[BOEZ: BZ-UNTERNEHMEN-PRODUKTION <S10> [BOZ -10 ] ... 08.06.16] 10 Börsen-Zeitung Nr. 107 Autor:JUNG 06.06.16 16:17 Unternehmen und Branchen Mittwoch, 8. Juni 2016 Das Ganze ist mehr als die Summe aller Teile Erweiterter Kundenzugang, Unterbeteiligungen, zusätzliche Refinanzierungswege und gemeinsame EDV zahlen sich aus mehr als die Summe aller einzelnen Teile“ bezeichnet – ein im Übrigen zutiefst genossenschaftlicher Gedanke. Übertragen auf die genossenschaftliche Finanzgruppe bedeutet das: Der Verbundnutzen beschreibt zum einen den Nutzen, der den einzelnen Mitgliedern der Gruppe daraus erwächst, dass sie ein Teil Von von ihr sind, und zum Frank M. Mühlbauer anderen den Vorteil, den die Gruppe als Ganzes durch die Verzahnung vieler Einzelner erlangt. Ein genossenschaftlicher Verbundnutzen entsteht also zum Beispiel dann, wenn ein Vorstandsvorsitzender Verbundunternehmen der WL Bank den Ortsbanken ein Produktangebot ermöglicht, das sie selbst in vieler Modeworte – eine eindeutige dieser Form nicht realisieren könnDefinition. In manchen Jahresab- ten. Ebenso ist es ein Verbundnutschlüssen wird er als Summe der an zen, dass die genossenschaftliche Fidie Primärinstitute ausgezahlten Pro- nanzgruppe durch ihren einheitlivisionen und der ausgeschütteten Di- chen Auftritt auf eine hohe Wahrnehvidenden angegeben. Doch er- mung und Wiedererkennbarkeit schöpft sich in dieser quantifizierba- beim Kunden setzen kann. ren Größe bereits der komplette BeVereinfacht formuliert: Der Verdeutungsgehalt des Begriffs? bundnutzen meint das, was das einzelne Mitglied aus seiner Mitgliedschaft zieht, aber auch das, was es Keine Eigenerfindung selbst für alle anderen stiftet. Das Stichwort „Verbundnutzen“ An dieser Stelle soll es speziell um ist keine genossenschaftliche Eigen- den Verbundnutzen gehen, den die erfindung. In der Organisationstheo- sogenannten Verbundunternehmen rie liegt ein Verbundnutzen dann für die gesamte genossenschaftliche vor, wenn der Gesamtnutzen einer Finanzgruppe generieren. Ohnehin Vielzahl von Elementen, die in ei- wird der Begriff häufig auf diese Innem System miteinander verbunden terpretation verkürzt. Das hat insosind, höher ist als der additive Nut- fern seine Berechtigung, weil die Verzen der einzelnen Elemente in einer bundunternehmen sich ganz ausisolierten Betrachtung. drücklich als subsidiäre Dienstleister Dieser Verbundnutzen kann sich ihrer Eigentümer, der Volksbanken in einem Nutzenzuwachs für das ein- und Raiffeisenbanken, verstehen. zelne Element ausdrücken, den es Sie haben den Auftrag, die Primärdaraus zieht, dass es Teil des über- banken vor Ort bei der Bewältigung greifenden Ganzen ist. Er kann aber solcher Aufgaben zu unterstützen, auch im Nutzenzuwachs des Ganzen die die Kompetenzen des einzelnen erkennbar werden, der aus der Kom- Instituts aufgrund beschränkter Respetenzverknüpfung der einzelnen sourcen, regulatorischer EinschränElemente entsteht. kungen oder per definitionem übersteigen. Auf diese Weise kann in der genossenschaftlichen Finanzgruppe Zulässige Sichtweisen jede Volksbank beziehungsweise Beide Sichtweisen sind zulässig Raiffeisenbank auf Produkte und und beschreiben im Prinzip das, was Know-how der Verbundpartner zuder Volksmund mit „Das Ganze ist rückgreifen und ihren Kunden die geBörsen-Zeitung, 8.6.2016 Der Begriff „Verbundnutzen“ wird in der genossenschaftlichen Finanzgruppe in den letzten Jahren immer häufiger bemüht, um den strukturellen Vorteil der Gruppenorganisation zu umschreiben. Allerdings