PDF ausgabe 2016-23 - Deutsche Gesundheits Nachrichten

Ausgabe | 23
17. Juni 2016
powered by
Pharma
Deutschland bei klinischen Studien auf Platz Zwei
Mit 599 klinischen Studien jedes Jahr liegt Deutschland auf Platz Zwei. Nur in den USA gib es mehr Studien
I
Fischer sagte, die forschenden
n keinem anderen Land außerPharmaunternehmen in Deutschhalb der USA werden so viele
neue Arzneimittel in Kliniken
land investierten pro Jahr 5,8 Milund Arztpraxen erprobt wie in
liarden Euro in Forschung und
Deutschland. Die Bundesrepublik
Entwicklung. Herzstück seien die
sei mit 599 solch klinischer Studiklinischen Studien, die nicht nur
dem therapeutischen Fortschritt
en im Jahr 2015 weltweit erneut
sondern auch dem Wirtschaftsdie Nummer Zwei gewesen, teilte
der Verband forschender Pharmastandort dienten. Bis zum Jahr 2019
Unternehmen (vfa) in Berlin mit.
seien Medikamente für 120 KrankIn den Vereinigten Staaten als
heiten in Entwicklung. „Möglich ist
größtem Pharmamarkt wurden
die Erprobung von Medikamenten
Klinische Studien der forschenden Pharmaunternehmen, interrund 2400 solcher Studien angein Studien nur, weil Unternehmen
nationaler Vergleich.
Grafik: vfa
eng
mit behandelnden Ärzten in
fertigt, mit deutlichem Abstand
medizinischen Einrichtungen zudahinter folgen Deutschland und
(153), München (142) und Frankfurt (117). sammenarbeiten können; und weil einige
Großbritannien (547 Studien).
In Deutschland beteiligen sich den „In den meisten Studien ging es um die Er- von deren Patienten nach umfassender
Angaben zufolge Kliniken und Praxen vor probung neuer Behandlungen gegen Krebs Aufklärung interessiert sind, an den Studien
allem an der Erprobung von Medikamen- (136) oder Entzündungskrankheiten wie mitzuwirken“, so Fischer.
Die meisten Studien wurden im verten unmittelbar vor der Zulassung, den Asthma, Multipler Sklerose oder Morbus
sogenannten Phase-III-Studien (41 Prozent). Crohn (111)“, so der Verband. Insgesamt seien gangenen Jahr zu Krebs (136), EntzündungsVorn liegt die Stadt Berlin, deren medizini- Studien zu 204 verschiedenen Krankheiten erkrankungen (111), Infektionskrankheiten
(48) und Herz-Kreislauf-Krankheiten (29)
sche Einrichtungen sich an 226 klinischen durchgeführt worden.
Vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit durchgeführt. Theoretisch könnten in
Tests beteiligten, gefolgt von Hamburg
Analyse
Kassen könnten bei Arzneimitteln Milliarden sparen
Die Krankenkassen konnten sich im
vergangenen Jahr über einen Rückgang
der Arzneimittelpreise um 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr freuen. Tatsächlich
könnten die Gesetzlichen Krankenkassen
aber noch mehr sparen. Dem Arzneimittelreport der Barmer GEK zufolge stecken
große Einsparpotentiale vor allem bei den
Biosimilars, den Kopien der biotechnologisch hergestellten Medikamente. Damit
ließen sich „überflüssige Mehrausgaben
verhindern“.
„Allein bei der BARMER GEK lässt sich in
den nächsten fünf Jahren durch eine konsequente Verschreibung von Biosimilars eine
halbe Milliarde Euro an unnötigen Ausgaben
verhindern“, sagte der Vorstandsvorsitzende
Christoph Straub bei der Vorstellung des
Reports. Biosimilars sind durchschnittlich
etwa 25 Prozent günstiger als die Originale.
Und biotechnologisch hergestellte Medikamente machen immerhin 21,3 Prozent der
gesamten Arzneimittelkosten der BARMER
GEK aus.
Je nach Bundesland sind interessanterweise sehr unterschiedliche Umgangsmethoden mit den Biosimilars zu entdecken.
