Memminger Zeitung vom 18.07.2016 - All

UNABHÄNGIGE TAGESZEITUNG FÜR MEMMINGEN UND DAS UNTERALLGÄU | ALLGÄUER ZEITUNG
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MONTAG, 18. JULI 2016
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Voigt offiziell nominiert
Als „Memminger unter den Bewerbern“ wurde Gottfried Voigt
(Freie Wähler) jetzt offiziell für die
Oberbürgermeister-Wahl am 23.
Oktober nominiert.
»Seite 25
Kommentar
VON SIMON KAMINSKI
» [email protected]
Der Egomane
von Ankara
E
Der Putsch ist gescheitert und das Volk schart sich um den Präsidenten: Recep Tayyip Erdogan zeigte sich gestern in Istanbul. Millionen Türken gingen auf die Straße, um das Staatsoberhaupt zu feiern. Währenddessen
läuft die Suche nach den Hintermännern des versuchten Staatsstreiches.
Foto: Gurkan Ozturk, afp
Erdogan schlägt nach Putschversuch zurück
Türkei Der Umsturz ist gescheitert, fast 300 Menschen sind tot. Und der Präsident kündigt mit martialischen Worten
Vergeltung an. Nutzt er die Gelegenheit, um seine Macht noch weiter auszubauen?
VON MICHAEL STIFTER
Augsburg Die türkische Regierung
hat den Umsturzversuch niedergeschlagen. Nun geht Recep Tayyip
Erdogan hart gegen die Putschisten
und deren vermeintliche Hintermänner vor. Der Präsident will sie
drakonisch bestrafen und bringt in
diesem Zusammenhang sogar die
Einführung der Todesstrafe ins
Spiel. Darüber könne im Parlament
gesprochen werden, sagte Erdogan
und fügte hinzu: „Es ist auch nicht
nötig, sich dafür von irgendwoher
eine Erlaubnis einzuholen.“ Allein
am Wochenende nahm die türkische
Polizei mehr als 6000 Menschen
fest, darunter den Militärberater
Erdogans, Ali Yazici. Und fast jeder
fünfte Richter wurde suspendiert.
Sie alle werden offiziell verdächtigt,
in den gescheiterten Staatsstreich
verwickelt zu sein.
Soldaten hatten in der Nacht von
Freitag auf Samstag versucht, die
politische Führung der Türkei zu
stürzen. Dabei kamen fast 300 Menschen ums Leben. Erdogan vermutet die Drahtzieher des Komplotts
aber nicht nur in den Reihen des
Militärs. Mit martialischen Worten
kündigte er gestern Vergeltung an:
„In allen Behörden des Staates wird
der Säuberungsprozess von diesen
Viren fortgesetzt. Denn dieser Körper, meine Brüder, hat Metastasen
produziert. Leider haben sie wie ein
Krebsvirus den ganzen Staat befallen.“ Den missglückten Staatsstreich nannte der Politiker einen
„Segen Gottes“.
Angesichts solcher Aussagen
wächst die Sorge, Erdogan werde
Die Rolle des türkischen Militärs
● Das türkische Militär mit seinen
knapp 640 000 Mitgliedern gilt als
eines der größten der Welt. Im Verteidigungsbündnis Nato stellen die
Türken nach den USA die zweitgrößte
Streitmacht. Im Innern des Landes
sehen sich die Soldaten als Hüter der
türkischen Verfassung und wurden
immer wieder wegen ihrer Macht als
Staat im Staate bezeichnet.
● Allein seit 1960 putschte das Militär
Attentäter von Nizza soll
Islamist gewesen sein
Terror Mann wird als gewaltbereit beschrieben
Nizza Wenige Tage nach dem Anschlag in Nizza wird das Profil des
Attentäters klarer. Entgegen ersten
Erkenntnissen war der 31-jährige
Mohamed Lahouaiej Bouhlel doch
ein Islamist. Laut Ermittlerkreisen
soll der Tunesier seinem näheren
Umfeld seine Radikalisierung gestanden haben. Ob er im Auftrag der
Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
handelte, bleibt noch ein Rätsel.
Nach Angaben einer dem IS nahestehenden Nachrichtenagentur war
er ein „Soldat“ des IS. Auf einer Gefährderliste stand er nicht.
