„Der politische Einfluss aufs Börsengeschehen nimmt zu“

Eberhard Sandschneider
„Der politische Einfluss aufs Börsengeschehen nimmt zu“
China, Russland und das Öl: Das sind nur einige Faktoren, die sich auf die globale Wirtschaft auswirken.
Eberhard Sandschneider, Professor für Internationale Beziehungen und China-Spezialist, gibt einen
Überblick und erläutert den Einfluss von politischen Entscheidungen.
Welchen Einfluss hat heute die Politik auf das Börsengeschehen?
Die Börsenreaktionen auf eine Vielzahl von internationalen Krisen der letzten Jahre zeigen, dass der
Einfluss solcher Ereignisse tendenziell zunimmt, auch wenn er nie langfristig spürbar bleibt. Nach allen
Börseneinbrüchen, die durch politische Krisen verursacht worden sind, zeigen sich die Börsen weltweit
sehr schnell in der Lage, die erlittenen Verluste auch wieder aufzuholen und zum Teil deutlich zu
übertreffen. Dennoch: Der politische Einfluss auf Börsengeschehen nimmt zu.
Wie sehen Sie als Politikwissenschaftler die weitere Entwicklung Chinas? Schafft das Land den
Übergang zu einer Dienstleistungs- und Konsumgesellschaft?
China präsentiert sich uns in seiner derzeitigen Situation mit Licht- und Schattenseiten. Die
beeindruckende ökonomische Entwicklung der letzten 30 Jahre hat immer wieder dazu geführt, dass
außerordentlich hohe Erwartungen an den chinesischen Markt bzw. den chinesischen
Wirtschaftspartner nicht nur in der Wirtschaft sondern auch in der Politik zu verspüren waren.
Auf der anderen Seite hat das Land zeitgleich derartige Probleme angehäuft, dass man nicht mehr
unbedingt von einer automatischen Stabilität des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Systems ausgehen kann. Allerdings bleibt die chinesische Führung bei ihrer Zielsetzung, Souveränität
und Stabilität, wirtschaftliche Entwicklung und globalen Einfluss weiter zu stärken.
Als Regel kann man nur so viel formulieren: In den letzten 30 Jahren hat die politische Führung in China
keine nennenswerten Fehler gemacht. Das ist aber keine Garantie, dass nicht ein solcher Fehler mit
erheblichen globalen Folgen morgen passieren könnte.
Die asiatischen Schwellenländer allen voran China waren lange Jahre Motor der Weltwirtschaft?
Was ist in der Region in den kommenden Jahren zu erwarten.Wie stabil sind die politischen
Verhältnisse?
Die politischen Systeme in Asien - das ist ein deutlicher Unterschied etwa zu Europa - zeichnen sich
durch eine bunte Vielfalt unterschiedlichster Systemtypen aus. Längst nicht alle sind politisch stabil.
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Zudem gibt es zwischen wesentlichen Akteuren im asiatisch-pazifischen Raum immer noch erhebliche
nationalstaatliche und regionale Konflikte.
Das gilt für das Verhältnis Chinas zu Japan und allen seinen Anrainerstaaten im Bezug auf das ost- und
südchinesische Meer. Das gilt für die latenten Spannungen zwischen China und Indien und sicherlich
auch für das nicht ganz unproblematische Verhältnis zwischen China und Russland.
Solche Unsicherheitsfaktoren können sehr schnell erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche
Zusammenarbeit, aber auch auf militärische Sicherheit, haben. Unter dem Strich gilt auch in Ostasien:
Selbst enge wirtschaftliche Kooperation verhindert nicht von wachsendem Nationalismus getriebene
nationalstaatliche Konfliktpotenziale.
Welche Strategie verfolgt Nordkorea und welche Auswirkungen können sich darauf für die
Region und die Weltwirtschaft ergeben?
Nordkorea erweist sich aus unserer Beobachtung immer wieder als irrer, schwer zu berchnender und
kaum zu durchschauender Staat. Was immer die politische Führung im Einzelnen treibt, sicher ist, dass
der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un darauf setzt, nur mit einer Nuklearstrategie gegen einen
möglichen Angriff sicher sein zu können.
Wer wie er und sein Land auf der Achse des Bösen sitzt (gesessen hat), weiß um die Schwierigkeiten,
die sowohl der Irak als auch der Iran, die beiden anderen Partner auf dieser Achse, mit den USA hatten.
Um sich davor zu schützen, folgt Nordkorea einer Nuklearstrategie.
Das ist aber nur ein Teil der Erklärung. Die Irrationalitäten dynastischer Machtpolitik erschweren
ansonsten selbst für China - und erst recht für westliche oder Nachbarstaaten - den Umgang mit dem
Regime.