Während beispielsweise Ärzte in Bremen
in mehr als der Hälfte der Fälle Biosimilars
verordnen, werden in Mecklenburg-Vorpommern gar keine verschrieben. Medizinisch
lassen sich die unterschiedlichen Quoten der
Biosimilars in den Bundesländern allerdings
nicht erklären, sagt Daniel Grandt, Chefarzt
der Klinik für Innere Medizin I des Klinikums
Saarbrücken. Dass viele Ärzte Biosimilars nur
selten verordnen, werde daher eher an der
Informationspolitik der Pharmahersteller
liegen, die schwindende Umsätze bei ihren
teureren Originalpräparaten befürchten.
Allein für den Markt der Biosimilars
rechnet die Pharma-Branche mit einem
weltweiten Umsatz von 25 bis 35 Milliarden
Dollar bis 2020. Seit der ersten BiosimilarZulassung in der EU im Jahr 2006 wächst
der Markt stetig. Derzeit gibt es mehr als 700
Medikamente dieses Typs mit Zulassung
bzw. laufendem Verfahren. Die Pharmaunternehmen rechnen mit einem Rückgang
des Medikamentenumsatzes um 2,7 Prozent.
„Als Folge erwartet die Branche bis 2019
ein geringeres Wachstum als vor Beginn
der Rezession 2009“, so eine Studie des
Beratungsunternehmens Deloitte.
1
powered by
Ausgabe | 23/16
Deutschland noch einige Studien mehr
stattfinden, denn bei Studien mit Röntgenaufnahmen oder einem PET-Scan ist
Deutschland gegenüber anderen Ländern
im Nachteil, so der vfa. Hier und beim Einsatz von Medikamenten mit radioaktiven
Wirkstoffen in Studien wird zusätzlich eine
strahlenschutzrechtliche Genehmigung
durch das Bundesamt für Strahlenschutz
notwendig. Das kann den Studienprozess
erheblich beeinflussen. 2014 musste auf
eine derartige Genehmigung im Schnitt
fast sieben Monate lang gewartet werden.
2015 verkürzte sich die Wartezeit, doch sie
ist dem vfa zufolge immer noch zu lang.
„Unternehmen, die multinationale
Studien durchführen, können unter diesen
Gegebenheiten auf die deutsche Strahlenschutzgenehmigung nicht warten und
verzichten daher oft ganz auf deutsche
Beteiligung.“ Viele Firmen hätten sogar
die Konsequenz gezogen, dass sie für entsprechende Studien hierzulande überhaupt
keine Anträge mehr stellen, sondern sich
gleich auf UK, Frankreich und andere Länder konzentrieren.
Die EU selbst hat eine Frist von 60
Tagen für eine solche Genehmigung festgelegt. Würde sich Deutschland daran halten,
könnten in Deutschland zwischen 10 und
15 Prozent mehr Studien durchgeführt
werden.
17 Juni 2016
Nachdem solche Studien jahrelang
weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hätten, setze die
Industrie seit einigen Jahren auf Transparenz, sagte Fischer. Ende des Monats wollen
die Pharmaunternehmen auch offenlegen,
welche Leistungen sie an Ärzte und medizinische Institutionen zahlen. Dazu gehören
klinische Studien ebenso wie Fortbildungen.
Bis Ende 2019 wollen die Pharmafirmen
328 neue Arzneimittel zulassen. Knapp 34
Prozent dieser Arzneimittel beziehen sich
auf eine Verbesserung der Krebstherapie
und beispielsweise 18 Prozent auf Entzündungskrankheiten wie Lupus, Multiple
Sklerose oder Rheuma.
Gesundheitssystem
Erster Roboter in Krankenhäusern eingesetzt
Er empfängt die Patienten in den Kliniken und begleitet diese bei Bedarf auch auf ihr Zimmer
Über 2.000 Pepper wurden allein in Japan verkauft. Foto: Softbank
E
r gilt als smarter und freundlicher Roboter. Pepper ist in Europa angekommen. Gefertigt in Asien und in Frankreich
zusammengesetzt, hat Pepper nun seine
Arbeit in zwei belgischen Krankenhäusern aufgenommen: in Lüttich der menschenähnliche, 1,20 Meter große Pepper
in der Klinik Centre Hospitalier Regional
La Citadelle. In Ostende wird er im Kran-
kenhaus AZ Damien eingesetzt. In beiden bereits in etwa 300 Kliniken unterwegs.
Kliniken dient er momentan vor allem Hier halfen sie bisher vor allem den Pflebeim Empfang. In Ostende darf er die Pa- gekräften. Bisher war Pepper nur in Asien
zum Einsatz gekommen. Erst seit Februar
tienten auch auf ihr Zimmer geleiten.
