6 MONATSTHEMA Mondsüchtig Andreas Hausser Bilder: Werner Nagel Es hat seinen besonderen Reiz, wenn man die Jagdwaffe schultert und bei Mondschein auf die «schwarzen Gesellen» im tief verschneiten Wald weidwerkt. Kommen sie oder wird man nur die Ruhe in den nächsten Stunden inmitten der stillen Natur geniessen? Wie dem auch sei: Wollen wir weidgerecht das auch nachtaktive Schwarzwild ohne künstliches Licht oder andere technische Hilfsmittel bejagen, so brauchen wir den «Jagdhelfer Mond». 7 8 MONATSTHEMA D ie Nachtjagd bei Mondschein gilt bei vielen Jägern als etwas anrüchig, wird bei der Bejagung des Schwarzwildes und Fuchses aber allgemein ausgeübt. Schliesslich ist das Schwarzwild weitgehend nachtaktiv geworden. Und um die wachsenden Schwarzwildbestände und die daraus resultierenden Wildschäden zu vermindern ist eine Jagd bei Mondschein kaum mehr wegzudenken. Grundsätzlich gilt bei der Nachtjagd die Forderung nach verantwortungsbewusstem Schiessen weit mehr als sonst. Kein anderes Schalenwild wird wahrscheinlich so häufig krank geschossen wie Schwarzwild. Das liegt sicher auch daran, dass auf Sauen bei diffusen Lichtverhältnissen leichtsinnig geschossen wird. Genau wie bei jeder anderen Wildart darf hier aber auch nur auf sicher angesprochene und in der Zieloptik klar erkennbare Stücke geschossen werden. Das setzt natürlich ein genügendes Mass an Helligkeit und eine möglichst hindernisfreie Sicht voraus. Sind die Feldfrüchte schon zu hoch gewachsen, so lohnt sich der Ansitz an der momentanen Schadfläche meist nicht mehr, sondern man muss die Sauen beim An- beziehungsweise Abwechseln abpassen. Die Ausnahme bilden dabei grössere niedergemachte Flächen innerhalb des betreffenden Feldes. Mondphasen In den Monaten Mai bis August steht der Mond nicht sehr hoch über dem Horizont und bietet daher für den reinen Waldjäger in der Regel nicht genügend Licht, um eine weidgerechte Schwarzwildbejagung durchführen zu können. Hinzu kommen die üppige Vegetation und das dichte Kronendach der Bäume. Für den Feldjäger wird die Helligkeit in den meisten Fällen aber ausreichen. Von September bis Februar steht der Mond erheblich über dem Horizont (etwa 40° bis 67°). Beim hoch stehenden Mond ist der Weg der Lichtstrahlen durch die Atmosphäre kürzer als bei niedrig stehendem. Die fürs Auge nutzbare Lichtausbeute ist daher meist höher. Da die meisten Jäger berufstätig sind, kommt vorzugsweise die erste Nachthälfte für den Mondscheinansitz in Frage. Das heisst, der zunehmende Mond bis hin zum Vollmond hat für die Nachtjagd die grösste Bedeutung. Beim zunehmenden Viertelmond ist die Ansitzdauer noch relativ kurz, da er recht bald am westlichen Horizont untergeht. Die Lichtverhältnisse sind, bedingt durch die schmale Mondscheibe, relativ ungünstig und reichen für die meisten Jäger nicht aus. Nimmt der Halbmond hingegen zu, lässt es sich recht gut jagen, zumal der Mond am Abend schon hoch am Himmel steht und bis kurz nach Mitternacht ein durchaus brauchbares Licht abgibt. Drei Tage vor bis drei Tage nach dem Vollmond lässt es sich am besten jagen. In dieser Zeit geht der Vollmond früh auf und erst gegen Morgen wieder unter. Nach dem Vollmond verzögert sich der Mondaufgang aber von Tag zu Tag, das heisst, die Jagdzeit verschiebt sich immer mehr in die Nacht. Die abnehmende Mondphase hat für den Jäger lange nicht die Bedeutung wie die anderen Phasen, da der Mond erst spät in der Nacht aufgeht und daher das Jagen erst in den Morgenstunden möglich ist. «Der Jäger hat seine Chance und das Wild auch. Manchmal ist das Wild schlauer als wir selbst. Nicht immer gibt es Weidmannsheil.» An der Kirrung Bei der Anlage von Kirrungen sind die jeweiligen kantonalen Jagdgesetze zu beachten. Hat man sich mit ihnen vertraut gemacht, kann die Anlage einer Kirrung in die Tat umgesetzt werden. Kirrungen sollten niemals in die Haupteinstände des Schwarzwildes, beziehungsweise in die Nähe von Ablenkfütterungen gelegt werden. Durch die Bejagung werden die Sauen vergrämt. Erhöhte Wildschäden wären die Folge. Kommt auch Rotwild im Revier vor, muss die Kirrung auf jeden Fall von deren Einständen entzerrt werden, da es sonst abwandert. Die nächtliche Pirsch muss aber hier in jedem Fall unterbleiben. Kirrungen sollten möglichst im deckungsreichen Gebiet liegen und bei den stärksten frequentierten Wechsel liegen. Befindet sich eine Suhle in der Nähe, erhöht das das Weidmannsheil. Hecken und Buschgelände sowie Schlagflächen ohne hohen Baumbestand (Schatten) sind engen Schneisen