Podium 26 Mittwoch, 21. April 2010 · Nr. 31 Neues DBA mit Deutschland – wie weiter? brennpunkt Steuern Schweiz und Deutschland haben neues Doppelbesteuerungsabkommen paraphiert – Hintergründe und weiteres Vorgehen – Bedeutungsvoll für Finanz- und Werkplatz dieter weber Bilaterale Arbeitsgruppe Die Finanzminister Merz und Schäuble haben das von den Delegationen ausgehandelte Änderungsprotokoll zum DBA am 26. März in Berlin paraphiert. Der Text des neuen DBA ist noch nicht veröffentlich worden. Ein zentrales Element ist die neue Amtshilfeklausel nach Art. 26 OECDMusterabkommen (OECD-MA). Daneben haben die beiden Minister «zuhanden der Unterzeichnung des DBA» eine bilaterale Arbeitsgruppe «zur Klärung offener Finanz- und Steuerfragen» eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe steht unter der Leitung der beiden Staatssekretäre. Sie soll Bild: Iris C. Rit ter D eutschland war auch 2009 der weltweit wichtigste Handelspartner der Schweiz: Auf 35 Mrd. Fr. (–16% zum Vj.) beliefen sich die Exporte nach Deutschland, während die Schweiz für 54 Mrd. Fr. (–17%) von dort importierte. Bei Ex- wie Importen ist Deutschland aus Schweizer Sicht klare Nummer eins. Ferner betrugen Ende 2009 die Direktinvestitionen in Deutschland 61 Mrd. Fr. (+9%), Deutschlands Direktinvestitionen in der Schweiz 39 Mrd. Fr. (+3%). Schweizer Unternehmen beschäftigen in Deutschland 260 000 Personen, umgekehrt deutsche Gesellschaften 94 000 in der Schweiz. Die enge Vernetzung zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich rund 250 000 Deutsche in der Schweiz niedergelassen haben. Aufgrund dieser engen Beziehungen ist das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Schweiz und Deutschland von grosser praktischer Bedeutung. Es ist 1972 in Kraft getreten, wurde seither dreimal revidiert, und das jüngste Änderungsprotokoll zum DBA wurde unlängst paraphiert. Grund genug, die Hintergründe und das weitere Vorgehen näher zu beleuchten. Das revidierte DBA ist nicht nur für den Finanz-, sondern auch für den Werkplatz wichtig, meint Steuerexperte Dieter Weber. Themen wie die Legalisierung nicht versteuerter Vermögenswerte, die Einführung einer Abgeltungssteuer in der Schweiz, den Marktzugang Schweizer Banken in Deutschland und Fragen zum Umgang mit gekauften Bankdaten behandeln. Dies sind vorwiegend Themen, die keinen direkten Einfluss auf das DBA haben. Indirekt stehen sie jedoch im Kontext der gemäss Artikel 26 OECD-MA erweiterten Amtshilfe der Schweiz. Zwar wurde in der Mitteilung des EFD eine Verbindung zwischen den Arbeiten der Arbeitsgruppe und der Unterzeichnung des DBA durch die Schweiz nicht direkt angesprochen. Die Resultate der Arbeiten der Arbeitsgruppe dürften die Unterzeichnung und Ratifizierung des neuen DBA durch die Leserbriefe «Abzocker-Initiative» – ein Erfahrungsbericht Als langjähriger Abonnent der FuW, als eifriger Unterschriftensammler für die «Abzocker-Initiative» und als GV-Besucher verschiedener Unternehmen möchte ich Ihnen folgende Beobachtungen schildern, die Ihnen bis jetzt vielleicht nicht zugetragen wurden. Es gab immer Warner, die die Banken, die Pharma- und die Versicherungsindustrie darauf aufmerksam machten, dass es so nicht weitergehen kann, etwa Hans- Jacob Heitz. Gerold Bührer, früher Parlamentarier und jetzt Präsident von Economiesuisse, vertröstete, dass die Wirtschaft in der Lage sei, sich selbst Regeln aufzuerlegen, die Exzesse verhindern. Dann wurde die «Abzocker-Initiative» lanciert. Die Abzocker und das Establishment beschlossen, sie zu ignorieren. Mit wenig Personen, alles Einzelkämpfer, kam die Initiative dank dem grossen Rückhalt im Volk zustande. Ich habe allein und in kleinen Gruppen in den Kantonen ZH, AG, SO, LU und VD gesammelt. Ich konzentrierte mich v. a. auf bürgerliche Kreise. Die Landi-Läden waren mein bevorzugtes Terrain. Es ist leicht, die Leute vom Schutz für Kinder, Tiere und die Natur zu überzeugen, aber versuchen Sie es einmal mit den Themen Aktien, Verwaltungsrat, Organstimmen etc. Ich stellte fest, dass die meisten der Unterzeichnenden Vergütungen in sechs- stelliger Höhe für Manager nicht abgeneigt sind, da diese eine hohe Verantwortung tragen – es ist keine Neidinitiative. Für zweistellige Millionenbeträge fehlt jedoch das Verständnis. Die Initiative ist keine politische, Leute von links bis rechts unterschrieben. Nicht wenige liessen durchblicken, dass sie eine Initiative der SVP oder der SP nicht unterzeichnen würden. Die Politik- und Parteienverdrossenheit zeichnete sich klar ab. Am schwierigsten war es mit den Jungen. Sie wussten kaum Bescheid, und nachdem sie wenig überlegt hatten, verweigerten sie häufig die Unterschrift, weil sie auch einmal so viel verdienen wollen wie Vasella und Ospel. In der Schule sollte Staatskunde, Wirtschaft und Geldanlagen vermehrt unterrichtet werden. Am meisten hat mich unsere Sammelaktion vor dem Wahllokal in Zürich Fluntern bei der Zürcher Stadtratswahl überrascht. Fluntern ist bestimmt keine linke Hochburg, doch es war kaum zu glauben, wie viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger unterschrieben haben. Da waren die letzten Zweifel zerstreut, und wir wussten: Diese Initiative wird angenommen. Wir wissen aber auch, dass die Gier der Abzocker keine Grenzen kennt, und da sie ihre Sucht mit unserem Geld befriedigen, schaden sie allen. Karl Widmer, Killwangen Schweiz aber sehr wohl beeinflussen: Ohne zufriedenstellende Antworten aus der Arbeitsgruppe dürfte die Genehmigung des Abkommens durch das Schweizer Parlament (und im Falle eines Referendums durch das Stimmvolk) auf wackligen Beinen stehen. Immerhin wurde auf deutscher Seite offenbar zur Kenntnis genommen, dass die Schweiz auf Basis gekaufter Bankdaten keine Amtshilfe leisten wird und dass der automatische Informationsaustausch nicht zur Debatte steht. Der Paraphierung vom 26. März wird in der Schweiz die Vernehmlassung bei interessierten Kreisen folgen, anschliessend die Unterzeichnung durch den Bundesrat, gefolgt von der parlamentarischen Beratung und Ratifizierung. Das DBA dürfte dem fakultativen Referendum unterstehen. Wir rechnen mit einer (rückwirkenden) Inkraftsetzung per 1. Januar 2011. Was heisst OECD-konform? Im Fokus des medialen Interesses stand bisher der Finanzplatz. Die geplante Einführung der Amtshilfe gemäss Artikel 26 OECD-MA zusammen mit den gekauften Bankdaten auf ominösen CD hat bereits viele deutsche Anleger zur Selbstanzeige in Deutschland bewogen. Ebenso wichtig ist das revidierte DBA aber für den Werkplatz. Mit der neuen Amtshilfe gemäss DBA können auf Anfrage auch Informationen zur Durchsetzung des jeweiligen nationalen (Steuer-) Rechts ausgetauscht werden. Dies war bisher nicht möglich und wird insbesondere im grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr zu vermehrtem Informationsaustausch in Steuersachen führen (Stichwort Transfer Pricing). Die neue Amtshilfeklausel gemäss Artikel 26 