ErkenntnisseübereinenmachtgierigenEgomanen

Dienstag, 28. Juni 2016 · nummer 148
Die Seite Drei
Seite 3 ABcDE
Wahlkampfauftritt in Bildern: Donald trump – hier bei einer rede im US-Bundesstaat New Hampshire im Juni 2016 – spaltet mit seinen kruden thesen nicht nur das Land, sondern auch die republikanische Partei. Fotos: dpa
Erkenntnisse über einen machtgierigen Egomanen
Donald Trump will für die US-republikaner ins Weiße Haus einziehen. Der Journalist Michael D'Antonio beschreibt ihn als Kunstfigur, die vor allem manipulativ ist.
Von Christina
handsChuhmaCher
einem mächtigen Republikaner im
US-Kongress, gehört, dass Ryan
Trump bei einem Treffen die
Grundlagen der Verbindung zwischen dem Präsidenten und dem
Kongress erklären musste. Basiswissen also. Ich glaube, Trump hat
unser politisches System noch gar
nicht verstanden.
Aachen. Er hat ihn zu fünf Gesprächen getroffen, dann brach Donald Trump den Kontakt ab. Der
Grund: Der Journalist und Autor
Michael D’Antonio hatte es gewagt,
mit einem Menschen zu sprechen,
den Trump hasst. Die Arbeit an seiner Biografie „Die Wahrheit über
Was ist in den USA passiert, dass
Donald Trump“ (siehe Infobox)
ein Populist wie trump tatsächlich
die Chance hat, Präsident zu werhat D’Antonio trotzdem fortgeden?
führt. Im Interview mit unserer
Zeitung erläutert der preisgekrönte D’Antonio: Die USA haben – wie
US-Journalist die Gründe für viele andere Industrienationen
Trumps politischen Aufstieg, be- auch – das Problem, dass sich die
leuchtet seinen Charakter und er- wirtschaftliche Situation veränklärt, was den voraussichtlichen Präsidentschaftskandidaten der
„Für mich ist klar, dass er nur
US-Republikaner
antreibt.
nach persönlicher Macht
strebt. er hat keine Agenda,
Sie haben Donald trump
mehrmals getroffen und
keine politische Philosophie.“
ausführliche Gespräche
MichAEl D’AnTonio,
mit ihm geführt. Wie haTruMp-BiogrAf
ben Sie ihn erlebt?
Michael D’Antonio: Er ist
wie die Person, die wir im
Wahlkampf sehen. Er ist sehr auf dert: Die Löhne von Arbeitern sinsich selbst fokussiert. In Gesprä- ken, der Mittelstand steigt ab, es
chen mit ihm geht es nur um seine gibt Angst, im globalen Wettkampf
Erfolge, oder er beschwert sich, abgehängt zu werden. Einige Amedass sein Reichtum, seine Brillanz rikaner sehen schwarz für ihre Zuoder sein Aussehen nicht genug kunft, angesichts der Konkurrenz
gewürdigt werden. Ich glaube, ich aus Asien etwa. Trump nutzt das
habe noch nie einen Mann getrof- geschickt aus. Wir hatten schon
fen, der mehr mit seinem Ausse- lange keinen Demagogen dieser
hen beschäftigt ist als er und der so Art mehr. Befremdlich ist ja auch,
viel Wert darauf legt, dass die Leute dass er ein TV-Star ist. Er ist seit
ihn für gut aussehend halten.
mehr als zehn Jahren im TV zu sehen und mit einem großen Vorteil
Klingt sehr oberflächlich. trump hat gestartet: Er hatte die Aufmerkes dennoch so gut wie geschafft, samkeit der Bevölkerung. Er hat
Kandidat der US-republikaner zu keinerlei politische Vorgeschichte,
werden. Damit hat er eine realisti- weswegen man ihm nicht vorwersche Chance, Präsident zu werden. fen kann, zum Beispiel als GouverWie sehr besorgt Sie das?
neur dieses oder jenes versäumt zu
D’Antonio: Ich bin sehr besorgt, haben. Stattdessen symboliaber es hat mich leider nicht über- siert Trump für viele Menrascht, dass er die Nominierung schen schlichtweg Macht.
gewonnen hat. Sein Wille zur
Macht ist extrem stark. Es gibt nur
Was erhoffen sich seine
wenige Dinge, die er angestrebt
Wähler von einem Präund dann nicht erreicht hat. Als er
sidenten
Donald
trump?
