Erbschaftsteuerreform Was Betroffene künftig erwartet Die Bundesregierung spricht angesichts der jüngst auf den Weg gebrachten Erbschaftsteuerreform von einer ausgewogenen Lösung. Worauf sich Betroffene einstellen müssen, erklärt Ingo Kleutgens, Leiter der deutschen Steuerrechtspraxis der Kanzlei Mayer Brown. Nach monatelangem Ringen hat sich die Große Koalition in dieser Woche doch noch auf die Erbschaftsteuerreform geeinigt. Geht das Gesetz in Bundestag und Bundesrat durch, können die neuen Regelungen rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft treten. In einer gemeinsamen Erklärung von Bundesfinanzminister Schäuble, Bundeswirtschaftsminister Gabriel und Ministerpräsident Seehofer heißt es, der Kompromiss stelle „eine ausgewogene Lösung dar, die die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 insbesondere auch durch Einführung einer Bedu?rfnispru?fung erfüllt und der Bedeutung der Erbschaft- und Schenkungsteuer für eine gerechte Vermögensverteilung in Deutschland Rechnung trägt“. Nachfolgeplanung noch unklar Durch die fristgerechte Umsetzung der Vorgaben können zwar die größten Unsicherheiten vermieden werden, wie sich die nun angestoßene Reform in der Praxis der Nachfolgeplanung auswirkt, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend eingeschätzt werden. Gegenüber dem Regierungsentwurf vom 8. Juli 2015 hat sich die Koalition im Wesentlichen auf folgende Änderungen geeinigt: Eine wesentliche Forderung des Bundesverfassungsgerichts war es, die Übertragung großer Firmenvermögen weniger stark zu verschonen. Derzeit werden Unternehmenserben unabhängig vom Unternehmenswert zu 85 Prozent oder 100 Prozent von der Erbschaftsteuer verschont, wenn sie das Unternehmen fünf beziehungsweise sieben Jahre fortführen. Der Vorgabe aus Karlsruhe kommt der Kompromiss dadurch nach, dass bei begünstigtem Vermögen von mehr als 26 Millionen Euro für jeden Erben der Verschonungsbedarf individuell unter Berücksichtigung des Privatvermögens geprüft werden muss oder alternativ ein Verschonungsabschlagsmodell gewählt werden kann. Der zu gewährende Abschlag bemisst sich dabei nach dem Betriebsvermögen. Um je 750.000 Euro, die die Erbschaft einen Umfang von 26 Millionen Euro überschreitet, verringert sich der Verschonungsabschlag um einen Prozentpunkt. Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Keine Verschonung großer Vermögen Ab einem Erwerb von 90 Millionen Euro (bei der Optionsverschonung mit sieben Jahren Haltefrist und einer Lohnsumme von mindestens 700 Prozent) beziehungsweise von 89,75 Millionen Euro (bei der Regelverschonung mit fünf Jahren Haltefrist und einer Lohnsumme von mindestens 400 Prozent) soll es keine Verschonung mehr geben. Das bedeutet, dass künftig besonders große Vermögen definitiv mit Erbschaftsteuer belastet werden. Besonders begünstigt werden von der Reform Familienunternehmen: Bleiben die Anteile nach dem Erbschaft- oder Schenkungsfall innerhalb der Familie, wird unter Umständen ein Abschlag in Höhe von maximal 30 Prozent bei der Bestimmung des Unternehmenswerts vorgenommen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass im Falle von Verfu?gungsbeschra?nkungen und Kapitalbindungen in dem Familienunternehmen, der Erbe nicht frei über den Unternehmensgewinn oder die Beteiligungen disponieren kann. Die entsprechenden Beschränkungen müssen allerdings zwei Jahre vor und 20 Jahre nach dem Tod des Erblassers gegeben sein. Eine solch starre Fristenregelung kann im Einzelfall zu unsachgemäßen Ergebnissen führen. Besonderes Anliegen der Bundesländer im Zuge der Reformdebatte war es, den Begriff des Verwaltungsvermögens beizubehalten. Verwaltungsvermögen wird somit auch in Zukunft grundsätzlich