SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Wolfgang Bosbach (CDU), Innenpolitiker, gab heute, 29.07.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Pro-Erdogan-Demo“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Florian Rudolph. Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 29.07.2016 Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Bosbach (CDU) warnt vor Zugeständnissen an Erdogan Baden-Baden: Vor der für Sonntag geplanten Kundgebung von Anhängern des türkischen Präsidenten Erdogan in Köln warnt der CDU-Innenpolitiker Bosbach vor steigendem Einfluss Ankaras in Deutschland. Rechtlich sei gegen die Veranstaltung nichts einzuwenden. Bosbach sagte im SWR-Tagesgespräch, er bedaure aber, dass es offensichtlich ohne weiteres möglich sei, Tausende zu mobilisieren, die begeistert sind, dass die Türkei mit Riesenschritten von einer Demokratie in Richtung autoritäres Regime abdrifte. Bosbach hält es in diesem Zusammenhang für völlig richtig, dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann die Aufforderung der Türkei zurückgewiesen hat, Schulen, Einrichtungen und Vereine im Südwesten zu überprüfen, die der Gülen-Bewegung nahestehen. Das Gleiche gelte für die Aufforderung, angeblich nach Deutschland geflohene Putschisten an die Türkei auszuliefern. Da brauche man zunächst gerichtsfeste Beweise, die eine Auslieferung rechtfertigen könnten. Von rechtsstaatlichen Verhältnissen im deutschen Sinne könne derzeit in der Türkei nicht die Rede sein. Im SWR-Tagesgespräch sagte Bosbach, Deutschland sei nicht der Erfüllungsgehilfe des autoritären Herrschers Erdogan zur Unterdrückung der hier lebenden türkischen oder türkisch-stämmigen Bevölkerung. Bosbach warnt in diesem Zusammenhang davor, aus Sorge um den mit der Türkei ausgehandelten Flüchtlingsdeal die Augen zu verschließen und Dinge nicht mehr beim Namen zu nennen. „Wir dürfen den Schlüssel für den Weg nach Europa nicht einem Herrscher wie Herrn Erdogan in die Hand geben“, so Bosbach. Wortlaut des Live-Gesprächs: Rudolph: Die Türkei nach dem Putschversuch, da sind zigtausende Festnahmen und Entlassungen, Foltervorwürfe, ein ungenierter Flirt mit der Todesstrafe und aktuell auch noch die Schließung von Zeitungen, Radio und TV-Station. Darf für den, der das alles angeordnet hat in Deutschland geworben werden? Bosbach: Rechtlich ist das möglich, zumal ein großer Teil derjenigen, die diese Demonstration angemeldet haben, wahrscheinlich auch derjenigen die an der Demonstrationen teilnehmen mittlerweile Deutsche oder auch deutsche Staatsbürger sein dürften und dennoch bedaure ich es sehr, dass es offensichtlich ohne weiteres möglich ist, in kürzester Zeit viele tausend zu Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) mobilisieren, die geradezu begeistert davon sind, dass die Türkei mit Riesenschritten von einer Demokratie in Richtung autoritäres Regime abdriftet und sich immer weiter von Europa und den europäischen Werten entfernt. Übrigens: Nicht erst seit dem gescheiterten Putschversuch. Erdogan geht schon seit langer Zeit - zurückhaltend formuliert – mit harter Hand, insbesondere im Südosten der Türkei, gegen die Kritiker seines Regimes vor. Rudolph: Muss und darf man denn diese Leute, die da hingehen nach Köln, fragen, auf welcher Seite sie denn tatsächlich stehen? Bosbach: Das haben Sie ja selber in der Anmoderation richtig erwähnt, die UETD ist die Filiale der türkischen Regierungspartei AKP bei uns Deutschland beziehungsweise in der Europäischen Union. Das ist die Werbeplattform für Erdogan. Denken Sie mal an die großen Wahlkampfveranstaltungen von Erdogan in der Kölner Lanxess Arena. Auch da war meines Wissens nach UETD der Veranstalter. Also das ist nicht zum ersten Mal, dass man da für ihn die Werbetrommel rührt. Rudolph: Holen wir uns den innertürkischen Konflikt ins Land oder ist das Ihrer Ansicht nach bereits geschehen? Bosbach: Das ist schon geschehen. Übrigens schon seit langer Zeit. Ich kann mich noch gut daran erinnern, etwa Mitte der 90er Jahre hatten wir heftige, auch gewaltsame Auseinandersetzungen in Deutschland. Das lief damals unter der Überschrift „KurdenKrawalle“. Der traurige Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen war eine Entwaffnung eines Polizisten auf der Autobahn A4 zwischen Köln und