leitartikel Matteo und Arno allein zu Hause Die Machtübernahme der „Grillen“ in Rom zeigt, dass Matteo Renzi schon bald Geschichte sein könnte. Ohne starke Partei im Rücken lässt sich nicht regieren. Eine Binsenwahrheit, die auch für Landeshauptmann Kompatscher gilt. A von Norbert Dall’Ò Wie der PD hat auch die SVP ein Identitäts- und Führungsproblem. Wie Renzi bräuchte auch Kompatscher eine starke Partei im Rücken. m Sonntag ist Matteo Renzi, „Retter und einziger Hoffnungsträger Italiens“, wie ihn die internationale Presse beschreibt, abgewatscht worden – von seinen eigenen Leuten. In Rom und in Turin wurden nicht seine Kandidaten zum Bürgermeister gewählt, sondern zwei junge und bislang unbekannte Damen der Fünfsternebewegung, der „grillini“. So benannt nach ihrem Gründer, dem Komiker Beppe Grillo. Wenn, wie viele meinen, die Gemeinderatswahlen eine Generalprobe für das Verfassungsreferendum im Herbst waren, dann ist Renzi gewarnt. Er selbst hat ja gesagt: Wenn das Nein gewinnt, wenn also seine Verfassungsreform scheitert, wird er zurücktreten. Renzi hat ein veritables Problem: Den Partito Democratico (PD), seine eigene Partei, gibt es nicht mehr. Dieses Sammelsurium aus ehemaligen Christdemokraten, ehemaligen Kommunisten und ehemaligen Ich-weiß-nicht-was, steht nicht hinter Renzi, ihrem Vorsitzenden und Chef. Der PD ist zerstritten und in dermaßen viele Fraktionen gespalten, dass weder eine klare Politik noch Linie zu erkennen ist. Ein bisschen links, ein bisschen rechts, ein bisschen zwischen den Stühlen, je nach dem, welcher Clan in welcher Stadt am Ruder ist. In Rom, Turin und anderen Städten haben PD-Politiker die „grillini“ unterstützt, eben um Renzi zu schwächen. Partikularinteressen und persönliche Fehden sind diesen „Parteifreunden“ wichtiger als Reformprogramme und Loyalität. Die Frage lautet jetzt: Wird der Bankrott des PD auch Premier Renzi mit in den Abgrund ziehen? Diese Frage ist für Südtirol nicht nur von Interesse, weil der PD Koalitionspartner der SVP ist. Die Brisanz steckt in der Gemeinsamkeit, die beide Parteien auszeichnet: Wie der PD hat auch die SVP ein Identitäts- und Führungsproblem. Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher weiß nicht erst seit dem Flughafen-Referendum am 12. Juni, dass auch er ein Problem hat. Das Referendum hat gezeigt, dass es die SVP nicht mehr gibt – zumindest nicht mehr als Partei, die diesen Namen verdient. Es gibt viele ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – FF-Media GmbH/Srl enschen, die das SVP-Parteikartl haben – vielM leicht aus historischen Gründen, vielleicht weil sie glauben, dass ihnen daraus ein Vorteil erwächst. Was es aber nicht mehr gibt: eine schlagkräftige politische Organisation namens SVP, die für ein Programm einsteht und über eine Struktur verfügt, dieses Programm durchzusetzen. Die SVP beziehungsweise das, was davon übrig ist, ist sowohl für den Flughafen als auch gegen den Flughafen. Das mag demokratisch sein und dem Zeitgeist entsprechen. Aber es ist ein Indiz dafür, dass in der SVP die elementarsten Regeln der innerparteilichen Dialektik (vorschlagen, diskutieren, entscheiden) nicht mehr greifen. Die SVP ist wie ein Haufen Hühner, die dorthin rennen, wo sie glauben, ein Körnchen zu finden. Wie Renzi hat unser Landeshauptmann ein Problem: Seine Partei steht nicht hinter ihm. Das Kalkül, dass Philipp Achammer „den Obmann macht“ und die Partei an der Stange hält, ist nicht aufgegangen. Zwei Warnschüsse hat es bereits gegeben: In der Sanitätsreform und zuletzt im Flughafen referendum hat der Landeshauptmann feststellen müssen, dass seine Partei kein Hilfsmittel, sondern ein Hindernis darstellt. Die eigenen Parteifreunde schauen zu, wie er mit seinen Reformen und Konzepten an die Wand fährt – und lachen sich vielleicht ins Fäustchen. Arno allein zu Hause, könnte man es salopp formulieren. Im Film lustig, in der Politik gefährlich. Für Matteo Renzi wird es im Herbst eng: Wenn beim Verfassungsreferendum das Nein gewinnt, wird er zurücktreten. Und das große Reformprogramm wäre damit gestoppt. Es ist genau das, was seine parteiinternen Gegner wollen. Kompatscher befindet sich nicht in einer dermaßen brisanten Situation – noch nicht. Aber auch er weiß: Um seine Reformen durchzubringen, um sein Konzept für Südtirol umzusetzen, braucht er eine starke Partei im Rücken. Derzeit ist dies nicht der Fall. Derzeit kochen in der SVP zu viele ihr eigenes Süppchen. Und so viele gibt es nicht mehr, die noch übrig geblieben n sind in der einst so starken Sammelpartei. No. 25 / 2016
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