vorzuziehen. Hier liegt immer ein Teil im Mondschatten, und die Reaktion der beschossenen Sau kann nicht beobachtet werden. Der ideale Kirrplatz sollte so gross sein, dass die gesamte Rotte in Ruhe beobachtet werden kann und dadurch eine Selektion möglich ist. Bitte In den Tagen kurz vor und nach Vollmond sind die Bedingungen ideal, um die Ansitzjagd auszuüben. Der Kirrplatz sollte auch bei Mondschein genügend hell sein, damit die Sauen problemlos angesprochen werden können. JAGDKAMERADEN 02 | 15 Halle 5 / 5-231 WWW.VICTORINOX.COM 10 MONATSTHEMA Schwarzwild auf offenen Flächen bei Vollmond anzupirschen erfordert viel jagdliches Können. auch die Hauptwindrichtung beachten. Kirrplätze im Feldrevier sind so anzulegen, dass die Sauen nicht ins Feld gelockt werden, sondern auf dem Weg dorthin abgefangen werden. In der Nähe der Kirrung sollte ein bequemer, möglichst überdachter Hochsitz stehen, von dem aus gejagt werden kann. Schliesslich muss der ansitzende Jäger mit einer längeren Verweildauer rechnen. Für die warmen Sommernächte im Feldrevier tut es aber auch schon eine bequeme – mobile – Leiter. Auf der Pirsch Wolkenlose und strahlend helle Vollmondnächte eignen sich in viel bejagten Feldrevieren nicht zur Pirsch, da sich das Schwarzwild in der Regel nicht auf die offenen Flächen traut. Besser sind da schon Mondnächte mit geschlossener, aber dünner Bewölkung, in denen der Jäger nicht schon von weitem gesehen wird. Schreckendes Rehwild oder flüchtendes Rotwild lassen Sauen aufmerksam werden, obwohl ja bekannt ist, dass das Schwarzwild nur ein geringeres Sehvermögen hat. Hastige Bewegungen sind zu vermeiden, ein langsames Pirschen gegen den Wind ist angesagt. Es hat keinen Sinn, hoch stehende Getreide- oder Maisschläge anzugehen, es sei denn, es befinden sich niedergewalzte Flächen darin. Man hört die Sauen zwar schmatzen und quieken, kommt aber aufgrund der hohen Vegetation nicht zum Schuss. Besser eignen sich da schon abgeerntete Feldfruchtflächen oder nicht zu hohe Wiesen. Übrigens sind im Gebräch stehende Sauen bei passendem Wind relativ leicht anzugehen. Die Sauen sind so mit sich und dem Frass beschäftigt, dass sie die vom pirschenden Jäger verursachten Geräusche in der Regel nicht vernehmen. Die Pirsch im Wald setzt genau wie die im Feld eine genaue Ortskenntnis voraus. Es ist schon gut zu überlegen, wo sich die Sauen um welche Uhrzeit einstellen könnten und sich dann den Pirschweg zu planen. Die Mondscheinjagd im reinen Wald hat im Gegensatz zum Feld erst nach dem Laufabfall Sinn. In der Zeit davor können die Sauen in der Regel nur schwer angesprochen werden. Altholzbestände aus Buchen und Eichen sind nach Beginn des Fruchtabfalls ein starker Anziehungspunkt für das Schwarzwild. Hier lohnt sich die Mondscheinpirsch fast immer. Die herabgefallenen Eicheln und Bucheckern bilden einen magischen Anziehungspunkt. Laut schmatzend stehen die Sauen unter den alten Bäumen und ein Angehen ist relativ problemlos, es sei denn, ein Ast bricht laut knackend unter den Schuhsohlen des Jägers. Traumhaft ist die Winterpirsch auf Sauen. Liegt lockerer, weicher Schnee, können bereits bei Halbmond bevorzugte Frassplätze langsam – nahezu als «Stehendpirsch» angegangen werden. Schneehemd, eine vertraute Büchse mit sauengeeignetem Kaliber und lichtstarke Optik gehören dann zur Grundausrüstung des Jägers. Eines darf der die Nachtjagd ausübende Jäger auf gar keinen Fall vergessen: Mit den Mitjägern muss genau abgesprochen werden, in welchem Revierteil wer ansitzt oder pirscht. Dort hat sich dann auch kein anderer Jäger aufzuhalten! Zum Schluss gilt: Mondjagd birgt die grössten Chancen auf einmaligen Anblick, aber auch die grössten Gefahren, die Gefährten der Nacht massiv zu vergrämen. Aber die Faszination dieses Weidwerks bleibt. Mit dem Mondlicht lässt sich ein Licht in die Dunkelheit bringen, das die jagdlichen Möglichkeiten erweitert. Doch eines sei hier auch gesagt. Der Jäger hat seine Chance und das Wild auch. Manchmal ist das Wild schlauer als wir selbst. Nicht immer gibt es Weidmannsheil. Aber das macht auch den Reiz des Jagens aus. Wer das noch nicht ausgeübt hat oder keine Gelegenheit dazu hatte, weiss gar nicht, was er bislang verpasst hat… Autor Andreas Hausser 49 Jahre, verheiratet, 4 Kinder, ist Rehwildjäger und jagt in einem hohenlohischen Revier bei Schrozberg. Er verfasst regelmässig Beiträge für in- und ausländische Jagdzeitschriften, darunter auch für den «Schweizer Jäger».
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