Pepper erkennt menschliche Stimmen dieses Jahres ist er auch in Europa erhältlich.
in etwa 20 Sprachen und kann zwischen Bisher spricht er Englisch, Französisch,
dem Geschlecht sowie Erwachsenen und Japanisch und Spanisch.
In den ersten Minuten nach der BeKindern unterscheiden. Zudem ist er in
der Lage, Gefühle zu erkennen. Die belgi- kanntgabe wurden Ende 2015 mehr als
sche Firma Zora Bots ist für die Software 1.000 Exemplare des sprechenden Robodes Roboters verantwortlich. Mimik und ters verkauft. Mittlerweile haben mehr
Gestik des Gegenübers helfen Pepper bei als 2.000 Pepper in Japan einen neuen
der Einschätzung der Emotionen. Bei in- Eigentümer gefunden. Das Tablet, das
tensiverem Kontakt mit einer Person ist er Pepper um seinen Hals trägt, soll Bilder
in der Lage, auf diesen noch spezifischer oder andere Informationen zeigen, um
„Peppers Innenleben“ darzustellen, so das
einzugehen.
Entwickelt wurde Pepper von dem Unternehmen.
französischen Unternehmen Aldebaran, das zur
französisch-japanischen
Softbank-Gruppe gehört.
Mittlerweile besitzen der
chinesische E-Commerce
Riese Alibaba und der taiwanische Hersteller Foxconn Anteile an Softbank.
Außerdem gibt es eine
Partnerschaft mit IBM.
Neben Pepper stellt
das Unternehmen auch
andere Roboter her. Eine
kleinere Variante von RoPepper ist in aller erster Linie ein Dienstleister, der Mimik und Gestik zu
botern, Nao, ist weltweit
verstehen weiß.
Foto: Softbank
2
powered by
Ausgabe | 23/16
17 Juni 2016
Forschung
Computer-App macht Ärzten bei Diagnose Konkurrenz
Bei Tests konnte der App-Doktor genauso gute Ergebnisse bei der Diagnose erreichen wie ein Arzt
Check ist die Weiterentwicklung der bisher erfolgreichen App von Babylon.
C
heck heißt eine Software des britischen Unternehmens Babylon, die
entwickelt wurde, um Krankheiten möglichst genau zu diagnostizieren bzw. den
Patienten erste Hilfestellungen zu geben.
Um die Fähigkeiten der App im realen
Leben zu testen, musste diese gegen eine
Krankenschwester und einen jungen Arzt
antreten. Im Test ging es darum, wer die
richtige Diagnose und auch die richtige
Anweisung für den Patienten stellte.
Dabei ging es um die sogenannte Triage,
bei der über die nächsten Schritte für einen
neu eintreffenden Patienten entschieden
wird. Dies kann beispielsweise die Ausstel-
Foto: Babylon
lung eines entsprechenden Rezepts für
die Apotheke sein, aber auch die sofortige
Einweisung ins Krankenhaus bedeuten. Das
Ergebnis der Tests ist verblüffend.
Ein Patient mit Ohrenschmerzen wurde von einer Krankenschwester in eine
Apotheke geschickt, die App empfahl dem
Patienten, einen Allgemeinmediziner aufzusuchen. „Beide lagen richtig, aber Check
hat sich für die vorsichtige Variante entscheiden“, sagt Irwin Nazareth von der UCL.
Der junge Arzt hatte sich ebenfalls für einen
Besuch beim Allgemeinarzt ausgesprochen.
Am Ende hatte die App in keinem der
Fälle falsch entschieden, 90,2 Prozent der
App-Entscheidung wurden sogar als akkurat
eingestuft. Bei den Entscheidungen der
am Test beteiligten Krankenschwestern
und Doktoren waren 73,5 bzw. 77.5 Prozent
akkurat.
„Es gibt keinen Zweifel, dass künstliche
Intelligenz letztlich besser diagnostizieren
wird als ein Arzt“, sagt Ali Parser, der Gründer
des britischen Unternehmens. „Das bedeutet nicht, dass die Ärzte ihre Arbeit verlieren.
Aber es heißt, dass sie mittelfristig wenige
dieser langweiligen Dinge tun werden.“
Die Krankenschwestern und Ärzte sehen die Entwicklung aber etwas skeptischer.