fehlt ihm – damit teilt er das Schicksal samte Angebotspalette einer Allfinanz-Bank bereitstellen. Am Beispiel der genossenschaftlichen Hypothekenbanken soll die Vielfalt des Verbundnutzens aufgefächert werden, den Verbundunternehmen stiften können. Natürlich zählen die eingangs erwähnten Provisionen für vermitteltes Geschäft innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe dazu – gerade die Immobilienfinanzierer zahlen hier einen seit Jahren steigenden Betrag (Beispiel WL Bank: 2013: 21,7 Mill. Euro, 2014: 25,3 Mill. Euro, 2015: 39,3 Mill. Euro). Vielzahl weiterer Effekte Doch gibt es darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Effekte aus der Kooperation von Verbundunternehmen und Ortsbanken, die einen Verbundnutzen darstellen. So macht die Kompetenzcenter-Funktion einzelner Verbundunternehmen Erfahrungen und Fähigkeiten auf einem Spezialgebiet für die Primärinstitute nutzbar. Das gilt für das Immobilienfinanzierungsgeschäft, in dem alle drei genossenschaftlichen Pfandbriefbanken aktiv sind. Hier generieren die Verbundunternehmen seit „Ein genossenschaftlicher Verbundnutzen entsteht also zum Beispiel dann, wenn ein Verbundunternehmen den Ortsbanken ein Produktangebot ermöglicht, das sie selbst in dieser Form nicht realisieren könnten.“ Jahren steigende Geschäftsvolumina mit ihren Partnerbanken. Besonders die Baufinanzierung durch private Investoren wird neuerdings stärker über vertriebsstützende Instrumente (etwa das „Investorenbarometer“ der WL Bank) angetrieben. Dies gilt aber ebenso für die Kommunalfinanzierung, die derzeit in der genossenschaftlichen Finanzgruppe vor allem durch die WL Bank betrieben wird. Dieses Geschäftsfeld wird für die Volksbanken und Raiffeisenbanken in jüngster Zeit immer attraktiver, so dass die hohe Bekanntheit und die bundesweite Marktdurchdringung der WL Bank hier einen signifikanten Beitrag zur Kompetenzstärkung der Primärbanken leisten können. Gemeinsam bilden Volksbanken, Raiffeisenbanken und Verbundunternehmen ein breites Produktspektrum für den öffentlichen Kunden und zugleich die vom Kunden gewünschte regionale Nähe und Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten ab. Bei der WL Bank wurden 2015 rund drei Viertel des Neugeschäfts zusammen mit den Volksbanken Raiffeisenbanken bearbeitet. Diese profitieren von der Zusammenarbeit nicht nur beim Erstgeschäft, sondern auch bei Folgeabschlüssen. Ökonomischen Nutzen generiert diese gemeinsame Marktbearbeitung vor allem dann, wenn schlanke Prozesse zu beiderseitigen Kostenund Ablaufvorteilen genutzt werden können. Im Fall des Geschäfts mit den öffentlichen Kunden gewährleistet die WL Bank dies durch die Übernahme der kompletten Abwicklung von der Angebotsstellung bis zur Vertragsabwicklung. Auch die technische Integration in das gemeinsam genutzte Kernbankverfahren bietet unabhängig vom Geschäftsfeld enorme Potenziale für Verbundnutzen, weil sie Redundanzen und manuelle Nachbearbeitungen ebenso vermeiden hilft, wie sie Zeit und Aufwand spart. In der Immobilienfinanzierung entspricht die WL Bank durch die Vollintegration in bank21 und agree bereits heute den Zielvorstellungen des BVR für den einheitlichen Baufinanzierungsprozess in der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Auch die Weiterentwicklung gemeinsam genutzter IT durch Verbundunternehmen zählt selbstverständlich zum Verbundnutzen. Langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit früher den, heute dem genossenschaftlichen Rechenzentrum