SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 07.01.1610 Galileo entdeckt 4 Jupiter-Trabanten Von Pit Klein Sendung: 07.01.2017 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autor: Die ehrwürdigen Senatoren der Republik Venedig waren beeindruckt: Vom hohen Turm des Campanile blickten sie durch das Fernrohr des Galileo Galilei und setzten sich inwendig auf den Hintern. Die Kirche von Padua, die fast drei Dutzend Kilometer vom Campanile entfernt liegt, rückte auf ein paar lächerliche Kilometer heran, und die Insel Murano, gute zwei Kilometer weit weg, näherte sich bis auf einige hundert Meter. Es ist, schrieb einer von ihnen begeistert nieder, ein Rohr mit dem man auf dem Meere "die Fahrzeuge und Segel des Feindes zwei Stunden früher entdecken" konnte, als dies dem Feind möglich war. Galileo Galilei, damals Professor für Mathematik an der venezianischen Universität zu Padua, hatte mit diesem Rohr jedoch nichts kriegerisches im Sinn. Er, der bis dahin zum Beispiel eine Schrift über die hydrostatische Waage des Archimedes verfasst und das Ding mit eigener Hand nachgebaut, eine Vorrichtung zum Heben des Wassers und damit verbundener Bewässerung entworfen und eine Gebrauchsanweisung zur Vergrößerung eines Kapitals durch Zinseszinsen geschrieben hatte, der dieses Fernrohr auch gar nicht selbst erfunden, wohl aber verbessert hatte, linste damit einfach in den Himmel, machte in der Nacht vom 7. Januar 1610 eine überraschende Entdeckung: "Als ich die Sterne mit dem Fernrohr ansah, zeigte sich mir Jupiter; und weil ich wirklich ein ausgezeichnetes Instrument gebaut hatte, sah ich nahe bei dem Planeten drei Sterne, zwar klein, aber sehr hell die ich früher nicht bemerkt hatte, weil mein vorhergehendes Fernrohr weniger gut war." Nachts darauf hatten die Sterne ihre Stellung zu Jupiter verändert: Standen erst zwei im Osten und einer im Westen, so waren jetzt alle drei nach Westen gewandert, zwei Nächte später hatten sie wieder den Osten erreicht, aber da waren ihrer nur noch zwei, und wiederum einige Nächte später waren es ihrer gar vier, Da dämmerte dem angehenden Astronomen Galileo Galilei, dass sich die entdeckte Viererbände nicht aus Sternen, sondern aus Monden zusammensetzte, die um den Jupiter kreisten. Mit Betroffenheit musste Galileo Galilei feststellen, dass seine geliebte Kirche mit ihrem aristotelischen Weltbild irrte: Die Erde war nicht der ruhende Mittelpunkt der Welt, umkreist von den sieben Planeten und ihren Sphären, deren äußerste Sphäre die der Fixsterne war. Die Erde war vielmehr ein Stäubchen im Weltall, die Sonne ein Fixstern unter anderen. Das war die wissenschaftliche Erkenntnis des Nikolaus Kopernikus, und die hasste das römisch-katholische Rom wie der Teufel das Weihwasser. Galilei hatte sich und seine Existenz bis dahin nie dadurch aufs Spiel gesetzt, das er- sich in Vorlesungen, wissenschaftlichen Disputen oder Veröffentlichungen zur kopernikanischen Lehre bekannt hätte. Dabei hätte er das als Professor auf Lebenszeit in Padua ohne Gefahr machen können: Die Republik Venedig hätte ihren renommierten Wissenschaftler mit mächtig leichter Hand vor Papst und Jesuiten geschützt und von der knochenknackenden Bedrohung durch die Heilige Inquisition ferngehalten. Jedoch, der kopernikanisch infizierte Galilei blieb nicht im schützenden Machtbereich Venedigs. Er war nicht nur gläubig, sondern auch ein Anhänger der florentinischen Familie Medici. Rom suchte er die Einheit von wissenschaftlichem Erkennen und frommem Glauben nahezubringen, den Medici -Fürsten war er dankbar dafür, dass sie ihm und seiner bei Florenz beheimateten Familie geholfen hatten, Galileo Galilei widmete seine vier JupiterMonde dem Florentiner Fürstenhaus und nannte sie "Mediceische Gestirne", Er wechselte von der venezianischen Universität Padua zur Florentiner Uni nach Pisa und begab sich so freiwillig in den inquisitorischen Einzugsbereich des Papstes und der Gesellschaft Jesu. Er schrieb den Dialog. Nicht, auf Latein für gebildete Insider, sondern auf Italienisch für das Volk. Es war die Darstellung gegensätzlicher 2 Auffassungen: Die Erde dreht sich nicht, sie dreht sich doch. Es war keine kopernikanische Polemik gegen Rom, Dennoch wurde der Greis Galilei brutal gezwungen, gerade einer solchen abzuschwören. Er hat das Volk verraten, schrieb der große Berthold Brecht. Jedoch, was kümmert es das Volk, dass sich die Erde dreht, es sei denn es ist unterhaltend. 3
© Copyright 2024 ExpyDoc