„Es wird Widerstand von denen geben, die
jahrelang gearbeitet und gelernt haben, um
sich so viel Wissen und Erfahrung anzueignen“, sagt eine der Krankenschwestern,
die an dem Test teilgenommen hatte. „Es
ist etwas Neues und wir sind wirklich kurz
davor, dass künstliche Intelligenz ihren Weg
in das Gesundheitswesen findet.“
Die Software, auf der Check basiert, wird
derzeit bereits von 250.000 Menschen in
Großbritannien und Irland genutzt. Ruanda
soll die App auch bald nutzen können, so
das Unternehmen. Bisher bietet sie die
Möglichkeit, über das Smartphone mit
Ärzten direkt via Internettelefonie zu kommunizieren, Arzttermine zu organisieren,
Apotheken etc. zu finden und die eigenen
Vitaldaten zu kontrollieren. Die Kosten für
die App liegen derzeit zwischen 4,99 Pfund
und 7,99 Euro.
Forschung
Medizintechnik: Herzinfarkt mit nur einem Blutstropfen erkennen
Bei einem Herzinfarkt zählt oft jede Sekunde. Nicht selten wird nicht immer gleich ein Herzinfarkt diagnostiziert
D
as Minicare I-20 sieht aus wie ein
gewöhnliches, mobiles Zuckermessgerät und ist auch ähnlich zu handhaben.
Ein kleiner Pieks in den Finger und der
Blutstropfen wird auf ein Blättchen, das im
Gerät festgesteckt ist, geträufelt. Das Gerät
misst dann den Pegel des kardialen Troponin I (cTnI). Die Rede ist von einem speziellen Protein, das nach einem Herzinfarkt
durch den Herzmuskel ins Blut gelangt.
Was sonst bis zu drei Stunden dauert,
ist mit dem Minicare I-20 in zehn Minuten
Gewissheit. Bei Hausärzten kann eine Diagnose
nach den bisherigen Verfahren bis zu sechs
Stunden benötigen. Minicare funktioniert
denkbar einfach:
„Basierend auf der Magnotech-Biosensorik von Philips misst das Minicare I-20 die
Zielmoleküle in sehr niedrigen Konzentrationen (picomolar) im Blut. In der Einwegkassette
sind alle Assay-Reagenzien enthalten. Sobald
die Probe auf die Kassette aufgetragen wird,
wird sie durch Kapillarkräfte automatisch in
die Messkammer gezogen. Der gesamte AssayProzess wird durch die kontrollierte Bewegung
der magnetischen Nanopartikel in der Kassette
mithilfe von Magnetfeldern ausgeführt. Der
Prozess erfasst nur solche Moleküle, die an
die spezifischen Antikörper an den Partikeln
binden. Die aktive Ablaufsteuerung des Assays
3
powered by
Ausgabe | 23/16
mithilfe von Magnetkräften ermöglicht eine
Genauigkeit, die ansonsten nur mit großen
Laboranalysegeräten erreicht wird.“
Der Biomarker Troponin ist besonders wichtig bei Patienten, die mit Brustschmerzen in die Notaufnahme kommen,
aber keine typischen Auffälligkeiten im
Elektrokardiogramm (EKG) zeigen. Hierbei
spricht man von einem nicht-ST-StreckenHebungsinfarkt (NSTEMI).
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind
deutschlandweit die Nummer Eins unter den
Todesursachen. Jedes Jahr erleiden 285.000
Bürger in Deutschland einen Herzinfarkt.
Tatsächlich sterben in den ersten Wochen
nach dem Herzinfarkt doppelt so viele
Frauen wie Männer. Untersuchungen eines
internationalen Forschungsteams an der
Technischen Universität München haben
kürzlich gezeigt, dass ein mutiertes Gen
vor Herzinfarkten schützen kann. Würde
man dieses Gen medikamentös behandeln,
würde das Risiko eines Herzinfarktes um 50
Prozent gesenkt werden: das ANGPTL4 Gen.
Die aktuelle Studie zeigt nun, dass die
Konzentration von Triglyceriden im Blut
nicht nur durch Ernährung und Veranlagung, sondern auch durch das Gen ANGPTL4
beeinflusst wird, so das Team. „Im Zentrum
unserer Daten steht dabei das Enzym Lipoproteinlipase (LPL). Es bewirkt den Abbau
von Triglyzeriden im Blut“ sagt Jeanette
Erdmann. Eigentlich zügelt ANGPTL4 das
LPL-Enzym und infolge dessen steigen die
Fettwerte im Blut an. Die von den Forschern
identifizierten Mutationen schalten die
Funktion dieses Gens aus und sorgen so
dafür, dass der Triglycerid-Spiegel deutlich
abnimmt. „Gleichzeitig haben wir entdeckt“,
so Jeanette Erdmann, „dass der Körper das
ANGPTL4-Gen gar nicht benötigt und auch
17 Juni 2016
Bei einem Herzinfarkt muss schnell reagiert werden. Das neue Gerät soll eine schnellere Diagnose ermöglichen.
