchsetzen müsste, dass die Befristung des Wahlrechts einer Anwartschaftsversicherung, ebenfalls eine
„unangemessene Benachteiligung“
wäre. Das Gericht müsste dann beispielsweise den Fristlauf durch ergänzende Vertragsauslegung erst dann
beginnen lassen, wenn der VN eine
sichere Kenntnis darüber hat, ob ein
BU-Fall vorliegt.
Der VN kann jedoch auch den Antrag
auf eine Umwandlung der KT-Versicherung in eine Anwartschaftsversicherung
mit einer Rechtsbedingung verknüpfen,
§ 158 BGB: Geeignet wäre etwa die
Bedingung, dass der Antrag für den Fall
vorliegender BU gestellt wird.
Vermittlerstrategie zur Enthaftung:
Wie sagte einmal ein Vertriebsleiter so
schön „Versicherungen sind Produkte,
für Menschen die es nötig haben – sich
aber in der Regel nicht umfassend
genug leisten können“. Es kann aus
der Sicht des Vermittlers sinnvoll sein,
dem Kunden nicht nur KT und BU,
sondern auch Betriebsunterbrechung
bzw. –abwicklungsversicherung, sowie
Dread-Desease und Unfallversicherungsschutz vorzustellen und anzubieten. Der Kunde muss dann (nach nachweisbarer Aufklärung!) entscheiden,
was er sich leisten kann und will. Um
Lücken in der eigenen Beratung oder
Dokumentation zu finden, genügt
meist ein Blick in die Akte: Dies kann
Anlaß genug sein „das Geld aufzuheben, welches auf der Strasse liegt“ –
nur ein wenig bücken muß man sich
halt, und sei es um nach der Akte zu
greifen, sowie im Anschluß daran zum
Telefon für einen Termin mit dem Kunden. Schließlich wäre dies eine feine
Alternative, anstatt hoffnungsvoll zu
glauben, dass sich Dokumentationsund/oder Beratungslücken sicher aussitzen lassen.
Stand: 14.11.2006
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