Was macht ein vitales Volk aus? - People site

Volk Anfanq Marz. Sein erster Schwarm kann
noch vor dern 1. Mai am Baum hanqen!
weit uber hundert Bienenstanden zur Verfugung. Ihre Analyse ermoglicht auch die eingehende Auseinandersetzungmit dern Begriff der
Vitalitat (= Lebenskraft), aufdie in jungster Zeit
in der Haltung und Zucht der Honigbiene vermehrt Wert gelegt wird. Doch wie wird die Vitalitat einesvolkes bewertet? Der Zeitpunkt der
Auswinterung ist fiir die Definition der notwendigen Bemessungsgrundlagen besonders
geeignet, weil diese eine wichtige Schnittstelle in der Entwicklung eines Bienenvolkes darstellt, in der die ruckblickende (was war?), die
aktuelle (was ist?) und die prognostizierende
(waswird?)Bewertung besonders wichtig sind.
Vorgehensweise am Beispiel eines
Bienenstandes von 2005
PRAXIS
Was macht ein
vitales Volk aus?
Wenn Volker schwach auswintern, fragen sich die Imker:
Ab welcher Volksstarke lohnt sich eine Sanierung? Welche Volker erreichen
auch ohne Hilfe rechtzeitig die Trachtreife? Hinweise zur Beurteilung und
Prognose gibt Dr. Gerhard Liebig.
er Hauptgrund fur Volkerverluste im Winter liegt in einer mangelhaften Spatsommerpflege. Entweder wurden die Volker
zu schwach eingewintert, nicht ausreichend
mit Futter versorgt oder nicht rechtzeitig
grundlich genug gegen die Varroamilbe behandelt, so dass sie geschwacht oder krank in
den Winter gingen. Aber auch bei vermeintlich
optimaler Spatsommerpflege kommt es vor,
dass einige Volker im Fruhjahr deutlich
schwacher auswintern als erwartet. Dann stellt
sich nicht nur die Frage nach dern ,,Warumu.
D
-
Schwache Auswinterung was tun?
In der Fachliteratur gibt es unterschiedliche
Rezepte. Bruder Adam reagiert bereits Ende
Marz, indem er die VolksstLken durch Umhangen von Bienen und Brut ausgleicht. So
sorgt er dafur, dass sich die starksten Volker
nicht vorzeitig im Schwarmdusel verheddern
und auch die schwachsten noch Honig bringen. AuBerdem konnen alle Volker nach dern
Ausgleichen synchron gefuhrt werden.
'
Dagegen wartet Pfefferle bis zum Beginn der
Schwarmzeit. Dann teilt er seine Volker in drei
Kategorien ein. Fur die Ablegerbildung werden
nur ,,vorauseilendeVolker' der Kategorie I geschropft. Mittelstarke ,,trachtbereite und voraussichtlich nicht schwarmgefahrdete Volker"
DEUTSCHES BIENEN-JOURNAL 312006
der Kategorie I1 bleiben unangetastet. Schwache Volker der Kategorie 111, bei denen ,,keine
Trachtbereitschaft zu envarten" ist, werden
hingegen aufgelost und entweder der Ablegerbildung zugefuhrt oder zur Verstarkung von
Volkern der Kategorie I1 eingesetzt. Die Honigernte beschrankt sich auf die verbleibenden
Volker.
Eine dritte Variante ist das Aufsetzen eines
schwachen Volkes auf ein starkes uber einem
Absperrgitter im Marz. Die obere Konigin erhalt Pflegeunterstutzung von unten und baut
in kurzer Zeit ein Brutnest auf, das dern unteren kaum nachsteht. Sobalddieerste Brut oben
schlupft, wird das Doppelvolk geteilt und als
zwei vollwertige Volker weitergefuhrt. Eindeutige Kandidaten fur diese Art der Sanierung sitZen nach der Auswinterung nur in einer oder
zwei Wabengassen.
Richtiges Handeln setzt entsprechende
Kenntnisse uber die Populationsentwicklung
von Bienenvolkern voraus. Fur die gebuhrende Beriicksichtigung der relevanten Umweltfaktoren Standort, Witterung und Tracht fordert dies Untersuchungen mit vielen Volkern
uber viele Jahre an vielen Standorten. Nur
dann konnen die gewonnenen Erkenntnisse
verallgemeinert werden. In dern Hohenheimer
,,Volksentwicklung"
Forschungsprogramm
stehen dafur die Daten aus fast 20 Jahren von
Die zwolf Versuchsvolker des Standortes Rottenburg hatten bei der Einwinterung im Oktober 2004 mischen 4.000 und 16.000 Bienen,
nur zwei Volker hatten weniger als 10.000 Bienen. Alle Volker wurden wahrend des Winters
schwacher, das schwachstestarb (Abb. 1).Wegen des langen schneereichen 'spatwinters
wurde die erste Populationsschatzung erst am
29. Marz (aber bevor die erste von den Winterbienen aufgezogene ,,FruhjahrsbrutUschlupfte) durchgefuhrt. Zwei Volker (2 und 6) fielen
dabei durch einen besonders hohen Bienentotenfall aufdem Gitterboden auf. Dieser verblieb
in allen Volkern und wurde von diesen selbst
20000
0
5000 10000 15000 20000
Anzahl Bienen am 14.10.04
Der Vergleich der Einwinterunqsstarke rnit
der Auswinterungsstarke der Volker des
Standortes Rottenburg 2004105. Es besteht ein deutlicher Zusammenhanq (r =
0,791, auch wenn das Volk 2 (rot einqekreist) wahrend der ijberwinterunq um fast
10.000 Bienen schwacher geworden is& Am
besten stand im Marz Volk 1 (grun einqekreist) da, es hatte netto nur 1.500 Bienen
verloren. Wer hatte qewettet, welches der
beiden Volker mehr Honiq bringen wurde?