Foto: Philips
ohne bestens zurechtkommt. Es scheint
überflüssig zu sein.“ Das Gen auszuschalten oder auf andere Weise das LPL-Enzym
auszubremsen, könnte daher letztendlich
vor Herzinfarkt schützen.
Ebenfalls an der Technischen Universität wird ein anderes Messverfahren entwickelt, um Prognosen für Infarkt-Patienten
zuverlässiger zu machen. Ziel ist es, die
Überlebensaussichten des Patienten zu
messen. Mithilfe von Unregelmäßigkeiten
im Herzschlag beim Ein- und Ausatmen
funktioniert die Messung:
„Bei jedem Einatmen schlägt das Herz
eines gesunden Menschen geringfügig
schneller, beim Ausatmen wird es wieder
langsamer. Grund dafür ist, dass beim
Einatmen ein Effekt abgeschwächt wird,
der das Herz normalerweise auf ungefähr
60 Schläge pro Minute im Ruhezustand
herunterregelt. Dieses Phänomen ist unter
der Bezeichnung respiratorische Sinusarrhythmie bekannt, übersetzt etwa durch
Atmen ausgelöste Unregelmäßigkeit im
Sinusknoten, dem Nervenbündel, das dem
Herz den Takt vorgibt.“
Ist der Körper geschwächt, fallen die
Unterschiede beim Ein- und Ausatmen
deutlich geringer aus. Die Wissenschaftler
der TU konzentrieren sich für ihre Messung
auf das Ausatmen, also den Moment, in
dem die Herzfrequenz gesenkt wird. Durch
unsere Methode wird unser Bild vom Funktionszustand des Körpers viel schärfer“, sagt
Daniel Sinnecker, Erstautor der Studie. „Es
gibt bisher keine andere Methode, die so
spezifisch die vagale Funktion herausarbeitet.“ Die vagale Funktion, also die Aktivität
des Vagusnerves, sei unter anderem dafür
verantwortlich, dass die Herzfrequenz bei
gesunden Menschen wie oben erwähnt
heruntergeregelt werde.
Wirtschaft
Stillstand bei Gesprächen zwischen Bayer und Monsanto
Angeblich kritisiere Bayer fehlendes Engagement, während Monsanto mehr Geld verlange
D
ie Verhandlungen zwischen Bayer
und Monsanto befinden sich nach
Reuters-Informationen derzeit im Stillstand. Der US-Saatgutriese habe rund zwei
Wochen nach der Ablehnung der 62 Milliarden Dollar schweren Bayer-Offerte noch
nicht seine Bücher für die Leverkusener
geöffnet, sagten mit der Angelegenheit
vertraute Personen. Monsanto hatte am
24. Mai erklärt, das aktuelle Bayer-Angebot
sei finanziell unangemessen und bewerte Monsanto deutlich zu niedrig. Zudem
berücksichtige es nicht ausreichend die
finanziellen und regulatorischen Risiken.
Monsanto sei aber bereit für Gespräche
über Möglichkeiten, einen angemessen
Wert für die Aktionäre zu schaffen.
Bayer habe jedoch keine Pläne für eine
höhere Offerte, wenn das Unternehmen
nicht im Gegenzug weitere vertrauliche Informationen von Monsanto erhalte, hieß es
weiter. Der Leverkusener Konzern benötige
Einblick in die Bücher, bevor er über eine
Anhebung des Gebots entscheiden könne.
