Mondsüchtig - Schweizer Jäger

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MONATSTHEMA
Mondsüchtig
Andreas Hausser
Bilder: Werner Nagel
Es hat seinen besonderen Reiz, wenn man
die Jagdwaffe schultert und bei Mondschein
auf die «schwarzen Gesellen» im tief
verschneiten Wald weidwerkt. Kommen sie
oder wird man nur die Ruhe in den
nächsten Stunden inmitten der stillen Natur
geniessen? Wie dem auch sei: Wollen wir
weidgerecht das auch nachtaktive
Schwarzwild ohne künstliches Licht oder
andere technische Hilfsmittel bejagen,
so brauchen wir den «Jagdhelfer Mond».
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MONATSTHEMA
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ie Nachtjagd bei Mondschein gilt bei vielen Jägern als etwas anrüchig, wird bei der Bejagung
des Schwarzwildes und Fuchses aber allgemein ausgeübt. Schliesslich ist das Schwarzwild weitgehend nachtaktiv geworden. Und
um die wachsenden Schwarzwildbestände und
die daraus resultierenden Wildschäden zu vermindern ist
eine Jagd bei Mondschein kaum mehr wegzudenken.
Grundsätzlich gilt bei der Nachtjagd die Forderung nach verantwortungsbewusstem Schiessen weit mehr als sonst. Kein anderes Schalenwild wird wahrscheinlich so häufig krank geschossen
wie Schwarzwild. Das liegt sicher auch daran, dass auf Sauen bei
diffusen Lichtverhältnissen leichtsinnig geschossen wird. Genau
wie bei jeder anderen Wildart darf hier aber auch nur auf sicher
angesprochene und in der Zieloptik klar erkennbare Stücke geschossen werden. Das setzt natürlich ein genügendes Mass an
Helligkeit und eine möglichst hindernisfreie Sicht voraus. Sind
die Feldfrüchte schon zu hoch gewachsen, so lohnt sich der
Ansitz an der momentanen Schadfläche meist nicht mehr, sondern man muss die Sauen beim An- beziehungsweise Abwechseln abpassen. Die Ausnahme bilden dabei grössere niedergemachte Flächen innerhalb des betreffenden Feldes.
Mondphasen
In den Monaten Mai bis August steht der Mond nicht sehr hoch
über dem Horizont und bietet daher für den reinen Waldjäger in
der Regel nicht genügend Licht, um eine weidgerechte Schwarzwildbejagung durchführen zu können. Hinzu kommen die üppige Vegetation und das dichte
Kronendach der Bäume. Für
den Feldjäger wird die Helligkeit in den meisten Fällen
aber ausreichen. Von September bis Februar steht der Mond
erheblich über dem Horizont
(etwa 40° bis 67°). Beim hoch
stehenden Mond ist der Weg
der Lichtstrahlen durch die Atmosphäre kürzer als bei niedrig stehendem. Die fürs Auge nutzbare Lichtausbeute ist daher meist höher. Da die meisten Jäger berufstätig sind, kommt
vorzugsweise die erste Nachthälfte für den Mondscheinansitz
in Frage. Das heisst, der zunehmende Mond bis hin zum Vollmond hat für die Nachtjagd die grösste Bedeutung. Beim zunehmenden Viertelmond ist die Ansitzdauer noch relativ kurz, da er
recht bald am westlichen Horizont untergeht. Die Lichtverhältnisse sind, bedingt durch die schmale Mondscheibe, relativ ungünstig und reichen für die meisten Jäger nicht aus. Nimmt der
Halbmond hingegen zu, lässt es sich recht gut jagen, zumal der
Mond am Abend schon hoch am Himmel steht und bis kurz nach
Mitternacht ein durchaus brauchbares Licht abgibt. Drei Tage
vor bis drei Tage nach dem Vollmond lässt es sich am besten
jagen. In dieser Zeit geht der Vollmond früh auf und erst gegen
Morgen wieder unter. Nach dem Vollmond verzögert sich der
Mondaufgang aber von Tag zu Tag, das heisst, die Jagdzeit verschiebt sich immer mehr in die Nacht. Die abnehmende Mondphase hat für den Jäger lange nicht die Bedeutung wie die anderen Phasen, da der Mond erst spät in der Nacht aufgeht und
daher das Jagen erst in den Morgenstunden möglich ist.
«Der Jäger hat seine Chance und das
Wild auch. Manchmal ist das Wild schlauer
als wir selbst. Nicht immer gibt es
Weidmannsheil.»
An der Kirrung
Bei der Anlage von Kirrungen sind die jeweiligen kantonalen
Jagdgesetze zu beachten. Hat man sich mit ihnen vertraut gemacht, kann die Anlage einer Kirrung in die Tat umgesetzt
werden. Kirrungen sollten niemals in die Haupteinstände des
Schwarzwildes, beziehungsweise in die Nähe von Ablenkfütterungen gelegt werden. Durch die Bejagung werden die Sauen
vergrämt. Erhöhte Wildschäden wären die Folge. Kommt auch
Rotwild im Revier vor, muss die Kirrung auf jeden Fall von deren
Einständen entzerrt werden, da es sonst abwandert. Die nächtliche Pirsch muss aber hier in jedem Fall unterbleiben. Kirrungen sollten möglichst im deckungsreichen Gebiet liegen und
bei den stärksten frequentierten Wechsel liegen. Befindet sich
eine Suhle in der Nähe, erhöht das das Weidmannsheil. Hecken
und Buschgelände sowie Schlagflächen ohne hohen Baumbestand (Schatten) sind engen Schneisen vorzuziehen. Hier liegt
immer ein Teil im Mondschatten, und die Reaktion der beschossenen Sau kann nicht beobachtet werden. Der ideale Kirrplatz
sollte so gross sein, dass die gesamte Rotte in Ruhe beobachtet werden kann und dadurch eine Selektion möglich ist. Bitte
In den Tagen kurz vor und nach
Vollmond sind die Bedingungen
ideal, um die Ansitzjagd
auszuüben. Der Kirrplatz sollte
auch bei Mondschein genügend
hell sein, damit die Sauen
problemlos angesprochen
werden können.