OECD-MA soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass das DBA SchweizDeutschland darüber hinaus verschiedenste Normen enthält, die nicht OECD- MA-konform sind. Sie wurden meist aufgrund der bisher fehlenden Amtshilfe auf Druck Deutschlands implementiert. Die meisten Bestimmungen sind einseitig auf die Durchsetzung deutscher Besteuerungsansprüche ausgelegt und gelten oft nur im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz, stellen somit eine Diskriminierung der Schweiz im Vergleich zu anderen DBA-Staaten dar. Gemäss der Medienmitteilung des EFD «hat die Schweiz in den Verhandlungen verschiedene Vorteile für den Wirtschaftsstandort aushandeln können». Der Bedeutung des gegenseitigen Wirtschaftsverkehrs angemessen wäre, dass das DBA Schweiz-Deutschland mit Einführung der Amtshilfe nach Artikel 26 OECD-MA von Regelungen befreit wird, die einseitig zulasten der Schweiz ausgelegt sind. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die sogenannte überdachende Besteuerung gemäss Artikel 4/III DBA, die für in der Schweiz ansässige Privat personen zu einer unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland und der Schweiz führt, die Nachbesteuerung während fünf Jahren nach Wegzug aus Deutschland laut Artikel 4/IV DBA für Privatpersonen, die Nichtansässigkeit von Pauschalierten in der Schweiz gemäss Artikel 4/VI DBA, die doppelte unbeschränkte Steuerpflicht von Gesellschaften laut Artikel 4/IX DBA sowie die Besteuerung privater Kapitalgewinne während fünf Jahren nach Wegzug aus Deutschland gemäss Artikel 13/IV DBA. Neue Verordnung Zu erwähnen ist, dass das DBA auch nicht OECD-MA-konforme Bestimmungen enthält, die sich eher zugunsten der Schweiz auswirken. Sie sind jedoch deutlich in der Unterzahl und gelten immer sowohl für Deutschland als auch die Schweiz rezi prok. Die Verhandlungen der Delegatio- nen und der Arbeitsgruppen dürfen also mit Spannung erwartet werden. Pikanterweise läuft parallel bis zum 30. April 2010 die Anhörung zur Verordnung über die Amtshilfe nach Doppelbesteuerungsabkommen, die für alle Schweizer DBA gültig sein wird. Darin werden die bei uns geltenden Grundsätze beim Vollzug der Amtshilfe festgehalten – eine Verordnung von grosser Bedeutung. Der Entwurf hält unter anderem fest, dass Amtshilfe nur bei zweifelsfreier Nennung der betroffenen Person und der betroffenen Bank als Informationsträger geleistet werden kann. Ferner seien Ersuchen abzuweisen, wenn Informationen unter Verletzung von schweizerischem Strafrecht beschafft worden sind («Datenklau»). Amtshilfe der Schweiz Nach der ersten Durchsicht des Entwurfs ist er unter anderem so zu ergänzen, dass keine individuellen Rulings über die Grenze herausgegeben werden dürfen und dass die kantonalen Steuerbehörden ergänzend zur Eidgenössischen Steuerverwaltung ebenfalls über die auszu händigenden Informationen entscheiden können. Es hat sich gezeigt, dass das DBA mit unserem wichtigsten Handelspartner Deutschland zu revidieren ist. Gerade aufgrund der Bedeutung des gegenseitigen Wirtschaftsverkehrs sind Unebenheiten und Diskriminierungen im bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zu eliminieren. Die Schweiz wird in Zukunft Amtshilfe laut Artikel 26 OECD-MA gewähren, darf gleichzeitig aber von Deutschland die Eliminierung einseitiger und diskriminierender Bestimmungen im bestehenden DBA einfordern. Dieter Weber, lic. iur. HSG, Fürsprecher, dipl. Steuerexperte, Tax Partner Zürich, www.taxpartner.ch