4
powered by
Ausgabe | 23/16
Bayer habe derzeit nicht vor, ein neues Gebot
für Monsanto abzugeben. Monsantos fehlendes Engagement zeige nicht nur, dass der
amerikanische Saatgutriese Bayers Angebot
für zu niedrig erachte, sondern auch, dass
er es nicht einmal als eine Basis für Gespräche betrachte. Bayer wollte sich nicht dazu
äußern. Bei Monsanto war zunächst keine
Stellungnahme zu erhalten. Das Wall Street
schutzmitteln. Der weltweite Markt für
Mittel zur Bekämpfung von Unkraut und
Schädlingen und Saatgut wird mit Syngenta, Monsanto, Bayer, DuPont Pioneer, Dow
Chemical und BASF nur von wenigen Firmen
kontrolliert. Monsanto war im Sommer mit
seinen Übernahmeavancen bei Syngenta
abgeblitzt. Die Branche ist stark in Bewegung: Syngenta wird vom chinesischen
Bevor Bayer ein höheres Angebot macht, soll Monsanto mehr Daten preisgeben.
Foto: Flickr/ Peter Daniel/CC by 2.0/Crops
Journal hatte zuvor berichtet, dass Bayer eine
neue Offerte zum gleichen Preis unterbreitet
habe. Monsanto habe aber abgewunken.
Monsanto ist bei der Herstellung von
Saatgut weltweit die Nummer Eins, Bayer ist
nach der Schweizer Syngenta die Nummer
Zwei unter den Anbietern von Pflanzen-
Staatskonzern ChemChina geschluckt; in
den USA haben DuPont und Dow Chemical
eine milliardenschwere Fusion angekündigt
und wollen das Agrarchemiegeschäft als
eigenständiges Unternehmen ausgliedern.
Der Chemiekonzern BASF sieht sich
indes von der geplanten Übernahme seines
17 Juni 2016
Kooperationspartners Monsanto durch Bayer nicht beeinflusst. „Wir gehen davon aus,
dass Verträge natürlich eingehalten werden,
wenn es da einen neuen Eigentümer gibt“,
sagte der stellvertretende BASF-Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller auf einer
Pressekonferenz zum Thema Forschung in
Ludwigshafen. Das Geschäftsmodell von
BASF sei davon nicht berührt. „Wir sind nicht
in die Ecke getrieben.“ BASF habe ein sehr
profitables, innovatives Pflanzenschutzgeschäft mit einer vollen Pipeline. „Wir lassen
uns nicht ins Bockshorn jagen von dem, was
um uns herum im Agrosektor passiert.“
Zudem sei das Pflanzenschutzgeschäft von
BASF „auch nicht ganz klein“. Der Konzern
hatte kürzlich das Spitzenumsatzpotenzial
seiner Pipeline im Pflanzenschutzgeschäft
auf drei Milliarden Euro beziffert.
Brudermüller kündigte an, der Konzern
wolle seine Forschung fokussieren und effizienter gestalten. Ziel sei es, mehr Forschung
zu machen mit dem gleichen Geld. „Es kann
nicht ein Automatismus sein, dass immer
nur automatisch die Forschungsausgaben
erhöht werden“, sagte er. „Wir haben auch
Effizienzpotenziale in der Forschung.“ BASF
strebe an, die Erhöhung der Forschungskosten künftig etwas herunterzufahren.
Gleichwohl soll auch in Zukunft „kräftig“
in Forschung und Entwicklung investiert
werden. Wenn aber „eine Idee interessant
ist, aber nicht Zukunftspotenzial zeigt, dann
stoppen wir das Projekt auch nach maximal
einem Jahr.“ Kooperationen würden künftig
noch konsequenter ausgebaut. 2015 gaben
die Ludwigshafener 1,95 Milliarden Euro für
Forschung und Entwicklung aus. Aktuell
umfasst die Forschungspipeline etwa 3000
Projekte.
Politik
Schockbild auf Zigaretten zeigt angeblich Nichtraucher
Eine Frau aus Österreich will auf einem Zigaretten-Schockfoto ihren verstorbenen Ehemann erkannt haben
D
ie EU schreibt für Zigarettenverpackungen neuerdings abschreckende Fotos vor. Seit diesen Mai müssen sie
verpflichtend auf allen Packungen in der
Europäischen Union abgedruckt werden.
Eine Witwe aus Wien will auf einem dieser
Fotos ihren vor zwei Jahren verstorbenen
Ehemann wiedererkannt haben. Der Mann
war allerdings Nichtraucher. Die Frau
schaltet einen Anwalt ein und will nun vor
Gericht, berichtet der ORF. Der Anwalt verschickte bereits an einige Medien Unterlassungsverpflichtungen.