mir 2013 sagte, dass er sich für das
Amt des Präsidenten bewerben D’Antonio: Es sind
will, war ich skeptisch. Ich hielt mehrere Sachen: Interseine Idee für lächerlich, denn er national erhoffen sie
rechnete sich aufgrund seiner sich, dass er extrem
Popularität in den Sozialen Netz- durchsetzungsfähig
werken gute Chancen aus. Er er- sein wird und die andezählte mir, dass ihm dort täglich ren Staaten zwingen wird,
Hunderte Leute sagten, dass er für nach seiner Pfeife zu tandas Amt des Präsidenten kandidie- zen. Das könnte
ren soll. Für mich ist klar, dass er zum Beispiel
nur nach persönlicher Macht bedeuten,
strebt. Er hat keine Agenda, keine dass er den
politische Philosophie. Er versteht Einsatz der
nicht wirklich, wie die verschiede- US-Streitnen Elemente unserer Regierung kräfte zur
arbeiten. Ich habe von einer Quelle Unterstütaus dem Büro von Paul Ryan, zung von
Verbündeten an Bedingungen
knüpft. Was das Leben in den USA
angeht: Die Leute sind auf Geld fixiert. Sie glauben, dass Trump
unsere Handelsvereinbarungen so
verändern könnte, dass die amerikanische Industrie massiv profitiert. Es ist Wunschdenken – als ob
ein Präsident einen Zauberstab hat
und alles ermöglichen kann.
So wie es sein Wahlkampfslogan
„Make America great again“ („Amerika wieder großartig machen“) verspricht. . .
D‘Antonio: Trump sagt, dass er aus
Amerika ein Land machen will wie
in einer TV-Serie aus den 1950er
Jahren. Alle Menschen sind weiß,
halten sich an die Gesetze, sind
wohlsituiert und glücklich, und es
gibt kein Leid und keine Armut.
Das ist offensichtlich eine Fantasie. Amerika war für sehr viele
Leute kein gutes Land in den
1950ern. Wenn du aber eine
weiße, wütende Person bist, dann
stellst du dir vor, dass deine Probleme gelöst wären, wenn diese
Zeit zurückkäme.
Viele Amerikaner sehen sich vom
establishment abgehängt. Aber warum hoffen sie gerade auf trump,
der doch durch seine Herkunft auch
teil des establishments – wenn
auch nicht des politischen – ist?
D’Antonio: Trump wurde in eine
der reichsten Familien des Landes
hineingeboren. Das Verstörende
ist: Der Trump, den die Menschen
jetzt unterstützen, ist ein fiktiver
Charakter. Es ist eine Figur, die
Trump schon in den 1970er Jahren
erschaffen hat. In seiner Vorstellung repräsentiert er, was er den
„Milliardär der Leute“ nennt:
einen Menschen, der schwerreich
ist, aber trotzdem Wut auf das System verspürt. So kann er für andere Identifikationsfläche
bieten und die Hoffnung
verkörpern,
dass auch sie eines
Tages sehr reich sein
werden. Ich glaube,
dass die Figur, die er
da erschaffen hat,
den
wirklichen
Donald
Trump
verdrängt hat. Er
lebt sein Leben und
ist dabei immerzu
ein Darsteller seiner selbst. Er
lässt die
dann dort steht als der Mann, der
Räume, die er betritt, speziell auslange unterschätzt?
leuchten und will, dass die Men- D’Antonio: Ja, er wurde lange Zeit denjenigen besiegt hat, der sich
schen um ihn herum schlank und als bloße Belustigung betrachtet. über ihn lustig machte. Trump
schön angezogen sind. Frauen Wir haben hier in den USA viele nimmt alles persönlich, er ist so
müssen wie Filmstars aussehen, dieser 24-Stunden-Nachrichten- dünnhäutig. Er fühlt sich von alund Männer sollen perfekt ge- sender, und sie brauchen ständig len angegriffen. Er sagt, wenn du
schnittene Anzüge tragen und gut Bilder und Nachrichten. Trump mich schlägst, schlage ich dich
frisiert sein. Es gab eine Zeit, da hat war für sie eine konstante Quelle. zehn Mal härter; als ob das ein verer an die Männer in seiner Umge- Viele Leute hielten das für lustig. nünftiger Ansatz wäre. Er ist ein
bung eine spezielle Creme verteilt, Bei intelligenten Menschen gilt sehr gestörter Mensch.
die sie vor einer Glatze bewahren Trump als Lügner und Demagoge.
Warum will trump unbedingt USsollte. Denn er wollte niemanden Aber ich treffe auch beinahe tägPräsident werden?
in seiner Umgebung, der dem klas- lich Leute, die Trump für eine Fühsischen Schönheitsideal nicht ent- rungsperson halten. Die Vorstel- Michael D’Antonio: Das ist das Einspricht. Jetzt ist er so sehr diese lung, dass er Präsident werden zige, was er in seinen Augen noch
Schöpfung, dass er, so hat er es mir könnte, gefällt ihnen.
nicht erreicht hat. Er kann nicht
gesagt, nicht gern über
Papst werden, und er kann nicht
sich selbst nachdenkt,
Präsident eines anderen Landes
werden, also will er Präsident der
weil er Angst davor hat,
„er lebt sein Leben und ist
USA werden. Es geht ihm nur dawelche Schlüsse er dadabei immerzu ein Darsteller rum, Aufmerksamkeit, Berühmtraus ziehen wird. Er vermeidet es, sich selbst zu
heit und Macht zu erlangen.
seiner selbst.“
analysieren und über seiTrump ist erregt von der Idee, dass
MichAEl D’AnTonio,
nen Einfluss auf andere
er jetzt – mit Erreichung der NomiTruMp-BiogrAf
nierung als republikanischer Präsinachzudenken, sondern
er macht einfach immer
dentschaftskandidat – eine historische Figur geworden ist und sein
weiter.
trump hat auch schon 1987, 1999 Name noch in Jahrzehnten beund 2011 öffentlich mit dem Präsi- kannt sein wird.
ist trump also vor allem jemand,
dentenamt geliebäugelt – aber es
der Menschen gut manipulieren
kann?
blieb bloß bei den Ankündigungen.