Aufruf zur Interessengemeinschaft US-Nachlasssteuerpflicht für nichtamerikanische Erblasser – Schweiz ist benachteiligt Die Regelung, wonach sämtliche schweizerischen Erblasser, respektive ihre Erben, der beschränkten US-Nachlasssteuer un terstehen, bestand schon bisher. Sie wurde aber kaum angewandt, weil die US-Steuerbehörde (IRS) nicht die nötigen Infor mationen hatte, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Neu ändert sich das. Die US-Steuerbehörde hat die Qualified Intermediary Agreements (QI) verschärft. Die Unterzeichner (z. B. eine Schweizer Bank) werden vertraglich verpflichtet, Namen und Adressen von US-Wertschriften eigentümern dem IRS mitzuteilen. Hält ein Schweizer Bürger US-Wertschriften, so fällt bei seinem Tod eine USErbschaftssteuer an, auch wenn er in der Schweiz wohnte. Zwar gibt es eine Freigrenze. Sie beträgt im ungünstigsten Fall jedoch nur 60 000 $. Will man sie für den Schweizer Nachlass beanspruchen, ist zudem eine Offenlegung der gesamten, globalen Hinterlassenschaft beim IRS erforderlich. Bei Steuersätzen von bis zu 45%, die bereits ab einem steuerpflichtigen Nachlass von 1,5 Mio. $ erreicht werden, und einem Freibetrag von nur 60 000 $ werden Investitionen in die betroffenen Wertpapiere damit unattraktiv. Schweizer Eigentümer von US-Wertschriften sind dieser wesentlich höheren Steuerbelastung der USA schutzlos aus geliefert. Grund dafür ist das überalterte Erbschaftssteuerabkommen zwischen der Schweiz und den USA aus dem Jahr 1951. Es fehlt ein Passus, wonach US-Wertschriften im Land des letzten Wohnsitzes des Erblassers bzw. am Wohnsitz des Schenkers besteuert werden sollen. Bei den meisten neueren Doppelbesteuerungsabkommen der USA mit europäischen Ländern gibt es diesen Passus. Im 1951er-Abkommen mit der Schweiz fehlt er hingegen, weil bis zur Verschärfung der Praktiken des IRS der Schweizer Anleger infolge des Fehlens eines entsprechenden Informationssystems voll geschützt war. Durch das QI-Abkommen mit den USA werden jedoch neu die Daten des Schweizer Anlegers an den IRS übermittelt. Im Falle des Nachlasses eines Schweizer Investors sind die Erben gezwungen, eine nicht unkomplizierte, in Englisch abgefasste, über den gesamten Nachlass Auskunft gebende Steuerdeklaration auszufüllen und dem IRS einzureichen. Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, wird die Schweizer Bank die Konten und Wertschriftendepots für die Erben sperren. Der IRS ist in diesen Fällen sogar zur Erhebung einer Strafsteuer berechtigt. Jetzt bildet sich eine Interessengemeinschaft, die sich auf politischer Ebene dieser Frage annehmen will. Sie sucht Gleichgesinnte, die die rasche Revision des Doppelbesteuerungsabkommens von 1951 erreichen wollen (Auskunft: hug@ freiheitverantwortung.ch). Dr. Daniel Heller, Erlinsbach, FDP-Grossrat (AG) und Geschäftsführer der Aktion Freiheit und Verantwortung, Zürich. Up and Down Sturmlauf gegen Bonibezüger FuW Nr. 28 vom 10. April Lieber Praktikus, in diesem Artikel haben Sie sich zu einer sehr eigenartigen Aussage verstiegen. Denn dass diverse Gewerbe von diesen unrechtmässig bezogenen Boni profitieren, kann ja wirklich nicht ein Grund sein, solches zu akzeptieren. Damit könnte man ja auch jede Art von Diebstahl rechtfertigen, auch dort trifft das zu mit den von Ihnen genannten Nutzniessern – mit Ausnahme des Steueramtes. S. Sönser, Horn ©Horsch www.horschcartoons.de
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