PREIS DEUTSCHLAND 4,90 € 101158_ANZ_10115800005367 [P].indd 1 DIEZEIT 15.01.16 09:12 WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK WIRTSCHAFT WISSEN UND KULTUR Amerikas ansteckende Wut DIE ZEIT im Taschenformat. Jetzt für Ihr Smartphone! www.zeit.de/apps 14. JULI 2016 No 30 15.01.16 09:11 101159_ANZ_10115900005368 [P].indd 1 Maître der Esskultur Joschka Fischer und Vincent Klink nehmen Abschied von Wolfram Siebeck, der nicht nur die ZEIT auf den Geschmack gebracht hat Zeit zum Entdecken, S. 55 In den USA kocht es: Schwarze gegen Weiße, Arbeitslose gegen Gutsituierte, Frauen gegen Männer. Und eine militante linke Studentenbewegung erreicht jetzt auch Europa POLITIK UND CHANCEN Titelfoto: Aileen Devlin/The Daily Press/AP/dpa Picture-Alliance (Black Lives Matter Protest gegen Polizei Gewalt in Newport News, Virginia, 10.07.2016) FINANZKRISE IN ITALIEN Schon wieder die Banken retten? Ja: Wenn der Staat nicht eingreift, fällt Regierungschef Matteo Renzi, und auch Deutschland wird es spüren VON MARK SCHIERITZ D Die Banker haben viel Unheil in der Welt as ging schnell. Hoch und heilig haben Europas Regierun‑ angerichtet, doch eine moralische Herangehens‑ gen ihren Bürgern versprochen, weise war noch bei keiner wirtschaftspolitischen dass sie nie wieder für die Es‑ Entscheidung hilfreich. Es mag sich zwei oder kapaden der Banker gerade‑ drei Wochen lang gut anfühlen, wenn die Ban‑ stehen müssen. Eine entspre‑ ken ihre gerechte Strafe ereilt. Wenn aber dann chende Richtlinie der EU ist erst seit ein paar die Arbeitslosigkeit steigt, wird sich die Wut der Monaten in Kraft, da will sie der italienische Wähler gegen dieselben Politiker richten, die zu‑ Ministerpräsident Matteo Renzi aushebeln und vor unter öffentlichem Applaus Härte bewiesen haben. Populismus lässt sich eben nicht mit Po‑ seine Banken mit Staatsgeld sanieren. Ein Skandal? Von wegen! Nicht Renzi ist das pulismus bekämpfen. Es gibt also auch unter politischen Gesichts‑ Problem, sondern die Regel, die genau das nicht zulässt. Sie ist ökonomisch falsch, politisch tö‑ punkten Schlimmeres, als ein paar Milliarden für die Banken ausgeben zu müssen – vor allem weil richt und spaltet Europa. Es ist ja nicht so, dass Italiens Regierungschef eine Bankenkrise ausgerechnet den Mann das die Banken stützen will, weil er auf der Gehalts‑ Amt kosten dürfte, der für das überschuldete Ita‑ liste von Goldman Sachs stünde oder mit dem lien so etwas wie die letzte Hoffnung ist. Im Ok‑ tober stimmen die Italiener Geld nichts Besseres anzu‑ über Renzis Verfassungsno‑ fangen wüsste. Renzi hat velle ab. Sie ist das Herzstück schlicht erkannt, dass sich Die Banker haben eines für italienische Verhält‑ das Retten rechnet. Die Sa‑ viel Unheil in der nisse ambitionierten Reform‑ nierung der Banken würde Welt angerichtet programms. Renzi braucht Italien etwa 28 Milliarden einen Erfolg in der Banken‑ Euro kosten. Das entspricht frage, sonst ist er politisch gerade einmal 1,7 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Mit diesem erledigt, zumal bei einer Abwicklung viele Klein‑ Geld würde der Staat Bankanteile kaufen. Und anleger Geld verlieren würden. Sein Rivale Beppe weil er diese Anteile auch wieder verkaufen kann, Grillo wartet nur darauf, mit seiner eurokriti‑ wenn sich die Lage beruhigt hat, ist der Einsatz schen Protestbewegung Fünf Sterne die Macht noch nicht einmal komplett verloren. Die Ame‑ übernehmen zu können. Gemessen daran, wäre der Brexit ein Spazier‑ rikaner haben am Ende mit ihrer Bankenrettung gang und die Griechenlandkrise eine Aufwärm‑ sogar Geld verdient. Dagegen wäre eine Abwicklung der angeschla‑ übung. Das muss wissen, wer Renzi daran hin‑ genen Institute hochriskant. Womöglich bräche dern will, mit – italienischem – Steuergeld italie‑ Panik an den Finanzmärkten aus, es würden we‑ nische Banken zu retten, zumal der sich auf ein niger Kredite vergeben, der Staat würde weniger Schlupfloch in der Richtlinie der EU berufen Steuern einnehmen, die Firmen würden Stellen kann, die bei Gefahr im Verzug Ausnahmen er‑ streichen. Erst diese Woche hat der Internatio laubt. Ein Trick? Ja sicher, aber Regeln sollen nale Währungsfonds seine Wachstumsprognose Probleme lösen. Wenn sie selbst zum Problem für Italien gesenkt – wer an dem Land ein Exem‑ werden, läuft etwas falsch. Hätte die Menschheit sich sklavisch an alle Vorschriften gehalten, dürf‑ pel statuieren will, der spielt mit dem Feuer. Klar ist auch: Eine Krise in Italien würde mit ten Frauen immer noch nicht wählen. Die Bankenrettung verdankt ihren schlechten großer Wahrscheinlichkeit nicht an den Grenzen des Landes haltmachen. Überall in Europa steht Ruf nicht zuletzt der Tatsache, dass sie als alter‑ den Banken das Wasser bis zum Hals, auch weil nativlos bezeichnet wurde. Das war nicht kor‑ sie wegen der niedrigen Zinsen kaum noch Geld rekt. Es gibt immer eine Alternative. Nur führt verdienen. Es kann jedenfalls nicht mehr ausge‑ sie in diesem Fall direkt in den Abgrund. schlossen werden, dass deutsche Institute ins Wanken geraten, wenn italienische fallen. www.zeit.de/audio Nein: Die Eigner müssen endlich für Verluste haften – aus ökonomischen und aus politischen Gründen VON ROMAN PLETTER B ei Gurken sagen ja viele Leute: In Wahrheit haben sie mit dem antiken Bau nur kenne ich, schmecken mir, da kann gemein, dass sie von innen heraus ähnlich zer ich mitreden. Bei Banken ist das fallen, auch weil der Premier sie nicht saniert hat. nicht so, da heißt es schnell: Geld Mit dem Staatsgeld würden Schulden der Banken habe ich nicht, Bilanzen verstehe ich nur in öffentliche Schulden umgewandelt. Angesichts von Italiens hohem Schuldenstand nicht, da kann ich nichts zu sagen. Für Leute, die mit Banken ihr Geld verdienen, ist nicht auszuschließen, dass sich die Konsequen‑ ist das gut so. Es fragt niemand nach, wenn sie un‑ zen dieser Politik alsbald in den Büchern europäi‑ verschämte Forderungen stellen, die man einem, scher Rettungseinrichtungen wiederfinden. Der sagen wir: Gurkenbauern nicht durchgehen ließe. Fall Griechenland hat gezeigt, dass dies in Europa So war das auch am vorigen Wochenende, als zu mehr Zwietracht als Eintracht führt. Womit ausgerechnet der Chefvolkswirt der Deutschen man bei den europäischen Folgen einer Banken‑ Bank den Rechtsbruch durch Europas Regierun‑ rettung in Italien ist, deren Aussichten nicht so gen anregte: »Sich streng an die Regeln zu halten positiv sind, wie das Renzi und all jene behaup‑ würde größeren Schaden anrichten, als sie aus‑ ten, die Angst vor seinem Sturz haben. Es ist überhaupt nicht sicher, ob Renzi die zusetzen.