JAGDKAMERADEN
02 | 15
Halle 5 / 5-231
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MONATSTHEMA
Schwarzwild auf offenen Flächen bei
Vollmond anzupirschen erfordert viel jagdliches
Können.
auch die Hauptwindrichtung beachten. Kirrplätze im Feldrevier
sind so anzulegen, dass die Sauen nicht ins Feld gelockt werden, sondern auf dem Weg dorthin abgefangen werden. In der
Nähe der Kirrung sollte ein bequemer, möglichst überdachter
Hochsitz stehen, von dem aus gejagt werden kann. Schliesslich muss der ansitzende Jäger mit einer längeren Verweildauer
rechnen. Für die warmen Sommernächte im Feldrevier tut es
aber auch schon eine bequeme – mobile – Leiter.
Auf der Pirsch
Wolkenlose und strahlend helle Vollmondnächte eignen sich in
viel bejagten Feldrevieren nicht zur Pirsch, da sich das Schwarzwild in der Regel nicht auf die offenen Flächen traut. Besser
sind da schon Mondnächte mit geschlossener, aber dünner
Bewölkung, in denen der Jäger nicht schon von weitem gesehen wird. Schreckendes Rehwild oder flüchtendes Rotwild lassen Sauen aufmerksam werden, obwohl ja bekannt ist, dass das
Schwarzwild nur ein geringeres Sehvermögen hat. Hastige Bewegungen sind zu vermeiden, ein langsames Pirschen gegen
den Wind ist angesagt. Es hat keinen Sinn, hoch stehende Getreide- oder Maisschläge anzugehen, es sei denn, es befinden
sich niedergewalzte Flächen darin. Man hört die Sauen zwar
schmatzen und quieken, kommt aber aufgrund der hohen Vegetation nicht zum Schuss. Besser eignen sich da schon abgeerntete Feldfruchtflächen oder nicht zu hohe Wiesen. Übrigens
sind im Gebräch stehende Sauen bei passendem Wind relativ
leicht anzugehen. Die Sauen sind so mit sich und dem Frass
beschäftigt, dass sie die vom pirschenden Jäger verursachten
Geräusche in der Regel nicht vernehmen. Die Pirsch im Wald
setzt genau wie die im Feld eine genaue Ortskenntnis voraus.
Es ist schon gut zu überlegen, wo sich die Sauen um welche
Uhrzeit einstellen könnten und sich dann den Pirschweg zu planen. Die Mondscheinjagd im reinen Wald hat im Gegensatz zum
Feld erst nach dem Laufabfall Sinn. In der Zeit davor können die
Sauen in der Regel nur schwer angesprochen werden. Altholzbestände aus Buchen und Eichen sind nach Beginn des Fruchtabfalls ein starker Anziehungspunkt für das Schwarzwild. Hier
lohnt sich die Mondscheinpirsch fast immer. Die herabgefallenen Eicheln und Bucheckern bilden einen magischen Anziehungspunkt. Laut schmatzend stehen die Sauen unter den alten
Bäumen und ein Angehen ist relativ problemlos, es sei denn,
ein Ast bricht laut knackend unter den Schuhsohlen des Jägers.
Traumhaft ist die Winterpirsch auf Sauen. Liegt lockerer, weicher Schnee, können bereits bei Halbmond bevorzugte Frassplätze langsam – nahezu als «Stehendpirsch» angegangen werden. Schneehemd, eine vertraute Büchse mit sauengeeignetem
Kaliber und lichtstarke Optik gehören dann zur Grundausrüstung des Jägers. Eines darf der die Nachtjagd ausübende Jäger
auf gar keinen Fall vergessen: Mit den Mitjägern muss genau
abgesprochen werden, in welchem Revierteil wer ansitzt oder
pirscht. Dort hat sich dann auch kein anderer Jäger aufzuhalten!
Zum Schluss gilt: Mondjagd birgt die grössten Chancen auf einmaligen Anblick, aber auch die grössten Gefahren, die Gefährten der Nacht massiv zu vergrämen. Aber die Faszination dieses
Weidwerks bleibt. Mit dem Mondlicht lässt sich ein Licht in die
Dunkelheit bringen, das die jagdlichen Möglichkeiten erweitert.
Doch eines sei hier auch gesagt. Der Jäger hat seine Chance und
das Wild auch. Manchmal ist das Wild schlauer als wir selbst.
Nicht immer gibt es Weidmannsheil. Aber das macht auch den
Reiz des Jagens aus. Wer das noch nicht ausgeübt hat oder
keine Gelegenheit dazu hatte, weiss gar nicht, was er bislang
verpasst hat…
Autor Andreas Hausser
49 Jahre, verheiratet, 4 Kinder, ist Rehwildjäger
und jagt in einem hohenlohischen Revier bei
Schrozberg. Er verfasst regelmässig Beiträge
für in- und ausländische Jagdzeitschriften, darunter auch für den «Schweizer Jäger».