Dr. Peter Osterwalder Tragfähige Entscheidungen treffen - aber wie?

Dr. Peter Osterwalder
Tragfähige Entscheidungen treffen - aber wie?
Unter Entscheidung versteht man die Wahl zwischen verschiedenen
Wegen oder Alternativen.
"Eine Entscheidung ist die Wahl einer Handlungs- oder
Reaktionsmöglichkeit, in der verschiedene Möglichkeiten bestehen."
(Steiger / Lippmann, S. 194).
Als Entscheider findet man sich oft an einem Scheideweg: Es geht um
eine Richtungsentscheidung. Manchmal sind einfache Themen und
Sachverhalte zu entscheiden, für Führungskräfte aber gibt es immer
wieder herausfordernde Situationen, in denen sehr komplexe Themen
und Fragen auf den Entscheidungsweg gebracht werden müssen.
Verschiedene Entscheidungsverhalten
Im praktischen Führungsalltag trifft man auf verschiedene
Entscheidungsverhalten, die dann auch unterschiedliche Auswirkungen
haben:
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Schnelle Entscheidungen, verbunden mit einer zeitnahen und
verbindlichen Umsetzung
Langwierige und immer wieder aufgeschobene Entscheidungen mit
der Begründung, dass der Entscheidungsgegenstand noch nicht
klar fassbar sei
Sogenannte „Hauruck-Entscheidungen“, denen jegliche
Entscheidungsgrundlage und Analyse fehlt
Aufgeschobene Entscheidungen, weil der Entscheidungsträger sich
fast unendlich lang und nach allen Seiten hin absichern will oder
weil er eigentlich gar nicht entscheiden will
Nachhaltige Entscheidungen, in denen eine fundierte Analyse mit
der Intuition des Entscheidenden gekoppelt ist.
Schritte eines Entscheidungsprozesses
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Wichtig ist die Entscheidungsvorbereitung: Verschiedene
Analysen und Vorabklärungen werden getroffen, damit für den
eigentlichen Entscheidungsprozess einerseits entsprechende Fakten
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und Grundlagen und andererseits auch Lösungs- und
Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Das Faktenmaterial
hilft, die für die Entscheidung grundlegenden Entscheidungskriterien zu finden.
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Nach der Entscheidungsvorbereitung folgt die eigentliche
Entscheidung. Viele Entscheidungen werden durch die
Führungskraft allein getroffen, andere durch ein Führungsteam,
d.h. in den Entscheidungsprozess werden mehrere Personen mit
einbezogen, vor allem, wenn es darum geht, eine breit gefächerte
Akzeptanz für den Entscheid zu erhalten. Sehr wichtig ist es, in
Entscheidungsprozessen auf gute Transparenz zu achten, damit
eine Entscheidung nachvollzogen und akzeptiert werden kann.
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Damit die mit der Entscheidung verbundenen Ziele und
Lösungsansätze erfolgreich umgesetzt werden, spielt als nächster
Schritt die Kommunikation der getroffenen Entscheidung eine
sehr grosse Rolle. Die Frage lautet: Wer ist wie über den Entscheid
zu informieren, damit eine gute Basis für die erfolgreiche
Umsetzung geschaffen werden kann?
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Im Alltag werden viele Entscheidungen getroffen. Aber wie viele
Entscheidungen werden wirklich einer verbindlichen und
konsequenten Umsetzung zugeführt? Deshalb muss der letzte
Schritt im Vorgehen die Kontrolle der Umsetzung sein.
Umgesetzte Entscheidungen schaffen langfristig Goodwill für neue
und weitere Entscheidungsprozesse!
Faktoren für erfolgreiche Entscheidungsprozesse
Entscheidungsprozesse betreffen insgesamt ein komplexes, aber auch
ein dynamisches Phänomen. Deshalb ist es letztlich schwierig, klare
Anweisungen zu geben, wie ein Entscheidungsprozess ablaufen soll.