Welche Fähigkeiten qualifizieren
D’Antonio: Definitiv. Experten, die
Warum scheint ausgerechnet jetzt
trump zum US-Präsidenten?
der richtige Zeitpunkt für ihn ge- D’Antonio: Sein Wille zum Erfolg
sein Verhalten untersucht haben,
haben gesehen, dass er einen
kommen zu sein?
ist so groß, dass er alles tun wird,
hochgradig manipulativen Cha- D’Antonio: Zum Teil liegt es natür- um Misserfolge zu vermeiden. Falls
rakter hat. Er benutzt Methoden, lich an seinem Alter. Er ist jetzt 70 er Präsident werden sollte, ist das
die Verkaufspersonal benutzt, und und weiß, dass er vielleicht in vier meine einzige Hoffnung: Dass er
er hat sie perfektioniert. Es ist fast Jahren nicht noch einmal die eine desaströse Präsidentschaft
so, als hätte er die Kunst der Mani- Chance haben wird. Hätte er 2012 und damit einen Misserfolg verpulation studiert. Wenn er auf kandidiert, wäre er gegen einen be- meiden will und deshalb seinen
einer Bühne steht, lässt er be- liebten Präsidenten angetreten, impulsiven, aggressiven Charakter
stimmte Schlagwörter fallen: Zum der gerade seine erste Amtszeit ablegt und präsidial wird.
Beispiel sagt er die Wörter „illega- hinter sich gebracht hat. Das wäler Immigrant“, „Vergewaltigung“, ren keine guten Voraussetzungen
Denken Sie, dass er die Wahl gewin„Mord“ und „Drogen“. Es spielt gewesen. Trump weiß, wann er
nen wird?
keine Rolle, ob er ein stringentes seine Karte spielen muss. Zudem D’Antonio: Nein. Es gibt genug
Argument liefert. Der Punkt ist, hat auch seine Wut auf Präsident kluge Menschen im Land, die verdass er diese Worte los wird. Und Barack Obama eine Rolle gespielt. stehen, was da abläuft. Ich will mir
wenn sie draußen sind, schnappen Trump war 2011 bei einem Korres- nicht vorstellen, was er im Falle
die Menschen sie auf und spüren pondentendinner im Weißen eines Wahlsiegs aus den USA madie Emotion hinter diesen Worten. Haus, wo Obama viele Witze auf chen würde. Er scheint die Freiheit
Und sie erkennen: Er ist wie ich. Er Trumps Kosten gemacht hat. Das der Presse beschneiden zu wollen,
hat Angst vor Fremden, er ist wü- hat ihn zusätzlich motiviert, Präsi- scheint keine Ahnung von der Vertend, und er erkennt, dass wir zu dent zu werden. Ich glaube, er hat fassung zu haben. Ein Präsident
Opfern gemacht werden, und be- die Vision, dass Obama ihm die Trump wäre ein großes Risiko für
wahrt uns davor. Er ist höchst ma- Tür zum Oval Office öffnet und er die USA.
nipulativ. Alle Politiker manipulieren zu einem gewissen Grad, aber
normalerweise haben sie eine
trump-Biografie: aufschlussreich und informativ
wirkliche Botschaft und es geht
um etwas Reales. An Trump gibt es
Wohl kaum ein US-Präsidentschildert den Aufstieg der Familie
schaftskandidat hat je zuvor so mas- trump, Donalds Kindheit zwischen
nichts, das echt ist.
siv für negative Schlagzeilen im inDisziplin, Luxus und ÜberlegenheitsNachdem trump am 16. Juni 2015
und Ausland gesorgt wie Donald
gefühl und seinen Werdegang bis zur
seine Kandidatur für die Nominietrump. Doch was verbirgt sich hinter Präsidentschaftskandidatur. er tut
dem Phänomen trump? Der Pulitdies umfassend und hochinformativ.
rung bekannt gegeben hatte, wurde
zer-Preisträger Michael D’AnAm ende dieses aufschlusser mit Häme und Spott überzogen.
Haben Politik und Medien ihn zu
tonio hat drei Jahre lang an
reichen Buches steht die bitseiner jetzt in Deutschland
tere erkenntnis: trump war
erschienenen Biografie „Die
nie anders als jetzt.
trump hat das politische System
Wahrheit über Donald trump“
der USA noch gar nicht verstangearbeitet. er hat mit trumps
Michael D’Antonio: „Die
den, sagt sein Biograf Michael
Kindern, ex-Frauen und WegWahrheit über Donald
D'Antonio.
begleitern gesprochen und
Trump“, 544 Seiten, Econ,
Foto: toni raiten D‘Antonio
umfassend recherchiert. er
24 Euro