Der Ölpreis ist zum Spielball der Politik geworden zu sein. Welche Fronten gibt es hier und wie
wird das Spiel ausgehen?
Die Zukunft des Ölpreises zu kalkulieren ist - gerade weil er in wachsendem Maße politischen
Überlegungen ausgesetzt ist - kaum möglich. Es gilt allerdings mit Blick auf die technologischen
Veränderungen, dass die Knappheit immer vom technologischen Zugang abhängig ist. Insofern wird
das Spannungsverhältnis zwischen Erschließungstechnologien und politischen Einflüssen den Ölpreis
auch in Zukunft weitestgehend unkalkulierbar für eine langfristige Planung halten.
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Niedrige Öl- und Rohstoffpreise setzen vor allem Russland zu. Präsident Putin scheint eher
irrational bei seinen Entscheidungen zu sein. Die Spannungen zum Westen haben zugenommen,
so dass bereits von einem zweiten Kalten Krieg die Rede ist. Welche Rolle kann Russland
zukünftig in der Welt spielen und zum Beispiel die Krise im Nahen Osten mit lösen. Und will
Russland das überhaupt?
Wladimir Putin erscheint mir alles andere als irrational oder unkalkulierbar in seinen politischen
Schachzügen der letzten Monate. Sein zentrales Ziel war es, Russland an die Entscheidungstische der
Weltpolitik zurückzubringen. Das ist ihm sowohl im Fall der Ukraine als auch im Fall Syriens gelungen.
Er setzt allerdings auf eine Strategie, die sich vermutlich langfristig als fatal für die russische Wirtschaft
erweisen wird. Nicht nur der Zusammenbruch des Ölpreises hat die ressourcenabhängige Schwäche
der russischen Wirtschaft offengelegt. Es fehlt in Anbetracht der Oligarchenstruktur ein leistungsfähiger
wirtschaftlicher Unterbau, der die machtpolitischen Ambitionen des Präsidenten langfristig unterstützen
könnte.
Hier zeigt sich der zentrale Unterschied zu China: China hat mit der Wirtschaft begonnen, um seine
Leistungsfähigkeit jetzt in politischen und militärischen Einfluss zu übersetzen, Russlands
Einflussversuche stehen wirtschaftlich auf tönernen Füßen.
Übersteht die Europäische Gemeinschaft die Flüchtlingskrise?
Die Europäische Union war, seitdem sie ins Leben gerufen wurde, in der einen oder anderen Weise
immer in einer Krise. Krisen sind insoweit Dauerzustand dieser Union, immer gemessen an der fernen
Vision einer vertieften Europäischen Gemeinschaft. Die Flüchtlingskrise zeigt, dass nach der
Erweiterung unterschiedliche nationalstaatliche Interessen innerhalb der Europäischen Union unter
einen Hut gebracht werden müssen.
Das ist schwierig aber das wird nicht verhindern, dass Europa insgesamt zusammenhält und vielleicht
auch wieder eine Phase beginnt, in der die Bereitschaft, europäisch zusammenzuarbeiten die der
nationalstaatlichen Eigeninteressen überschreitet. Für Europa gilt am Ende das Prinzip Hoffnung, das
nicht vergessen machen sollte, wie weit die Europäer auf ihrem Weg in den letzten 70 Jahren
gekommen sind.
Selbst die Väter und Mütter des Europäischen Einigungsprozesses hätten nicht zu träumen gewagt, wie
Europa heute aussieht. Manchmal ist ein wenig mehr Optimismus und Zuversicht auch in einer
kritischen internationalen Lage hilfreich und förderlich.
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Veranstaltungshinweis:
Eberhard Sandschneider, Professor an der Freien Universität Berlin, spricht am 3. Mai in München
beim Vermögenstag der V-Bank. Sein Vortrag lautet: „Geopolitik und Börse - politische Entwicklung in
China, Russland und Nahost. Was kommt auf Vermögensverwalter und ihre Mandanten zu?“ Hier
finden Sie weitere Informationen zur Veranstaltung.
Über den Interviewten:
Eberhard Sandschneider ist Professor seit 1998 an der Freien Universität Berlin und hat den Lehrstuhl
für Politik Chinas und Internationale Beziehungen inne. Seit August 2003 ist er Otto Wolff-Direktor des
Forschungsinstituts der DGAP. Seit September 2012 gehört er dem 6. Beirat der Bundesakademie für
Sicherheitspolitik an.
Dieser Artikel erschien am 28.04.2016 unter folgendem Link:
https://www.private-banking-magazin.de/eberhard-sandschneider-der-politische-einfluss-aufs-boersengeschehen-nimmt-zu-1461591885/
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