« Zuvor hatte Italiens Premier Matteo Renzi gefordert, Steuergeld in die Banken des europafeindliche Fünf-Sterne-Bewegung im eige nen Land zurückdrängen Landes investieren zu dürfen. kann, weil er Banken mit Er hofft, dadurch Kleinanle‑ Staatsgeld stützt. Er könnte ger zu schützen, die ihn wei‑ Wenn Leute unklug in‑ ter wählen sollen. Dabei ist vestieren, dann trägt nicht daran auch scheitern und durch den Regelbruch an‑ das Vorhaben politischer Europa die Schuld daran dernorts das Vertrauen in und ökonomischer Unsinn Europa weiter beschädigen. auf Kosten Dritter: Die ei‑ Er würde so zum Wahlhelfer nen nehmen das Geld, die anderen sichern ihre Macht – und die Allge‑ für Parteien wie die AfD, die zu Recht sagen könnten, Europa lerne nichts aus Fehlern. Ganz meinheit bezahlt. Um genau dies zu verhindern, waren in der davon abgesehen, dass ein Europa, in dem Regie‑ Griechenlandkrise jene Regeln verabschiedet wor‑ rungschefs sich gegenseitig das politische Über‑ den, die Banker und Politiker nun zu umgehen leben dadurch sichern, dass sie Gesetze brechen, versuchen. Es sollten zunächst Gläubiger und Ak‑ kein besonders bewahrenswertes Projekt wäre. Es tionäre, dann die Bankenindustrie über einen geht im Zuge der Euro-Krise ja wahrlich nicht Fonds – und erst am Ende der Heimatstaat einer um eine Ausnahme. Renzi tut bei alldem so, als habe sein Land kriselnden Bank haften. Es war dies ein Versuch, die Manager von zu riskanten Geschäften abzu‑ keine Hilfe aus Europa bekommen, obwohl die halten. Sie sollten sich nicht mehr darauf verlassen Zentralbank unablässig Geld druckt, um die können, dass der Staat sie ohnehin rettet. Es sollte Staatshaushalte zu stabilisieren. Nur hat er die ein einfaches ökonomisches Gesetz wieder gelten: gekaufte Zeit nicht genutzt. Mit den Folgen – Wer Risiken eingeht und daran verdienen kann, niedrigen Zinsen und möglicherweise instabilen muss auch die Verluste tragen. Jetzt aber wirklich! Finanzmärkten – müssen nun alle leben. Es wäre schon viel gewonnen, nähme Renzi Renzi sagt nun: Leute, es war gar nicht so ge‑ meint! Er ermutigt damit nicht nur zu neuer zumindest die Sache mit der EU, der Freiheit und riskanter Spekulation. Er überführt auch die ein‑ dem Recht ernst: Wenn Leute unklug investie‑ zige ernsthafte Konsequenz der Finanzkrise ins ren, dann trägt nicht Europa die Schuld daran, historisch gelernte Geschäft vieler Bankeigen genauso wenig wie es hilfreich ist, weinerliche tümer: die Privatisierung von Gewinnen und die Banker zu retten. Sie sollten ihre Verluste in Wür‑ de tragen. Bei den Gewinnen klappt das ja auch. Sozialisierung von Verlusten. Renzi tut zwar so, als bewahre er mit den Ban‑ www.zeit.de/audio ken ein italienisches Kulturgut wie das Kolosseum. Wie wir lieben Was Beziehungen heute alles aushalten müssen – Teil 2 der Serie »Die Zukunft der Liebe« ZEITmagazin Das Reich von C&A Erstmals spricht der Clan-Chef über die Familienregeln und die Konzerngeschichte Wirtschaft, Seite 19 PROMINENT IGNORIERT Daumenlutscher Im Struwwelpeter werden dem Knaben Konrad, weil er trotz des Verbots an ihnen lutscht, die Dau‑ men abgeschnitten. Eine neusee‑ ländische Langzeitstudie jedoch hat jetzt ergeben, Daumenlutscher litten seltener an Allergien, der Kontakt mit Schmutz verstärke die Widerstandskräfte. Die Klei‑ nen erkaufen sich ihre Allergie resistenz also mit schiefen Zähnen. Da ist man wahrhaft froh, kein Baby mehr zu sein. GRN. Kleine Fotos (v. o.): Michael Holz/season agency; Maggie West; Stephanie Rausser/Getty Images Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg Telefon 040 / 32 80 ‑ 0; E-Mail: [email protected], [email protected] ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de; ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de ABONNENTENSERVICE: Tel. 040 / 42 23 70 70, Fax 040 / 42 23 70 90, E-Mail: [email protected] PREISE IM AUSLAND: DK 49,00/FIN 7,50/N 66,00/E 6,10/ CAN 6,30/F 6,10/NL 5,30/ A 5,00/CH 7.30/I 6,10/GR 6,70/ B 5,30/P 6,30/L 5,30/H 2090,00 o N 30 7 1. J A H RG A N G C 7451 C 30 4 190745 104906
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