erleichtert es, auf allen Ebenen wir- kungsvolle Verbesserungen zu realisieren und erforderliche Nachjustierungen schnell umzusetzen. Dafür ist eine tiefe Integration des Verbundunternehmens selbst in das Verfahren mehr als sinnvoll. Aus diesem Grund bereitet die WL Bank diese Vollintegration auch für das künftige System agree21 mit Hochdruck vor. Nächster Schritt auf dem Weg dorthin ist die geplante eigene Migration auf das bestehende agree, die bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der bestehenden Kundenverbindungen über bank21 durchgeführt wird. Bilanzstrukturmanagement Zum Verbundnutzen gehört außerdem das Angebot der Verbundunternehmen zum Bilanzstrukturmanagement, beispielsweise mit Hilfe einer strukturierten Unterbeteiligung der Volksbanken Raiffeisenbanken an großvolumigen Finanzierungen. Damit wird den Partnern in der genossenschaftlichen Finanzgruppe eine Möglichkeit für zusätzliches Aktivgeschäft eröffnet, die ihnen ohne die Verbundunternehmen verschlossen bliebe. Anders als im Konsortialgeschäft ist die Unterbeteiligung ein optionales Angebot – wenn auch wegen der Niedrigstzinsen derzeit sehr attraktiv. Das heißt, die Finanzierung wird durch das Verbundunternehmen auch im Fall fehlender Beteiligungsbereitschaft gewährleistet und hängt nicht davon ab, ob sich Beteiligungspartner finden. Verbundweite Rahmenverträge erleichtern die Identifizierung potenzieller Beteiligter, über Workflow-Systeme wird das gesamte Processing so weit standardisiert, dass eine weitestgehende Automatisierung von der Geschäftsanbahnung bis zur -abwicklung erreicht wird. Manuelle Schnittstellen und Abstimmungen sollten möglichst reduziert sein, um einen zügigen und fehlerfreien Ablauf sicherzustellen. Über ihre Refinanzierungswege führen die drei genossenschaftlichen Hypothekenbanken der eigenen Finanzgruppe außerdem externe Liquidität zu. Die WL Bank hat als größter Pfandbriefemittent der Gruppe (25,4 Mrd. Euro) im Geschäftsjahr 2015 ein Refinanzierungsvolumen von 5,5 Mrd. Euro erreicht. Allein von den ersten Benchmark-Emissionen des Jahres 2016 wurden über vier Fünftel bei nichtgenossenschaftlichen Investoren platziert. Der Zugang zu Investoren außerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe stiftet somit einen weiteren Verbundnutzen. Nicht zu unterschätzen ist auch der Aspekt der strategischen Liquidität der Finanzgruppe: Der Pfandbriefmarkt hat in der Finanzkrise Sta- „Der Verbundnutzen meint das, was das einzelne Mitglied aus seiner Mitgliedschaft zieht, aber auch das, was es selbst für alle anderen stiftet.“ bilität bewiesen. Der Zugang der Primärinstitute verbreitert das Refinanzierungspotenzial im Verbund und stellt einen weiteren Beitrag zu dessen Krisenfestigkeit dar. Zukünftig soll den Volksbanken und Raiffeisenbanken mit Hilfe der WL Bank der Zugang zu Pfandbriefmitteln eröffnet werden, ohne selbst den Weg zum Pfandbriefinstitut gehen zu müssen. Zusammen expandieren Tiefenintegration in die gemeinsame EDV, erweiterter Kundenzugang, Unterbeteiligungen der Volksbanken und Raiffeisenbanken, zusätzliche Refinanzierungswege – all dies macht aus unserer Sicht den Verbundnutzen durch die Verbundunternehmen aus. Er entsteht aus der historisch gewachsenen oder strategisch geplanten Verzahnung quantitativer und qualitativer Faktoren. Sie bilden eine wichtige Triebfeder für die genossenschaftliche Finanzgruppe, mit der wir auch in Zukunft gemeinsam wachsen wollen.
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