W e lt d e r W i rt s c h a f t I sa b e l l M . W e l p e Nach dem BWL-Studium in München und am Massachusetts Institute of Technology wurde sie mit 33 Jahren zur Professorin der Technischen Universität München ernannt. Dort führt sie seit 2009 den BWL-Lehrstuhl für Strategie und Organisation Du bist, was Du Kaufst Nach Katastrophen wie in Bangladesch heißt es immer: Die Unternehmen sind Schuld. Das ist viel zu bequem. Wir Kunden tragen alle dazu bei. Wir müssen endlich unsere Macht der Nachfrage nutzen Ich bin immer wieder erstaunt, wie harsch alle die mangelnde soziale und ethische Verantwortung von Unternehmen und Managern beklagen. Wenn beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch mehr als Tausend Näherinnen ums Leben kommen oder sich Mitarbeiter des taiwanesischen Apple-Zulieferers Foxconn vom Dach der Fabrik in den Freitod stürzen, beklagt jeder die unwürdigen Arbeitsbedingungen und eklatanten Sicherheitsstandards. Dass sie selbst auch stolze iPhone-Besitzer sind und auf Preisvergleichsseiten nach den besten Schnäppchen jagen, blenden die eifrigen Kritiker zu gern aus. Dabei tragen die Kunden selbst einen erheblichen Teil der Mitverantwortung. Denn sie finanzieren mit ihren Kaufentscheidungen Unternehmen und deren Produkte. Marx sah die Verantwortung für die „kapitalistische Ausbeutung“ der Lohnarbeiter im Frühkapitalismus bei den Unternehmern, die bei Hungerlöhnen zu immer höherer Leistung antrieben. So eindeutig verlaufen die Grenzen nicht mehr. Die Macht der Nachfrage entfaltet heute eine sehr viel stärkere Kraft innerhalb der Marktmechanismen. Und die Konsumenten tragen unter Einsatz ihrer Kaufkraft selbst gierig ihren Teil zur Ausbeute bei. Sie wollen den günstigsten Preis zahlen und richten sich damit sehr bequem nach einem einfachen Kriterium – ohne ihre eigenen ethischen 2 und moralischen Standards hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Umweltschutz zum Maßstab zu nehmen. Doch damit unterstützen sie ein Wirtschaftssystem samt einiger wiederkehrender, fataler Konsequenzen. Konsumenten sind Teil dieses Systems, ihre Nachfrage bestimmt das Angebot. Sie haben eine Macht, derer sie sich wenn überhaupt erst langsam bewusst werden. Es gibt auch viel Schwarmdummheit, die sich sehr rasch verbreitet Dabei wächst der Drang der Menschen nach aktiverer Beteiligung an demokratischen Prozessen. Bürgerinitiativen wie Stuttgart21 oder die Schweizer Abstimmung über Managergehälter zeigen, das eine stärkere Teilhabe an wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen Hochkonjunktur hat. Die Digitalisierung ermöglicht und verstärkt diesen Trend zum Mitmachen – von öffentlichen Kommentaren und Kritiken, über Abstim- mungen und Bewertungen bis zu Protest- und Boykottaufrufen. Diese demokratischen Instrumente bürgen für sich alleine jedoch noch nicht für Qualität. Ihr Einsatz erfordert auch hohes Verantwortungsbewusstsein. Um dem gerecht zu werden, brauchen Konsumenten deutlich mehr Faktenkenntnisse. Denn neben aller Schwarmintelligenz verbreitet sich auch rasch Schwarmdummheit. Schon deshalb sollte es eigentlich im Interesse von Unternehmen sein, ihre Kunden umfassend aufzuklären. Auch hier bietet die Digitaltechnologie eigentlich längst praktikable Lösungsansätze, mit denen etwa der Mangel an Informationen zu Produktionsbedingungen beseitigt werden könnte. Über die Etiketten mit dem Strichcode, die an den meisten Waren haften, wäre es ganz einfach möglich, weitere Informationen über die gesamte Wertschöpfungskette des Produktes aufzuführen und voll automatisiert für den Kunden abrufbar zu machen. Wer neben dem Preis etwa noch Details zum Herstellungsland, Zulieferer und Zertifizierungsnoten vor Augen hat, hat auch keine Ausreden für gedanken- oder verantwortungslose Kaufentscheidungen. Es wird Zeit, dass die Verantwortung in demokratischen Märkten der Wirtschaft auch wieder von denjenigen mitübernommen wird, die sie ohnehin längst innehaben: den Käufern. Und die sollten nicht nur auf eigene Rechnung sondern auch auf eigene Verantwortung, welche die Konsequenzen und Folgen für sich und andere berücksichtigt, handeln. Denn: Du bist was Du tust und Du bist was Du kaufst. Übernimm Verantwortung dafür oder hör ansonsten auf, Dich über die Missstände zu beklagen, die Du jeden Tag selbst mitproduzierst. Capital Ausgabe 07/2013
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