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: betrachtet und im Verqleich untereinander und r
~lwerte.Die kursiv und fett qedruckten Korrelati
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erprufunq sind weitere Untersuchunqen notwendig.
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mehr oder weniger rasch entfernt. Eine mogliche Ansteckungsgefahr wurde dabei bewusst
in Kauf genommen. Im Mai waren alle Gitterboden sauber. Volk 12 wurde fur einen anderen Versuch entfernt. Es war im Herbst 2004
durch einen enormen Polleneintrag aufgefallen, so dass es mit einem mehrfach hoheren
Pollenvorrat als die anderen Volker des Standes in den Winter ging, wassich aber weder negativ noch positiv auf seine Uberwinterung
verbleibenden
auswirkte. Die ~ntwicklun~'der
zehn VBlker wurde durch regelmagige Populationsschatzungen im Abstand von 21 Tagen
verfolgt.
Die Fruhtracht aus Obst- und Wiesenblute
fie1 dem feucht-kalten Wetter im Mai zum Opfer. Da im Flugkreis kein Raps angebaut war,
wurde kein Bliitenhonig geerntet. Eine von Ende Mai bis Ende Juni herrschende Waldtracht
machte diesen Ertragsausfall wett. Ihr EinsetZen ging mit dem Ende der Schwarmstimmung
einher, der nur durch Brechen der Schwarmzellen begegnet worden war. Zwischen Anfang
und Ende Mai gerieten die zehn Vijlker ein-,
zwei- oder dreimal in Schwarmstimmung. Anfang Juli wurden zwischen 19 und 40,5 kg Honig pro Volk geerntet.
Aufspuren von Trachtquellen und uberzeugen
durch Sammeleifer bei ihrer Ausbeutung. Zur
allgemeinen Vitalitat zahlen aber auch Stechund Schwarmlust! Die Vitalitat eines Bienenvolkes ist deshalb sehr differenziert zu betrachten. Mit Hilfe der Populations- und Leistungsdaten konnen die nahe 1iegendenAspekte der Vitalitat fur eine Bewertung derzehnvolker in Zahlen ausgedruckt und miteinander
verglichen werden.
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Die Vielfalt der Vitalitat
Die Vitalitat eines Bienenvolkes ist keine einfach zu fassende GroBe. Sie kommt in vielfaltiger Weise in seiner Entwicklung, in seinemverhalten und in seiner Starke zum Ausdruck. Vitale Volker kommen jederzeit mit den Unbilden
des Wetters zurecht..Sie sind brut- und putzfreudig. Sie bleiben gesund, weil sie die potenziellen Krankheitserreger iinmer im Griff haben
und Rauber und Rinde erfolgreich abwehren.
AuBerdem zeigen sie eine hohe Findigkeit beim
Anzahl Bienen
Vitalitat der Winterbienen
Eine erste Bewertung kann bei der Auswinterung vorgenommen werden. Vitale Volker haben ihre Einwinterungsstarke nicht nur halten
konnen, sondern ihre iiberlebenden Winterbienen sind auch no& kraftig genug fur die
Aufzucht der ersten Fruhjahrsbrut.. Das eine
kommt ip der Uberwinterungsqubte zum Ausdruck, das andere in der Brutrate.
Im Beispiel schwankte die Uberlebensquote
der Winterbienen zwischen 0,29 und 0,90
(Tab. 1, Abb. 1). Die diesbezuglich hochste Vitalitat hatte demnach das Volk 1,die geringste
das Volk 2. Alle anderen Volker waren sich in
dieser Hinsicht sehr ahnlich. Eine ijberwinterungsregel, die sich aus der langjahrigen Beobachtung ergibt, lautet, dass Bienenvolker
milde Winter besser uberstehen als kalte. Der
Rottenburger Mittelwert von 2005 entsprach
dem aus der langjahrigen Statistik abgeleiteten Prognosewert. (Nach einer zweiten Regel
wintern Volker an kalten Standorten schlechter aus als an warmen. Deshalb lassen sich nur
die Volker eines Standortes miteinander vergleichen. Die Beutenisolation und das Verhaltnis von Raum und Volksstarke haben keinen Einfluss.)
Die Uberlebensquote der zehn Volker steht
in keinem positiven Zusammenhang mit der
Brutrate der Winterbienen. Eher ist das Gegenteil der Fall! Das am besten auswinternde
Volk 1 hatte die niedrigste Brutrate der Winterbienen, das am schlechtesten auswinternde
Volk 2 mit Abstand die hochste. Seine 4.000
verbliebenen Winterbienen hatten somit die
meiste Kraft zum Bruten! 1st Bienenverlust im
Winter vielleicht eher ein Indiz fur die Erhaltung der Gesundheit als von Krankheit? Wie
schon ware es, w& das auch fur die VarrooDEUTSCHES BlENEN:JOURNAL 312006
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