nicht begünstigt, ist aber im Umfang von 10 Prozent pauschal steuerfrei gestellt. Sicherung der Liquidität Des Weiteren können zur Sicherung der Liquidität Geld und geldwerte Forderungen in Höhe von 15 Prozent zum begünstigten Vermögen gerechnet werden. Dies bedeutet im Vergleich zur ursprünglich geplanten Reform aufgrund der Beibehaltung der Regelung zum Verwaltungsvermögen ein Mehr an Rechtssicherheit. Um missbräuchliche Steuergestaltungen zu bekämpfen, ist eine Verschonung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer dann ausgeschlossen, wenn das nicht begünstigte Verwaltungsvermo?gen 90 Prozent des gesamten Betriebsvermögens überschreitet. Klargestellt wird, dass Drittlandsbeteiligungen bei einer Holdinggesellschaft, Altersversorgungsverpflichtungen und verpachtete Grundstücke, die zum Zwecke des Absatzes von eigenen Produkten überlassen werden (zum Beispiel bei Brauereigaststa?tten und Tankstellen), begünstigt werden. Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Mittel, die innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod des Erblassers gemäß seinem Willen in das Unternehmen investiert werden, sollen steuerrechtlich begünstigt werden. Damit ist der Sorge begegnet, dass die Erbschaftsteuer als Investitionshemmnis wirkt und damit womöglich Arbeitsplätze gefährdet. Realistischere Unternehmensberwertung Änderungen gibt es auch mit Blick auf die Bestimmung des Unternehmenswertes: Beim sogenannten vereinfachten Ertragswertverfahren wird der maßgebliche Kapitalisierungsfaktor von derzeit 17,86 auf eine Spanne von 10 bis maximal 12,5 abgesenkt. Hierdurch kommt es zu einer realistischeren Unternehmensbewertung. Eine Überbewertung der Ertragskraft des Unternehmens kann vermieden werden. Um den Fortbestand des Unternehmens auch dann nicht zu gefährden, wenn nach erfolgter Bedarfsprüfung kein Steuererlass gewährt wird, sollen Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf zinslose Stundung der Erbschaftsteuer bis zu zehn Jahre bekommen. Voraussetzung ist, dass die Lohnsummenregelung und die Behaltensfrist eingehalten werden. Weitgehend verschont von der Erbschaftsteuer und damit einhergehendem Bürokratieaufwand bleiben schließlich Kleinbetriebe. Bei weniger als fünf Beschäftigten entfällt für sie weiterhin die Lohnsummenpru?fung. Saisonarbeiter werden bei der Beschäftigtenzahl nicht mitgerechnet. Fazit Die Anpassung des vereinfachten Ertragswertverfahren war ein notwendiger und konsequenter Schritt in der aktuellen Niedrigzinsphase. Auch das Stundungsmodell für die festgesetzte Steuer kann bei den unter Umständen kurzfristig auftretenden hohen finanziellen Belastungen die notwendige Flexibilität schaffen und die nachhaltige Finanzierung des Unternehmens sicherstellen. Trotz dieser positiven Aspekte führt die anvisierte Reform in Teilen zu einem zusätzlichen Aufwand und zu erheblichem Beratungsbedarf bei der Nachfolgeregelung. Über den Autor: Dr. Ingo Kleutgens ist Partner im Frankfurter Büro von Mayer Brown und Leiter der deutschen Steuerrechtspraxis. Er berät nationale und internationale Mandanten zu allen steuerlichen Aspekten bei Transaktionen im Gesellschaftsrecht und im Bank- und Finanzrecht. Er ist Fachberater Internationales Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Steuerrecht, Vizepräsident der Steuerberaterkammer Hessen und Mitglied des Ausschusses Internationales Steuerrecht bei der Bundessteuerberaterkammer. Dieser Artikel erschien am 23.06.2016 unter folgendem Link: https://www.private-banking-magazin.de/erbschaftssteuerreform-was-betroffene-kuenftig-erwartet-1466672607/ Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
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