Lahouaiej Bouhlel wurde 1985 in
Msaken bei Sousse in Tunesien geboren. In Nizza war er mit einer
Franko-Tunesierin verheiratet und
hatte drei Kinder. Doch seine Ehe
die dramatische Situation ausnutzen, um seine Macht noch weiter
auszubauen – auf Kosten demokratischer Grundrechte. Zumindest
große Teile der Bevölkerung scheint
er auf seiner Seite zu haben. Am
Wochenende gingen mehrere Millionen Menschen in der Türkei auf
die Straßen, um den Sieg über die
Putschisten zu feiern und eine „Wache für die Demokratie“ zu halten.
Auch in deutschen Städten demonstrierten türkische Bürger ihre Solidarität mit Erdogan.
ging in die Brüche, er hatte Justizund Finanzprobleme.
Derweil ist der Gang über die
Promenade des Anglais in Nizza zur
Trauerprozession geworden. Viele
hinterlassen Botschaften auf Zetteln. (dpa)
»Politik
Eine junge Frau drückt ihre Trauer in
Foto: Ian Langsdon, dpa
Nizza aus.
drei Mal, weil es etwa das von
Staatsgründer Kemal Atatürk festgelegte Prinzip der Trennung von
Religion und Staat durch die Politik
türkischer Politiker gefährdet sah.
● 1952 trat die Türkei der Nato bei.
Das türkische Militär wird durch
Truppen von Nato-Partnern im Land
verstärkt. Es sollen auch Atombomben auf dem türkischen Militärstützpunkt Incirlik stationiert sein. (dpa)
Erneut Todesschüsse
auf US-Polizisten
Baton Rouge In Baton Rouge
(Louisiana/USA) sind gestern drei
Polizisten im Alter von 32, 41 und
45 Jahren erschossen worden. Drei
weitere Beamte seien durch Schüsse
verletzt worden, teilte die Polizei
mit. Den Medien zufolge schwebt
mindestens einer der Verletzten in
Lebensgefahr. Weiter wurde bekannt, die Schüsse seien offenbar
von einem mit einem Sturmgewehr
bewaffneten Täter abgegeben worden, möglicherweise aus dem Hinterhalt. Ob der Mann dabei getötet
wurde, blieb zunächst unklar. Am 5.
Juli war ein 37-jähriger Schwarzer
in Baton Rouge von Polizisten erschossen worden, während er am
Boden lag. Dies und ein Fall tödlicher Polizeischüsse auf einen
Schwarzen hatten in den USA landesweit Proteste ausgelöst, bei denen in Dallas fünf Polizisten ermordet worden waren. (dpa, afp)
In Istanbul und Ankara hatten
sich schon in der Nacht zum Samstag viele Anhänger des Staatsoberhauptes dem Militär entgegengestellt. Der Präsident selbst hatte sie
aufgefordert, als er live auf Sendung
via Telefon mit einer Fernsehmoderatorin sprach. Nachdem der Umsturz niedergeschlagen war, kam es
zu brutalen Racheaktionen an Soldaten, die sich ergeben hatten.
Wird sich die Führung in Ankara
bei der Verfolgung der tatsächlichen
oder vermeintlichen Putschisten
nun an Recht und Gesetz halten?
Das ist eine der entscheidenden Fragen und es gibt Zweifel daran. Angela Merkel verurteilte den Umsturzversuch „aufs Schärfste“, zugleich mahnte die Kanzlerin: „Gerade im Umgang mit den Verantwortlichen für die tragischen Ereignisse
der letzten Nacht kann und sollte
sich der Rechtsstaat beweisen.“ Österreichs Außenminister Kurz
warnte, der gescheiterte Umsturz
dürfe kein Freibrief für Willkür
sein. Und US-Präsident Obama rief
alle Parteien in der Türkei zu „gesetzmäßigem Handeln“ auf.
Erdogan kündigte ein gnadenloses Vorgehen gegen Anhänger seines Erzfeindes Fethullah Gülen an,
den er als Drahtzieher des Komplotts vermutet. Der im US-Exil lebende Prediger wies die Anschuldigungen zurück. „Meine Botschaft
an das türkische Volk ist, eine militärische Intervention niemals positiv
zu sehen“, sagte der 75-Jährige. Die
türkische Führung fordert von den
USA die Auslieferung Gülens. Jedes
Land, das ihn unterstütze, befinde
sich im Krieg mit der Türkei, sagte
Ministerpräsident Binali Yildirim –
also allen voran die USA. Damit
droht eine Eiszeit zwischen den beiden Nato-Partnern. (mit dpa)
»Kommentar Simon Kaminski über
den schwierigen Partner Erdogan
»Leitartikel Susanne Güsten über die
Türkei auf dem Weg zum „Ein-MannStaat“
»Die Dritte Seite Die dramatische
Nacht in Istanbul und Ankara
»Das aktuelle Thema Michael Stifter
über die Suche nach den Drahtziehern.