Der Niederösterreicher Franz W. war
Anfang 2014 wegen eines Gehirntumors
zur Behandlung im AKH Wien. Zur gleichen
Zeit sieht seine Frau Johanna ein Schockfoto
in einem TV-Beitrag, das groß eingeblendet
wird. Sie will darauf ihren Ehemann erkannt
haben und ist sich „zu 1.000 Prozent“ sicher,
wie sie dem ORF sagt. Auch über hundert
Freunde und Bekannte aus der kleinen
Gemeinde, aus der der Mann stammte,
wollen ihn erkannt haben – „zweifelsfrei“,
berichtet der ORF.
Ihr Anwalt wendet sich schließlich an
die EU-Kommission. Es folgt ein wochen-
5
powered by
Ausgabe | 23/16
EU-Kommissar Tonio Borg bei der Vorstellung der neuen Tabak-Regelungen.
langer Briefwechsel. Die EU-Kommission
erklärt, dass das nicht Franz W. sei. Für die
Fotos sollen Schauspieler eingesetzt worden
sein, berichtet das österreichische Magazin ZIB2. Auf die Bitte um Belege habe die
Niederösterreicherin lediglich eine Kopie
der Einverständniserklärung eines Mannes
aus Deutschland erhalten, dass seine Fotos
verwendet werden dürfen. Allerdings bleibt
seine Identität aufgrund von Schwärzungen
ungeklärt. Aus Datenschutzgrünen wolle
man die Identität des Mannes nicht preisgeben, so die Kommission.
„Wir haben nicht den Eindruck, dass die
EU-Kommission sich bemüht, das aufzuklären“, beklagt die Wiener Anwaltskanzlei.
Ein Sprecher der EU-Kommission beruft
sich wiederum auf den Datenschutz. Für
die Witwe steht fest. „Ich glaube, dass die
EU-Kommission etwas zu verbergen hat.“
Auch das AKH Wien nimmt dem Sender
zufolge schriftlich Stellung. Das Krankenhaus schließt darin aus, dass die besagten
Bilder in ihrem Haus aufgenommen worden
seien. Keine der dargestellten Utensilien
werde im AKH verwendet.
Gemeinsam mit 130 Mitbürgern aus
Waidmannsfeld will sie weiter gegen die
Verwendung des Bildes vorgehen. Der Europäische Gerichtshof soll klären, ob die
Verletzung von Grundrechten vorliegt. Die
EU-Kommission sieht keinen Handlungsbedarf. Ein Sprecher sagte dem ORF, es komme
eben vor, dass sich Menschen ähnlich sehen
– da könne auch die Kommission nichts
dagegen machen. Der ORF empfiehlt der
EU-Kommission eine bessere Kommunikationsstrategie in dem bizarren Fall.
Etwa 700.000 vermeidbare Todesfälle
in der EU seien jährlich auf Tabakkonsum
zurückzuführen, so die EU-Kommission.
Der wirtschaftliche Schaden liegt bei rund
80 Milliarden Euro. 70 Prozent der Raucher
beginnen damit vor dem 18. Lebensjahr,
94 Prozent vor dem 25. Lebensjahr. Die
Schockbilder sollen dafür sorgen, Tabak für
Jugendliche und junge Erwachsene weniger
attraktiv zu machen. Seit Mai 2016 gelten die
17 Juni 2016
Foto: EU-Kommission
verschärften Regelungen. Seitdem müssen
die Warnhinweise auf Vorder- und Rückseite
65 Prozent der Verpackungen einnehmen.
Auch nikotinfreie, elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter werden durch die
neue Regelung mit nikotinhaltigen Zigaretten gleichgestellt. Diese haben in den vergangenen zwei Jahren gerade bei den Jugendlichen den Status eines Lifestyle-Produktes
erhalten. „E-Zigaretten enthalten zumeist
Nikotin; E-Shishas sind zwar häufig nikotinfrei, jedoch auch mit Nikotin erhältlich“,
so das Deutsche Krebsforschungszentrum
(DKFZ). Diese können als Einstiegsprodukt
zum Rauchen dienen. Bis zu 20 Prozent
der jungen E-Zigarettenkonsumenten sind
Nichtraucher, wobei der Nichtraucheranteil
unter jüngeren E-Zigarettenkonsumenten
deutlich höher ist als unter älteren. Und
E-Shishas werden dem DKFZ zufolge insbesondere von sehr jungen Schülerinnen und
Schülern, die Nichtraucher sind, benutzt. Die
meist süßen Aromen machen die Produkte
besonders attraktiv für junge Menschen.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected].
www.deutsche-gesundheits-nachrichten.de
6