Die folgenden Ueberlegungen können dennoch als eine Art Checkliste
verwendet werden, um Entscheidungen bewusst angehen zu können:
1. Mut
Da man sich bei Entscheidungen immer zwischen verschiedenen
Wegen entscheiden muss, verlangen Entscheidungsprozesse Mut.
Damit ist Mut zur Lücke gemeint. Man kann nie alles abklären,
sondern wird immer ein stückweit unvollständig sein im Erheben
von Fakten und Grundlagen. In meiner Beraterpraxis stelle ich oft
fest, dass sich Führungskräfte bei Entscheidungsprozessen dadurch
im Wege stehen, dass sie die Entscheidung zu perfekt vorbereiten
wollen, um sich abzusichern oder um einfach die eigenen
Perfektionsvorstellungen umsetzen zu können.
2. Intuition
Nebst dem analytischen und rationalen Vorgehen ergibt sich die
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Güte von Entscheidungen auch aus der Nutzung der eigenen
Intuition. Aufgrund von Expertise, Erfahrungsschatz und
Kompetenz sind viele Menschen in der Lage, eine Entscheidung von
innen heraus gut und stimmig anzugehen. „Die Intuition sagt dem
denkenden Verstand, wohin er als nächstes blicken soll.“ (Steiger /
Lippmann, S. 200).
3. Selbstreflexion
Entscheidungsprozesse können dadurch verbessert werden, dass
Führungskräfte ab und zu ihr eigenes Entscheidungsverhalten
bewusst reflektieren. Bei dieser Reflexion geht es u.a. um die
folgenden Fragen:
− Wie laufen meine eigenen Entscheidungsprozesse ab?
− Womit bin ich zufrieden?
− Womit bin ich nicht zufrieden? Und warum nicht?
− Welches ist mein typisches Verhalten? Welche
Verhaltensmuster stelle ich bei mir fest?
− Inwiefern könnte ich mein Verhalten verändern, mit welchen
möglichen Auswirkungen?
Da viele Führungskräfte in ihrer Berufslaufbahn Potenzialanalysen
oder Assessment-Verfahren absolviert haben, könnte es sehr
interessant sein, diese Berichte wieder einmal hervorzuholen und
gezielt dem Thema Entscheidungsverhalten nachzugehen.
4. Akzeptanz des Umfeldes
Die Akzeptanz des Entscheides bei den eigenen Mitarbeitenden, bei
Schnittstellen und anderen Personengruppen trägt wesentlich zur
Qualität der Entscheidung bei. Deshalb ist gut zu überlegen, wann
diese Personen und Personenkreise wie einbezogen werden. Eine
entsprechend gute Entscheidungsvorbereitung durch Einbeziehen
der Mitarbeiter kann die Umsetzung im Alltag enorm beschleunigen
und verstärken.
5. Transparenz
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist das Thema Transparenz. Nur was
klar und nachvollziehbar entschieden worden ist, kann im
Anschluss daran erfolgreich in die Umsetzung gebracht werden.
6. Risikoanalyse
Bei allem Mut und bei aller Intuition brauchen Entscheidungen auch
die Auseinandersetzung mit dem Thema Risiko. Entscheidungen
werden in der Praxis teilweise zu schnell und auch zu naiv
gezogen. Was nützen schnelle Entscheidungen betreffend Abläufe
und Prozesse, wenn man es zum Beispiel unterlässt, die
verschiedenen Auswirkungen des Entscheides in Bezug auf Kunden
und Kundinnen sorgfältig zu untersuchen?
7. Entscheidungsanpassung
Manchmal werden Entscheidungen durch den Lauf der Dinge
überholt. Dann sind Führungskräfte gefragt, die getroffenen
Entscheidungen in der aktuellen Situation gut abzuwägen und, falls
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zweckmässig und sinnvoll, einen neuen und u.U. ganz andern
Entscheidungsprozess auf den Weg zu bringen.
Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall spannende und stimmige
Entscheidungsprozesse.
Peter Osterwalder
Literatur:
Thomas Steiger, Eric Lippmann, Handbuch Angewandte
Psychologie für Führungskräfte, 3. Aufl., Heidelberg 2008.
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