Martin Ferber über die Folgen für das
deutsch-türkische Verhältnis
Stuttgarter Häuser
sind Weltkulturerbe
Unesco Auszeichnung für Corbusier-Architektur
Stuttgart Zwei Häuser der Stuttgarter Weissenhofsiedlung des Stararchitekten Le Corbusier gehören
nach zwei vergeblichen Anläufen
jetzt zum Weltkulturerbe. Die
Unesco zeichnete am Sonntag in Istanbul Bauwerke Le Corbusiers auf
diese Weise aus. Die Kulturorganisation der Vereinten Nationen wollte die Entscheidung ursprünglich
bereits am Samstag fällen. Das
Welterbekomitee hatte seine Sitzung aber wegen des Putschversuchs in der Türkei unterbrochen.
Die Zahl der Welterbestätten in
Deutschland stieg mit der Neuaufnahme in Stuttgart auf 41.
Das Welterbekomitee hatte am
Sonntag in Istanbul insgesamt 17
Arbeiten Le Corbusiers in die Liste
schützenswerter Kulturgüter aufgenommen. Es geht dabei um Bauwerke in sieben Ländern auf drei Kontinenten. Der schweizerisch-französische Architekt und Stadtplaner Le
Corbusier (1887–1965) habe die Architektursprache international revolutioniert, hieß es bei der Sitzung
des Welterbe-Komitees in Istanbul.
Stuttgarts
Oberbürgermeister
Fritz Kuhn (Grüne) bewertete die
Weissenhofsiedlung auch nach fast
100 Jahren noch vorbildhaft: „Le
Corbusiers Impuls, günstige Wohnungen mit innovativen Grundrissen und neuen Materialien zu bauen,
ist noch immer wegweisend und
muss daher Ansporn für unsere Architekten und Stadtplaner sein.“
(dpa)
»Feuilleton
s ist noch gar nicht so lange her,
dass der Westen voller Hoffnung auf die Türkei blickte. Als
Symbol dafür, dass auch in einer
islamisch geprägten Gesellschaft
Demokratie und eine moderne
Wirtschaft blühen können. Mag
sein, dass diese Vision eines Tages
irgendwo auf der Welt Wirklichkeit
wird – am Bosporus scheint dieser
Traum auf lange Sicht ausgeträumt.
Schlimmer noch. In Ankara wird
vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein ernüchterndes Schauspiel
aufgeführt: Staatschef Erdogan
übersteht einen Putsch der Armee
und nutzt diesen Erfolg entschlossen, seinen eigenen schleichenden
Staatsstreich gegen Demokratie
und Pressefreiheit zu beschleunigen. Der gewählte Präsident schert
sich längst nicht mehr um die
Grenzen seiner von der Verfassung
garantierten – eher repräsentativen
– Befugnisse. Ein Fanal ist die Absetzung tausender Richter.
Nach diesem Wochenende wird
es für den Westen noch schwieriger werden, mit der Türkei konstruktiv zu kooperieren. Und dennoch ist es sinnvoll, weiter mit dem
Egomanen von Ankara zu reden.
Denn auch Erdogan kann sein
instabiles Land nicht völlig ohne
Rücksicht auf seine Partner und
Widersacher führen.
Heute in Ihrer Zeitung
Weltrekord im Triathlon
Ironman-Weltmeister Jan Frodeno
hat einen Weltrekord aufgestellt.
Der 34-Jährige benötigte für 3,86
Kilometer Schwimmen, 180 km
Radfahren und 42,195 km Laufen
7:35:39 Stunden. (AZ) »Sport
Letzte Chance
für Ferien-Jobber
Schüler, die sich noch nicht um
ihren Ferien-Job gekümmert
haben, können aufatmen. Für eine
Bewerbung ist es nicht zu spät, so
die Bundesagentur für Arbeit sowie
die IHK.
»Geld & Leben
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