Aachen. Dass heißt, das sind ja keine grundlosen Besorgnisse, sondern wir haben bittere Erfahrungen gemacht und deswegen betone ich seit vielen, vielen Jahren, wir müssen aufpassen, dass wir nicht Konflikte, die ihre Ursachen in anderen Ländern und Regionen haben zu uns nach Deutschland importieren und das diese Konflikte hier mit Gewalt auf unseren Straßen und Plätzen und auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden. Rudolph: Der türkische Außenminister fordert jetzt nach Deutschland geflohene, angebliche Putschisten auszuliefern. Ja, wie reagiert man auf so ein Ansinnen? Bosbach: Genau so, wie die USA reagiert haben auf das Ansinnen, Gülen auszuliefern. Kühl. Es ist doch völlig richtig, dass wir sagen, so, jetzt wollen wir aber erst einmal Fakten. Wir wollen erst mal gerichtsfeste Beweise, ob schwere Straftaten begangen worden sind, die eine Auslieferung rechtfertigen könnten. Auch deshalb, weil ja von rechtsstaatlichen Verhältnissen in unserem Sinne, jedenfalls im Moment, in der Türkei nicht die Rede sein kann. Rudolph: Sind die von Ankara verfolgten, die es ja bei uns auch gibt, sind die bei uns wirklich sicher? Bosbach: Wir haben auch Hinweise darauf, dass es Aktivitäten türkischer Geheimdienste hier bei uns in Deutschland geben könnte und dennoch, gerade weil sie ja nicht nur aber auch zu uns gekommen sind, sagen die Betroffenen wohl selber, hier fühlen wir uns sicher, relativ sicher. Jedenfalls sicherer als in den Krisenregionen in der Türkei selber. Rudolph: Das türkische Generalkonsulat fordert Vereine, Schulen und Einrichtungen zu überprüfen, die angeblich von der Gülen-Bewegung im Südwesten hier bei uns in BadenWürttemberg betrieben werden. Das hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann bereits scharf zurückgewiesen. Die Frage, wie groß ist Erdogans Einfluss denn hier bei uns tatsächlich? Was würden Sie sagen? Bosbach: Der Einfluss ist enorm. Zum einen wegen der hohen Zahl von türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern oder von türkisch-stämmigen oder von Doppelstaatler, deren Herz ganz offensichtlich jedenfalls zu einem großen Teil noch für die Türkei und vor allen Dingen überwiegend für das Regime Erdogan schlägt. Und deswegen ist es völlig richtig, dass Ministerpräsident Kretschmann das scharf zurückgewiesen hat. Wir sind hier nicht der Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) verlängerte Arm der AKP. Wir sind nicht die Erfüllungsgehilfen des autoritären Herrschers Erdogan zur Unterdrückung der hier lebenden türkisch oder türkisch-stämmigen Bevölkerung, die sich nicht dem Willen der AKP beugen. Das gilt aber nicht nur für die jüngsten Konflikte. Das gilt auch zum Beispiel für den Einfluss der Diyanet. Diyanet ist das türkische Amt für Religionsangelegenheiten. Der deutsche Ableger heißt Ditib, wird streng an der Leine der türkischen Administration geführt. Die haben einen erheblichen Einfluss auf die MoscheeGemeinden und deren Arbeit hier in Deutschland. Rudolph: Aber kann man sich über das alles aufregen, wenn man andererseits am Flüchtlingsdeal mit der Türkei festhält? Ermutigt man Erdogan nicht sogar dazu, zu schalten und walten wie er will? Bosbach: Ermutigt ist vielleicht etwas scharf formuliert, aber Ihre Besorgnis die zum Ausdruck kommt, ist leider berechtigt. Wir müssen schon aufpassen, dass wir nicht die Augen verschließen oder, dass wir nicht aus falscher Zurückhaltung die Dinge nicht mehr beim Namen nennen, weil wir Angst haben, sonst wird Herr Erdogan aber ärgerlich und dann könnte der Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei ins Wanken geraten. Das ist ja gerade das Kernproblem dieses Abkommens. Wir dürfen den Schlüssel für den Weg nach Europa nicht einem Herrscher wie Herr Erdogan in die Hand geben. Wenn wir aber selber sagen, dass ist der Fehler, wenn wir selber sagen, wir sind überhaupt nicht in der Lage unsere Grenzen zu schützen, wenn die EU selber sagt, die EU-Außengrenzen sind so groß, die Staaten, die Außengrenzen haben, sind objektiv mit dem Grenzschutz überfordert, dann macht man sich abhängig von anderen Staaten, in diesem Falle von der Türkei und wir dürfen nicht von der Türkei politisch abhängig werden. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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